Читать книгу TARZAN UND SEIN SOHN - Edgar Rice Burroughs - Страница 9
Drittes Kapitel
ОглавлениеWährend der Dresseur noch überlegte, ob er nicht doch von der Peitsche Gebrauch machen sollte, schob ihn ein großer breitschultriger Mann zur Seite und betrat die Loge. Leichte Röte überzog das Gesicht des Jungen, als sein Blick auf den Neuankömmling fiel, »Vater!«, rief er aus.
Der Affe musterte den englischen Lord kurz, dann sprang er, aufgeregt murmelnd, auf ihn zu. Tarzans Augen weiteten sich, er stand wie erstarrt da.
»Akut!« stieß er hervor.
Verwirrt schaute der Junge seinen Vater an, dann ging sein Blick zu Ajax zurück. Bei der nun folgenden Szene klappte das Kinn des Dresseurs herab, denn von den Lippen des Engländers kam ein Strom unverständlicher Worte, der von dem Affen, der sich eng an den Mann schmiegte, auf die gleiche Weise erwidert wurde.
Aus den Kulissen beobachtete ein hagerer, verkrümmter alter Mann die phantastische Szenerie in der Loge. Eine Flut Empfindungen, die von höchster Überraschung bis zu tiefstem Entsetzen reichten, bewegte sein pockennarbiges Gesicht.
»Lange habe ich dich gesucht, Tarzan«, sprach Akut. »Nun werde ich in deinen Dschungel kommen, um mit dir zu leben.«
Der Mann strich zärtlich über den Schädel des Tieres. Blitzschnell ließ die Erinnerung Bilder an ihm vorüberziehen, die ihn in den wilden afrikanischen Dschungel versetzten, wo der große Menschenaffe Schulter an Schulter mit ihm gekämpft hatte. Er sah den schwarzen Mugambi seine Keule schwingen, neben ihm kauerte mit entblößten Fängen und zitterndem Schnauzbart Sheeta, der schreckliche Panther, und hinter beiden drängten sich Akuts Affen. Der Mann seufzte. Der Ruf des Dschungels, den er längst verstummt glaubte, wurde in ihm wieder laut. Er wünschte, nur für einen kurzen Monat zurückkehren zu können, noch einmal das Streifen der Lianen an seinen nackten Lenden spüren, den Geruch modernder Vegetation atmen, jagen und gejagt werden, den Kampf mit den Raubtieren der Wildnis aufnehmen. Es war so verlockend, was die Phantasie ihm vorgaukelte, aber es wurde abgelöst durch eine andere Bilderfolge - eine junge schöne Frau mit vertrauten Zügen, Freunde, Besitz, ein Sohn. Er hob die breiten Schultern und ließ sie wieder sinken.
»Es kann nicht sein, Akut«, sagte er. »Aber wenn du zurückkehren willst, werde ich dafür sorgen, dass es geschieht. Du würdest hier nicht glücklich sein, und ich könnte dort das volle Glück nicht mehr finden.«
Der Dresseur trat einen Schritt auf Akut zu. Der Affe knurrte drohend und entblößte die Fänge.
»Geh mit ihm, Akut«, sagte Tarzan. »Morgen siehst du mich wieder.«
Mürrisch trat das Tier an die Seite des Dresseurs, dem Tarzan auf dessen Aufforderung seine Adresse gab. Dann wandte John Clayton sich seinem Sohn zu.
»Komm«, sagte er.
Die beiden verließen das Theater. Minutenlang schwiegen noch beide, als sie schon in den Wagen gestiegen waren. Dann brach der Sohn das Schweigen.
»Der Affe kannte dich«, sagte er. »Ihr habt euch in seiner Sprache unterhalten. Woher kannte der Affe dich und wie hast du seine Sprache erlernt?«
Zum ersten Mal berichtete Tarzan seinem Sohn einiges aus seiner früheren Vergangenheit. Über seine Geburt im Dschungel, über den Tod seiner Eltern, über Kala, die ihn wie eine Mutter angenommen und ihn aufgezogen hatte, fast bis zur Mannesreife. Er erwähnte auch die Gefahren und Schrecken des Dschungels, sprach von den Bestien, die Tag und Nacht auf der Lauer lagen, er vergaß die Zeiten der Dürre und der Regenperioden nicht, erinnerte an Hunger, Durst und ständige Furcht - aber er bedachte dabei eines nicht, nämlich dass der Junge an seiner Seite der Sohn Tarzans von den Affen war.
Als der Junge, ohne die angekündigte Strafe erhalten zu haben, im Bett lag, erzählte John Clayton seiner Frau von den Erlebnissen des Abends und davon, dass er Jack über sein Leben im Dschungel unterrichtet hatte. Lady Greystoke, die seit langem ahnte, dass ihr Sohn von diesen Dingen erfahren würde, konnte nur den Kopf schütteln, wider besseres Wissen hoffte sie, der Drang zum Abenteuerlichen möge in dem Kind nicht übermächtig werden.
Tarzan besuchte Akut am folgenden Tag. Seinem Sohn hatte er die Bitte abgeschlagen, ihn zu begleiten. In dem pockennarbigen Besitzer des Tieres erkannte er den Alexis Paulvitsch aus früheren Tagen nicht wieder. Tarzan wollte mit dem Mann über den Verkauf des Tieres verhandeln, aber Paulvitsch lehnte rundweg ab, sich von Akut zu trennen.
Als Tarzan nach Hause zurückkehrte, fieberte Jack geradezu seinem Bericht entgegen, und er schlug alsbald vor, der Vater möge doch den Affen ins Haus nehmen. Lady Greystoke jedoch wies diesen Vorschlag entschieden zurück. Tarzan erklärte, dass er den Affen habe kaufen wollen, um ihn in sein Dschungeldasein zurückzuschicken. Hiergegen hatte Jacks Mutter nichts einzuwenden. Der Junge bat, Akut besuchen zu dürfen, aber auch diese Bitte wurde abgelehnt. Doch da er die Adresse des Dresseurs nun kannte, entschlüpfte er zwei Tage später dem neuen Lehrer, der Mr. Moore abgelöst hatte.
Nach langem Suchen in einem Teil Londons, den er bislang nie betreten hatte, fand er die düstere Behausung des pockennarbigen Mannes. Paulvitsch selbst öffnete ihm und führte ihn, als der Junge den Zweck seines Besuches erklärt hatte, in den kleinen Raum, den der mächtige Affe bewohnte. War Paulvitsch schon in früheren Jahren ein widerwärtiger Bursche gewesen, so hatten die zehn Jahre unter Kannibalen ihm den letzten Rest seiner Manieren genommen. Sein Anzug war zerknittert und abgetragen, er wirkte unsauber, das dünne Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Das kleine Zimmer, in dem er Akut eingesperrt hielt, starrte vor Schmutz. Der Affe kauerte auf dem Bett, zwei verfilzte Decken dienten ihm als Unterlage. Beim Anblick des Jungen sprang Akut auf den Boden und marschierte auf Jack zu. Der alte Mann, der seinen Besucher nicht erkannt hatte und fürchtete, der Affe könne ihm ein Leid antun, trat zwischen die beiden und befahl dem Affen, auf das Bett zurückzukehren.
»Er wird mir nichts tun«, rief der Junge. »Wir sind Freunde, und früher war er meines Vaters Freund. Sie kannten sich im Dschungel. Mein Vater ist Lord Greystoke. Er weiß nicht, dass ich hierhergekommen bin. Meine Mutter verbot es mir, aber ich wollte Ajax sehen, und ich bin bereit, Sie dafür zu bezahlen, wenn Sie mich öfter kommen lassen.«
Bei der Erwähnung des Namens Greystoke verengten sich die Augen Paulvitschs. Als er Tarzan im Theater wiedererkannt hatte, waren die ersten Rachegelüste in ihm erwacht. Zwar sah er im Augenblick noch keinen Weg, sich durch Tarzans Sohn an dem verhassten Gegner zu rächen, aber er wusste, dass die Gelegenheit kommen würde. Er beschloss daher, sich die Zuneigung des Jungen zu erwerben, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Er berichtete dem Jungen alles, was er aus Tarzans früherem Leben wusste, und als er entdeckte, dass man Jack lange Jahre hindurch darüber in Unkenntnis gelassen hatte, dass man ihm sogar den Besuch des Zoologischen Gartens untersagt hatte, ahnte er, welche Angst in den Herzen der Eltern wohnte. So sehr fürchteten sie, der Junge könnte eines Tages von der gleichen Leidenschaft für den Dschungel gepackt werden wie sein Vater.
So ermutigte Paulvitsch den Jungen, ihn oft zu besuchen, und er erfüllte ihm immer wieder den Wunsch, vom wilden Leben im Dschungel zu erzählen, das er nur zu gut kennengelernt hatte. Er ließ Jack oft mit Akut allein, und es dauerte nicht lange, bis er feststellen konnte, dass der Junge von dem mächtigen Tier verstanden wurde. Er hatte tatsächlich viele Worte der primitiven Sprache der Menschenaffen gelernt.
Während dieser Zeit besuchte auch Tarzan den Russen wiederholt. Er drängte ihn, ihm den Affen zu verkaufen, und ließ schließlich durchblicken, dass er Akut in erster Linie kaufen wollte, weil er fürchtete, sein Sohn könne den Aufenthalt des Affen erfahren und in seiner Abenteuerlust bestärkt werden.
Der Russe konnte kaum ein Lächeln bei den Worten Tarzans unterdrücken, denn knapp eine halbe Stunde war vergangen, seit der zukünftige Lord Greystoke neben dem Affen auf dessen Bett gesessen und sich mit ihm unterhalten hatte.
Plötzlich kam Paulvitsch eine Idee. Er erklärte sich bereit, den Affen für eine beträchtliche Summe zu verkaufen und außerdem dafür zu sorgen, dass Akut an Bord eines Schiffes gebracht wurde, das zwei Tage später von Dover aus nach Afrika fahren sollte. Der Russe gedachte zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Einmal reizte ihn die hohe Summe, die Lord Greystoke zu zahlen bereit war, denn Akut weigerte sich standhaft, weiterhin seine Künste auf einer Bühne zu zeigen. Zum anderen waren plötzliche Rachegelüste in ihm stärker geworden, denn er führte die Weigerung Akuts, weiter für ihn zu arbeiten, auf den Einfluss Tarzans zurück. Hinzu kam, dass er spürte, wie seine Kräfte immer mehr schwanden, so dass es ihm Zeit schien, fürs Alter Vorsorge zu treffen. Gelegenheit dazu wurde ihm durch das großzügige Angebot Tarzans geboten.
Der Zufall schien Paulvitsch in die Hände zu arbeiten. Jack wurde ungewollt Ohrenzeuge einer Aussprache zwischen seinen Eltern, in der Tarzan seiner Frau erklärte, welche Schritte er unternommen habe, um Akut seinem Dschungeldasein wiederzugeben.
Jack machte an diesem Tage keinen Versuch mehr, Akut zu sehen, sondern beschäftigte sich auf andere Weise. Er war immer großzügig mit Taschengeld bedacht worden, so dass er einige hundert Pfund beisammen hatte. Einen Teil dieses Geldes legte er in sonderbaren Einkäufen an, die er unentdeckt ins Haus schmuggeln konnte, als er am Nachmittag zurückkehrte.
Am nächsten Morgen ließ er seinem Vater genügend Zeit, das Geschäft mit Paulvitsch abzuwickeln, ehe er selbst zur Behausung des Russen eilte. Aus Furcht, von Paulvitsch, den er kaum näher kannte, an den Vater verraten zu werden, zog er den Russen nickt ins Vertrauen und schwieg über seine Pläne. Stattdessen bat er lediglich, Akut nach Dover begleiten zu dürfen. Er versprach, den Russen gut dafür zu bezahlen, und machte ihm klar, dass er sich auf diese Weise eine mühselige Reise erspare.
»Es besteht keine Gefahr, dass unser Plan entdeckt wird«, schloß er. »Ich muss ohnehin das Haus verlassen, um mit dem Nachmittagszug zu meiner Schule zu fahren, denn die Ferien sind zu Ende. Ich werde auf dem kürzesten Wege hierherkommen, nachdem man mich in den Zug gesetzt hat. Dann kann ich Ajax nach Dover bringen und komme nur einen Tag später zur Schule. Niemand wird davon erfahren, aber ich habe einen Tag mehr, um mit Ajax zusammen zu sein, bevor wir uns für immer trennen müssen.«
Da Jacks Plan sich mit den Absichten des Russen deckte, willigte Paulvitsch in das Vorhaben des Jungen ein.
Am Nachmittag nahmen Lord und Lady Greystoke Abschied von ihrem Sohn, nachdem sie sich überzeugt hatten, dass Jack auf seinem vorbestellten Platz in einem Erster-Klasse-Wagen saß. Kaum hatten sie ihn verlassen, raffte Jack sein Gepäck zusammen, verließ den Zug und stieg vor dem Bahnhof in ein Taxi. Es dämmerte, als er die Behausung des Russen erreichte, der schon unruhig auf und ab ging. Der Affe war mit einem festen Strick an das Bett gebunden. Jack, als er diese Vorsichtsmaßnahme durchschaute, sah Paulvitsch fragend an. Unwirsch erklärte der Russe, das Tier habe wohl erraten, was ihm geschehen solle, und er fürchte, Ajax werde einen Fluchtversuch unternehmen.
Paulvitsch trug ein zweites Stück Strick in der Hand, mit dessen zu einer Schlinge geformten Ende er ständig spielte. Dabei durchquerte er unruhig das Zimmer und sprach mit sich selbst. Der Junge hatte den Alten nie so gesehen und fühlte sich reichlich unbehaglich. Schließlich blieb der Russe an der dem Affen gegenüberliegenden Wand stehen.
»Komm her«, sagte er zu dem Jungen. »Ich werde dir zeigen, wie du dich sichern kannst, sollte sich der Affe während der Fahrt aufsässig zeigen.«
Der Junge lachte. »Das wird kaum nötig sein«, erwiderte er. »Ich bin gewiss, dass Ajax mir aufs Wort gehorcht.«
Der alte Mann stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf. »Komm her«, wiederholte er. »Wenn du nicht tust, was ich sage, darfst du den Affen nicht nach Dover begleiten. Ich kann das Risiko, dass er entflieht, nicht eingehen.«
Immer noch lächelnd, durchquerte der Junge den Raum und blieb vor dem Russen stehen.
»Dreh dich um, so dass du mir den Rücken zuwendest«, befahl Paulvitsch. »Ich werde dir zeigen, wie du Ajax schnell fesseln kannst.«
Der Junge folgte dem Befehl und legte die Hände auf den Rücken. Sekunden später war er gefesselt. Da plötzlich stieß der Russe eine Verwünschung aus, riss seinen Gefangenen herum, brachte ihn zu Fall und sprang mit beiden Beinen auf seine Brust. Der Affe knurrte drohend und versuchte sich von seiner Fessel zu befreien. Der Junge schrie nicht auf. Er hatte das Wissen, dass im Dschungel jeder auf sich selbst gestellt ist, von seinem Vater geerbt.
Paulvitschs Finger tasteten nach der Kehle des Jungen, ein schreckliches Grinsen verzerrte seine Züge.
»Dein Vater hat mich zugrunde gerichtet«, murmelte er. »Jetzt bekommt er die Strafe dafür. Er wird denken, dass der Affe es getan hat. Ich werde ihm erklären, dass es der Affe war. Dass ich ihn ein paar Minuten allein lassen musste und dass er dich umbrachte, als du dich ins Zimmer schlichst. Ich werde dich auf das Bett werfen, nachdem ich dich erwürgt habe, und wenn ich deinen Vater hole, wird er den Affen über deiner Leiche kauernd finden.« Er stieß ein heiseres Gelächter aus, und seine Finger schlossen sich um den Hals des Jungen.
Hinter den beiden ließ das Toben des wütenden Tieres die Wände beben. Der Junge war bleich geworden, aber in seiner Miene spiegelte sich kein Zeichen von Furcht. Er war der Sohn Tarzans. Der Druck der Finger verstärkte sich, Jack vermochte nur noch mühsam zu atmen. Der Affe warf sich gegen den festen Strick, der ihn an sein Bett fesselte. Dann wandte er sich um, packte den Strick, legte ihn über seine Schulter und stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Unter der haarigen Haut spannten sich die mächtigen Muskeln, und Holz begann zu splittern. Der Strick hatte gehalten, aber die Halterung des Strickes war mit einem breiten Stück Holz ausgerissen.
Bei dem krachenden Laut blickte Paulvitsch auf. Sein widerwärtiges Gesicht wurde grüngelb - der Affe war frei.
Mit einem einzigen Satz warf sich das Tier auf ihn. Der Russe schrie auf. Eisenharte Finger bohrten sich in das Fleisch des Mannes, gelbe Fänge schnappten nach der Kehle des Russen, der vergeblich zu entkommen versuchte. Die Zähne drangen tiefer und setzten dem Leben des hinterhältigen Menschen ein Ende.
Der Junge kam taumelnd auf die Füße, gestützt von Akut. Unter Jacks Anleitung löste das Tier die Fesseln des Jungen. Jack schnitt das Strickende ab, das von den Hüften Akuts herabhing. Dann öffnete er einen seiner Koffer und entnahm ihm verschiedene Kleidungsstücke. Er hatte seinen Plan bis ins Kleinste vorbereitet. Das Tier tat alles, was er ihm befahl. Zusammen schlichen sie sich aus dem Haus. Ein flüchtiger Beobachter hätte nicht gemerkt, dass der eine der beiden ein Affe war.