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Viertes Kapitel

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Der seltsame Tod des Russen Michael Sabrow, der keinen Freund hinterlassen zu haben schien, gab der Presse tagelang Stoff für sensationelle Meldungen. Auch Lord Greystoke las die Berichte und ließ sich von der Polizei auf dem Laufenden halten, nachdem er sichergestellt hatte, dass sein Name nicht mit dem Fall in Verbindung gebracht wurde.

Sein Interesse konzentrierte sich zunächst auf das geheimnisvolle Verschwinden des Affen, der seinen Herrn getötet hatte, aber auch einige Tage später, als man ihm meldete, dass sein Sohn die Schule nicht wieder auf gesucht habe, brachte er die Tatsache nicht mit der Flucht des Affen in Zusammenhang. Erst einen Monat später, als sich herausstellte, dass Jack den Zug vor der Abfahrt verlassen hatte und von einem Taxi zur Adresse des Russen gebracht worden war, kam Tarzan zu Bewusstsein, dass ein Zusammenhang zwischen dem doppelten geheimnisvollen Verschwinden bestehen müsse.

Am Tage, der dem Tod Alexis Paulvitschs folgte, begleitete ein Junge seine kranke, gehunfähige Großmutter in Dover an Bord eines Schiffes. Die alte Dame war tief verschleiert und so schwach, dass sie in einem fahrbaren Krankenstuhl an Bord gebracht werden musste. Der Junge gestattete niemandem anderen, den Stuhl zu schieben, und die beiden verschwanden in der Kabine, um erst am Schluss der Reise wieder an Deck zu kommen.

Unter den Passagieren des Schiffes befand sich ein Amerikaner mit Namen Condon. Condon war ein notorischer Betrüger, der von einem halben Dutzend amerikanischer Staaten gesucht wurde. Er hatte sich wenig für den Jungen interessiert, der mit seiner Großmutter an Bord gekommen war, aber dies änderte sich, als er den Jungen bei einer Gelegenheit ein beträchtliches Banknotenbündel aus der Tasche ziehen sah. Von diesem Zeitpunkt an bemühte sich Condon um die Freundschaft des jungen Engländers. Er erfuhr schnell, dass der Junge allein mit seiner kranken Großmutter reiste und dass ihr Bestimmungsort ein kleiner Hafen an der Westküste Afrikas, wenig unter dem Äquator, war. Der Junge und die alte Dame hießen Billings, und sie hatten keine Freunde in der kleinen Siedlung, die sie als ihr Ziel angaben. Über den Zweck der Reise konnte Condon nichts erfahren, denn sobald er diesen Punkt berührte, wurde der Junge sehr still. Der Amerikaner drängte nicht weiter; er hatte erfahren, was er wissen wollte.

Mehrmals versuchte Condon, den Jungen zu einem Kartenspiel zu bewegen, aber sein Opfer hatte kein Interesse daran, und die finsteren Blicke der andern Passagiere ließen es Condon geraten scheinen, nach einem anderen Weg zu suchen, um die Banknotenrolle des Jungen in seine eigene Tasche zu zaubern.

Schließlich kam der Tag, an dem das Schiff an einer bewaldeten Landzunge nahe der Äquator-Siedlung vor Anker ging. Sie bestand aus einer Handvoll Blechhütten. An den Rändern der Siedlung standen die mit tropischen Blättern gedeckten Hütten der Eingeborenen. Der Junge hatte die Hände auf die Reling gestützt. Sein Blick ging über die von Menschen gebaute kleine Stadt in den von Gott erschaffenen Dschungel. Erst jetzt schien ihm zu Bewusstsein zu kommen, auf welches Abenteuer er sich eingelassen hatte, denn vor seinem Auge tauchten plötzlich das zarte Gesicht der Mutter und die strengen Züge des Vaters auf, aus denen alle Liebe der Welt sprach. Jack wurde schwankend in seinem Entschluss, Heimweh packte ihn. Er wandte sich an einen vorbeigehenden Offizier und fragte:

»Wann legt das nächste Schiff nach England hier an?«

»Die Emanuel müsste jeden Tag ankommen«, erwiderte der Offizier. »Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass wir sie bei unserer Ankunft antreffen.« Mit diesen Worten wandte sich der Offizier ab, um weiter das Landemanöver zu überwachen.

Es erwies sich als ziemlich schwierig, die Großmutter des Jungen vom Deck in eines der schwankenden Kanus hinabzulassen. Der Junge bestand darauf, stets an ihrer Seite zu sein, und im Eifer des Gefechts entging ihm, dass das Geldbündel aus seiner Tasche gefallen und im Wasser versunken war.

Kaum hatte das Boot, in dem sich Großmutter und Enkel befanden, Kurs auf das Ufer genommen, als Condon auf der anderen Seite des Schiffes ebenfalls ein Kanu bestieg, um sich mitsamt seinem Gepäck an Land rudern zu lassen. Hier blieb er vorerst außer Sichtweite des schäbigen zweistöckigen Gebäudes, das sich stolz Hotel nannte. Erst als es dunkel wurde, näherte er sich dem Bau und bezog ein Zimmer.

In einem Hinterzimmer des zweiten Stockes erklärte der Junge, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten seiner Großmutter, dass er sich entschlossen habe, mit dem nächsten Dampfer nach England zurückzukehren. Er machte der alten Dame klar, dass sie in Afrika bleiben könne, wenn sie es wünsche, ihn jedoch zwänge sein Gewissen, zu den Eltern zurückzukehren, die sich seinetwegen sicher schwerste Sorgen machten.

Nachdem diese Entscheidung gefallen war, fühlte sich der Junge frei von den Selbstvorwürfen, die ihn in der letzten Zeit gequält hatten, und als er sich schlafen legte, gaukelte ihm ein leichter Traum bald das glückliche Wiedersehen mit den Seinen vor. Aber schon schlich das Schicksal, das anderes mit ihm vorhatte, durch den Korridor des schäbigen Gebäudes - das Schicksal in Gestalt des amerikanischen Betrügers Condon.

Vorsichtig näherte sich der Mann der Tür des Zimmers, hinter der er den Jungen wusste. Er beugte sich zum Schlüsselloch hinab und horchte, bis er sicher war, dass die beiden Hotelgäste schliefen. Mit geschickten Händen schob er einen Nachschlüssel in das Schloss und öffnete die Tür, die lautlos nach innen aufschwang. Halbdunkel erfüllte den Raum. Condon tastete sich zum Bett vor, in dem seiner Meinung nach der Junge und seine hilflose Großmutter schliefen.

Der Amerikaner dachte nur an das Banknotenbündel, das er gesehen hatte. Wenn er es unbemerkt an sich bringen konnte, umso besser. Sollte er auf Widerstand stoßen, so war er auch hierfür gewappnet. Die Kleidung des Jungen lag auf einem Stuhl neben dem Bett. Flink durchsuchte der Gauner sie, fand aber das Geld nicht. Gewiss lag es unter einem Bettkissen versteckt. Er trat näher an den Schläfer. Schon war seine ausgestreckte Hand halb unter das Kissen geglitten, als sich die große Wolke, die den Mond verdunkelte, weiterbewegte und helles Licht den Raum überflutete. Im gleichen Augenblick öffnete der Junge die Augen und blickte in das Gesicht Condons. Der Mann erkannte, dass der Junge allein im Bett lag. Seine Hand schloss sich um die Kehle Jacks. Der Junge richtete sich auf, kämpfte. Condon hörte ein Knurren hinter sich. Und während die Hände des Jungen seine Gelenke packten, fühlte er andere Hände an seiner Kehle, haarige Hände, die von hinten über seine Schultern langten. Er warf einen entsetzten Blick nach hinten - ein Schauer überlief ihn, als er den großen Menschenaffen erkannte. Die entblößten Fänge Akuts befanden sich nahe seiner Kehle. Der Junge hielt mit eisernem Griff seine Hände fest. Keiner gab einen Laut von sich. Wo war die Großmutter? Condons verzweifelter Blick nahm jetzt jede Bewegung in dem Raum auf. Die Augen traten ihm aus dem Kopf, als er erkannte, auf welches Abenteuer er sich eingelassen hatte. Er wollte den Jungen fortstoßen, um den Angreifer in seinem Rücken abzuwehren. Er riss eine Hand los und führte einen heftigen Schlag gegen das Gesicht des Jungen. Dieser Schlag schien die ganze Wut des haarigen Geschöpfes hinter ihm hervorzurufen. Condon hörte ein tiefes, wütendes Knurren. Dann wurde er zurückgerissen und zu Boden geworfen. Ein schwerer Körper warf sich auf ihn, mächtige Zähne packten seine Halsschlagader und zerrissen sie.

Sekunden später erhob sich der Affe von der leblosen Gestalt.

Der Junge sprang entsetzt aus dem Bett und beugte sich über den Toten. Er wusste, dass Akut in Notwehr getötet hatte, nicht anders als im Falle Michael Sabrows, aber wie sollte er das beweisen? Die Strafe für Mord war der Tod. Sie traf den Täter wie seinen Komplizen gleichermaßen. Wer würde sie hier, in einem fremden Land, verteidigen? Alle würden gegen ihn sein. Sie waren in einem primitiven Land. Vielleicht würde es nicht einmal eine Gerichtsverhandlung geben, und man würde sie beide an den nächsten Baum knüpfen. Solche Dinge geschahen in Amerika, wie er gelesen hatte, und Afrika war noch viel wilder als der große Westen, dem seine Mutter entstammte. Ja, gewiss würde man sie beide bei Morgengrauen hängen!

Gab es keinen Ausweg? Er überlegte minutenlang, sich zur Ruhe zwingend, dann stieß er einen Ruf der Erleichterung aus und langte nach seiner Kleidung. Geld löste alle Probleme! Geld würde ihn und Akut retten. Er tastete nach dem Banknotenbündel, das er mitgebracht hatte. Es war nicht da! Er suchte noch einmal, langsam und gründlich, aber der Erfolg war der gleiche - das Geld blieb verschwunden. Er ließ sich auf Hände und Knie nieder und suchte den Fußboden ab. Er zündete die Lampe an, rückte das Bett zur Seite und setzte die Suche fort. Neben der Leiche Condons zögerte er, zwang sich dann aber, sie zu berühren. Er rollte sie zur Seite, doch das Geld befand sich nicht darunter. Er erriet, dass der Mann in ihr Zimmer eingedrungen war, um ihn zu berauben, aber er hielt es für unmöglich, dass der Gauner das Geld in der kurzen Zeit hatte in Sicherheit bringen können. Also musste es sich in seiner Kleidung befinden. Er durchsuchte Jacke und Hose des Amerikaners - vergeblich.

Jack war verzweifelt. Was sollten sie tun? Am Morgen würden sie entdeckt und getötet werden. Trotz seiner Größe und Stärke, die er von seinem Vater geerbt hatte, war er ein kleiner Junge geblieben, der nur nach den kümmerlichen Erfahrungen seiner Jugend urteilen konnte. Er kauerte sich auf dem Bett zusammen und überlegte. Am Abend zuvor war er noch entschlossen gewesen, nach Hause zurückzukehren und seine Eltern wegen des Abenteuers, in das er sich gestürzt hatte, um Verzeihung zu bitten. Jetzt würde er sie wahrscheinlich nie wiedersehen, denn das Blut eines Mitmenschen klebte an seinen Händen (er hatte längst vergessen, dass es eigentlich Akut gewesen war, der den Eindringling tötete). Schwer fühlte er die Schuld auf sich lasten. Mit Geld wäre es ihm vielleicht gelungen, das schwere Schicksal abzuwenden, sich loszukaufen, aber welche Chancen hatte er ohne einen Penny im fremden Land?

Er wandte sich Akut zu. »Komm!«, sagte er in der Sprache der großen Affen. Er vergaß, dass er nur mit einem Pyjama bekleidet war, als er ans Fenster eilte. Er steckte den Kopf hinaus und horchte angespannt. Wenige Meter vor dem Fenster ragte ein hoher Baum auf. Geschmeidig sprang der Junge auf den nächsten Ast und ließ sich am Stamm hinab. Dicht hinter ihm kam Akut. Zweihundert Meter weiter führte ein Weg in den Dschungel. Niemand sah sie, und wenig später verschlang der Dschungel John Clayton, den zukünftigen Lord Greystoke.

Am folgenden Morgen klopfte spät ein Hausdiener an die Tür des Zimmers, das von Mrs. Billins und ihrem Enkel gemietet worden war. Als er auf Klopfen und Rufen keine Antwort erhielt, steckte er seinen zweiten Schlüssel ins Schloss. Aber der Zimmerschlüssel steckte von innen. Er meldete Herrn Schopf, dem Besitzer, seine Entdeckung, und Herr Schopf eilte ins zweite Stockwerk hinauf, um laut mit beiden Fäusten an die Tür zu hämmern. Als alles still blieb, bückte er sich, um zu sehen, ob er durch das Schlüsselloch nicht doch einen Blick in den Raum werfen könnte. Dabei verlor er fast das Gleichgewicht, er musste sich mit einer Hand auf den Boden stützen - und fühlte etwas Feuchtes, Klebriges an seinen Fingern. Im Dämmer des Korridors erkannte er den roten, dunklen Fleck als Blut. Er sprang auf und warf sich mit der Schulter gegen die Tür. Das dünne Holz zersplitterte, und Herr Schopf taumelte in das Zimmer.

Was er sah, blieb für ihn das größte Rätsel seines Lebens. Zu seinen Füßen lag der entseelte Körper des Amerikaners, der am Abend zuvor ein anderes Zimmer genommen hatte. Die Taschen seiner Kleidung waren nach außen gedreht, als hätte sie jemand gründlich durchsucht. Das Genick des Mannes war gebrochen, an der Halsschlagader klaffte eine riesige Wunde. Die alte Dame und ihr Enkel waren verschwunden. Das Fenster stand offen. Die beiden mussten durch das Fenster verschwunden sein, denn der Schlüssel steckte von innen im Schloss.

Wie aber hatte der Junge seine kranke Großmutter zwei Stockwerke tief hinablassen können? Ein unvorstellbarer Gedanke. Wieder durchsuchte Herr Schopf das kleine Zimmer. Er stellte fest, dass das Bett von der Wand gerückt war - warum? Er blickte zum dritten oder vierten Mal unter das Bett und in den Schrank. Die beiden waren fort, und das, obwohl der Verstand Herrn Schopf sagte, dass der Junge seine Großmutter nicht getragen haben konnte. Die weitere Untersuchung ließ das Rätsel noch geheimnisvoller erscheinen. Die gesamte Kleidung der beiden befand sich noch im Zimmer, die Verschwundenen konnten nur ihre Nachtkleider getragen haben. Herr Schopf schüttelte den Kopf, dann kratzte er sich den Schädel. Er hatte nie von Sherlock Holmes gehört, sonst hätte er nicht gezögert, den Meisterdetektiv herbeizurufen, denn hier lag ein wirklich geheimnisvolles Rätsel vor - eine alte Frau, eine Kranke, die vom Schiff zum Hotel gefahren bzw. getragen werden musste, und ihr Enkel hatten am Abend zuvor ein Hotelzimmer im zweiten Stock bezogen. Sie hatten sich das Abendessen auf dem Zimmer servieren lassen, und das war das Letzte, was man von ihnen sah. Um neun Uhr am nächsten Morgen war die Leiche eines Fremden der einzige Bewohner des Raumes. Kein Boot hatte den Hafen inzwischen verlassen, es gab im Umkreis von Hunderten von Meilen keine Eisenbahn, die nächste weiße Siedlung lag so weit entfernt, dass sie nur in drei Tagen harten Marsches erreicht werden konnte, und das mit einer gut ausgerüsteten Safari. Die beiden hatten sich in Nichts aufgelöst, denn der eingeborene Diener, den Herr Schopf nach draußen geschickt hatte, kam mit der Meldung wieder, dass sich keinerlei Fußspuren auf dem weichen Rasen unter dem Fenster befänden. Herr Schopf schauderte. Ja, es war ein großes Rätsel, in dem etwas Unheimliches lag. Der Hotelbesitzer dachte mit Unbehagen an die kommende Nacht.

TARZAN UND SEIN SOHN

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