Читать книгу Die Fastenkur und das Morgenfasten - Edward H. Dewey - Страница 4
Vorwort.
ОглавлениеIn meiner Übersetzung habe ich es absichtlich vermieden, der in diesem Buche behandelten Kur diejenige Benennung zu geben, unter welcher sie in Deutschland allgemein bekannt ist: Hungerkur. Nicht aus Berechnung stehe ich davon ab, obwohl es doch klar auf der Hand liegt, dass eine Sache, die sich einen Namen von so ominösem Klang wählt, sich von vornherein jede Aussicht verschließt, eine große Anhängerschaft zu finden. Es ist vielmehr das Paradoxe, das Grundfalsche und darum Irreführende in dieser Benennung, das ich beanstande. Wie in allen in diesem Buche vorgeführten Fällen vom Fasten betont wird, und wie es die Tatsachen bestätigen, kennzeichnet sich das Ende der Kur stets durch das Eintreten des Hungergefühls. Wären diese Kuren Hungerkuren, so würden also solche Patienten hungern, bis sie hungrig sind. Mit ebensoviel Sinn und Verstand könnte man ja sagen: ich schlafe, bis ich schläfrig bin — ich verharre in einem Zustande so lange, bis ich in denselben Zustand gelange.
Der Hunger ist ein Bedürfnis, das wie jedes andere natürliche Bedürfnis sich nicht mit Vertröstungen auf die Zukunft abspeisen lässt (wie sich das mit seinem launenhaften Vetter, dem Appetit, oft recht vorteilhaft tun lässt), sondern befriedigt werden muss, soll der Organismus nicht nachhaltig geschädigt werden. Es soll vorkommen, dass ehrliche, unbescholtene Leute unter dem Zwange der Not sich verleiten lassen, ein Brot aus dem Bäckerladen zu stehlen, um den nagenden Hunger zu stillen. Ließe man in der sog. Hungerkur ein solches wirklich vorhandenes Bedürfnis tagelang, ja, auf Wochen und Monate hin ungestillt, so wäre der Name Hungerkur ein viel zu milder Ausdruck dafür; Marterkur sollte man sie heißen; ja, ich weiß kein Wort, das krass genug wäre für eine so unmenschliche Kur, die — zum Glück nicht existiert. Ich selbst habe mehrere Fastenkuren durchgemacht, zwei von je 40 Tagen und zwei von kürzerer Dauer. Aber ich kann mit gutem Gewissen beteuern, dass ich mich nicht ein einziges Mal mit Diebesgelüsten in meine eigene Küche geschlichen habe, wo ich die Fleischtöpfe wusste, und wo Brots die Fülle war; noch haben die Leute, bei denen mein Mann seine fastenden Patienten unterzubringen pflegte, sich je beklagt, dass ihre Speisekammern vor dieser Sorte von Hausbewohnern nicht sicher wären — und Zwangsjacken wurden nie gebraucht.
Eine Hungerkur ist also die Fastenkur insofern nicht, als der Hunger als Mittel bei der Kur nicht in Erscheinung tritt; dagegen ist er der Zweck derselben. Nun ist es aber nicht üblich, eine Kur nach deren Ziel zu benennen; sonst gäbe es nur eine Benennung für sämtliche Kuren: Gesundheitskur!
Ich sehe also keine Veranlassung für mich, einem Namen treu zu bleiben, der sich allerdings eingebürgert hat, der aber die Sache, welche er vertritt, nicht deckt, und sich nur rühmen kann, unheimlich abschreckend zu wirken.
Käthe W. Dewey