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Kapitel 2
ОглавлениеDie Eingeborenen von Pellucidar sind mit einem Heimkehrinstinkt ausgestattet, der ans Übernatürliche grenzt, und glauben Sie mir, sie brauchen ihn auch, denn kein Mensch könnte sich hier irgendwo zurechtfinden, wenn er außerhalb der Sichtweite eines bekannten Orientierungspunktes gebracht würde. Es sei denn natürlich, er besäße besagten Instinkt. Denn Pellucidar ist eine Welt, in der die Sonne reglos am ewigen Zenit steht, in der es weder Mond noch Sterne gibt, die Reisende den Weg weisen könnten und wo weder Norden, Süden, Westen und Osten existieren. Es war jener Heimatinstinkt meiner Gefährten, der mich in die Abenteuer stürzte, von denen ich nun erzählen werde.
Als wir von Sari aus aufbrachen, um von Horst zu suchen, folgten wir vagen Hinweisen, die uns von einem Land zum anderen führten, bis wir schließlich Lo-har erreichten und unseren Mann fanden.
Auf dem Rückweg nach Sari mussten wir glücklicherweise nicht mehr den verschlungenen Weg verfolgen, sondern bewegten uns stattdessen in einer direkten Linie. Umwege machten wir nur da, wo uns natürliche Hindernisse im Weg standen.
Es war für uns alle eine neue Welt, und wie immer fand ich es extrem aufregend, zum ersten Mal diese unberührten Szenen zu sehen, die vielleicht noch kein menschliches Auge je zuvor gesehen hatte. Das ist ein Abenteuer auf seinem Höhepunkt. Mein ganzes Wesen war vom Geist des Pioniers und des Entdeckers ergriffen.
Es war eine gänzlich neue Erfahrung als meine ersten Erlebnisse mit Perry hier in Pellucidar, als wir ziellos und allein in dieser wilden Welt voller kolossalen Bestien, abscheulichen Reptilien und urtümlichen Menschen umherirrten.
Jetzt wurde ich von einer Gruppe meiner eigenen sarischen Krieger begleitet, die mit Gewehren bewaffnet waren, die unter Perrys Anleitung in einer Werkstatt hergestellt worden waren, die er im Land Sari nahe dem Ufer des Lural Az gebaut hatte. Selbst der mächtige Ryth, der monströse Höhlenbär, der einst die prähistorische Oberwelt durchstreifte, konnte uns nicht mehr schrecken. Auch die größten Dinosaurier waren unseren Kugeln nicht gewachsen.
Nach dem Verlassen von Lo-har machten wir lange Märsche, schliefen etliche Male – was die einzige Art ist, mit der man die Zeit auch nur annähernd messen kann – ohne einem einzigen Menschen zu begegnen. Das Land, durch das wir reisten, war ein Paradies, das nur von wilden Tieren bevölkert war. Große Herden von Antilopen, Rotwild und der mächtige Bos durchstreiften fruchtbare Ebenen oder lagen im kühlen Schatten der weitläufigen Wälder. Wir sahen das mächtige Mammut und den riesigen Mai, das Mastodon. Wo es so viel Fleisch gibt, gibt es natürlich auch Fleischfresser – den Tarag, wie der mächtige Säbelzahntiger hier heisst, die großen Höhlenlöwen und verschiedene Arten von fleischfressenden Dinosauriern. Es war ein ideales Jägerparadies. Es war ein Ort, wo nur Tiere lebten. Der Mensch war noch nicht bis hierher vorgedrungen, um diese lebendige Idylle zu stören.
Diese Tiere hatten absolut keine Angst vor uns, waren aber ungemein neugierig, und gelegentlich waren wir von einer so großen Anzahl von ihnen umgeben, dass sie unsere Sicherheit bedrohten. Dies waren natürlich alles Pflanzenfresser. Die Fleischfresser mieden uns, wenn ihre Bäuche voll waren, gefährlich sind sie aber immer, zu jeder Zeit.
Nachdem wir diese große Ebene durchquert hatten, kamen wir in einen Wald, hinter dem wir in der Ferne Berge sehen konnten. Wir schliefen zweimal in dem Wald und kamen dann in ein Tal, durch das ein breiter Fluss floss, der aus den Ausläufern der Berge, die wir gesehen hatten, herausströmte.
Der große Fluss gurgelte träge an uns vorbei, hinunter zu einem unbekannten Meer. Weil wir das Gewässer überqueren mussten, um weiterzukommen, ließ ich meine Männer Flöße bauen.
Diese pellucidarischen Flüsse, besonders die großen mit einer trägen Strömung, sind extrem gefährlich zu durchqueren, weil sie meistens von abscheulichen, fleischfressenden Reptilien bevölkert sind, die auf der Oberwelt schon lange ausgestorben sind. Viele von ihnen sind groß genug, um eines unserer Flösse mit Leichtigkeit zu zerstören, also hielten wir genau Ausschau und beobachteten die Wasseroberfläche mit scharfem Blick, während wir unser krudes Gefährt zum gegenüberliegenden Ufer ruderten.
Weil unsere Aufmerksamkeit so konzentriert war, bemerkten wir nicht, dass mehrere Kanus voller fremder Krieger stromabwärts auf uns zukamen. Erst als einer meiner Männer sie entdeckte und Alarm schlug, wurden wir ihrer bewusst. Bis dahin waren sie aber nur noch ein paar hundert Fuß von uns entfernt.
Ich hoffte, dass sie sich als freundlich erweisen würden, denn ich hegte nicht den Wunsch, sie zu töten, da sie, primitiv bewaffnet, wie sie waren, unseren Gewehren gegenüber hilflos ausgeliefert sein würden. Ich gab ich das Zeichen des Friedens, in der Hoffnung, dass sie es erwidern würden. Aber sie gaben keine Antwort.
Sie kamen näher und näher, bis ich sie ganz deutlich sehen konnte. Es waren massige Krieger mit buschigen Bärten – ein eher ungewöhnlicher Anblick in Pellucidar, wo die meisten reinblütigen, weißen Stämme bartlos sind.
Als sie etwa noch hundert Fuß von uns entfernt waren, ihre Kanus alle nebeneinander, stieg eine Gruppe von Kriegern in den Bug eines jeden Bootes und eröffnete das Feuer auf uns.
Ich sage »eröffnete das Feuer«, aus Gewohnheit. Was sie tatsächlich taten, war, pfeilähnliche Geschosse aus schweren Schleudern auf uns zu feuern. Einige meiner Männer gingen zu Boden, und ich gab sofort den Befehl, das Feuer zu erwidern.
Ich konnte an ihrem Verhalten sehen, wie erstaunt die bärtigen Krieger über den Klang und die Wirkung der Gewehre waren. Trotzdem muss ich ihnen zugutehalten, dass sie sich äusserst mutig zeigten, denn obwohl der Knall und der Rauch erschreckend gewesen sein müssen, zögerten sie nicht, sondern kamen noch schneller auf uns zu. Dann taten sie etwas, was ich weder vorher noch nachher in der inneren Welt je wieder gesehen habe. Sie zündeten Fackeln an, die aus etwas gemacht waren, von dem ich später erfuhr, dass es ein harziges Schilfrohr war, und schleuderten sie in unsere Flösse.
Diese Fackeln gaben Mengen von beißendem, schwarzen Rauch ab, der uns blendete und fast erstickte. Weil ich mitten im Rauch stand, wusste ich auch, welche Wirkung er auf meine Männer hatte. Trotzdem kann ich nur für mich selbst sprechen. Geblendet, hustend und würgen war ich nämlich absolut hilflos.
Ich konnte den Feind nicht mehr sehen, also konnte ich auch nicht auf ihn feuern. Ich wollte in den Fluss springen und dem Rauch entkommen, wusste aber, dass ich da sofort von wilden Kreaturen verschlungen werden würde, die nahe unter der Oberfläche lauerten. Ich fühlte, wie ich allmählich das Bewusstsein verlor, und wie mich Hände ergriffen. Ich bekam gerade noch mit, wie ich weggezogen wurde, als ich ohnmächtig wurde.
Als ich wieder zu mir kam, fand ich mich gefesselt auf dem Boden eines Kanus zwischen den haarigen Beinen der Krieger, die mich gefangen genommen hatten. Über mir, und ziemlich nah auf beiden Seiten, konnte ich felsige Klippen sehen, wir paddelten also durch eine enge Schlucht. Ich versuchte, mich aufzusetzen, aber einer der Krieger trat mir ins Gesicht und drückte mich mit seinen Sandalen wieder nach unten.
Sie diskutierten mit lauten, rauen Stimmen über die Schlacht und schrien über die einzelnen Boote hinweg hin und her. Einer nach dem anderen versuchte, sich Gehör zu verschaffen und seine eigene Theorie über die seltsamen Waffen zu äußern, die mit einem donnernden Geräusch Feuer und Rauch spuckte und auf große Entfernung den Tod brachte. Ich konnte sie leicht verstehen, denn alle Menschen in Pellucidar sprechen sie. Eine andere hab ich nie gehört. Warum aber alle Rassen und Stämme, egal wie weit sie voneinander entfernt sind, diese eine Sprache sprechen, weiß ich nicht. Das war für Perry und mich immer ein Rätsel.
Perrys Vorschlag besagt, dass es sich um eine grundlegende, primitive Sprache handeln könnte, die Menschen, die in der gleichen Umgebung mit identischen Problemen und Umgebungen leben, ganz natürlich entwickeln würden, um ihre Gedanken auszudrücken. Vielleicht hat er damit Recht – ich weiß es nicht, aber diese Erklärung ist ebenso gut, wie jede andere.
Die Krieger stritten sich weiter über unsere Waffen und kamen nicht weiter, bis schließlich derjenige, der mir ins Gesicht getreten hatte, sagte: »Der Gefangene ist wieder bei Sinnen. Er kann uns sagen, wie man Stöcke dazu bringt, Rauch und Flammen zu erzeugen und Krieger in weiter Ferne zu töten.«
»Wir können ihn dazu bringen, uns das Geheimnis zu verraten«, sagte ein anderer, »und dann können wir alle Krieger von Gef und Julok töten und alle ihre Männer für uns nehmen.«
Diese Bemerkung verwirrte mich ein wenig, denn es schien mir, dass, wenn sie alle Krieger töteten, keine Männer mehr übrig sein würden. Als ich aber meine bärtigen, haarigen Entführer genauer betrachtete, dämmerte mir plötzlich eine seltsame und verblüffende Wahrheit. Diese Krieger waren keine Männer. Es waren Frauen.
»Wer braucht noch mehr Männer?«, sagte eine andere. »Ich nicht. Die, die ich habe, machen mir genug Ärger – schnattern, nörgeln, machen ihre Arbeit nie richtig. Nach einem harten Jagd- oder Kampftag bin ich viel zu erschöpft, um sie noch zu verhauen, wenn ich nach Hause komme.«
»Das Problem mit dir, Rhump«, sagte eine Dritte, »du bist zu leichtfertig mit deinen Männern. Du lässt sie über dich herfallen.«
Rhump war die Dame, die mir ins Gesicht getreten hatte. Sie mag vielleicht ein weichherziges Geschöpf sein, diese Seite hat sie mir bei unserer kurzen Bekanntschaft jedoch nicht offenbart. Sie hatte Beine wie ein Profi-Footballer und Ohren wie ein Kanonier. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie jemanden aus reiner Herzensgüte davonkommen lassen würde.
»Nun«, erwiderte sie, »weisst du, Fooge, wenn ich so eine jämmerliche Bande von Schwächlingen hätte wie du, würde mir vielleicht viel Ärger erspart bleiben. Aber ich mag meine Männer mit ein wenig Feuer.«
»Untersteh’ dich, über meine Männer zu sprechen«, rief Fooge, während sie mit einem Paddel nach Rhumps Kopf schlug.
Rhump wich aus und hatte sich aufgesetzt, um nach ihrer Schleuder zu greifen, als eine herrische Stimme aus dem Heck des Kanus rief: »Setzt euch hin und haltet den Mund.«
Ich schaute in die Richtung, aus der die Stimme kam, und sah eine riesige, brutale Kreatur mit einem buschigen schwarzen Bart und eng stehenden Augen. Ein Blick auf sie erklärte, warum die Unruhe sofort aufhörte und Rhump und Fooge sich wieder auf ihren Drosseln niederließen. Sie war Gluck, die Anführerin. Und ich kann mir gut vorstellen, dass sie ihre Position nicht durch wohliges Zureden erlangt haben könnte.
Gluck richtete ihre blutunterlaufenen Augen auf mich. »Wie ist dein Name?«, brüllte sie.
»David«, antwortete ich.
»Woher kommst du?«
»Aus dem Land von Sari.«
»Wie kann man Stöcke bauen, die mit Rauch und einem lauten Geräusch töten?«, fragte sie.
Nach dem, was ich von ihrer früheren Unterhaltung gehört hatte, wusste ich, dass die Frage irgendwann kommen würde; darum hatte ich meine Antwort bereits parat. Ich wusste, dass sie die wahre Erklärung von Gewehren und Schießpulver niemals verstehen würden. »Das geschieht durch Magie, die nur den Männern von Sari bekannt ist«, antwortete ich.
»Gib ihm dein Paddel, Rhump«, befahl Gluck.
Als ich das Paddel nahm, dachte ich, dass sie mich dazu bringen würde, beim Antreiben des Kanus zu helfen, aber das war überhaupt nicht in ihrem Sinn.
»Nun«, sagte sie, »benutze deine Magie, um Rauch und ein lautes Geräusch aus diesem Stock kommen zu lassen. Aber sieh zu, dass du niemanden dabei tötest.«
»Das ist die falsche Art von Stock«, sagte ich. »Ich kann damit nichts anfangen«, und reichte ihn Rhump zurück.
»Was ist denn der richtige Stock?«, fragte sie.
»Ein sehr starkes Schilfrohr, das nur in Sari wächst«, antwortete ich.
»Ich glaube, du lügst mich an. Wenn wir in Oog sind, solltest du besser ein paar von diesen Stöcken finden, wenn du weißt, was gut für dich ist.«
Während sie durch die enge Schlucht paddelten, begannen sie, über mich zu sprechen. Ich darf sagen, dass sie in ihren Kommentaren recht vorbehaltlos waren. Die allgemeine Meinung schien zu sein, dass ich zu weiblich war, um ihrem Ideal von einem Mann zu entsprechen.
»Sieh dir seine Arme und Beine an«, sagte Fooge. »Er ist muskulös wie eine Frau.«
»Überhaupt kein Sexappeal«, fügte Rhump hinzu.
»Nun, wir können ihn mit den anderen Sklaven arbeiten lassen«, sagte Gluck. »Er könnte sogar bei den Kämpfen helfen, wenn das Dorf überfallen wird.«
Fooge nickte. »Das ist so ziemlich alles, wozu er gut sein wird.«
Bald kamen wir aus der Schlucht in ein großes Tal, in dem ich offene Ebenen und Wälder sehen konnte. Am rechten Ufer des Flusses stand ein Dorf. Dies war das Dorf Oog, unser Ziel. Hier war Gluck die Anführerin.