Читать книгу Der Rabe - Эдгар Аллан По, Marta Fihel - Страница 10
2. Version
ОглавлениеEinst in mitternächt’ger Stunde,
Als ob lang vergess’ner Kunde
Ich in alten, netten Bänden
Grübelte, das Herze schwer,
Und ich nickend kaum noch wachte,
Plötzlich ich zu hören dachte
Klopfen an der Tür es sachte.
„Ein Besucher ist es, der
Angeklopft!“ so sagt’ ich murmelnd,
„Ein Besucher ist es, der
Klopft, – nur dies – und sonst nichts mehr.“ –
O mir dünkt noch völlig klar es –
In Dezembers Bleiche war es –
Sterbend jeder Aschefunken
Malte Geister rings umher;
Heiß ersehnte ich den Morgen,
Denn umsonst strebt’ ich zu borgen
Aus den Büchern Trost für Sorgen
Um Lenore, die nicht mehr;
Um das strahlend holde Mädchen,
So genannt im Engelheer –
Hier einst namenlos so sehr.
Und das dunkle, traurig-milde
Rauschen seidnen Vorhangs füllte
Mich mit Schauer, mit phanthast’schem
Grausen, nie gefühlt vorher;
Sodass, meines Herzens Schlagen
Zu besänft’gen, ich mit Zagen
Wiederholte: „Anzufragen,
Ob nicht unwillkommen er,
Klopft noch später ein Besucher,
Ob nicht unwillkommen er,
Einlass wünschend – sonst nichts mehr!“
So mein Herz zur Ruhe bracht’ ich –
Und nicht länger zögernd sagt’ ich:
„Monsieur oder Madame – wahrlich,
Um Vergebung bitt’ ich sehr;
Doch die Wahrheit ist, ich wachte
Kaum noch recht, – und so ich dachte,
Da ihr klopftet nur so sachte,
Mich getäuscht hat mein Gehör!“
Drauf die Türe öffnet’ weit ich –
Ja – mich täuschte mein Gehör –
Nacht war draußen – sonst nichts mehr!
Tief dann in das Dunkel schauend,
Stand ich lange, staunend, grauend,
Zweifelnd, träumend, wie noch nimmer
Sterblicher gewagt vorher;
Aber Nichts brach’s tiefe Schweigen,
Und das Dunkel gab kein Zeichen;
Nur „Lenore“ klang’s im weichen
Flüsterlaute leis daher.
Ich sprach selbst es, und ein Echo
Klang „Lenore!“ leis daher –
Einzig dies – und sonst nichts mehr!
Mich zurück ins Zimmer ziehend,
Meine Seele tief erglühend,
Hört’ ich wieder bald ein Pochen,
Etwas lauter, als vorher.
„Sicher, sprach ich, ist es, dass es
An das Fenster klopfte, – lass’ es
Darum mich erforschen, was es, –
Schweig’, mein Herz, dass ich erklär’
Dies Geheimnis, nur ’ne kleine
Weile, dass ich es erklär’,
’s ist der Wind – und sonst nichts mehr!“
Öffnet’ drauf ich’s Fenstergatter,
Als ins Zimmer mit Geflatter
Stattlich schritt herein ein Rabe
Aus vergangnen Zeiten hehr;
Nicht zum Gruß sich beugt’, noch bog er,
Keinen Augenblick verzog er,
Nein, vornehmer Miene flog er
Über meine Tür’, wo er
Saß, auf einer Büst’ der Pallas,
Grad’ ob meiner Tür’, wo er
Saß sich spreizend – sonst nichts mehr.
Und der nächt’ge Vogel machte,
Dass mein trübes Herze lachte
Über’s würdige Decorum
Seiner Mien’, gedankenschwer.
„Ob gestutzt dir, sagt’ ich, immer
Sei der Kamm, bist du doch nimmer
Alter Rab’, gespenstig grimmer,
Zieh’nd vom nächt’gen Strande her;
Sag’, welch’ stolzen Namen trägst du
Vom Pluton’schen Strande her?“
Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“
Ob des täpp’schen Vogels war ich,
Sehr erstaunt, als also klar ich
Hört’ ihn sprechen, ob die Antwort
Dunkel auch, bedeutungsleer;
Denn ich musste mir gestehen,
Wie es wohl noch nie geschehen,
Dass ein Sterblicher gesehen
Solchen Vogel, steif und hehr,
Sitzend auf der Büste über
Seiner Türe, steif und hehr,
Der geheißen: Nimmermehr!
Doch der Rabe, dort alleine,
Einsam sitzend, sprach das eine
Wort nur, als ob seine Seele
In dies Wort gegossen wär’;
Weiter Nichts hervor er brachte,
Kein Geräusch’ ’ne Feder machte,
Bis ich, kaum gemurmelt, sagte:
„Andre Freunde floh’n vorher!
Morgen wird er mich verlassen,
Wie mein Hoffen mich vorher!“
Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“
Ich erschrak, als ward gebrochen
Durch das Wort, so klar gesprochen,
Jetzt die Stille: „Sicher, sagt’ ich,
All sein Vorrat ist’s, den er
Aufgeschnappt bei einem armen
Meister, welchem ohn’ Erbarmen
Unglück folgte, bis des Armen
Lieder mit dem Wort, so schwer,
Schlossen all, und seines Hoffens
Grablied mit dem Wort, so schwer,
Schloss mit: Nimmer-Nimmermehr!“
Doch da stets der Rabe machte
Dass mein krankes Herze lachte,
Alsogleich mit meinem Polster
Nach der Türe macht’ ich Kehr;
Dann aufs Kissen nieder sank’ ich,
Träume so an Träume schlang ich,
Und vertiefend mich, dacht’ lang ich,
Was der Vogel ungefähr,
Der gespenst’ge, hagre, grimme
Unglücksvogel ungefähr
Meine, krächzend: Nimmermehr.
Also grübelnd, sinnend lag ich;
Doch kein Wort zum Vogel sprach ich,
Dessen feur’ge Augen brannten
Mir ins tiefste Herz – und schwer
Von Gedanken, ließ ich neigen
Sich mein Haupt dann auf den weichen
Samt des Kissens, dass der bleichen
Lampe Schimmer mich nicht stör’,
Auf den Samt, darauf sich neigen,
Dass sie’s Lampenlicht nicht stör’,
Sie ach, wird doch nimmermehr!
Dann schien süßer Duft zu mengen
Mit der Luft sich, als ob schwängen
Engel ein unsichtbar Rauchfass,
Deren Fußtritt träte hehr;
„Armer! rief ich, Gott dir wendet
In den Engeln, dir gesendet,
Trost zu, dass dein Leid geendet
Um Lenore; leer’ drum, leer’
Des Vergessens Trank – gedenke
Ihrer nimmer, leer’ ihn, leer!“
Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“
„Du Prophet, sprach’ ich, ohn’ Zweifel
Dies, ob Engel, oder Teufel,
Sprich, ob der Versucher sandt’ dich,
Ob dich Sturm hat von dem Meer
Einsam, aber ohne Zagen
An dies öde Land verschlagen,
In das Haus des Grams – und sagen
Sollst du mir – ich bitt’ dich sehr:
Gibt’s – o gibt es Trost in Gilead?
Sag’s getreu – ich bitt’ dich sehr!“
Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“
„Du Prophet, sprach ich, ohn’ Zweifel
Dies, ob Engel, oder Teufel,
Bei dem Himmel ob uns, bei dem
Gott, dem geben wir die Ehr’:
Künde dieses Herzens Bangen,
Ob in fernem Reich umfangen
Wird ’ne Maid all sein Verlangen,
Die „Lenore“ im Engelheer
Heißt, – das strahlend holde Mädchen,
So genannt im Engelheer?“
Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“
„Sei dies’ Wort des Scheidens Zeichen!
Zu der Nacht Pluton’schen Reichen
Fort – zum Sturm, ob Vogel oder
Teufel, schrie ich, fort! und stör’
Meine Einsamkeit nicht, – keine
Schwarze Feder, die an deine
Lüg’ gemahn’, lass’ hier, – alleine
Lass’ mich, – von der Büst’, o hör’
Fort mit dir! und deine Krallen
Nimm aus meiner Brust, o hör’!“
Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“
Und der Rabe, wankend nimmer,
Sitzt noch immer, sitzt noch immer
Auf der Pallas weißer Büste
Über meiner Tür’; – als wär’
Er ein Dämon, traumbefangen,
Scheint sein Aug’ – und seine langen
Schatten wirft die Lamp’ im bangen
Dämmer an der Wand umher;
Und mein Herz aus diesem Schatten,
Lagernd um mich dicht umher,
Wird sich heben – Nimmermehr!
*
Alexander Neidhardt
Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, 11. Jg, Band 19, S. 185-187
Georg Westermann