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5. Kapitel

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Mr. Reeder hatte es sich bequem gemacht, trug ein Paar merkwürdig bemalte Sammetpantoffeln, eine Zigarette hing zwischen seinen Lippen, und er setzte dem Detektiv-Inspektor, der ihn in aller Frühe aufgesucht hatte, seine Gründe für gewisse Schlußfolgerungen auseinander.

»Ich nehme auch nicht einen einzigen Augenblick an, daß mein Freund Ravini die Hand dabei im Spiele hat. Er arbeitet nicht so ... hm ... fein, außerdem hat er wenig oder gar keine Intelligenz. Sie werden finden, daß dieser Schlag schon seit Monaten geplant ist, obwohl er erst heute ausgeführt wurde. Bennet Street Nr. 307 gehört einem alten Herrn, der hauptsächlich in Italien lebt. Er hat das Haus schon seit Jahren möbliert vermietet; erst seit einem Monat sieht es leer.«

»Sie nehmen also an, daß die Leute, wer sie auch immer sein mögen, das Haus gemietet ...«

Mr. Reeder schüttelte den Kopf.

»Sogar das bezweifle ich. Höchstwahrscheinlich haben sie eine Erlaubnis, das Haus zu besichtigen, und sind auf irgendeine Weise den Verwalter losgeworden. Sie wußten, daß ich heute Nacht zu Haus sein würde, weil ich immer zu Haus bin ... hm ... wenigstens meistens, seit ...« Mr. Reeder hustete verlegen. »Eine gute Bekannte von mir hat kürzlich London verlassen, und ich gehe nicht gern allein aus.«

Und zu Simpsons Schauder flog ein rosiger Schein über Mr. Reeders nüchternes Gesicht.

»Vor einigen Wochen,« fuhr er fort mit einem kläglichen Versuche, unbefangen zu erscheinen, »aß ich gewöhnlich auswärts, ging in ein Konzert, oder sah mir eines jener wundervollen Melodramen an, für die ich eine besondere Vorliebe habe.«

»Wen haben Sie in Verdacht?« unterbrach Simpson, der nicht mitten in der Nacht aus dem Bett gerufen worden war, um die Vorzüge von Melodramen zu erörtern. »Die Gregorys oder die Donovans?« Er nannte zwei Banden, die ausgezeichnete Gründe hatten, mit Mr. Reeder und seinen Methoden unzufrieden zu sein.

Mr. Reeder schüttelte seinen Kopf.

»Keine von beiden. Ich glaube, oder vielmehr: ich bin ganz sicher, daß wir für diese Sache hier auf alte Geschichten zurückkommen müssen.«

Simpson riß die Augen auf.

»Sie meinen doch nicht Flack?« fragte er ungläubig. »Der hält sich versteckt ... So bald fängt der nicht wieder an.«

Mr. Reeder nickte.

»John Flack. Wer denn sonst könnte ein solches Unternehmen geplant haben? ... Diese künstlerische Vollendung! Und dann, Mr. Simpson« – er beugte sich zu ihm und tippte ihm auf die Brust – »seit Flack nach Broadmoor geschickt wurde, ist kein größerer Einbruch mehr in London vorgekommen. In einer Woche werden Sie den größten von allen erleben. Die Quintessenz aller Einbrüche. Sein wahnwitziges Hirn bereitet ihn jetzt vor.«

»Er ist erledigt,« sagte Simpson stirnrunzelnd.

Mr. Reeder lächelte schwach.

»Wir wollen abwarten. Die kleine Affäre von heute Nacht ist ein Probeschuß – ein reines Nichts. Aber ich bin ganz froh, daß ich in diesen Tagen nicht ... hm ... auswärts esse. Andrerseits ist aber unser guter Freund Georgio Ravini dafür bekannt, nur auswärts zu speisen – würde es Ihnen etwas ausmachen, das Polizeibureau in der Vine Street anzurufen, ob dort Rapporte über einige Unglücksfälle eingelaufen sind?«

Vine Street, wo man über die Lebensweise von so manchen Leuten genau unterrichtet war, teilte sofort mit, daß Mr. Georgio Ravini die Stadt verlassen hätte; man nahm an, er wäre in Paris.

»Du lieber Himmel,« sagte Mr. Reeder in seiner nachlässigen, gleichgültigen Weise. »Das ist aber vernünftig von Georgio, und es wäre noch viel vernünftiger, wenn er ganz dort bleiben würde.«

Mr. Simpson stand auf und schüttelte sich. Er war ein starker, beherzter Mann, der diese Angewohnheit hatte.

»Ich will nach dem Präsidium gehen und Rapport erstatten,« sagte er. »Vielleicht ist es doch nicht Flack gewesen. Er ist der Anführer von einer Bande und kann ohne seine Leute nichts machen. Und die sind ja in alle Welt zerstreut, die meisten von ihnen in Argentinien ...«

»Ha, Ha!« lachte Mr. Reeder, aber ohne jedes Anzeichen von Belustigung.

»Worüber lachen Sie denn, zum Teufel?«

Der andere entschuldigte sich sofort.

»Das war mehr ein ... hm ... wenn ich so sagen darf ... ein ... hm ... skeptisches Lachen. Argentinien! Gehen denn Verbrecher wirklich nach Argentinien ... ausgenommen natürlich in den wunderbaren Romanen, die man in der Eisenbahn liest? Eine Überlieferung, mein lieber Mr. Simpson, die bis zu jenen alten Zeiten zurückgeht, wo zwischen den beiden Ländern keine Auslieferungsverträge bestanden. In alle Welt zerstreut! ... Möglich ... Ich warte auf den Tag, wo ich sie alle unter einem Dach zusammen habe. Das wird ein sehr angenehmer Morgen für mich sein, Mr. Simpson, wenn ich durch die Galerie laufen und durch die kleinen Judasse Beobachtungsklappe in den Zellentüren der Gefängnisse. blicken kann und sehe, wie sie Postsäcke nähen – es gibt keine beruhigendere Beschäftigung als Näharbeit! – In der Zwischenzeit passen Sie aber ja auf Ihre Banken auf – der alte John Flack ist siebzig Jahre alt und hat keine Zeit mehr zu verlieren. Die nächste Zeit, bevor viele Tage vergangen sind, wird es erleben, wie in der City von London Geschichte gemacht wird. Ich möchte wissen, wo ich Mr. Ravini finden kann?«

***

Georgio Ravini gehörte nicht zu denen, deren Glückseligkeit von der guten Meinung abhing, die andere von ihm hatten.

Sonst würde er wohl sein ganzes Leben in jämmerlicher Trübsal verbracht haben. Und in bezug auf Mr. Reeder – er erörterte das Thema dieses interessanten Polizeibeamten bei einem Glas Wein und einer guten Zigarre in seiner Wohnung in der Half Moon Street. Es war ein in die Augen fallender, sogar etwas protzenhafter, kleiner Haushalt. Mr. Ravinis Motto war: Das Beste vom Besten – und davon so viel, wie irgendmöglich; sein Salon erinnerte an eine jener übermäßig verzierten französischen Standuhren – alles Gold und Emaille, wenn es nicht Seide oder Damast sein konnte. Er setzte Lew Steyne – eine Art »Leutnant« von ihm – seine Meinung über die Lage der Dinge auseinander.

»Wenn dieser alte Dingsda wirklich nur die Hälfte von dem wüßte, was er zu wissen vorgibt, würde ich den ersten Zug nach Bordighera nehmen,« sagte er. »Aber Mr. Reeder blufft. In gewisser Beziehung ist er sehr gerieben, aber das kann man beinahe von jedem Schnüffler sagen, dem man in den Weg läuft.«

»Du kannst ihn sicherlich was lehren,« erwiderte Lew schmeichlerisch, und Mr. Ravini lächelte selbstgefällig und strich seinen kecken Schnurrbart.

»Ich würde mich gar nicht wundern, wenn der alte Geck nach dem Mädel verrückt ist. Mai und Dezember – kannst du dir so was denken?!«

»Wie sieht sie eigentlich aus?« fragte Lew. »Ich habe sie niemals richtig gesehen.«

Mr. Ravini küßte verzückt seine Fingerspitzen.

»Mich kann er auf jeden Fall nicht ins Bockshorn jagen, Lew – du weißt, wie ich bin. Wenn ich was haben will, dann bin ich hinterher und bin so lange hinterher, bis ich es habe. Ich habe niemals ein Mädel gesehen wie sie. Ganz und gar Dame und so weiter, und was sie an solch altem Knacker finden kann ist mir 'n böhmisches Dorf.«

»Weiber sind komisch,« sagte Lew nachdenklich, »man sollte nicht glauben, daß 'n Schreibmaschinenmächen dir den Laufpaß gibt.«

»Laufpaß geben ist Quatsch,« sagte Mr. Ravini kurz, »ich bin ihr ganz einfach nicht vorgestellt worden, das ist die Geschichte. Aber das kommt noch. Wo ist das Haus?«

»In Siltbury,« sagte Lew.

Er holte ein Stück Papier aus der Westentasche, faltete es auseinander und las die mit Bleistift geschriebenen Worte. »Larmes Keep, Siltbury – an der Südbahn. Ich folgte ihr, als sie mit ihren Koffern von London abreiste. Der alte Reeder brachte sie nach der Bahn und sah so vergnügt aus wie eine gebadete Katze.«

»Eine Pension?« sagte Ravini überlegend, »komische Art von Stellung.«

»Sie ist Sekretärin,« berichtete Lew. (Er hatte das mindestens schon viermal erzählt, aber Mr. Ravini gehörte zu jenen neugierigen Menschen, die alles nicht oft genug hören können.)

»Das Haus ist allerhand,« sagte Lew. Nicht eine der gewöhnlichen Pensionen – nur für seine Leute. Zwanzig Guineen die Woche pro Zimmer, und du kannst froh sein, wenn du überhaupt reinkommst.«

Ravini kratzte sein Kinn und dachte darüber nach.

»Das ist hier ein freies Land,« sagte er, »wer kann mich hindern in – na, wie heißt das Ding – zu wohnen? Larmes Keep? In meinem ganzen Leben habe ich mich noch niemals mit ›Nein‹ von 'ner Frau zufrieden gegeben. Meistens meinen sie's ja überhaupt nicht so. Auf jeden Fall muß sie mir ein Zimmer geben, wenn ich genug Geld habe, um zu zahlen.«

»Und wenn sie an Reeder schreibt?« warf Lew ein.

»Laß sie schreiben!« Ravinis Ton klang herausfordernd, wie auch seine Meinung immer sein mochte. »Was kann er mir anhaben? Es ist doch kein Verbrechen, seine Miete in einer Pension zu bezahlen?«

»Versuchs doch mal bei ihr mit einem von deinen Glücksringen,« grinste Lew.

Ravini betrachtete sie mit Bewunderung.

»Ich kann sie nicht herunterkriegen,« sagte er, »und ich denke gar nicht daran, mich deswegen von meinem Glück zu trennen. Sie wird schon anbeißen, wenn sie mich erst näher kennt – mach dir man keine Sorge deswegen.«

Ein merkwürdiger Zufall wollte es, daß er am nächsten Morgen, als er aus der Half Moon Street kam, gerade den einzigen Mann in der ganzen Welt, den er nicht sehen wollte, treffen mußte. Glücklicherweise hatte Lew seinen Handkoffer nach der Bahn gebracht, und so verriet nichts in Ravinis Erscheinung, daß er sich auf die Reise nach einem galanten Abenteuer machte.

Mr. Reeders Blicke fielen auf die Brillantringe, die im Tageslicht funkelten. Sie schienen eine ganz besondere Anziehungskraft auf den Detektiv auszuüben.

»Hält das Glück noch immer an, Georgio?« fragte er, und Georgio lächelte selbstgefällig. »Und wohin führen Sie Ihre Schritte an diesem wunderbaren Septembermorgen? der Bank, um Ihre ruchlosen Gewinne in Sicherheit zu bringen? Oder um sich schnell ein Visum für Ihren Paß zu besorgen?«

»Ein bißchen spazierengehen,« sagte Ravini leichthin, »der Verdauung halber.« Und dann mit einer kleinen Dosis Bosheit: »Was ist denn eigentlich mit dem Spitzel passiert, den Sie mir hinterhergeschickt haben? Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen.«

Mr. Reeder sah an ihm vorbei anscheinend in weite Fernen.

»Er ist niemals weit weg von Ihnen gewesen, Georgio,« sagte er freundlich. »Letzte Nacht ist er Ihnen von Flotsam bis zu der merkwürdigen, kleinen Gesellschaft, an der Sie in Maida Vale teilnahmen, gefolgt, und von da bis nach Haus, um zwei Uhr fünfzehn.«

Georgio verlor ein wenig die Fassung.

»Sie wollen doch nicht sagen, daß er –« Er blickte um sich herum. Mit Ausnahme eines wohlwollend aussehenden Mannes, den man nach seinem Gehrock und Zylinder für einen Arzt halten konnte, war niemand zu sehen.

»Det is er doch nich?« sagte Ravini stirnrunzelnd.

»Das ist er doch nicht,« verbesserte Mr. Reeder. »Ihr Englisch ist noch nicht ganz perfekt.«

Ravini verließ London nicht unmittelbar darauf. Es war zwei Uhr, bis er seinen Verfolger abgeschüttelt hatte und fünf Minuten später saß er schon in dem Südexpreß. Derselbe alte Droschkenkutscher, der Margaret Belman nach Larmes Keep gebracht hatte, fuhr ihn den langen, gewundenen Hügelweg entlang, durch die breiten Tore bis zu dem Haupteingang des Hauses und setzte ihn dort ab. Ein älterer Portier in eleganter, gutsitzender Uniform kam heraus, um ihn in Empfang zu nehmen.

»Mr. –?«

»Ravini,« sagte er, »ich habe kein Zimmer bestellt.«

Der Portier schüttelte den Kopf.

»Ich fürchte, das wird nicht gehen,« sagte er. »Mr. Daver macht es sich zum Prinzip, keine Gäste aufzunehmen, die nicht ihre Zimmer im voraus bestellt haben. Ich werde mit der Sekretärin sprechen.«

Ravini folgte ihm in die geräumige Vorhalle und ließ sich auf einem der wundervollen Stühle nieder. Das hier war, er sah das sofort, ein Haus, das ganz und gar aus dem Nahmen der gewöhnlichen Pensionen herausfiel. Sogar für ein Hotel war es äußerst luxuriös eingerichtet. Andere Gäste waren nicht zu sehen. Endlich hörte er Tritte auf dem Steinfußboden und erhob sich, um den Augen Margaret Belmans zu begegnen. Wenn sie ihn auch unfreundlich anblickte, verriet sie doch durch kein Zeichen, daß sie ihn wiedererkannte. Er hätte der fremdeste Fremde sein können.

»Der Besitzer nimmt prinzipiell Gäste ohne vorhergegangene Korrespondenz nicht an,« sagte sie. »Unter diesen Umständen können wir Sie leider nicht aufnehmen.«

»Ich habe bereits an den Besitzer geschrieben,« sagte Ravini, der niemals um eine glatte Lüge verlegen war. »Lassen Sie sich zureden, junges Fräulein, seien Sie kein Spielverderber und sehen Sie mal zu, was Sie für mich machen können.«

Margaret zögerte. Am liebsten hätte sie dem Portier den Auftrag gegeben, den Handkoffer wieder in die wartende Droschke zu bringen, aber sie war ein Rad in dem Getriebe des Hauses und durfte ihren Vorurteilen nicht gestatten, ihre Pflichten zu beeinflussen.

»Wollen Sie, bitte, warten?« sagte sie und ging, um Mr. Daver zu suchen.

Dieser große Kriminalogist war in ein dickes Buch vertieft und blickte sie über seine Hornbrille hinweg fragend an.

»Ravini? Ein Ausländer? ... Natürlich ist das ein Ausländer. Ein Fremder in unseren Mauern, möchte man sagen. Es ist ganz ungewöhnlich, aber unter diesen Umständen – ja, ich denke, wir können es machen.«

»Er gehört nicht zu den Leuten, die Sie hier haben sollten, Mr. Daver,« sagte sie fest. »Ein Bekannter, der diese Klasse Leute kennt, hat mir erzählt, daß er zu einer Verbrechergesellschaft gehört.«

»Verbrechergesellschaft! Was für eine wunderbare Gelegenheit, diese aus allernächster Nähe kennenzulernen!« – Seine spaßhaften Augenbrauen sträubten sich – »Sie geben mir doch recht? ... Ich wußte ja, daß Sie mir recht geben! ... Lassen Sie ihn ruhig bleiben ... Wenn er mich langweilt, setze ich ihn vor die Tür.«

Margaret ging zurück, etwas enttäuscht, und kam sich, um die Wahrheit zu sagen, ein wenig dumm vor. Sie fand Ravini in der Halle; er fingerte an seinem Schnurrbart herum und schien etwas weniger selbstbewußt, als wie sie ihn verlassen hatte.

»Mr. Daver läßt sagen, Sie können hierbleiben. Ich werde Ihnen sofort die Haushälterin schicken,« sagte sie und machte sich auf die Suche nach Mrs. Burton, um diesem kummervollen Wesen die notwendigen Anweisungen zu geben.

Sie ärgerte sich über sich selber, daß sie Mr. Daver gegenüber nicht deutlicher gesprochen hatte. Sie hätte ihm sagen können, daß sie das Haus verlassen würde, wenn Ravini bleiben sollte. Sie hätte ihm sogar den Grund sagen können, warum sie nicht wünschte, daß der Italiener im Hause bliebe. Allerdings befand sie sich in der glücklichen Lage, daß sie nichts mit den Gästen zu tun hatte, falls diese nicht den Wunsch hatten, sie zu sprechen, und Ravini war zu schlau, um seinen augenblicklichen Vorteil auszunutzen.

An diesem Abend, als sie auf ihr Zimmer kam, setzte sie sich hin und schrieb einen langen Brief an Mr. Reeder, überlegte es sich aber besser und zerriß ihn wieder. Sie konnte sich doch nicht jedesmal, wenn irgend etwas nicht in Ordnung war, an Mr. Reeder wenden. Er hatte genug mit seinen eigenen Sorgen zu tun, wie sie einsah, und damit hatte sie recht. In dem gleichen Augenblick, als sie an ihn schrieb, untersuchte Mr. Reeder mit großem Interesse den Selbstschuß, der ihm Verderben hätte bringen sollen.

John Flack

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