Читать книгу HUMBLE INQUIRY - Эдгар Шейн, Edgar H. Schein - Страница 10

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Einleitung: Positive Beziehungen und effektive Organisationen schaffen

Dass ich dieses Buch geschrieben habe, hat persönliche und berufliche Gründe. Auf persönlicher Ebene habe ich es nie gemocht, wenn mir Dinge unaufgefordert mitgeteilt werden, insbesondere Dinge, die ich bereits weiß.

Letztens habe ich ungewöhnliche Pilze bewundert, die nach einem starken Regen gewachsen waren, als eine Dame, die mit ihrem Hund spazieren ging, stehen blieb und mir mit lauter Stimme mitteilte, »Manche von denen sind giftig, wissen Sie.« Ich antwortete: »Ich weiß«, und sie fügte hinzu: »Manche von denen können Sie umbringen, wissen Sie.«

Mir fiel nicht nur auf, dass ihr Mitteilungsdrang es schwierig machte, auf positive Weise zu reagieren, sondern auch, dass sie mich damit beleidigte. Ich bemerkte, dass ihr Ton und ihr Mitteilungsdrang den Aufbau einer positiven Beziehung verhinderten und die weitere Kommunikation unangenehm machten. Ihre Intention mag gewesen sein, mir zu helfen, und doch fand ich dies nicht hilfreich und wünschte mir, sie hätte mir eine Frage gestellt, entweder gleich zu Beginn oder nachdem ich »Ich weiß« gesagt hatte, anstatt zu versuchen, mir noch etwas mitzuteilen.

Warum ist es so wichtig zu lernen, wie man bessere Fragen stellt, die dabei helfen, positive Beziehungen zu schaffen? Weil wir in unserer zunehmend komplexen, verflochtenen und kulturell facettenreichen Welt nicht darauf hoffen können, Menschen aus unterschiedlichen beruflichen und nationalen Kulturen zu verstehen und mit ihnen zu arbeiten, wenn wir nicht wissen, wie man Fragen stellt und Beziehungen aufbaut, die auf gegenseitigem Respekt und der Erkenntnis basieren, dass andere Menschen Dinge wissen, die wir wissen müssen, um eine Arbeit zu erledigen.

Doch nicht alle Fragen sind gleichwertig. Ich glaube, dass wir eine bestimmte Art des Fragens erlernen müssen, die ich in meinem Buch Helping (2011)1 das erste Mal »Humble Inquiry« genannt habe und die wie folgt definiert werden kann:

Humble Inquiry ist die hohe Kunst jemanden zu fragen, Fragen zu stellen, deren Antwort man noch nicht kennt, eine Beziehung aufzubauen, die auf Neugier und Interesse am anderen Menschen basiert.

Meine berufliche Motivation, mich eingehender mit Humble Inquiry zu beschäftigen, wurzelt in den Erkenntnissen, die ich in den letzten 50 Jahren der Unternehmensberatung von unterschiedlichen Organisationen gewonnen habe. Insbesondere bei Industrieunternehmen mit hohem Gefahrenpotenzial, wo Sicherheitsprobleme oberste Priorität haben, habe ich gelernt, dass gute Beziehungen und verlässliche Kommunikation über hierarchische Grenzen hinweg entscheidend sind. Bei Flugzeugabstürzen und Unfällen in der Chemieindustrie, bei den seltenen, aber schwerwiegenden Unfällen mit Atomreaktoren, bei den NASA-Katastrophen der Challenger und der Columbia-Raumfähren und bei der Ölpest im Golf von Mexiko im Jahre 2010 gibt es eine gemeinsame Erkenntnis, nämlich, dass niedrigere Angestellte Informationen hatten, die die Folgen des Unglücks verhindert oder verringert hätten, doch diese wurden entweder nicht an höhere Ebenen weitergegeben oder sie wurden ignoriert und nicht berücksichtigt. Wenn ich mit Bereichsleitern spreche, versichern sie mir immer, dass sie offen sind, dass sie etwas von ihren Untergebenen hören wollen und dass sie deren Informationen ernst nehmen. Wenn ich jedoch mit den Untergebenen in diesen Organisationen spreche, berichten sie mir, dass sie sich nicht sicher fühlen, wenn sie ihren Chefs schlechte Nachrichten überbringen oder dass sie es versucht haben, doch dass man nicht auf sie reagiert oder sie zur Kenntnis genommen hat, woraus sie geschlossen haben, dass ihr Input nicht erwünscht sei und aufgegeben haben. Schockierend häufig haben sie sich lieber mit riskanten Alternativen zufriedengegeben, als ihre Chefs mit potenziell schlechten Nachrichten zu verärgern.

Wenn ich mir ansehe, was in Krankenhäusern, in Operationssälen und im Allgemeinen im Gesundheitssystem vor sich geht, denke ich, dass es dort dieselben Kommunikationsprobleme gibt und dass es oft die Patienten sind, die den Preis dafür zahlen. Das Pflegepersonal und die Operationsgehilfen fühlen sich nicht sicher dabei, einem Arzt negative Informationen zu überbringen oder einen Arzt darauf hinzuweisen, dass er dabei ist, einen Fehler zu begehen. Ärzte werden argumentieren, dass sich die Pflegekräfte äußern würden, wenn sie »Profis« wären, aber in vielen Krankenhäusern erzählen die Krankenpfleger, dass eine Atmosphäre herrscht, in der die Ärzte sie anschreien, was natürlich nicht dazu beiträgt, dass sie sich trauen, die Stimme zu erheben. Ärzte führen mit Patienten einseitige Gespräche, im Zuge derer sie gerade genug Fragen stellen, um eine Diagnose stellen zu können, wobei sie manchmal zu Fehldiagnosen neigen, weil sie nicht ausreichend fragen, bevor sie anfangen, den Patienten zu sagen, was sie tun sollen.

Mir ist aufgefallen, dass in all diesen Situationen etwas fehlt, nämlich eine Atmosphäre, in der niedrigere Angestellte sich sicher dabei fühlen, Themen auf die Agenda zu bringen, die angesprochen werden müssen, Informationen, die die Wahrscheinlichkeit von Unfällen verringern und – in Gesundheitsberufen – Fehler, die Patienten schaden können. Wie erzeugt man eine Atmosphäre, in der sich die Menschen trauen, sich zu äußern, sicherheitsbezogene Informationen auszusprechen und sogar Vorgesetzte darauf hinzuweisen, wenn diese dabei sind, einen Fehler zu begehen?

Die Antwort auf diese Frage widerspricht so manch wichtigem Aspekt der US-amerikanischen Kultur: Wir müssen besser im Fragenstellen werden und weniger erklären in einer Kultur, die den Mitteilungsdrang überbewertet (inquiry versus advocacy). Es hat mich immer schon gestört, dass sogar gewöhnliche Gespräche eher über das definiert werden, was wir erzählen, als über das, was wir fragen. Fragen werden als selbstverständlich betrachtet, anstatt eine tragende Rolle im menschlichen Drama einzunehmen. Doch all meine Erfahrungen in der Lehre und der Unternehmensberatung haben mir gezeigt, dass das, was Beziehungen aufbaut, was Probleme löst, was die Dinge weiterbringt, das Stellen der richtigen Fragen ist. Insbesondere Menschen in Führungspositionen müssen die hohe Kunst der Humble Inquiry als ersten Schritt hin zu einer Atmosphäre der Offenheit lernen.

Ich habe in der Unternehmensberatung früh gelernt, dass es wichtiger ist, die richtigen Fragen zu stellen, als Empfehlungen oder Ratschläge zu geben, und habe darüber in meinem Buch zur Prozessberatung2 geschrieben. Dann habe ich begriffen, dass Hilfe geben und annehmen dann am besten funktioniert, wenn der Helfende einige Fragen stellt, bevor er zu etwas rät oder eine Lösung präsentiert. Daher habe ich in meinem Buch Helping über die Bedeutung des Fragestellens geschrieben.

Ich erkenne jetzt, dass das Thema »Fragen versus Erzählen« in menschlichen Beziehungen wirklich eine grundlegend wichtige Frage ist und dass dies die ganze Zeit auf uns alle zutrifft. Was wir fragen, wann wir fragen, wie unsere zugrundeliegende Haltung aussieht, wenn wir fragen – dies alles sind Schlüssel beim Aufbau von Beziehungen, bei der Kommunikation und bei der Erfüllung von Aufgaben.

Beim Aufbau von Beziehungen zwischen Menschen handelt es sich um einen komplexen Prozess. Die Fehler, die wir in Gesprächen machen und die Dinge, von denen wir nach einem Gespräch denken, dass wir sie hätten sagen sollen – sie alle spiegeln unsere eigene Verwirrung über die Balance von Fragen und Erzählen und unsere automatische Neigung zum Erzählen wider. Die fehlenden Zutaten sind bei den meisten Gesprächen die Neugier und die Bereitschaft, Fragen zu stellen, deren Antwort wir nicht kennen.

Es ist an der Zeit, einen Blick auf diese Art des Fragens zu werfen und ihre Rolle in einem breiten Spektrum von Situationen zu untersuchen, von gewöhnlichen Gesprächen bis zur komplexen Erfüllung von Aufgaben, wie bei einem chirurgischen Team, das am offenen Herzen operiert. In einer komplexen und verflochtenen Welt gestalten sich mehr und mehr Aufgaben wie eine Wippe oder ein Staffellauf. Wir preisen Teamwork an und verwenden viele verschiedene sportliche Analogien, doch ich habe die Wippe und den Staffellauf gewählt, um zu verdeutlichen, dass es notwendig ist, dass jeder und jede einen Beitrag leistet. Damit jeder seinen Beitrag in geeigneter Weise leisten kann, braucht es gute Kommunikation; gute Kommunikation verlangt nach einer vertrauensvollen Beziehung; und für den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung braucht es Humble Inquiry.

Dieses Buch ist für eine allgemeine Leserschaft gedacht, doch es ist von besonderer Bedeutung für Menschen in Führungspositionen, denn die Kunst des Fragens wird mit wachsendem Status schwieriger. Unsere Kultur betont, dass Vorgesetzte mehr wissen, Anleitungen geben und Werte aussprechen müssen; dies alles prädisponiert sie eher zu erzählen, als zu fragen. Und doch sind es die Vorgesetzten, die Humble Inquiry am meisten brauchen, weil komplexe, verflochtene Aufgaben danach verlangen, mit ihren Untergebenen positive, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen, um die Kommunikation nach oben zu erleichtern. Und ohne gute Kommunikation nach oben können Organisationen weder effektiv noch sicher sein.

Über dieses Buch

In diesem Buch werde ich im ersten Kapitel definieren und erklären, was ich mit Humble Inquiry meine. Um dieses vorurteilsfreie, demütige Fragen3 vollständig zu verstehen, ist es hilfreich, drei Arten von ›Demut‹ zu unterscheiden: 1. die Demut, die wir verspüren, wenn ältere Menschen und Würdenträger im Raum sind; 2. die Demut, die wir in Anwesenheit derer verspüren, die uns mit ihren Leistungen Ehrfurcht einflößen; 3. die Demut im Hier-und-Jetzt, die daher kommt, dass wir von Zeit zu Zeit auf jemand anderen angewiesen sind, um eine Aufgabe zu erfüllen, der wir uns verpflichtet fühlen. Dies wird manchen Lesern wie akademische Haarspalterei erscheinen, doch es ist das Erkennen dieser dritten Art von Demut, das der Schlüssel zu Humble Inquiry und dem Aufbau positiver Beziehungen ist.

Um Humble Inquiry vollständig zu erklären, werde ich im zweiten Kapitel eine Reihe kurzer Fallbeispiele präsentieren und im dritten Kapitel erläutern, inwiefern sich diese Art des Fragens von anderen Fragen, die man stellt, unterscheidet.

Im vierten Kapitel erörtere ich, warum es in der aufgabenorientierten Kultur, in der wir leben, schwierig ist, Humble Inquiry zu betreiben. Ich nenne dies eine »Kultur des Tuns und Erzählens« und argumentiere, dass wir nicht nur das Erzählen höher bewerten als das Fragen, sondern auch das Tun höher bewerten als das In-Beziehung-Treten und damit unsere Fähigkeit und unseren Wunsch, Beziehungen aufzubauen, verringern. Im fünften Kapitel erläutere ich, dass es, je höher unser Status ist, immer schwieriger wird, Humble Inquiry zu betreiben, während es gleichzeitig für Menschen in Führungspositionen immer wichtiger wird zu lernen, wie man von Zeit zu Zeit demütig ist. Nicht nur Normen und Annahmen machen Humble Inquiry in unserer Kultur schwierig, doch die Komplexität unseres menschlichen Gehirns und die Komplexität sozialer Beziehungen erzeugen auch einige Zwänge und Schwierigkeiten, die ich im sechsten Kapitel erörtere.

Schließlich gebe ich im siebten Kapitel einige Empfehlungen, wie wir unsere Fähigkeit und unseren Wunsch, unvoreingenommener zu fragen, steigern können.

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