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LOPHOPHORA-ROLLSCHUHBAHN

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Nachdem er seine Literaturliste für die absehbare Zukunft auf die Sprachen beschränkt hatte, die er studierte, und zwar auf die Dichtung dieser Sprachen, diverse religiöse Studien über koptische Sekten, Buddhismus, die Veden und die Beatpoeten, nahm er sich vor, ab sofort keine Romane mehr anzurühren. Er hatte das Gefühl, dass ihm in den kommenden Jahren ganz einfach die Zeit fehlen würde, Romane zu lesen. Zwar kam es noch vor, dass er sich in den Seiten von Kerouacs On the Road verlor, aber er konnte der Versuchung widerstehen, sich allzu lang damit abzugeben. Joyce dagegen, ja, das war ein Dichter von rechtem Schrot und Korn, und unser junger Mann fand, dass es durchaus angemessen war, hier länger zu verweilen.

Seine Weigerung, sich mit zeitgenössischer Prosa zu befassen, lief auf eine Katastrophe hinaus, die sich fünfzehn Jahre später offenbarte, als er sich selbst an ein paar Romanen versuchte. Sogar Literaturkritiker, die er zu seinen besten Freunden zählte, fühlten sich außerstande, sie in der sonntäglichen Literaturbeilage der New York Times zu rezensieren.

Er lebte von fünf Dollar die Woche, die für Spaghetti, altes Brot und Hühnerklein draufgingen — Herz, Hals, Flügel und Bürzel gab’s auf der Avenue A für fünfundzwanzig Cents das Pfund; was er sonst noch brauchte, organisierte er frühmorgens, wenn die Lieferwagen ihre Ladungen vor den noch geschlossenen Supermärkten deponierten. Seine Bude an der Vierten Straße Ost war ein verkommenes Dreizimmer-Apartment voller Dreck und Ungeziefer. Er liebte seine Bude. Er hatte sie mitsamt den Möbeln von einem Polizisten gemietet, der als Vermittler für die Vormieterin fungierte, die man vor Kurzem in eine Heilanstalt gebracht hatte. Die gesetzlich vorgeschriebene Miete für die Wohnung betrug achtzehn Dollar, aber der Bulle knöpfte ihm glatt achtundvierzig Dollar dafür ab.

Wollte man in jenen Tagen eine Wohnung ergattern, lief das folgendermaßen ab: Die Village Voice erschien offiziell mittwochs, aber schon am Dienstagnachmittag wurden am Sheridan Square die ersten Exemplare ausgeliefert. Man stand also zwischen all den andern Wohnungssuchenden, fiebrig wie Junkies, die auf ihren Dealer warten, und wenn dann der Laster mit der Zeitung kam, grabschte man sich eine und rannte damit, ohne auch nur einen Blick in die Anzeigen zu werfen, in den Tabakladen gegenüber, wo es ein paar Telefonzellen gab. Sobald man in der Zelle war und die Tür hinter sich zugeknallt hatte, konnte man die Wohnungsangebote überfliegen und dann sofort telefonieren. Innerhalb einer Minute nach Auslieferung der Voice hatte Sam schon eine Verabredung mit dem Vermieter der besagten Bude an der Vierten Straße Ost, und es war kaum eine halbe Stunde seit dem Telefongespräch vergangen, da hatte er sie auch schon gemietet — ohne zu wissen, dass der Vermieter ein Bulle war.

In der Bude lagen zahllose Briefe von der Vormieterin herum, die sie alle mit »Nancy Löwenherz« unterzeichnet hatte; es waren lange Liebesbriefe, die sie an einen »König Richard Löwenherz« gerichtet hatte. Anscheinend hatte der Bulle seine Finger im Spiel gehabt, als man sie in die Anstalt schaffte. Eines Tages kam ein Brief von der Mietaufsichtsbehörde, der an Officer Smekolsk adressiert war. Der junge Mann konnte nicht widerstehen und machte ihn auf — und erfuhr, dass man die gesetzlich zulässige Miete für seine Bude von sechzehn auf achtzehn Dollar angehoben hatte. Das bedeutete, dass der Bulle pro Monat dreißig Piepen illegal absahnte! Ein schneller Seitenblick auf seine Dope-Vorräte überzeugte Sam jedoch, dass es gewiss besser war, dem Bullen keine Schwierigkeiten zu machen.

Die Möbel ließ er so stehen, wie er sie vorgefunden hatte, und die Briefe von Nancy Löwenherz packte er alle sorgfältig in eine Ecke, für den Fall, dass sie irgendwann mal aus der Anstalt abhauen konnte. Die Bude war die reinste Kakerlakenfarm und er hatte weder Zeit noch Lust, alles ständig sauber zu halten, also beschränkte er sich auf seinen Schreibtisch, sein Bett und die mittlere Schublade vom Küchentisch. Die Messer und Gabeln aus der Schublade beförderte er kurzerhand in die Badewanne, was bedeutete, dass er das Zeug jedes Mal beiseite räumen musste, wenn er ein Bad nehmen wollte. In der ausgeräumten obersten Schublade brachte er seinen Dope-Vorrat unter: Hasch, Junk, Speed, Zigarettenpapier und Nadeln.

Sein ganzes Interesse galt Büchern, Dope, Kicks und seinen Freunden. Seit drei Jahren hatte er weder Fernsehen geguckt noch Radio gehört, abgesehen von gelegentlichen mitternächtlichen Jazzsendungen. Zeitungen? Die konnte man gut als Kopfkissen gebrauchen, wenn man in der U-Bahn oder auf ’ner Parkbank ein kleines Nickerchen halten wollte. Die Welt des Time Magazine existierte für ihn überhaupt nicht, Mann! So kam’s, dass ihn die Erfindung des Twists ohne jede Vorwarnung überrumpelte. Eines Nachmittags, als er vollgeknallt nach Hause stolperte, kam er an ein paar puerto-ricanischen Kids vorbei, die zum Sound eines schrill plärrenden Kofferradios auf dem Gehsteig Twist tanzten. In seinem Apartment drehte er dann sofort das Radio an und versuchte den Sender zu finden. Schließlich kriegte er WMCA rein, wo sie eine irre Scheibe mit dem Titel »The Lone Twister« spielten und die heisere Heulboje jaulte: »I’m the lone twista ...!«

»Hey Mann, genau das bin ich auch, ein lone twister!« rief sein Zimmergenosse Wilfred von nebenan; er zurrte gerade die Binde um seinen Oberarm, dann schoss eine Wolke von Blut in den Tropfer, Wolf drückte den Gummiball zusammen und der Stoff schoss ihm in die Vene. Wilfred war gerade dabei, sich durch de Ropps »Drugs and the Mind« hindurchzuarbeiten, die Bibel aller Dope-Schlucker, und er probierte alles aus, was er zwischen die Finger kriegen konnte.

Beispielsweise hatten die beiden vor, eine Ladung Peyote anzutesten. Es war offenbar völlig legal, wenn man sich Lophophora williamsii, den Peyotekaktus, per Post von den Kaktusfarmen in Texas und im Südwesten orderte, und in diesem Jahr kauten die Mäuler in der Lower East Side auf einer wahren Flut von Peyoteknollen. Erst gestern war Sam zur Stuyvesant-Station geschlurft und hatte ein Päckchen von der Kaktusfarm abgeholt.

Als es dann schließlich losgehen sollte, war Sam allein. Wilfred war verschwunden, auf Kundschaft oder Klautour oder Dope auftreiben, weiß der Teufel, was er gerade wieder ausheckte. Kurz vorm Weggehen meinte er nur noch, Sam solle doch ruhig schon mal ohne ihn abfahren. Nachdem er fünf dunkle Kapseln mit Peyotekrümeln verschluckt hatte, legte sich unser junger Dichter lang und wartete auf den Anfall von Übelkeit, der, wie es hieß, oft gleich nach dem Einnehmen auftritt. Er merkte allerdings nichts davon, doch innerhalb weniger Minuten hatten die Götter alle Lichter des Peyote angeknipst. Er schaute sich im Zimmer um und entdeckte überall Farben und Farbschattierungen, die ihm vorher noch nie aufgefallen waren. Dann schaute er hoch und fixierte die kupferfarbene Verkleidung um den Sockel der Lampenfassung an der Decke. Normalerweise war das Kupfer nichts anderes als ein schwacher Schimmer im brüchigen Stuck der Zimmerdecke, aber dank Lophophora glühte dort oben jetzt ein wahnwitziges Feuer. Er konnte sich gar nicht mehr losreißen und starrte minutenlang in das flammende Kupfer.

Man hatte ihm geraten, die Augen zuzumachen und auf die Peyoteblitze zu warten, die genauso aussehen wie Ezechiels große wirbelnde Gottesräder. Also schloss er die Augen und wartete. Aber statt Ezechiel über den Weg zu laufen, machte er einen mächtigen Zeitsprung, und plötzlich flimmerte wie im Traum Mr. Roddles 49er-Plymouth über seinen inneren Bildschirm. Seine Schulkameraden von 1952 saßen darin und waren unterwegs zur Rollschuhbahn in Bluff River, Colorado. Wie zum Teufel kam die Rollschuhbahn hierher? Spielte da eigentlich auch gar keine Rolle — er fühlte sich prächtig, genau wie in einem kleinen futuristischen Kino, wo sein eigenes Biotape über die Leinwand huschte. Und plötzlich murmelte er sogar: »Fahr’s ab, oh Zeus, na mach schon!«

Mr. Roddles blauer Plymouth hatte raue braune Schonbezüge über den Sitzen, solche, wo es einem immer kalt über den Rücken läuft, wenn man mit dem Fingernagel drüberkratzt. Sam sah jetzt das Innere des Wagens und da saßen die Kids mit ihren Rollschuhen auf dem Schoß. Dann sah er plötzlich sich selbst und wie er einen Arm um die Schultern seiner Freundin Annie Thornton gelegt hatte. Annie Thornton! Die er seit Ewigkeiten nicht gesehen hatte! Annies Vater fuhr den anderen Wagen mit Rollschuhläufern. Sam erinnerte sich jetzt wieder: Auf diese Weise hatte er immer dafür gesorgt, dass Annies Vater ihn nicht im Rückspiegel dabei erwischte, wie er mit seiner Tochter herumschmuste. Er hatte es auch jedes Mal geschafft und so lange auf sie eingeredet, bis sie mit ihm zusammen bei Mr. Roddle mitfuhr. Als Annies Gesicht jetzt in voller Lebensgröße vor ihm erschien, fühlte er wieder diese schmerzliche Leere in seinem Bauch, genau wie damals vor acht Jahren, als er noch nicht der runtergekommene Beatnik von heute war. Sie war dunkelblond und hatte feine blonde Härchen auf den Unterarmen. Schon damals mit zwölf war sie eine Schönheit gewesen, und sie jetzt wiederzusehen, so echt, als ob sie vor ihm stünde, brachte ihn ganz aus der Fassung. Leiden musst du, Beatnik, leiden!

Annie und Sam hatten ungefähr fünf Jahre lang beim gleichen Lehrer Klavierunterricht gehabt. Ja, das war’s, wo er sie zum ersten Mal gesehen hatte: Sieben Jahre alt, mit Locken bis zum Po, saß sie vor den Tasten und quälte sich durch einen dieser schrecklichen Klavierabende, die die Schüler in regelmäßigen Abständen für ihre Eltern veranstalten mussten.

Plötzlich fielen Sam auch die alten Filme ein, die er immer Samstag nachmittags mit Annie Thornton angeschaut hatte. Ihr Vater saß meistens weiter hinten und er mit ihr immer ganz vorn, in der dritten Reihe. Ihre weißen Jeans, die gestärkte weiße Bluse, die sie in der Taille verknotete. Ihr Haar. Das Popcorn. Die heimlichen Zigarettenraucher, die sich ganz tief in die Sitze verkrochen, wenn sie ihre ersten Lucky Strikes pafften. Der Schweiß auf seiner Handfläche, wenn sie herzklopfend Händchen hielten. Was für eine sagenhafte Mischung von Düften!

Er erinnerte sich noch gut daran, wie er eines Tages zum ersten Mal seinen Arm um ihre Schultern gelegt hatte, voller Angst, dass sie ihn wegstoßen würde. Stattdessen lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter, der reine Wahnsinn! Und was konnte je das Gefühl übertreffen, das er hatte, wenn sie seine Hand umklammerte? Ja, war denn das möglich, dass ein Beatnik-Trio, das sich auf Meskalin splitternackt auf der Matratze hin und her wälzte, es kaum mit diesem Schauder beim Händchenhalten aufnehmen konnte, den er damals in der Nachmittagsvorstellung eines Durango-Kid-Streifens empfunden hatte?

Die Zwölf- und Dreizehnjährigen luden sich seit Kurzem gegenseitig zu ihren Parties ein. Ein paar gingen sogar zusammen in die Tanzschule: organisierter und sanktionierter Körperkontakt — anderthalb Stunden Foxtrott, Box Step, Jitterbug, zwei Cola und spätestens um zehn wieder nach Hause. Die Alten hatten natürlich alles unter Kontrolle. Irgendwelche Fummelaktionen waren völlig undenkbar. Wenn die anderen ein paar »schwache« Eltern dabei erwischten, dass sie Knutschereien auf den Parties duldeten, war der Teufel los. Sam erinnerte sich an diese spezielle Party, wo sie ganz spontan ein Spiel erfunden hatten. Es hieß »Pick-a-leg«. Die Leute teilten sich in zwei Hälften und eine davon setzte sich auf die Fenstersimse und ließ die Beine runterbaumeln. Die aus der andern Hälfte grapschten sich jeder ein Bein raus. Dann folgten fünf Minuten Streicheln und Knutschen in dem stockdunklen Raum. In der nächsten Runde gab es dann neue Beine und neue Schmusereien. Eines Tages packte die Streberin der Klasse bei ihren Eltern aus, und aus war’s mit den Parties.

Als Lösung des Problems kamen die Eltern auf die Institutionalisierung von Rollschuhpartien, die von nun an alle vierzehn Tage stattfanden. Sollten die kleinen Bastarde doch da ihr Mütchen kühlen!

Clommers Rollschuhbahn lag direkt an der Grenze zwischen Kansas und Colorado. Der Besitzer hieß Walt Clommer und war ein lokaler Sportsheld. In dieser Zeit stand er auf dem Höhepunkt einer steilen Karriere als Baseball-Spieler in der Oberliga und bereitete sich langsam darauf vor, seine restlichen vierzig Jahre als Manager einer Rollschuhbahn, eines Molkereibetriebes und eines Gebrauchtwagenhandels abzureißen. Seine Tochter Sophie wurde 1957 oder 1958 Miss Colorado.

Als Mr. Roddle den Wagen auf den Parkplatz lenkte, kam Leben in die Kids. Sam hatte keine Ahnung mehr, was zwischen ihrer Ankunft und dem Moment lag, als er sich drinnen die Rollschuhe anschnallte. Er sprang aus dem Auto und rannte schnurstracks zum Eingang. Die nächsten zwei Stunden versprachen nichts als Vergnügen: keine Politik, keine verborgenen Bedeutungen, keine Eltern, keine bösen Blicke — kurz, keine Spur von Frust.

Clommers Rollschuhbahn machte einen ziemlich verwahrlosten Eindruck und hätte dringend einen neuen Anstrich nötig gehabt. Es kostete fünfzig Cent Eintritt und noch mal fünfunddreißig, wenn man Rollschuhe ausleihen wollte. Der Saal war riesig, aber das ganze Ding wurde nur von einem einzigen scheppernden Ofen irgendwo in der hintersten Ecke beheizt. Ein wackliges, niedriges Holzgeländer begrenzte die Bahn, dahinter standen Holzbänke, auf denen die Läufer sich ausruhen konnten. Und nebenan war der Erfrischungsraum mit seiner glorreichen Snackbar, die vollgestopft war mit Milky Ways, Popcorn, Hotdogs, Cola und sprudelnder Orangenlimonade.

Die Musik kam von immer den gleichen Schallplatten mit Orgelkonzerten. Am hinteren Ende der Bahn stand ein zylindrischer Apparat, der anzeigte, welche Tanzart auf der Bahn gerade an der Reihe war. Es war einfach eine Wachstuchrolle mit einem Griff an der Seite, und an dem musste man drehen, wenn man ein anderes Programm einstellen wollte. Der Manager glitt ständig über die Rollschuhbahn und brachte die Burschen wieder auf Trab, die aus lauter Übermut aus dem Strom ausscherten. Jedes Mal, wenn die Musik aufhörte, blies er in die Trillerpfeife, die er um seinen Hals baumeln hatte. Dann rollte er zu seinem Apparat hinüber und drehte so lange an dem Griff, bis er ein neues Programm gefunden hatte, das ihm zusagte: Paare, Trios, Damenwahl, Walzer und so weiter.

Sam war ein miserabler Rollschuhläufer. Ritsch! Ratsch! Ritsch! Ratsch! übte er. Meistens stolperte er über seine eigenen Füße, statt einfach zu gleiten. Kurven brachte er am Anfang überhaupt nicht zustande, und manchmal rutschte er dabei aus, fegte quer über die Bahn, krachte in das blanke Holz, — uff! — und baumelte mit dem Oberkörper auf der anderen Seite des Geländers. Die Fläche hatte zahllose Kratzer und Kerben, und immer hing eine feine Staubschicht darüber. Kein Wunder, dass er immer von oben bis unten dreckig wurde, wenn er wieder mal hinknallte. Dann schlich er schamrot in die nächste Toilette, um sich zu waschen, denn er hasste es wie die Pest, bei der feinen Annie Thornton den Eindruck eines Schmutzfinken zu hinterlassen.

Bei jeder Rollschuhpartie trainierte er verbissen Sprünge und Pirouetten. Annie Thornton konnte natürlich viel besser Rollschuhlaufen als er, kein Wunder, sie war ja auch die bessere Klavierspielerin. Seufzend malte Sam sich aus, wie er eines Tages mit ihr laufen wollte, mit verschränkten Armen Hand in Hand dahingleiten und sich in halsbrecherische Pirouetten stürzen!

Die wirklich guten Teenagerpärchen kreuzten im Partnerlook und mit zusammengehörigen Pompons an den Spitzen ihrer Rollschuhe auf. Der Junge hatte dann zum Beispiel einen rotweiß gestreiften Pullover an und das Mädchen ein rotes und weißes Kostüm. Sam träumte damals von nichts anderem als dem Tag, wo er mit Annie im Partnerlook laufen würde — sie legte ihren Arm um seinen Hals, und er schob seine Hand unter den Gürtel auf ihren Rücken, und sein Freundschaftsring baumelte auf ihrer Brust.

Gegen Schluss der Party verließ Mr. Roddle plötzlich die Rollschuhbahn und ging hinaus zu seinem Plymouth. Er setzte sich hinein und ließ den Kopf auf das Steuerrad sinken. Sam konnte sich nicht erinnern, vor acht Jahren jemals rausgekommen zu sein und Mr. Roddle so ins Auto steigen zu sehen. Irgendwas lief hier verkehrt. Dann sah er, wie Mr. Roddle anfing zu schluchzen. Er konnte sich garantiert nicht entsinnen, ihn je so gesehen zu haben. Eine Frau kam von der Rollschuhbahn herüber und lief auf das Wagenfenster zu. »Irgendwas muss jetzt endlich geschehen!« schrie sie. Dann packte sie Mr. Roddle am Arm und schüttelte ihn. »Hör auf damit!«, fuhr er sie an. In diesem Moment fiel die Peyotevision plötzlich auseinander — grade, als die Wagentür aufging und Mr. Roddles Bein sichtbar wurde.

Beim ersten Klopfen an der Tür löste sich die Rollschuhbahn in Luft auf, und Sam landete wieder in der Vierten Straße Ost des Jahres 1960. Er fand sogar die Tür. Draußen stand Wilfred, sein Zimmergenosse, mit einem ganzen Schwung von Fotokopien unterm Arm. Wilfred hatte neulich damit angefangen, seine Träume in Kurzschrift aufzuschreiben. Die stenographierten Notizen fotokopierte er dann und verteilte sie auf der McDougal Street, wobei er den Touristen natürlich so ganz nebenbei auch noch ein paar Cents aus der Tasche lockte.

Wilfred schlurfte zum Küchentisch, holte seine Utensilien aus der Besteckschublade, kochte seinen Stoff auf, zurrte die Binde fest, setzte sich einen Schuss und ging dann rüber ins Schlafzimmer, wo er das Radio andrehte und die Frequenzen nach der Saxofon-Raserei, dem Geheule und Gejaule, der Rebellion des Saxofons absuchte.

Sam kehrte auf sein Feldbett zurück und versuchte, sein Biotape mit der Rollschuhpartie drauf wiederzufinden, aber die Vision war inzwischen so undeutlich wie eine Fotokopie in der zehnten Generation. Keine Rollschuhbahn. Keine Teeniepartys des Jahres 1952. Stattdessen breitete sich vor seinen Augen ein schachbrettartiges Plateau aus, das bis in den Horizont hineinreichte, und weit hinten in der Ferne sah er aus der Form geratene Blasen aufsteigen, sich verbinden, verschmelzen und wieder aufsteigen. »Ich bin eine atomare Kartoffel. Ich bin die grüne Fledermaus in einer purpurroten Höhle.« Er fing an zu lachen. »Ich bin der Handabdruck auf einer verkohlten Mauer.« Er rollte sich auf seinem zerwühlten Bett mit dem Gesicht zur Wand, aber die zuckenden Blasen hörten nicht auf ... zu steigen ... und wieder zu versinken ...

»Hey Wilf! «, schrie er. »Komm her und guck dir diese Blasen an!« Er brüllte vor Lachen. »Mach weiter! Weiter!!«

Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition)

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