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2. Kapitel

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George Ravini war kein häßlicher Mann. Seiner eigenen Meinung nach, die natürlich voreingenommen war, war er mit seinem kurzgelockten, braunen Haar, seinen schönen napoleonischen Gesichtszügen, seiner schlanken Gestalt und guten Haltung außerordentlich anziehend. Und wenn zu seinen natürlichen Vorzügen noch der beste Anzug, den Savile Row liefern konnte, der fleckenloseste aller grauen Hüte, der Malakka-Stockdegen, auf dem eine seiner weißbehandschuhten Hände wie auf dem Griff eines Rapiers ruhte, die glänzendsten aller Lackschuhe und die feinsten grauen Seidensocken hinzukamen, dann war das Bild prächtig eingerahmt und verschönert. Aber der schönste Schmuck von allem waren George Ravinis Glücksringe. Er war abergläubisch und hatte eine große Vorliebe für Amulette. Den kleinen Finger seiner rechten Hand schmückten drei goldene Ringe, und jeder Ring trug drei große Diamanten. Ravinis Glücksringe waren in Saffron Hill sprichwörtlich geworden.

Gewöhnlich trug er das halb amüsierte, halb gelangweilte Lächeln eines Mannes zur Schau, für den das Leben keine Geheimnisse mehr barg, und dem es auch nichts Neues mehr bringen konnte. Und dies Lächeln war auch zum Teil gerechtfertigt, denn George wußte so ziemlich alles, was in London vorging, oder was sich möglicherweise ereignen konnte. In einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung in Saffron Hill hatte er das Licht der Welt erblickt, hatte den engen Horizont, der seine Kindheit umgab, erweitert und sich herausgearbeitet. Aus dem Arme-Leute-Kind, das sein Lager mit dem dressierten Affen seines Vaters teilen mußte, war ein eleganter Kavalier geworden, Inhaber einer vornehmen Wohnung in Half Moon Street, nicht nur Inhaber der Wohnung, sondern auch Besitzer des Blocks, in dem diese sich befand. Sein Guthaben in der Continentalbank war sehr zufriedenstellend; er besaß Hypotheken, die ihm mehr, als er nötig hatte, einbrachten; ein noch größeres Einkommen gewährten ihm die beiden Nachtklubs und Spielhäuser, die unter seiner Leitung standen, ganz abgesehen von den Nebenverdiensten, die ihm von einem Dutzend der verschiedensten Quellen zuflossen. Ravinis Wort war Gesetz von Leyton bis Clerkenwell, seinen Befehlen wurde im Fitzroy Square unbedingt Folge geleistet, und kein andrer Bandenführer in London hätte sich erlauben dürfen, sein Haupt ohne Georges Einwilligung zu erheben. Er würde Gefahr laufen, eines Tages schön bandagiert im »Saal der Unglücksfälle« im Middlesex-Hospital aufzuwachen.

Er wartete geduldig in der großen Halle des Waterloo Bahnhofes, sah von Zeit zu Zeit nach seiner goldenen Armbanduhr und betrachtete mit wohlwollenden und gönnerhaften Blicken den Strom des Lebens, der durch die Bahnhofssperren flutete.

Die Bahnuhr zeigte auf ein Viertel nach sechs; er blickte noch einmal auf seine Uhr und musterte dann die Menge, die von dem Bahnsteig 7 herabkam. Nach einigen Minuten Suchens sah er das junge Mädchen, rückte an seiner Krawatte, setzte seinen Hut ein wenig schief und schlenderte ihr langsam entgegen.

Margaret war zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, um an den eleganten, jungen Mann zu denken, der schon so oft versucht hatte, – und zwar unter dem alten Vorwand, »sie müßten sich früher schon mal getroffen haben« – mit ihr in ein Gespräch zu kommen. In der Aufregung über ihren Besuch in Larmes Keep hatte sie tatsächlich die Existenz dieses zudringlichen Anbeters oder die Möglichkeit, daß dieser bei ihrer Rückkehr von ihrer Reise auf sie warten könne, völlig vergessen.

Ravini blieb stehen und wartete, bis sie herankam, wobei er ihr beifällig entgegenlächelte. Er liebte schlanke Mädchen von ihrer Art: Mädel, die sich ziemlich einfach kleideten, schöne Strümpfe und unauffällige kleine Hüte trugen. Er lüftete seinen Hut; die Glückssteine blitzten wunderbar.

»Oh!« sagte Margaret Belman und blieb ebenfalls stehen.

»Guten Abend, Miß Belman,« sagte George und ließ lächelnd seine weißen Zähne sehen. »Glücklicher Zufall, Ihnen wieder zu begegnen.«

Als sie an ihm vorbeiging, fiel er in gleichen Schritt mit ihr.

»Ich wünschte, ich hätte mein Auto hier; ich hätte Sie nach Hause fahren können,« begann er zu plaudern. »Ich habe einen neuen zwanziger Rolls – wirklich ein netter, kleiner Wagen. Ich brauche ihn nur wenig – ziehe es vor, von der Half Moon Street zu laufen.«

»Gehen Sie jetzt nach der Half Moon Street?« fragte sie schnell.

Aber George war ein Mann von Erfahrung.

»Ihr Weg ist auch der meine.«

Sie blieb stehen.

»Wie heißen Sie?« fragte sie.

»Smith – Anderton Smith,« antwortete er ohne Zögern. »Warum wollen Sie das wissen?«

»Ich möchte es dem nächsten Schutzmann erzählen, dem wir begegnen,« sagte sie, und Mr. Ravini, dem solche Drohungen nicht unbekannt waren, lächelte.

»Machen Sie sich nicht lächerlich, kleines Mädel,« sagte er. »Ich tue nichts Böses, und Sie wollen doch Ihren Namen auch nicht in den Zeitungen sehen. Außerdem würde ich einfach sagen, Sie hätten mich aufgefordert, mitzukommen, und wir wären alte, gute Freunde.«

Sie sah ihn fest an.

»Ich werde vielleicht sehr bald einen Freund treffen, der sich nur sehr schwer davon überzeugen lassen wird,« sagte sie. »Bitte, lassen Sie mich in Ruhe.«

George aber erklärte, daß er das Vergnügen ihrer Gegenwart vorzöge.

»Was für eine törichte, junge Dame Sie doch sind!« begann er. »Ich erweise Ihnen doch weiter nichts, als die gewöhnlichen Aufmerksamkeiten – –«

Eine Hand packte seinen Arm und drehte ihn langsam herum – und das am hellichten Tage auf dem Waterloo Bahnhof, vor den Augen von mindestens zweien seiner Kumpane. Mr. Ravinis Augen blitzten drohend.

Und doch schien sein Angreifer ein höchst harmloser Mann zu sein. Er war schlank und sah ziemlich melancholisch in die Welt. Er trug einen Gehrock, der fest über der Brust zugeknöpft war, und einen hohen, harten Filzhut mit flachem Deckel. Auf seiner etwas starken Nase saß – ein wenig schief – ein einfacher Stahlklemmer. Ein Paar strohfarbener Koteletten zierten seine Wangen, und an seinem Arm hing ein lose zusammengerollter Regenschirm. Diesen Einzelheiten schenkte aber George keine besondere Aufmerksamkeit, er kannte sie zur Genüge, denn Mr. I. G. Reeder, Detektiv der Staatsanwaltschaft, war ihm sehr gut bekannt ... die Kampflust verschwand aus seinen Augen.

»Aaaach, Mr. Reeder!« sagte er mit einer Herzlichkeit, die beinahe aufrichtig klang. »Das ist aber eine angenehme Überraschung. Darf ich Ihnen Miß Belman vorstellen – wir wollten gerade zusammen nach –«

»Aber doch nicht nach dem Flotsam Club zum Tee?« murmelte Mr. Reeder mit schmerzlichem Tonfall, »Und auch nicht nach Harrabys Restaurant? Sagen Sie bloß das nicht, Georgio! Du liebe Güte! Das hätte aber interessant werden können!«

Er strahlte den finster blickenden Italiener an.

»Im Flotsam Club hätten Sie der jungen Dame zeigen können, wo Ihre Freunde erst vorgestern den jungen Lord Fallon um dreitausend Pfund erleichtert haben – wie man mir erzählt hat. Und bei Harraby hätten Sie ihr das interessante, kleine Zimmer zeigen können, wo die Polizei immer durch eine Hintertür hineinkommen kann, wenn Sie es für vorteilhaft halten, einen Ihrer Freunde zu verraten. Sie hat wirklich was versäumt!« George Ravinis Lächeln stand mit seiner plötzlichen Blässe nicht im Einklang.

»Hören Sie mal. Mr. Reeder –«

»Tut mir leid, Georgio« Mr. Reeder schüttelte traurig seinen Kopf. »Meine Zeit ist kostbar. Ich kann Ihnen gerade noch eine Minute opfern, um Ihnen mitzuteilen, daß Miß Belman eine ganz besonders gute Freundin von mir ist. Sollte sich ihr Erlebnis von heute wiederholen – wer weiß, was da alles passieren könnte; wie Ihnen bekannt sein dürfte, bin ich ein boshafter Mensch.« Er sah den Italiener nachdenklich an. »Ich möchte wissen, ob es wirklich Bosheit ist, die mich hindert, Ihnen eine sehr interessante Enthüllung zu machen, die mir auf der Zunge liegt. Das menschliche Gemüt ist ein eigenartiges und kompliziertes Ding, Mr. Ravini. Na ja, ich muß weiter. Grüßen Sie Ihre Zunftgenossen, und wenn Sie merken, daß einer der Herren von Scotland Yard Ihnen nachgeht, seien Sie ihm nicht weiter böse. Er tut ja nur seine Pflicht. Und vergessen Sie nicht meine – na ja – Warnung betreffs dieser jungen Dame.«

»Ich habe nichts zu dieser Dame gesagt, was ein Herr nicht sagen dürfte.«

Mr. Reeder schielte Ravini an.

»Sollten Sie das getan haben, können Sie darauf rechnen, daß Sie mich heute Abend wiedersehen – und dann werde ich wohl nicht allein kommen. In dem Fall,« – sein Ton wurde ganz vertraulich – »würde ich genug kräftige Leute mitbringen, die Ihnen die Schlüssel zu Ihrem Schließfach im Fetter Lane Stahlkammer-Depot abnehmen werden.«

Mehr sagte er nicht, aber Ravini taumelte bei dieser Drohung. Ehe er sich wieder gefaßt hatte, waren Mr. I. G. Reeder und sein Schützling in der Menge verschwunden.

John Flack

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