Читать книгу Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace, Edgar Wallace - Страница 105
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In der amerikanischen Botschaft fand ein Ball statt, und schon seit einer Stunde brachten zahllose elegante Limousinen die vornehmen Gäste herbei. Aus einem der letzten Wagen stieg ein etwas untersetzter Herr mit jovialem Gesicht aus. Er nickte dem Polizisten freundlich zu, der den Eingang von neugierigen Zuschauern freihielt, und betrat gleich darauf die große Halle.
»Colonel James Bothwell«, sagte er zu dem Diener und ging auf die Empfangsräume zu.
»Verzeihung.«
Ein hübscher Herr in tadellosem Frack nahm seinen Arm und führte ihn in ein kleines Vorzimmer.
Colonel Bothwell zog die Augenbrauen hoch. Er war etwas erstaunt über diese Vertraulichkeit.
»Sie irren sich wohl«, sagte er. »Ich glaube nicht –«
Die grauen Augen des anderen lächelten ihn freundlich an.
»Mein lieber amerikanischer Freund«, begann der Colonel wieder, »Sie täuschen sich bestimmt.«
Der Fremde schüttelte sanft den Kopf.
»Ich irre mich nie, und ich bin, wie Sie sehr gut wissen, Engländer – ebenso wie Sie. Es tut mir leid, mein armer, alter Slick!«
Slick Smith seufzte.
»Sehen Sie her, Captain, ich habe eine Einladung. Und wenn mich mein Botschafter zu sehen wünscht, so geht Sie das vermutlich nichts an.«
Captain Dick Shannon lächelte.
»Er wünscht Sie ja gar nicht zu sehen. Im Gegenteil, es wäre ihm höchst unangenehm, einen so gewandten englischen Dieb in der Nähe von einer Million Dollars in Diamanten zu wissen. Colonel Bothwell vom vierundneunzigsten Kavallerieregiment würde er gewiß gern die Hand drücken, wenn dieser Mann zu Besuch nach London käme, aber den Juwelendieb Slick Smith kann er wirklich nicht gebrauchen!«
»Schade! Den Halsschmuck der Königin von Griechenland hätte ich mir doch zu gern angesehen. Es ist vielleicht die letzte Gelegenheit. Zu meinem Unglück bin ich nämlich mit einem Detektivinstinkt begabt, und Sie dürfen mir glauben, daß die Diamantenkette bereits vorgemerkt ist! Eine sehr geschickte Bande ist dahinter her – Namen nenne ich natürlich nicht.«
»Sind die Leute hier?« fragte Dick schnell.
»Ich weiß es nicht. Das wollte ich ja selbst feststellen. Ich bin in solchen Dingen wie ein Arzt – sehe gern bei Operationen zu. Man lernt dabei immer etwas Neues, was einem nie einfiele, wenn man immer nur seine eigene Arbeit studierte.«
Dick Shannon überlegte einen Augenblick.
»Warten Sie hier, und lassen Sie das Silber in Frieden«, sagte er dann und ließ Slick allein, der ihm entrüstet nachschaute.
Er drängte sich in den überfüllten Räumen durch die Gäste, bis er von einer freien Stelle aus den Botschafter beobachten konnte. Der Amerikaner sprach mit einer hochgewachsenen, müde aussehenden Dame, zu deren Schutz Dick Shannon in die Gesandtschaft beordert worden war.
An ihrem Hals glänzte eine Kette, die auch bei der leisesten Bewegung strahlend aufblitzte. Der Detektiv sah sich um und winkte unauffällig einen jungen Mann zu sich, der mit einem der Legationssekretäre sprach.
»Steel, Slick Smith ist hier«, flüsterte er ihm zu. »Und er behauptet, daß man versuchen würde, den Schmuck der Königin zu rauben. Sie dürfen sie keine Sekunde aus den Augen lassen. Und sagen Sie irgendeinem Beamten, daß er die Liste der Gäste nachkontrollieren soll. Wenn sich ein Unbefugter findet, bringen Sie ihn zu mir.«
Dann kehrte er zu Slick zurück.
»Warum sind Sie eigentlich gekommen, wenn Sie von diesem Plan wissen?« fragte er. »Auch wenn Sie nichts damit zu tun haben, werden Sie doch verdächtigt.«
»Das dachte ich mir auch schon. Daher kommt ja auch die Unruhe, die mich seit einer Woche plagt.«
Die Tür nach der Halle stand offen, und die beiden konnten die Nachzügler beobachten, die verspätet eintrafen. Eben kam ein stattlicher Herr von mittleren Jahren vorüber, der von einer auffallend schönen Frau begleitet wurde. Sie waren schon außer Sicht, bevor Dick sie näher betrachten konnte.
»Sieht ganz gut aus«, meinte Slick. »Martin Elton ist übrigens nicht hier. Seine Frau läuft viel mit diesem Lacy herum.«
»Lacy?«
»Ja, der Honourable Lacy Marshalt. Er ist Millionär und ein gerissener, zäher Kerl. Kennen Sie die Dame, Captain?«
Dick nickte. Dora Elton war eine bekannte Persönlichkeit, die bei keiner Veranstaltung der ultramondänen Welt fehlte. Lacy Marshalt kannte er nur dem Namen nach. Er brachte Slick Smith zur Haustür und wartete, bis dieser mit einem Mietauto davongefahren war. Dann kehrte er in den Ballsaal zurück.
Um ein Uhr brach zu seiner größten Erleichterung die Königin auf und fuhr zu ihrem Hotel am Buckingham Gate zurück, wo sie inkognito abgestiegen war. Neben dem Chauffeur saß ein bewaffneter Detektiv, und Dick zweifelte keinen Augenblick daran, daß sie ungefährdet ihr Ziel erreichen würde.
Nachdem er sich von dem dankbaren Botschafter verabschiedet hatte, kehrte er nach Scotland Yard zurück. Aber der überaus dichte Nebel ließ nur ein Schneckentempo zu. Als er seinen Wagen nach allerhand Zwischenfällen schließlich in den Hof gesteuert hatte, gab er Auftrag, ihn in die Garage zu bringen.
»Ich gehe lieber zu Fuß nach Hause«, sagte er zu dem diensttuenden Beamten. »Das ist sicherer.«
»Der Inspektor hat nach Ihnen gefragt«, erwiderte der Mann. »Er ist zum Embankment hinuntergegangen. Sie suchen dort nach der Leiche eines Mannes, der heute abend in den Fluß geworfen wurde.«
»Geworfen?« wiederholte Dick bestürzt. »Sie meinen wohl, er ist hineingesprungen?«
»Nein. Eine Patrouille der Strompolizei ruderte an der Embankmentmauer entlang, als der Nebel noch nicht so dicht war wie jetzt, und dabei sahen die Leute, wie der Mann aufgehoben und übers Geländer geworfen wurde. Der Sergeant pfiff sofort, aber es war gerade keiner von uns in der Nähe, und so ist der Kerl, der es getan hat, entkommen. Sie suchen jetzt nach der Leiche. Ich sollte es Ihnen mitteilen, wenn Sie kämen, meinte der Inspektor.«
Shannon zögerte keinen Augenblick und machte sich sofort wieder auf den Weg. Mühsam tastete er sich durch den Nebel, bis er mit dem Inspektor zusammenstieß.
»Ein Mord«, sagte der Beamte. »Eben haben sie die Leiche gefunden. Der Mann ist totgeschlagen und dann ins Wasser geworfen worden. Wenn Sie die Stufen herunterkommen, können Sie ihn sehen.«
»Wann ist es denn geschehen?«
»Heute – oder vielmehr gestern abend gegen neun. Jetzt haben wir gleich zwei.«
Shannon ging hinunter und beugte sich über die dunkle Gestalt, die ein Polizist mit seiner Taschenlampe beleuchtete.
»Er hat nichts bei sich«, meldete der Sergeant, »aber seine Persönlichkeit wird sich leicht feststellen lassen. Er hat eine große Narbe im Gesicht.«
Als Dick mit dem Inspektor nach Scotland Yard zurückkam, herrschte dort fieberhafte Tätigkeit, denn während ihrer Abwesenheit war eine Nachricht eingelaufen, die auch den letzten Reservedetektiv aus dem Bett jagte.
Das Auto der Königin war an der dunkelsten Stelle der Mall überfallen, der Detektiv erschossen und die Diamantkette geraubt worden.