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Als Janice gegangen war, machte sich Dr. Marford daran, die Medizinen zu bereiten, die er seinen Patienten im Laufe des Tages verschrieben hatte. Das war gewöhnlich seine Abendbeschäftigung.

Die Arbeit befriedigte ihn aber nicht, und er ging zu seinem Schreibtisch zurück, wo Stöße von Papieren und Rechnungen auf ihn warteten. Leider arbeitete er in seiner Klinik mit Defizit, denn es waren ständig neue Apparate und Einrichtungsgegenstände zu kaufen. Auch die Berichte über das Erholungsheim in Eastbourne zeigten eine Unterbilanz. Aber trotzdem verlor er den Mut nicht.

In den nächsten Tagen erwartete er größere Überweisungen von einem Mann aus Antwerpen und einem anderen aus Birmingham, die ihm regelmäßig Geld schickten. Er legte die Papiere zusammen und verschloß sie in einer Schublade. Dann stand er auf und trat durch eine Seitentür auf den Hof hinaus.

Es war ein geräumiger Platz. An dem einen Ende stand der große Schuppen, in dem der alte Gregory Wicks gegen geringe monatliche Miete sein Auto unterstellte.

Dieser Chauffeur war ein kräftiger, eigenwilliger Mann, stets schweigsam und zurückhaltend anderen Leuten gegenüber. Niemals stellte er sich mit anderen Taxis in eine Reihe, und er unterhielt sich auch nicht mit seinen Kollegen. Aber weit und breit war er wegen seiner Ehrlichkeit bekannt. Große Summen und kostbare. Wertsachen, die in seinem Wagen liegengeblieben waren, hatte er schon bei der Polizei abgeliefert.

Mit Ausnahme von Dr. Marford, mit dem er gelegentlich plauderte, hatte er vor keinem Menschen Respekt. Trotz seines hohen Alters war er stark und gewandt und stand noch seinen Mann beim Boxen.

Der Doktor öffnete eine Tür und ging nach Gallows Alley, einer engen, unsauberen Gasse, in der viele Kinder spielten. Sie waren barfuß und ungewaschen, aber beim Spiel restlos glücklich. Ihre heruntergekommenen Väter und Mütter standen in den Türen oder schauten zu den Fenstern der oberen Stockwerke heraus, aber niemand nahm Notiz von dem Arzt. Er gehörte nun einmal zur Gegend und hatte ein Recht, hier zu gehen.

In Nr. 9, dem letzten Haus, wohnte Gregory Wicks. Dr. Marford gab ein bestimmtes Klopfsignal an der Tür, und bald darauf wurde geöffnet.

»Kommen Sie herein, Doktor«, sagte Gregory laut und herzlich. »Machen Sie aber keinen Lärm – mein Mieter will schlafen.« Damit schlug er die Türe zu.

»Er muß aber einen sehr gesunden Schlaf haben, wenn Sie solchen Spektakel machen dürfen«, meinte Marford lächelnd.

Gregory stieg die Treppe hinauf und führte den Doktor in sein Zimmer.

»Wie geht es Ihnen denn?«

»Oh, ich bin vergnügt wie immer. Über die eine Kleinigkeit will ich mich nicht weiter beschweren. Nehmen Sie doch Platz. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, Doktor. Wenn die Leute in Tidal Basin wüßten, was Sie für mich getan haben ...«

»Ja, ja«, erwiderte Marford gutgelaunt. »Nun lassen Sie mich einmal sehen.«

Er drehte den alten Gregory so, daß das Licht in sein Gesicht fiel, und betrachtete ihn prüfend.

»Nicht besser und nicht schlechter – vielleicht sogar etwas besser, sollte ich denken. Aber nun wollen wir einmal Ihr Herz untersuchen.«

»Mein Herz!« rief Gregory entrüstet. »Mein Herz ist so stark wie das Herz eines Löwen! Neulich ist hier eine irische Familie eingezogen, und die Frau wollte eine Pfanne von mir borgen. Als ich ihr sagte, was ich von Leuten halte, die sich alles borgen müssen, kam ihr Mann und mischte sich in den Streit. Dem habe ich tüchtig eins vor den Ballon gegeben.«

»Das sollten Sie nicht tun, Gregory. Meine Patienten haben mir schon davon erzählt.«

Der alte Mann lachte vergnügt.

»Ich hätte es auch gar nicht zu tun brauchen. Einer der jungen Leute hier hätte es ebenso gern für mich getan, wenn ich ihm nur einen Wink gegeben hätte. Und mein Mieter wäre mir sicher auch zu Hilfe gekommen, wenn ich ihn aufgeweckt hätte.«

»Ist er heute da?«

»Ich glaube schon. Aber der Himmel mag es wissen. Ich höre ihn weder kommen noch gehen. Ich habe noch nie einen stilleren Menschen kennengelernt. Ich glaube, Sie haben ihn gebessert. Man sollte nicht denken, daß er die Hälfte seines Lebens im Gefängnis zugebracht hat.«

Gregory war fünfzig Jahre lang Nacht für Nacht schweigend durch die Straßen Londons gefahren, und er unterhielt sich mit Marford gern über die alten, vergessenen Zeiten und die berühmten Leute, die er noch mit der Pferdekutsche befördert hatte.

Nach einiger Zeit brachte der Chauffeur seinen Gast wieder zur Tür und schaute ihm nach, bis er außer Sicht war. Die lärmenden Kinder spotteten nicht über den Doktor, und keiner der Leute machte Witze über ihn. Wenn ein Polizist hier durchgegangen wäre, hätte es nicht an abfälligen Bemerkungen und Schimpfereien gefehlt. Nur der Doktor und Gregory Wicks blieben davon verschont. Der Chauffeur war gefürchtet wegen seiner Körperkräfte, der Arzt aus anderen Gründen. Man konnte nie wissen, ob man ihn nicht nötig hatte. Wenn er ärgerlich war, konnte er einem etwas in die Medizin mischen. Oder man wurde narkotisiert und war ganz und gar der Gnade dieses Mannes ausgeliefert – es war nicht auszudenken, was da passieren konnte!

Der Teufel von Tidal Basin

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