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KAPITEL 2 SCHÖN, MICH ZU SEHEN VIERZEHN JAHRE SPÄTER
ОглавлениеEs war eine verschneite Nacht in den Bergen Japans. An einen der Berge schmiegte sich eine dreistöckige Pagode mit geschwungenen Dachvorsprüngen und erleuchtete die Umgebung. Zwei Yakuza-Wachleuchte – von der sogenannten „japanischen Mafia“ – drehten ihre Runden … und nörgelten über die Kälte.
„Mann, ihr habt so recht!“ Eine Stimme überraschte die beiden. „Es ist KALT!“
Die beiden Yakuza-Wachleute richteten ihre Waffen auf Spezialagent Lance Sterling, den besten Superspion der Welt. Selbstverständlich trug er wie immer seinen eleganten Smoking. Er hob die Hand zu einem höhnischen Gruß und fuhr sich dann über das perfekt gestylte schwarze Haar.
„Hi, Leute. Konnichiwa. Wie geht’s, wie steht’s?“
Beide Wachleute schüttelten ihre Waffen und schrien auf Japanisch wild durcheinander.
„Hey, okay, okay. Ist doch alles in Ordnung. Bleibt cool, so wie der Schneemann da drüben. Seht ihr ihn? In weniger als einer Minute wird er eure Waffen in den Händen halten, und wir werden alle gemeinsam lachen. Und dann hau ich euch beide um.“
Die beiden Wachen schauten zu dem Schneemann, der vor wenigen Augenblicken ganz bestimmt noch nicht dagestanden hatte. Sie schauten sich an, dann Agent Sterling – aber Lance war weg.
„Hallöchen!“, rief Lance. Er stand jetzt bei dem Schneemann. Wie ein Blitz schoss er auf die Wachen zu und ließ, mit einem rasanten Handkantenschlag, die Pistole des einen zum Schneemann fliegen. Ein schneller Kick an die Waffe des anderen, und schon flog auch dessen Pistole in die Arme des Schneemanns.
„Haha. Seht ihr? Hat das nicht Spaß gemacht?“ Lance schaute den Wachen in die Gesichter, dann stieß er ihre Köpfe aneinander, dass sie taumelnd in den Schnee sanken. Im Weggehen hörte Lance ein PLATSCH und drehte sich um: Von den Dächern der Pagode waren Tauben aufgeflogen, und eine hatte einem Wachmann auf den Kopf gekackt.
Lance verzog das Gesicht und murmelte: „Uah, das hast du nicht verdient. Ratten mit Flügeln, sag ich.“ Dann setzte er seine Hightech-Agentenbrille auf, schaltete sein Funkgerät ein und sagte: „Ich bin in Position.“
Weit weg, in einem Kontrollraum, leuchteten überall Bildschirme auf und zeigten, wo Lance sich befand: Karten, Infrarot-Bilder, Bilder von Lance’ Action-Cam – alles, was dem wertvollsten Mitarbeiter der Agency, also der Spionageagentur, half, seine Mission auszuführen.
„Was haben Sie für mich, Freudlos?“ Nur Lance traute sich, der Direktorin der Agency, Director Frieda Freud, diesen Spitznamen ins Gesicht zu sagen.
„Sie wissen, dass ich es hasse, wenn Sie mich so nennen“, schnappte sie prompt zurück.
„Ach, ein bisschen Spaß muss sein.“ Lance nahm drei Knöpfe von seinem Anzug ab und warf sie in die Luft – es waren kleine Drohnen. Die Mini-Fluggeräte sirrten umher und filmten Lance’ Umgebung.
„Wie ist Ihre Situation?“, fragte Director Freud.
„Ich krieg die Bilder gerade rein.“
Etwas in einem Video, das eine der Drohnen filmte, erregte Freuds Aufmerksamkeit. „Gehen Sie da näher ran, 10 Uhr.“
Mit seiner Hightech-Agentenbrille folgte Lance der Richtung, die ihm Freud wies. Er drückte einen Knopf, zoomte das Bild näher und sah nun einen Berg von einem Mann, der an einem Tisch saß und, wie es aussah, seine vierte Mahlzeit des Tages zu sich nahm.
„Katsu Kimura.“ Lance seufzte, als er ihn erkannte. „Unser aller Lieblings-Waffendealer …“
Durch das Funkgerät hörte er, wie Freudlos nach Luft schnappte, und er stellte sich vor, wie sie jetzt auf den Bildschirm deutete. „Da! Die Aktentasche, das ist Ihr Ziel.“
Lance stellte den Zoom seiner Spezialbrille noch schärfer und sah eine Aktentasche aus Titan auf einem Beistelltisch neben Kimura. „Das sieht einfach aus.“
Die Stimme der Direktorin war finster, als sie im Kontrollraum auf und ab ging. „Da drin befindet sich die M-9 Assassin, die erste halb automatische Angriffsdrohne.“ Während sie sprach, huschten Bilder von der fliegenden Assassin-Drohne über die Bildschirme, auch Lance empfing sie mit seiner Spezialbrille. „Sie zieht ihre Energie aus der Atmosphäre. Immer einsatzbereit. Verfehlt niemals ihr Ziel.“
„Also ein unaufhaltbarer Killer-Roboter, der selbst denkt. Wahnsinn! Wir sollten solche Dinger herstellen”, sagte Lance sarkastisch.
„Haben wir schon.“ Die Direktorin seufzte. „Nämlich diese Drohne in dem Koffer. Sie haben sie aus unserem geheimen Waffenlabor gestohlen.“
Lance beobachtete Kimura, doch da schickte ihm einer seiner fliegenden Knöpfe eine Bildübertragung zur Brille: Drohne drei zeigte einen ganzen Bildschirm voller Yakuza-Wachleute, die sich rund um die Pagode aufstellten. Die Agentin, die im Kontrollraum den Monitor von Drohne drei überwachte, sagte: „Director Freud, ähm, da kommt grad was rein.“ Sie deutete auf den Bildschirm. „Ich entdecke siebzig weitere Angreifer in der Umgebung.“
Freud rieb sich die Nase und kniff die Augen zusammen. Harte Fälle wie dieser waren der Grund, warum man sie zur Direktorin gemacht hatte. „Uh, nicht wieder so ein Fiasko wie in Kirgistan“, murmelte sie. Sie blickte noch einmal auf den Bildschirm, dann traf sie ihre Entscheidung.
„Lance, hören Sie“, hörte der Superagent Director Freud über das Funkgerät. „Sie haben siebzig Yakuza auf den Hacken. Rückzug.“
Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Spions. „Damit stehen meine Chancen doch besser als sonst. Jetzt oder nie, Frieda.“
„Nein, gehen Sie nicht rein!“, befahl Director Freud. „Dieses Mal warten Sie auf das Verstärkungsteam.“
„Team?“, sagte Lance. Er winkte die Drohnen heran. „Da kennen Sie mich aber schlecht. Ich arbeite solo.“
Mit diesen Worten fing er die drei Drohnen nacheinander mit einer Hand auf. Frieda wurde blass, denn sie wusste, was Lance vorhatte – und dass er sich nicht davon abhalten lassen würde.
„Warten Sie, Lance, hören Sie mir zu.“ Doch es war zu spät.
Lance hatte die Verbindung seiner Drohnen und seines Funkgeräts schon unterbrochen. Sämtliche Bildschirme im Kontrollraum zeigten nichts mehr als schwarz-weißes Ameisenrennen.
Im riesigen Gemeinschaftsraum in der Pagode hingen unzählige Yakuza herum. Einige schärften ihre Schwerter, andere spielten Karten, während sich wieder andere in der alten Kunst des Glücksspiels versuchten. Mitten in ihrem Versteck ragte ein gigantisches Zweihunderttausend-Liter-Aquarium in die Höhe, mit exotischen Fischen, Spielzeug-Schlössern und …
Superagent Lance Sterling in einem Hightech-Taucheranzug! Aufmerksam beobachtete er das Geschehen.
Er entdeckte Kimura, und – viel wichtiger – den Aktenkoffer. Schon legte er einen genialen Plan in seinem Kopf zurecht, als ihn mit einem Mal ein lautes PING aus den Gedanken riss und ein rotes Signal auf einem Bildschirm eines Yakuza-Wachmanns erschien.
Kimura erhob sich augenblicklich und wandte sich seinen Yakuza-Leuten zu. „Der Käufer ist da. Los!“
Sofort kam Bewegung in die Yakuza. Zwei von ihnen liefen hinaus, um „den Käufer“ in Empfang zu nehmen. Auf wundersame Weise übersahen sie alle in dem Durcheinander Lance im Aquarium.
„Oh“, sagte er. Dass noch jemand zu dieser lauschigen Party kommen würde, hatte der Superagent nicht erwartet. „Welch überraschende Wendung.“
Draußen vor der Pagode beobachteten die beiden Yakuza-Männer einen schlanken Helikopter, der im Schnee landete. Sobald er den Boden berührte, sprang ein großer breitschultriger Mann heraus. Bei seinem Anblick umklammerten die beiden Yakuza ängstlich ihre Waffen. Noch beängstigender war die metallene Roboterhand, die der Mann zur Faust ballte, als er an den Wachmännern vorüberschritt. Ihre ehrfürchtige Verbeugung ignorierte er und stampfte auf die Pagode zu, als wäre er hier zu Hause.
Als er den Raum betrat, nickt ihm Kimura zu. Die Yakuza sprangen sogleich zur Seite, um dem Mann Platz zu machen. „Killian“, murmelte Kimura.
Killian stellte sich an das andere Kopfende des langen Tischs, gegenüber von Kimura. Er langte in seine Jackentasche, zog einen ausgebeulten Samtbeutel hervor und ließ ihn ohne Umstände quer über die glänzende Tischplatte schlittern. Kimura fingerte einen großen Diamanten heraus und betrachtete ihn. Zufrieden nahm er den Aktenkoffer mit der Assassin-Drohne und ließ sie seinerseits auf Killian zugleiten, der ihn mit seiner Roboterhand auffing.
Im Aquarium konnte Lance zwar nicht verstehen, was die Männer sagten. Er konnte nur das Geschehen beobachten. Und das reichte ihm, um zu wissen, dass diese beiden die Bad Guys, die Bösen, waren. „Es wird Zeit, dass ich mich vorstelle“, wisperte Lance einem vorbeischwimmenden Fisch zu.
Er holte einen Audio-Blaster hervor und scrollte durch die Playlist, bis er den Song fand, den er suchte: „Killer Beatz.“ Lächelnd drückte er „Play“. Bässe begannen zu dröhnen, während der Audio-Blaster auf die Aquariumwand zutrieb, bis …
BUUUMM!
Die Scheibe des Aquariums zersprang, Wasser flutete in einer tsunamiartigen Welle den Raum. Lance schälte sich aus seinem Taucheranzug und zeigte seine perfekte Erscheinung: Sein Smoking hatte nicht eine einzige Falte. Er grinste und winkte die Yakuza herbei. Sollten sie doch versuchen, ihn zu fangen!
Sofort sprangen zwei Yakuza auf ihn zu, doch Lance hielt schon zwei Hummer in den Händen und steckte sie seinen Angreifern auf die Nasen. Ein anderer rannte mit einem Stuhl auf ihn zu, doch schneller, als er gucken konnte, war Lance um ihn herumgetänzelt, hatte den Mann auf den Stuhl gesetzt und wie ein Päckchen verschnürt.
„Wissen Sie, woran man erkennt, dass du der beste Spion der Welt bist?“, fragte Lance lächelnd und glitt auf Kimura und Killian zu.
„Sterling. Lance Sterling“, ächzte Kimura.
„Genau. Jeder kennt deinen Namen.“ Sein Lächeln verschwand, als er Killian anblickte. „Ich bräuchte diesen Koffer.“
Mit einem Brüllen kippte Kimura den Tisch um. „Nur über meine Leiche!“
Lance hatte vergessen, wie riesig Kimura war. Jetzt stampfte der weit über zwei Meter große Riese, der jeden Sumoringer in den Schatten stellte, wie ein wütender Stier auf ihn zu. Unbeeindruckt machte Lance einen Schritt beiseite, sprang mühelos über den Koloss von einem Mann und verpasste ihm einen Karate-Handkantenschlag in den Nacken.
Stöhnend verdrehte der Riese die Augen und sackte bewusstlos in sich zusammen. Krachend landete er auf dem Boden. Die umstehenden Yakuza flohen erschrocken aus der Pagode in die Nacht.
„Kaum hundert Gramm Druck auf den Vagusnerv, und schaut ihn euch an, euren Helden“, erklärte Lance den restlichen Umstehenden, bevor er sich wieder Kimura zuwandte. „Schlafen Sie schön!“
Doch hier ging es nicht um Kimura, seine Mission hatte ein anderes, ein höheres Ziel. Lance blickte Killian in die Augen. „Der Koffer. Würde es Ihnen etwas ausmachen, ihn aus der Hand zu geben?“
Killian lächelte Lance kalt an, dann machte er auf den Fersen kehrt und rannte aus der Pagode.
„Was denn, was ist denn los?“, rief ihm Lance nach. „War es der Witz mit der Hand?“
Lance schoss einen Pfeil mit Beruhigungsmitteln auf Killian ab, doch der fing ihn mit seiner Roboterhand aus der Luft und warf ihn achtlos beiseite. Plötzlich drehte sich Killian um, umgriff mit der Metallhand Lance’ Hals und hob ihn in die Höhe. Ein Laser strahlte aus seinem linken Auge und scannte Lance’ Gesicht, während er zum ersten Mal zu sprechen begann.
„Sie erinnern sich nicht an mich, oder?“
Die tiefe, eiskalte Stimme des Mannes brachte Lance einen Moment lang aus der Fassung.
„Na ja, was soll ich sagen?“, haspelte er. „Ich treffe viele böse Jungs.“
„Ich werde Ihnen Schmerzen zufügen, wie Sie sich es nicht einmal vorstellen können“, fuhr der Mann finster fort.
Lance wand sich im Griff der Roboterhand und konnte endlich mit den Fußspitzen den Boden berühren. Dort zappelte ein Aal aus dem zertrümmerten Aquarium herum. In einer einzigen Bewegung nahm ihn Lance auf die Spitze seines Schuhs und schleuderte ihn auf die Roboterhand. Die Elektrizität des Aals sirrte, Stromstöße blitzten auf, und kurz erschlafften die Roboterfinger – lang genug für Lance, um sich aus dem Griff zu befreien.
Killian riss die Tür auf und befahl die verbliebenen drei Dutzend Yakuza in den Raum.
„Macht, dass es wehtut“, sagte er nur, während er mit dem Koffer in der Hand die Pagode verließ.
Die Yakuza-Armee umzingelte Lance. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet mit Schwertern, Messern, Äxten, Knüppeln und anderen tödlichen Waffen. Langsam kamen sie auf Lance zu, der Kreis wurde immer kleiner. Lance hob die Hände und blickte sie an.
„Okay, okay“, sagte er ruhig. „Ihr wollt es auf die harte Tour? Dann los!“
Mit dem Rücken zur Wand, zog Lance ein Feuerzeug aus der Tasche. Warnend schüttelte er den Kopf, als die Yakuza auf ihn zielten.
„Das wird richtig dreckig“, sagte er. Damit zog er die Kappe vom Feuerzeug und warf es, wie eine Handgranate, in die Mitte der heranrückenden Yakuza. Er machte sich auf eine mächtige Explosion gefasst, dann …
PFFT!
Eine kunterbunte Glitzerwolke füllte die Luft über den Yakuza und bildete im selben Augenblick ein holografisches Bild von zwei spielenden Kätzchen. Das Hologramm tanzte durch den Raum und lenkte dabei die ganze Armee ab: Die meisten Yakuza hatten die Waffen gesenkt und glotzten, die Köpfe im Nacken, lächelnd in die Luft. „Ah! Oh!“, machten sie verzaubert.
„Was zum –“ Lance schüttelte die Verwunderung ab, denn schon hörte er, wie der Motor des Helikopters startete und die Rotorblätter sich zu drehen begannen.
Lance musste hier raus, und der Weg nach draußen führte nach oben. Er schaute sich um und entdeckte einen riesigen Gong, der von der Decke hing. Er riss die Fliege vom Hals und schleuderte sie wie einen Wurfstern gegen die Ketten des Gongs. Rasiermesserscharfe Klingen sprangen aus der Fliege hervor und zerschnitten die Metallketten.
Das dröhnende BOOOOONNNNGG riss die Yakuza aus ihrer Kätzchen-Verzauberung, sie wandten sich wieder Lance zu, der inzwischen den Gong wie einen riesigen Schild vor sich hielt, um ihre Attacken abzuwehren.
Als er in der Mitte des Raums stand, warf er eine winzige Manschettenknopf-Bombe unter den Gong und stellte sich selbst darauf. Verdutzt hielten die Yakuza inne.
Lance warf ihnen sein Markenzeichen-Lächeln zu. „Hey, hey, nehmt die Niederlage nicht so schwer, Leute. Ich meine, ihr habt eure Sache gut gemacht. Und immerhin habt ihr Lance Sterling getroffen!“
FWUUUUMM!
Die Manschettenknopf-Bombe explodierte und schickte Lance auf dem Gong wie in einem Hochgeschwindigkeitsaufzug in die Höhe.
Perfektes Timing ist alles! Lance raste genau auf Killians Hubschrauber zu, der schon drauf und dran war zu entkommen. Lance sprang in den offenen Hubschrauber, schnappte sich den Aktenkoffer mit der Assassin-Drohne und ließ sich zur anderen Seite des Helikopters wieder ins Freie fallen, während er sich zu Killian umdrehte und ihm einen spöttischen Abschiedsgruß zuschickte.
Killian lächelte nur auf seine ihm eigene Weise, dann drehte er mit dem Helikopter in die entgegengesetzte Richtung ab, statt den Superagenten zu verfolgen.
„Huch, der gibt ja leicht auf“, wunderte sich Lance und zog an einer verborgenen Strippe an seinem Smoking. Zwei Gleitflächen öffneten sich unter seinen Armen und ließen ihn durch die Luft segeln, den Aktenkoffer in der Hand.
Mission erfüllt.