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KAPITEL 3 MATSCHGESICHT UND DER LEERE KOFFER

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Es war allseits bekannt, dass jedes Jahr um die 24 Millionen Menschen nach Washington, die Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Amerika, reisen, um sich dort das weltberühmte Reflexionsbecken anzusehen: Den sogenannten Reflecting Pool, in dem sich das hohe, schlanke Washington Monument im glatten Wasser spiegelte. Weniger bekannt war hingegen, dass sich unter diesem Reflexionsbecken die Agency, eine supergeheime Spionage-Agentur, befand, die rund um die Uhr für die Sicherheit der Nation sorgte.

Die Agency war das schnittigste Gebäude der Hauptstadt, wenn nicht der ganzen Welt. Edelstahl umrahmte Wände voller Touchscreen-Technik, die Bilder vom gesamten Globus übertrugen. Der Agency entging nichts. Hier hatten sogar die Wände Augen. Doch in diesem Moment waren alle Augen auf eine Person gerichtet.

Lance Sterling hatte das Gebäude betreten.

„Er kommt“, flüsterte eine ältere Dame vom Sicherheitspersonal ehrfürchtig. Andere Agenten brachen in spontanen Applaus aus.

„Ja, eure Sinne täuschen euch nicht. Er ist es wirklich. Ja, danke, danke schön!“ Lance lächelte und winkte mit der einen Hand, in der anderen trug er den Aktenkoffer.

Er glitt durch die Menge wie der Direktor persönlich, und es war nicht zu übersehen, dass jeder hier ein Held wie Lance Sterling sein wollte. Und jeder hier würde alles geben, um von ihm ein Lob oder einfach nur seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Er war ein Superstar: der Beste, der Schlaueste, und jeder – auch Lance – wusste das.

„H-hallo, Agent Sterling“, rief ihm ein pummeliger Agent zu. „Sie sehen super aus!“

Lance winkte zurück. „Du siehst auch nicht schlecht aus, Steve.“

„Ich heiße Dave“, murmelte der Agent zu leise, als dass Lance es hätte hören können.

Zwei jüngere Agenten, die Lance noch nie zuvor getroffen hatte, brachten den Mut auf, sich ihm in den Weg zu stellen.

„Guten Morgen, Sir“, sagte der eine nervös.

„Freunde! Alles klar?“ Lance ballte die Hand zur Faust und stieß die Knöchel freundschaftlich an die Faust des jungen Mannes. „Fist-Bump, ja!“, sagte er lächelnd und lief weiter.

Hinter sich hörte er noch, wie sich die beiden jungen Männer aufgeregt unterhielten.

„Hast du das gesehen, Mann?“, sagte der Mann, der den Fist-Bump bekommen hatte.

„Wasch. Dir. Nie. Wieder. Diese. Hand“, sagte der andere und meinte es vollkommen ernst.

Lance war nun am Aufzug und trat beiseite, um drei Agenten herauszulassen, die ihn im Vorbeigehen groß anglotzten.

„Ja, geht weiter. Alles gut“, feuerte er sie an.

„Willkommen zurück, Lance“, sagte einer der drei.

Lance trat nun allein in den Fahrstuhl. „Danke, danke.“

Die Türen glitten zu, und Lance hatte endlich einen Augenblick für sich, den er nutzte, um seinen Smoking zu richten. Eine Glitzerwolke flog auf und zeigte zwei Kätzchen, die mit einem Wollknäuel spielten. Lance’ Gesicht verfinsterte sich.

„Dafür kriegt jemand Ärger.“

Die Tür zum Techniklabor, in dem all die Superagenten-Geräte entwickelt wurden, flog auf. All die Techniker, die konzentriert an in Besen versteckten Maschinengewehren, Laserstrahl-Springseilen, Säure verspritzenden Tintenfüllern und anderen tödlichen Waffen arbeiteten, sprangen erschrocken auf.

„Oh, Agent Sterling!“ Die leitende Technikerin rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her.

Lance klopfte nochmals seinen Smoking ab. Die Glitzerkätzchen tanzten in der Luft. Die Techniker lachten.

Die leitende Technikerin betrachtete den Glitzer und nickte wissend. „Walter Beckett“, sagte sie, und alle deuteten in eine Ecke im Labor.

Dort saß, von allen unbeachtet, Walter Beckett und brachte ein knopfgroßes Gerät an einer wundervollen, doch etwas merkwürdig aussehenden Puppe – halb Einhorn, halb Manati-Seekuh – an.

Unitee hat dich lieb“, sagte sie.

„Okay, Unitee“, sagte Walter zu der Puppe. „Stell dir vor … eine hypothermale Explosion ist drauf und dran, dein Gesicht wegzuschmelzen! Aber was ist das? Ein Gadget, das dich auf Knopfdruck mit einer Sicherheitsdruckkammer umhüllt und absichert? Kann das funktionieren? Bislang noch nicht, aber wer weiß!“ Er hielt eine Fernbedienung hoch. „Okay, Versuchstag neun, Test Nummer 32.“

Doch Test Nummer 32 wurde von einem lautstarken „Ähem“ unterbrochen.

Ein Mann stand direkt vor Walters Schreibtisch. Als er ihn erkannte, fiel Walter fast vom Stuhl.

„Agent Ster–“ Er räusperte sich und stand auf. „Agent Sterling? Oh, hi. Wow, also … Walter Beckett, sehr erfreut, Sie –“

Lance klopfte nochmals auf seinen Smoking und schickte damit spielende Glitzerkätzchen in die Luft. Walters Gesicht leuchtete auf.

„Ooooh … Moment, Sie haben es benutzt? Hat es funktioniert? Waren sie alle –“

„Du hast meine Sachen angefasst“, sagte Lance ruhig lächelnd.

Walter wurde ganz aufgeregt. „Okay, okay, sehen Sie. Ich weiß, es ist unkonventionell, aber …“

Lance legte dem jungen Erfinder eine Hand auf die Schulter und drückte ihn sanft in den Stuhl zurück.

„Hör mal zu, Kleiner. Also, ich bin da draußen, weißt du, rette die Welt oder mach ähnlich große Sachen. Das ist mein Job.“

Walter nickte zustimmend. „Hmmm, große Sachen, klar.“

„Und das läuft nun mal nur dann richtig glatt, wenn ich Sachen habe, die genau das machen, was ich von meinen Sachen erwarte …“

„Jupp.“ Walter streckte beide Daumen hoch.

Lance fuhr fort: „Wie zum Beispiel explodieren. Schau, da draußen muss ich Feuer mit Feuer bekämpfen. Denn wenn du versuchst, Feuer mit Glitzer zu bekämpfen …“ Er lehnte sich weit vor und flüsterte Walter ins Gesicht: „… dann könnte es passieren, dass mein Gesicht verbrennt.“

Völlig unbeirrt flüsterte Walter zurück: „Aber das ist nicht passiert, weil das Glitzerkätzchen funktioniert hat.“

Lance fiel die Kinnlade herunter, doch er fasste sich schnell. „Weißt du, was noch besser funktioniert? Eine Granate.“

Walter verzog das Gesicht und beäugte Lance kritisch. „Das ist aber ganz schön brutal, finden Sie nicht?“

Lance lief ungeduldig auf und ab auf der Suche nach einer Möglichkeit, zu diesem Superhirn hier durchzudringen. „Das ist doch genau der Punkt. Du kannst die Welt nicht mit einer Umarmung retten, Wilson.“

„Ich heiße Walter. Und was, wenn es doch ginge?“ Mit diesen Worten griff er nach dem Unitee und steckte ihm ein Gerät an die Brust, bevor er es Lance präsentierte. Dann drückte er auf die Fernbedienung, und das Gerät entfaltete eine aufblasbare Umarmung in Form einer riesigen weichen Blase um das Unitee herum.

„Es handelt sich um eine Art Körperschutzvorrichtung, die ich entwickelt habe“, sagte Walter selbstbewusst.

In der darauffolgenden Stille war nur die Luft zu hören, die zischend aus der aufblasbaren Umarmung entwich. Langsam, ganz langsam verlor die Blase ihre Form.

Lance zog eine Augenbraue hoch und schüttelte den Kopf. „Das ist eine äußerst widerliche Verschwendung von Steuergeldern.“

„Ich will doch nur sagen, dass man mehr bewirken kann, wenn man Menschen zusammenbringt, als sie in die Luft zu jagen. Und wenn ich Sie überzeugen kann, können wir zusammen die ganze Agency überzeugen.“

Doch Lance hatte sich schon abgewandt. „Fass nie mehr meine Sachen an!“, rief er über die Schulter im Weggehen.

„Okay, okay!“ Doch plötzlich hatte Walter eine Idee. Er griff nach seinem Rucksack und rannte Lance hinterher zur Tür hinaus. „Nein, warten Sie, warten Sie!“

Am Aufzug holte er Lance endlich ein. „Bitte schließen Sie nicht diese Tür!“

Lance drückte hektisch auf den „Tür-zu“-Knopf, doch nichts tat sich. „Kein Interesse, Kleiner.“

„Bitte, Sie müssen mir zuhören!“, sagte Walter, während sich die Türen schon schlossen. In einem gewagten Hechtsprung schoss er vor – nur um mit dem Rucksack zwischen den Türen eingeklemmt zu werden.

„Was immer es ist: Nein!“

Die Türen quetschten Walter und seinen Rucksack immer weiter zusammen, sodass der Reißverschluss aufsprang und Gadgets, Stifte und Obst herausflogen.

Intuitiv fing Lance einen Kugelschreiber auf, einer von der Sorte mit mehreren Druckknöpfen, um verschiedene bunte Minen auszuwählen.

Endlich war Walter im Aufzug, und die Türen schlossen sich. Hektisch sammelte er sein Zeug auf und stopfte es in den Rucksack zurück, dabei wurden seine Augen immer größer vor Aufregung. Das war seine Chance, um Lance Sterling auf seine neueste Riesenerfindung heißzumachen – und er hatte nicht vor, sie zu vermasseln.

„Ich habe zu Hause an dieser unfassbaren Sache getüftelt, wissen Sie. Das wird die Welt der Spionage für immer verändern.“ Erwartungsvoll ließ er Lance Zeit zu fragen, worum es sich handelte. Als er nichts dergleichen tat, fuhr Walter unbeirrt fort: „Stellen Sie sich vor, ich könnte Sie … Trommelwirbel bitte … VERSCHWINDÖÖN LASSÖÖN.“

Lance blickte ihn ungläubig an. „Verschwinden lassen?“

„Nein, VERSCHWINDÖÖN LASSÖÖN!“, wiederholte Walter dramatisch.

„Wieso sagst du das so schräg?“, wollte Lance misstrauisch wissen.

Walter grinste. „Für den Effeeek-t!“, sagte er und gestikulierte wild mit den Armen. „Ich nenne sie biodynamische Tarntechnologie. Bumm!“

Lance deutete auf sein Gesicht und lachte. „Verschwinden lassen? Das alles? Ha, niemals.“

„Ich meine“, fuhr Walter fort, während Lance mit dem Kugelschreiber, dem Multi-Pen, in seiner Hand herumspielte, „Sie bräuchten keine kugelsichere Weste mehr oder Manschettenknopf-Bomben. Sie würden nirgends mehr auffallen. Was wäre, wenn Sie total …“

ZACK!

Ein Schockstrahl schoss aus dem Multi-Pen und traf Walter, der zu Boden stürzte und dort reglos liegen blieb. Er konnte keinen Muskel mehr rühren.

„... unsiiii-b-ohh …“ Seinen Satz konnte er auch nicht mehr zu Ende sprechen. Seine Zunge hing heraus, und Spucke tropfte ihm aus dem Mundwinkel.

Lance machte einen Schritt rückwärts und betrachtete das schlaffe Knetmännchen, in das er Walter verwandelt hatte. „Oh, wow, Alter … Was für’n Schlamassel!“

Die Muskeln in Walters Arm erlangten immerhin wieder genug Kraft, dass er ihn heben konnte, als sich die Aufzugtüren öffneten.

„Warten Sie! Warten Sie!“, rief er Lance nach – und war froh zu hören, dass seine Aussprache wieder deutlich war. „Schauen Sie, Sie sind der größte Spion der Welt. Kein Mensch hört sich meine Ideen an oder gibt mir eine Chance. Aber wenn Sie …“

Lance beugte sich herunter und drückte ihm den Multi-Pen in die schlaffe Hand, während der junge Mann den Superspion weiter anbettelte: „Gemeinsam können wir was bewegen und einen Unterschied machen.“

„Einen Unterschied? Junge, ich bin der Unterschied. Wenn ich sage, ich will eine Granate, dann machst du mir eine Granate. Kriegst du das gebacken?“, fragte Lance ernst.

Walter gab sich alle Mühe, den Kopf zu schütteln. „Es gibt einen besseren Weg“, beharrte er.

Lance blickte enttäuscht auf ihn herab. „Falsche Antwort, Willy. Du bist gefeuert.“

Die Fahrstuhltüren öffneten und schlossen sich immer wieder – Walters schlaffer Körper hing in der Lichtschranke. „Nein, warten Sie! Bitte feuern Sie mich nicht!“

Doch es war zu spät. Der Superspion der Agency war schon gegangen.

Der Konferenzraum der Agency wimmelte vor Menschen, als Lance eintrat. Topagenten, Techniker und Beamte waren alle versammelt. Mittendrin stand Director Freud am Kopfende eines langen Tischs.

Lance stellte vorsichtig den Koffer auf einen Tisch neben ihr.

„Mission erfüllt!“

Er schlenderte lässig zur gegenüberliegenden Seite des Tisches und ergötzte dabei alle Umstehenden mit der erschütternden Erzählung seines knappen Entkommens, während Director Freud mit einem Wink einen Techniker aufforderte, den Code des Koffers zu knacken, um ihn zu öffnen.

„Oh Mann, ich sag euch, das war eine meiner besten Aktionen! Ich war Feuer und Flamme. Kämpfe, Explosionen, schlagfertige Witze.“

Der Techniker schob Director Freud den geöffneten Koffer zu. Lance goss sich derweil schwungvoll einen Kaffee ein.

„Lance“, sagte Director Freud kurz angebunden.

„Ich musste durch einen fliegenden Helikopter durchspringen!“

„Lance“, wiederholte sie mit Autorität in der Stimme.

Lance blickte sich um und versuchte immer noch, allen zu erklären, wie großartig er bei dieser Mission gewesen war. „Es … ich war … Stimmt doch?“

„LANCE.“

Damit hatte sie seine volle Aufmerksamkeit. Er wandte sich der Direktorin zu und bemerkte, dass sie in der Tat sehr „freudlos“ aussah, wie sie so auf den Koffer blickte.

„Hm?“, fragte er eingeschüchtert. Denn in diesem Ton hatte die Direktorin noch nie zu ihm gesprochen.

Director Freud drehte den Koffer um, sodass Lance sehen konnte, was sich darin befand. Oder viel mehr, was sich nicht darin befand. Alle im Raum schnappten nach Luft.

„Bitte sagen Sie mir, dass Sie eine Erklärung dafür haben, warum der Koffer leer ist“, sagte Director Freud durch ihre zusammengebissenen Zähne.

„Ich weiß, warum“, sagte eine Frau, die nun den Raum betrat. Sie wirkte streng, zugeknöpft und sehr geschäftlich. Das machte ihr kühles Lächeln nur noch nervenaufreibender, und die Worte, die nun folgten, jagten allen Schauder über die Rücken:

„Weil er die Drohne gestohlen hat.“

Spione Undercover

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