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Zweites Kapitel: In der Höhle des Löwen

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Der Regen hielt vierundzwanzig Stunden an. Zeitweise erreichte er die Stärke eines Wolkenbruches. Die Spur, der Tarzan bisher gefolgt war, verlöschte unter der Wucht der Regenfälle. Der Affenmensch war höchst schlechter Laune. Es war kalt, und der Urwald ringsum triefte vor Nässe. Wütend stapfte er durch den Morast vorwärts. Manu, der Schimpanse, saß zitternd und schnatternd in den dunklen, feuchten Baumwipfeln. Er zog in wilder Flucht davon, als er Tarzan gewahrte. Sogar die Panther und Löwen gingen ihm aus dem Wege, als sie Tarzans wildes Knurren vernahmen.

Erst als zwei Tage später Kudu, die Sonne, wieder zum Vorschein kam und er zugleich eine weite offene Ebene erreichte, wurde Tarzans Laune wieder besser. Er kreuzte das offene Land nach allen Richtungen, immer noch in der Hoffnung, hier die Spur der verschwundenen Buschräuber zu finden. Er beschloss, den Gebirgszug zu umgehen, im weiten Bogen das Land nach Süden abzusuchen und sich dann zur nächsten Eisenbahnlinie zu wenden. Aus seiner Kenntnis der Mentalität des weißen Mannes wusste er, dass größere Banden immer der Tarnung irgendwelcher dunkler Geschäfte dienen. Geschäfte dieser Art, sollen sie lohnend sein, erreichen aber immer einen Umfang, da man entweder auf große Trägerkolonnen oder die Eisenbahn zur Beförderung der gestohlenen oder geschmuggelten Güter angewiesen ist.

Gegen Ende des zweiten Tages vernahm Tarzan in der Ferne Schüsse. Der Nachmittag hatte wieder trübes, wolkiges Wetter gebracht. Als er eine schmale, tiefe Bergschlucht durchstreifte, fielen die ersten schweren Tropfen auf Tarzans nackte Schultern. Es begann wieder zu regnen.

Er schüttelte den Kopf und knurrte böse. Er hatte nachgerade genug von der Kälte und der ewigen Nässe. Deshalb suchte er mit raschen Blicken die Umgebung ab, ob sich nicht irgendwo trockener Unterschlupf finden ließe.

Am liebsten wäre er natürlich schnellen Fußes dem Gewehrfeuer entgegengeeilt, das immer deutlicher in größeren und kleineren Abständen aus östlicher Richtung zu hören war. Dort lieferte offenbar die Kolonial-Polizei den Räubern ein größeres Gefecht. Für einen Augenblick zögerte Tarzan. Dann war sein Entschluss gefasst. Morgen werde ich weiterziehen«, sagte er sich. Bestimmt finde ich dann die Verbrecher leichter, als wenn ich mich jetzt in eine offene Feldschlacht einmische, ohne zu wissen wie und wo die Frontlinien verlaufen. Gleich danach wandte er sich der unmittelbar notwendigen Arbeit zu, nämlich der Suche nach einer Höhle. Es dauerte nicht lange und er stand vor einem Loch, das sich als Eingang zu einer tiefen Höhle am Fuße einer überhängenden Felswand erwies. Mit gezogenem Messer näherte er sich der Stelle. Wenn die dunkle Öffnung in der Felswand tatsächlich die Mündung einer Höhle darstellte, befand er sich bestimmt vor dem Eingang zum Lager eines Tieres.

Nahe vor dem Eingang kniete Tarzan nieder und beschnüffelte sorgsam den Boden ringsum. Ein Knurren kam tief aus seiner Brust und er entblößte sein mächtiges Gebiss.

»Numa, der Löwe!«, murmelte er. Trotzdem kroch er weiter voran. Es war immerhin möglich, dass Numa nicht daheim war. Der Eingang war so niedrig, dass der Affenmensch sich auf alle viere niederlassen musste. Ehe er den Weg ins Dunkle antrat, lauschte, sah und schnüffelte er sorgsam nach allen Richtungen. Man würde ihn nicht von rückwärts überfallen können... Der erste Blick in die Höhle ließ erkennen, dass es sich um einen niedrigen Tunnel handelte, an dessen anderem Ende Tageslicht schimmerte. Das Innere dieses Tunnels war nicht ganz finster. Der Affenmensch konnte sogleich sehen, dass sich im Augenblick niemand darin befand. Tarzan hatte genügend Phantasie, sich vorstellen zu können, was ein Kampf in diesem engen Tunnel bedeuten würde. Aber es geschah nichts. Numa, der Löwe, tauchte nicht auf.

Das Ende des Tunnels führte in eine weite Aushöhlung im Berghang, die nach oben offen war. Hier musste einst vor langer Zeit der Strudel eines Flusses eine länglich-runde Aushöhlung viele Meter tief in den Berg gebohrt haben. Das Wasser schuf sich dann einen Abfluss durch den schmalen Tunnel, den Tarzan soeben durchquert hatte. Das senkrechte Loch im Berg wies keinen anderen Zugang auf. Diese seltsame Schlucht war fast hundert Meter lang und ungefähr dreißig Meter breit. Ein schmales Rinnsal war alles, was von dem einstigen Bergstrom übrigblieb. Ein einzelner großer Baum stand etwa in der Mitte der Schlucht.

Die Knochen vieler großer Tiere lagen zwischen den Felsbrocken verstreut, die den Boden der Schlucht bedeckten. Unter den Knochen befanden sich einige gebleichte Menschenschädel. Tarzan hob die Augenbrauen. »Ein Menschenfresser«, murmelte er. Allem Anschein nach hatte das Untier sein Unwesen schon seit längerer Zeit hier getrieben.

Der Affenmensch war entschlossen, sich dieses trockene Quartier im Tunnel anzueignen. Es war nur nötig, noch einmal hinauszukriechen und den Eingang mit ein paar großen Felsbrocken gegen das Eindringen Numas zu sichern. Während er noch über diese Möglichkeit nachdachte, erreichte ein winziges Geräusch sein Ohr. Es genügte, um Tarzan zur bewegungslosen Statue erstarren zu lassen. Die Blicke hielt er unentwegt auf die Tunnelöffnung gerichtet.

Dort erschien in der nächsten Sekunde der Schädel eines riesigen Löwen. Die gelbgrünen Augen starrten weit offen, rund und ohne zu blinzeln auf den Eindringling. Der Löwe zog die Oberlippe hoch und entblößte knurrend die mächtigen Reißzähne.

»Du Sohn einer Hyäne!«, schrie Tarzan ihn an. Er war wütend, dass die vorzeitige Rückkehr des Löwen alle Aussichten auf ein bequemes und trockenes Nachtlager zunichtemachten. »Ich bin Tarzan, der Affenmensch und Herr des Dschungels. Heute schlafe ich hier - also verschwinde!«

Aber Numa ging nicht. Er stieß ein drohendes Brüllen aus und machte ein paar Schritte auf Tarzan zu. Der Affenmensch ergriff einen großen Stein und warf ihn nach dem fauchenden Löwen. Man kann niemals im Voraus wissen, wie ein Löwe reagiert. Vielleicht gehörte dieser zu den Feiglingen, die beim ersten wirklichen Angriff Fersengeld geben. Tarzan hatte manchen gelbmähnigen Löwen so zum Rückzug gebracht. Dieses Mal gelang es ihm nicht.

Das Wurfgeschoss traf Numa mitten auf die Nase. Dieser Punkt ist bei Katzen und Hunden gleich empfindlich. Anstatt dadurch in die Flucht geschlagen zu werden, verwandelte sich der Löwe in eine wilde Maschine der Rache und der Zerstörung.

Mit hoch erhobenem Schwanz und furchtbarem Gebrüll stürzte er auf den Tarmangani, den großen weißen Affen, mit der Geschwindigkeit einer D-Zug-Lokomotive zu. Keinen Augenblick zu früh schwang sich Tarzan in die Zweige des Baumes hinauf. Hier ließ er sich zunächst einmal nieder und beschimpfte ausgiebig Numa, den König der Tiere. Der Löwe ließ sich dadurch nicht stören und schritt majestätisch immer im Kreis um den Baum herum.

Es regnete nun heftiger. Tarzan war mehr als ärgerlich. Zu der Wut über das entgangene Nachtlager kam sein Zorn auf das schlechte Wetter. Bisher hatte sich Tarzan nur dann in einen Kampf auf Leben oder Tod mit Löwen eingelassen, wenn ihm keine andere Wahl blieb. Er wusste, dass er dieser Masse Muskeln und Knochen nichts anderes entgegenzusetzen hatte als seine Intelligenz - und sein Glück. Es wäre ihm niemals in den Sinn gekommen, sich wegen ein wenig Kälte und Unbequemlichkeit in ein sinnloses Duell mit dem Löwen einzulassen. Also blieb er ruhig im Wipfel des Baumes hocken und wartete seine Zeit ab. Der Löwe lief immer noch rund um den Baum herum. Alle paar Schritte warf er einen Blick hinauf, um zu sehen, ob die sichere Beute noch vorhanden war.

Unterdessen betrachtete Tarzan genau die Felsenwand, die ihm gegenüberlag. Hier bot sich die einzige Möglichkeit eines Entkommens, sofern es nur gelang, den Löwen für eine Sekunde ans entfernte Ende der Schlucht zum Tunneleingang zu locken. Zwar zeigte der glatte Fels kaum Sprünge und Risse, die einem gewöhnlichen Sterblichen Halt geboten hätten. Für Tarzan aber genügten die wenigen vortretenden Felszacken, um ihm zu einer wenn auch mehr als riskanten Flucht zu verhelfen.

Während er noch diese Möglichkeit erwog, zog sich Numa, der Löwe, plötzlich zu seinem Lager zurück. Der Regen war ihm anscheinend lästig geworden. Majestätisch und ohne einen Blick zurückzuwerfen, verschwand er in dem Tunnel.

Im gleichen Augenblick ließ sich Tarzan mit der Leichtigkeit einer Feder zu Boden fallen. So schnell er konnte, hastete er zur Felswand hinüber.

Der Löwe hatte sich seinerseits unmittelbar nach dem Erreichen des trockenen Tunnels umgedreht, um die kostbare Beute nicht unnötig lange aus den Augen zu lassen. Er sah Tarzan fliehen und setzte ihm mit einem Wutgeheul nach.

Der Affenmensch hatte genügend Vorsprung erreicht, um in einem Schwung den unteren, glattesten Teil der Wand zu überwinden, ehe der Löwe herankam. Wenn sich jetzt nur ein wenig Halt für Hand und Fuß finden ließ! Rutschte er hingegen an den regennassen Steinen ab, würde er direkt in die Fänge des Löwen fallen, denen sogar der riesige Affenmensch kaum gewachsen war.

Wie eine Katze klomm Tarzan mindestens sechs Meter hoch in die Wand, bis er den ersten sicheren Platz auf einem schmalen Vorsprung fand. Unter ihm sprang Numa mit mächtigen Sätzen an den Steinen empor - drei Meter, vier Meter, aber immer wieder fiel er zurück. Tarzan schaute ihm eine Weile interessiert zu und begann dann, bedächtig und sehr auf seine Sicherheit bedacht, die Felsenwand zu erklimmen. Nachdem er sich über den oberen Rand geschwungen hatte, drehte er sich auf dem Bauche um und schaute in die Schlucht hinunter. Noch immer starrte Numa der entschwundenen Abendmahlzeit nach. Tarzan nahm ein paar lose Steine auf, warf sie nach Numa und ging davon.

Nach einem leichten Abstieg zurück zu seinem ursprünglichen Weg kam Tarzan plötzlich eine Idee. Er blieb stehen, lächelte und kehrte zu der Stelle zurück, wo der äußere Zugang zu Numas Höhle lag. Er lauschte eine Weile und begann dann, große Felstrümmer herbeizutragen, die er vor dem Loch auftürmte. Er hatte den Zugang fast geschlossen, als Numa an der Innenseite der steinernen Mauer erschien. Der Löwe war sehr wütend, sehr verstört und deshalb stieß er ein schreckliches Brüllen aus. Die Erde ringsum schien zu erzittern. Mit mächtigen Tatzen zerrte er an den Steinen. Es gelang ihm aber nicht, den verbauten Eingang aufzubrechen. Abermals brüllte Numa.

Damit konnte er Tarzan nicht erschrecken. So manche Nacht seit seiner frühesten Jugend, als er noch an der Brust Kalas, seiner Nährmutter, unter den großen Affen schlief, hatte Tarzan das Brüllen der Löwen ringsum im Dschungel mit hinüber in seine Träume genommen. Er hatte praktisch sein ganzes Leben im Urwald zugebracht und hatte es verlernt, brüllende Löwen zu fürchten. Dieses Brüllen war für ihn nicht mehr als für den Europäer das Geräusch einer Autohupe. Ruhig setzte er seine Arbeit fort und verschloss endgültig den Tunnel zur Löwenhöhle mit einem letzten, viele Pfund schweren Stein. Er verkeilte die Felsbrocken so, dass Numa bestimmt nicht den Weg ins Freie erzwingen konnte. Als er damit fertig war, schnitt er dem nicht mehr sichtbaren Löwen eine Grimasse und setzte seinen Weg fort. Der Menschenfresser wird keine Menschen mehr fressen, philosophierte er unterwegs.

Diese Nacht brachte Tarzan im Schutze einer überhängenden Felsenmulde zu. Am Morgen setzte er seinen Marsch fort. Unterwegs hielt er sich nur so lange auf, wie er brauchte, um einen kleinen Springbock zu töten und ein hastiges Mahl hinunterzuschlingen.

Die anderen Tiere der Wildnis ruhen nach einer guten Mahlzeit aus. Aber Tarzan nahm sich nicht die Zeit zu dieser Ruhestunde, wenn es ihm nicht in seine Pläne passte. Darin unterschied er sich grundsätzlich von den Tieren, die von Jugend an seine Gefährten gewesen waren.

Im Laufe des Tages war wieder mehrfach Gewehrfeuer aus dem Busch zu hören, das mal an dieser, mal an jener Stelle aufflackerte. Am Nachmittag geriet er in ein Waldstück, das von den Banditen besetzt war. Von einem dickt belaubten Baum aus beobachtete Tarzan den bunt zusammengewürfelten Haufen. Er unterschied bald, dass er offenbar zur Arbeit eingefangene Buschneger, freiwillig mit dem Haufen ziehende Weiber aller Schattierungen und die eigentliche Kampftruppe uniformierter Schwarzer vor sich hatte, die von Weißen und Arabern befehligt wurde. Vorsichtig arbeitete er sich weiter voran und erreichte gegen Abend einen großen Lagerplatz am Fuße einer Bergkette. Eine Reihe von Zelten bildete den Mittelpunkt des Lagers. Die Posten ringsum waren nach militärischen Gesichtspunkten eingeteilt und platziert. Sie richteten ihr Augenmerk auf die Erde, auf die Pfade und die Büsche, nicht aber auf die terrassenförmig übereinander getürmten Zweige und Äste der Urwaldriesen. Dort oben schwang sich Tarzan von Baum zu Baum bis fast zum Mittelpunkt des Lagers.

Bei einbrechender Dunkelheit kletterte er zur Erde hinab und schlich von Zelt zu Zelt. Hier und dort belauschte er Gespräche, bis er endlich zu einer Gruppe schwarzer Schützen gelangte, unter denen einer das große Wort führte.

»Die Waziri kämpften wie die Teufel«, sagte der Mann, und Tarzan lauschte auf jedes Wort. »Wir aber kämpften noch tapferer und haben sie alle niedergemacht. Als wir damit fertig waren, kam der Corporal und erledigte die Frau. Unterführer Mujahid el-Chergui hatte einen feinen Gedanken. Er ließ uns einen der Waziri, der schon verwundet war, an die Wand kreuzigen. Als wir das taten, lachte Mujahid. Wir mussten alle lachen. Es sah zu spaßig aus. Wirklich - wir hatten einen vergnügten Nachmittag, als der Kampf erst vorüber war.«

Wie ein Raubtier kroch Tarzan näher an das Zelt heran, an dessen Seite die Schwarzen um ein kleines Feuer hockten. Wild und grausam waren die Gedanken, die in seinem Gehirn nisteten. Auf Tarzans männlich-schönem Gesicht zeigte sich kein äußeres Anzeichen einer Gemütsbewegung. Seine Augen verrieten angespannte Wachsamkeit.

Nach einer Weile erhob sich der schwarze Prahlhans gähnend und ging ein Stück fort. Tarzan folgte ihm auf dem Weg durch die Büsche. Im Schatten eines beim letzten Orkan gefällten Baumriesen überwältigte er blitzschnell den Neger.

»Sei ganz still!«, warnte er den Mann in dessen eigenen Stammesdialekt. Dabei löste er den eisernen Griff um den Hals des Schwarzen ein wenig.

Der Mann rang keuchend nach Atem und rollte vor Entsetzen die Augen, um zu sehen, in wessen Gewalt er sich überhaupt befand.

»Wie heißt der Hund, der die Frau in dem Bungalow getötet hat, als ihr gegen die Waziri kämpftet?«, fragte Tarzan.

»Corporal Wolf«, gab der Neger bereitwillig Auskunft.

»Wo ist er jetzt?«, fragte Tarzan weiter.

»Er ist hier. Wahrscheinlich befindet er sich im Augenblick im Hauptquartier bei Imad Batuta, dem General. Dorthin gehen die meisten weißen und arabischen Anführer am Abend, um neue Befehle zu empfangen.«

»Führe mich dorthin!«, befahl der Affenmensch und riss den Schwarzen vom Boden hoch. »Wenn ich entdeckt werde, bedeutet das deinen sofortigen Tod. Los!«

Der Neger taumelte bei den ersten Schritten. Tarzans Faust ergriff ihn im Nacken. Umsichtig wählte der Neger einen Weg rund um das Lagerzentrum, auf dem ihnen niemand begegnete. Allenthalben brannten die Lagerfeuer bereits herunter. Endlich deutete der unfreiwillige Führer mit der Hand zu einer Art Blockhaus, dessen Umriss sich zwischen Bambusgebüsch verlor.

»Dort wohnt Imad Batuta, unser Chef. Sie können nicht weitergehen, denn hier laufen immerzu Boten hin und her«, sagte der Schwarze.

Tarzan sah ein, dass er mindestens in Gesellschaft des Negers nicht näher an das Blockhaus herankonnte. Er wandte sich dem Burschen zu, als ob er überlege, was er jetzt mit ihm beginnen sollte.

»Du hast mitgeholfen, Wasimbu, den Wazira, zu kreuzigen«, klagte Tarzan den Schwarzen mit leiser, aber desto schrecklicherer Stimme an.

Der Schwarze zitterte und wollte in die Knie sinken. »Es war so befohlen worden«, stammelte er.

»Wie war der Name des Mannes, der diesen Befehl gab?«, erkundigte sich Tarzan.

»Es war der Unterführer Mujahid el-Chergui, ein Araber«, kam die Antwort. »Er ist ebenfalls hier.«

»Ich werde ihn zu finden wissen«, antwortete Tarzan grimmig. »Aber du hast mitgeholfen, den verwundeten Waziri an die Wand zu nageln. Und während er Qualen litt, hast du mit den anderen gelacht.«

Der Gefangene wand sich. Es war so, als ob er in der Anklage zugleich sein Todesurteil hörte. Ohne ein weiteres Wort ergriff Tarzan den Mann abermals im Nacken. Die mächtigen Muskeln spannten sich. Etwas knackte scheußlich, als die Wirbel brachen. Dann schleuderte der Affenmensch die Leiche weit fort ins Gebüsch, ehe er sich in Richtung auf das Hauptquartier des Generals in Bewegung setzte.

An der Rückseite des kleinen Hauses stand nur ein einzelner Posten, während die Vorderfront besser bewacht war. Diesen Mann beschlich Tarzan so leise, wie es nur ein im Dschungel aufgewachsenes Raubtier fertig bekommt. Endlich war er dem Posten nahe genug, um ihn mit einem einzigen Sprung von rückwärts niederzureißen. Fast ohne einen Laut starb der Mann. Tarzan schleppte die Leiche in den Schatten des Hauses und ließ sie dort liegen.

Durch die Fenster spähend erkannte Tarzan einen größeren und einen kleineren Raum. In dem Vorderzimmer waren mehrere Männer versammelt. Tarzan vermochte durch das nur mit Fliegendraht gesicherte Fenster ihre Unterredung zu hören. Es war aber nichts für ihn Interessantes zu vernehmen.

In dem anstoßenden kleinen Raum, der mit verschwenderischer Pracht ganz im orientalischen Stil ausgestattet war, saß ein untersetzter Mann auf einem erhöhten Platz. Imad Batuta hatte sich zur Beherrschung seines Urwaldkönigreiches von eigenen Gnaden eine Art Thronsessel in seine Residenz bauen lassen.

Bei ihm befanden sich zurzeit nur zwei Männer, die mit willigen Ohren neue Befehle entgegenzunehmen schienen. Die unwirkliche Szene war in das Licht einer flackernden Öllampe getaucht, die der Araber gedankenverloren in seiner Hand drehte.

An der Vordertür waren Stimmen zu hören. Ein junger Araber trat auf leisen Sohlen ins Zimmer und verneigte sich ehrerbietig auf der Schwelle zum Raum des Herrschers. Belinda ist angekommen, meldete er und trat mit einer erneuten Verbeugung zurück.

»Sie soll sofort hereinkommen!«, befahl Imad Batuta. Die beiden Männer wurden mit einem Kopfnicken entlassen. Sie machten einer jungen Frau im Reitdress Platz, die hastigen Schrittes eintrat. Ohne viele Formalitäten ging sie zu des Anführers mit Pantherfellen gepolstertem Sitz und überreichte ihm ein Papier.

»Ich bringe die Operationspläne der Regierungstruppen«, sagte Belinda.

Der Araber nickte und ließ seinen Blick wohlgefällig über die üppigen, wenngleich nicht mehr als vollschlanken Linien der jungen Frau gleiten.

Der General las das Papier durch und nickte abermals. »Gut«, sagte er. Dann rief er mit lauter Stimme, so dass man es im großen Vorraum hören konnte: »Sergeant Wolf soll hereinkommen!«

Sergeant Wolf! Tarzan fühlte, wie sich ihm die kurzen Haare im Nacken sträubten. Dieser General einer Bande von Räubern und Mördern brachte es tatsächlich fertig, Dienstgrade zu verleihen und Beförderungen auszusprechen. Die Ermordung einer Frau, die Beraubung einer Farm und das brutale Abschlachten einer Gruppe schwarzer Diener hatten diesem verkommenen Weißen also bereits die Beförderung vom Corporal zum Sergeant eingetragen. Tarzan war fest entschlossen, das Seine dazu zu tun, dass Wolf sich dieser Ehrung nicht lange würde erfreuen können. Ungeduldig wartete Tarzan darauf, dass der Mann zurückkehren möge, der nach Sergeant Wolf ausgeschickt worden war. Jeden Augenblick konnte der tote Wachposten entdeckt werden. Dann würde es Alarm im Lager geben und eine genaue Nachsuche würde auch den toten Neger im Busch zutage fördern. Der Affenmensch stand dicht unter dem Fenster in einem Gebüsch, das ihm zwar freien Ausblick in das Innere des Blockhauses ließ, ihn selbst aber gut gegen Sicht deckte. Solange nicht Fackeln die Umgebung erhellten und Dutzende von Augenpaaren Busch um Busch und Baum um Baum absuchten.

Endlich kam wieder Bewegung in die wartenden Männer. Der Bote trat durch die Tür ein und hielt sie für einen Weißen offen, der nach ihm kam.

»Sergeant Wolf«, rief ihm Imad Batuta entgegen, »kommen Sie gleich herein. Ich habe eine neue wichtige Aufgabe für Sie...«

Mehr wollte Tarzan nicht hören. Mit einem Ruck zerfetzte er den engmaschigen Fliegendraht, legte eine Hand auf das Fensterbrett und schwang sich mit der Leichtigkeit einer Katze ins Zimmer.

Erschrocken, teils aber auch neugierig wandten sich ihm aller Augen zu. Der Affenmensch sprang mit zwei Sätzen vor den Tisch des Generals und fegte mit einer Handbewegung die Öllampe vom Tisch auf den dicken Bauch des Arabers. Imad Batuta wollte nicht gern in Flammen aufgehen und ließ sich deswegen rücklings von seinem gepolsterten Thron fallen. Dabei warf er den Tisch um. Die Lampe fiel auf den Fußboden, wo das Glas zersprang und brennendes Öl sich in großen Lachen ausbreitete.

Zwei drahtige, kleine Araber - anscheinend Batutas Leibwache - sprangen auf Tarzan zu. Er packte den vordersten mit mächtigen Fäusten und warf ihn dem zweiten ins Gesicht, dass beide schreiend übereinander rollten. Die Frau war zur Seite gesprungen und stand flach an der Wand. Man sah das Weiße in ihren Augen bläulich schimmern. Einige Männer riefen nach der Wache, andere griffen nach herumliegenden Waffen. Tarzans Ziel aber war ein bestimmter Mann, den er während des kurzen Handgemenges nicht eine Sekunde aus den Augen ließ. Nachdem er sich erst einmal Luft geschaffen hatte, ergriff er den desertierten Legionär und warf ihn sich wie ein Bündel über die Schulter. Der Affenmensch verschwand mit seiner Beute so schnell zum Fenster hinaus, dass die übrigen Männer kaum begriffen, was geschehen war. Mit Decken und Stiefeln erstickten sie den um sich greifenden Brand, den die zerschmetterte Lampe verursacht hatte. Sergeant Wolf war nicht dazugekommen, auch nur einen Schrei auszustoßen. Tarzan drückte ihm nämlich die Kehle so weit zusammen, dass er gerade genug Luft bekam, um nicht zu ersticken.

In sicherer Deckung hinter einem Heuhaufen ließ er seinen Gefangenen zu Boden gleiten und setzte ihm die Speerspitze auf die Brust.

»Keinen Laut, sonst steche ich zu!«, drohte er.

Der Gefangene erhob sich mühsam, immer von der haarscharfen Waffe bedroht. Mit äußerster Geduld und großer Geschicklichkeit lotste Tarzan den Mann ein Stück vom Lager fort, umging die zwei Vorposten, die sich durch ihr Geschwätz verrieten, und schlug dann den Weg nach Westen ein.

Später in der Nacht durfte er sich sicher fühlen, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass offenbar keine Verfolger hinter ihm her waren. Der Gefangene hatte geschimpft, geflucht und zahllose Fragen gestellt. Die einzige Antwort, die er bekam, war ein Stoß mit dem Speer. Der Affenmensch trieb den Legionär vor sich her wie ein Schwein, das man zum Schlachter bringt. Nur - vor einem Schwein hätte er mehr Achtung gehabt und es weniger rau behandelt.

Dieser Bandit sollte leiden - so wie Jane Clayton unter seinen Händen gelitten hatte. Die Leiden, die er selbst geistig und körperlich durchmachte, seit man seine Frau tötete, würde Tarzan dem Mörder sowieso niemals antun können.

Stunde um Stunde verging die Nacht. Unaufhaltsam trieb Tarzan den erschöpften Gefangenen vorwärts durch den Dschungel. Die schreckliche Schweigsamkeit des Affenmenschen brachte den ehemaligen Legionär an den Rand des Wahnsinns. Der Mann begann zu taumeln und zu Stolpern. Nur die Angst vor dem unbarmherzigen Speer hielt ihn noch auf den Füßen.

Erst gegen Morgen entschied sich Tarzan für einen bestimmten Weg. Wie eine Erleuchtung war ihm eingefallen, auf welchem Wege er eine schreckliche Rache vollziehen konnte.

Am Nachmittag erreichten sie den Bergzug, an dessen Rande Tarzan Numa, den Löwen, in seiner Höhle eingeschlossen hatte. Er führte den Gefangenen von oben her an den Rand der ausweglosen Schlucht, in deren Mitte der einzelne Baum stand. Sergeant Wolf wich entsetzt zurück.

»Hinunterklettern!«, befahl Tarzan kurz und stieß seinen Gefangenen über den Rand des ersten Felsenbandes. Der Legionär flehte um sein Leben.

Tarzan richtete sich hoch auf. »Ich bin Lord Greystoke«, sagte er. »Ihr habt meine Frau umgebracht dort unten im Lande der Waziri. Die Farm, die ihr überfielt, gehörte mir. Jetzt weißt du, warum ich kam, gerade dich zu holen. Los jetzt - hier hinunter!«

Vor Furcht und Entsetzen zitternd schickte sich Wolf an, den gefährlichen Abstieg zu wagen. Tarzan begleitete ihn. Ein paarmal griff er zu und rettete den Mann vor dem sicheren Absturz. Wolf wunderte sich darüber und begann neue Hoffnung zu schöpfen. Wenn dieser schreckliche Riese ihn nicht abstürzen ließ, hatte er es vielleicht nicht auf sein Leben abgesehen?

Kurz über der Sohle der Schlucht hielt Tarzan an. »Ganz ruhig jetzt, kein Wort«, flüsterte er. Mit der Hand deutete er hinunter zum anderen Ende der Schlucht, wo man den dunklen Eingang zur Höhle des Löwen sehen konnte. »Nun lauf um dein Leben!«

Da ertönte vom anderen Ende der Schlucht her ein furchtbares Brüllen. Zugleich tauchte der abgemagerte Körper eines riesigen Löwen aus der Höhle auf, der in langen Sätzen herüberschoss.

Tarzan kletterte langsam zum Felsen hinauf. Tief unter sich hörte er das Brüllen des Löwen. Ehe er den Schauplatz seiner grausigen Rache verließ, schaute Tarzan noch einmal zurück. Numa, der Löwe, stand unter dem Baum. Er brüllte nicht mehr - er hatte Lady Greystoke gerächt.

Der Affenmensch erhob sein Gesicht zu Kudu, der Sonne, und stieß den Siegesruf des Affen-Bullen aus, der seinen Gegner überwältigt hat.

TARZANS RACHE

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