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Kapitel 1

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Kommen Sie rein, und machen Sie die Tür hinter sich zu.“

Kriminaloberrat Günther Rogge tat, wie ihm geheißen wurde. Er hatte im Laufe der Jahre auch bereits höflichere Einladungen erhalten, sich andererseits inzwischen aber daran gewöhnt, dass die „junge Dame“, die nunmehr mit der Leitung der Dienststelle beauftragt war, wenig Neigung zeigte, sich mit langen Höflichkeitsfloskeln aufzuhalten.

Die promovierte Expertin für internationale Subventionskriminalität und inzwischen Leitende Polizeidirektorin Dr. Andrea Grafunder, war in Wirklichkeit weder besonders jung noch, wie Rogge bereits hatte erfahren dürfen, unbedingt das, was man gemeinhin als eine Dame zu bezeichnen pflegt. Trotzdem hatte sie vor wenigen Monaten für viele überraschend einen Karrieresprung an die Spitze der Abteilung gemacht. Vorbei an vielen Altgedienten, versteht sich. Und ebenso versteht es sich, dass ihr dies den Einstieg nicht eben erleichtert hat, zumal sie gar nicht so schlecht aussah und das wiederum allerlei Mutmaßungen zu den besonderen Qualifikationen genährt hatte, denen sie ihren kometenhaften Aufstieg wohl zu verdanken hatte.

Derartige Gedankengänge waren der Abteilungsleiterin nicht fremd geblieben und es versteht sich gleichfalls, dass deren Bereitschaft zu einem kollegialen Umgangston hierdurch ebenso wie durch die mangelnde Kooperationsbereitschaft eben dieser Altgedienten nicht gerade gefördert wurde. Ganz besonders galt das für Rogge, da der im Gegensatz zu vielen anderen Mitarbeitern seinen fehlenden Respekt bei jeder sich bietenden Gelegenheit schon fast provokativ zur Schau stellte.

Mit einer knappen Handbewegung lud sie den Kriminaloberrat ein sich zu setzen. Rogge kam dieser Aufforderung nach und streckte die Beine aus.

Er fühlte sich an diesem Montagmorgen nicht sonderlich. Der vergangene Abend war, wie im Grunde eigentlich die letzten Tage zuvor auch, wieder ziemlich lang geworden. Die kleine Feier hatte sich hingezogen. Seine Darmprobleme wurden durch solch „kleine Orgien“, wie er derartige Betriebsfeste zu bezeichnen pflegte, auch nicht gerade besser. Er wusste das und hätte es demzufolge vorgezogen früher zu gehen. Aber irgendwie hatte er wie so häufig die Gelegenheit zum Absprung verpasst und danach war es dann halt wieder sehr spät geworden, und feucht und qualmig und jetzt war er schlapp und müde und zu fast gar nicht zu gebrauchen. Seine neue Chefin hatte sich mit derartigen Befindlichkeiten offensichtlich nicht herumzuschlagen. „Wir haben mal wieder Kurierpost in die Hände bekommen,“ kam sie ohne Umschweife zur Sache, „und ich möchte, dass Sie sich der Sache annehmen.“ Rogge war nicht wohl und er hätte gern den Gürtel seiner Hose ein wenig gelockert, um der unangenehmen Spannung seiner Bauchdecke Entlastung zu verschaffen, aber ihm war klar, dass das hier nicht ging und deshalb sehnte er das Ende der Besprechung herbei. Folglich machte er keinerlei Anstalten, sich jetzt und hier in langatmige Diskussionen verwickeln zu lassen. Seiner Chefin, soweit hatte er sie mittlerweile verstanden, kam das durchaus gelegen. Sie mochte keine unnötigen Debatten, sondern verlangte „effektive Arbeit.“ Der Vorgang, um den es bei der Kurierpost ging, war in der Abteilung zudem bereits mehrfach zur Sprache gekommen, auch wenn die in dieser Sache bisher erzielten Ergebnisse nicht unbedingt der Vorgabe effektiven Arbeitens entsprachen.

Mit den Worten „ich schau’ mir das gerne einmal an,“ versuchte sich Rogge der unmittelbaren Nähe zu seiner Vorgesetzten zu entziehen und hatte damit sogar den erhofften Erfolg. Die Abteilungsleiterin reichte ihm die Akte, erhob sich und entließ ihn mit dem Hinweis aus der Besprechung, dass sie erwarte, er werde der Sache die ihr gebührende Priorität einräumen. Als Rogge beim Schließen der Tür hinter sich noch einen Blick zurück auf Andrea Grafunder warf, saß diese bereits wieder an ihrem Schreibtisch und widmete sich einem anderen Aktenordner.

Anschließend tat Rogge zunächst einmal das, wonach ihm an diesem Morgen am stärksten zumute war. Besonders eildürftig schien ihm der gerade übertragene Fall tatsächlich nicht zu sein – er verschloss daher sein Büro und meldete sich zu einem Auswärtstermin ab. Die Akte mit der Kurierpost begleitete ihn dabei vorschriftswidrig in seine Wohnung. Hier zog er es vor, sich für die nächsten Stunden erst im Bad und dann in seinem Bett von den Anstrengungen der vergangenen Nacht zu erholen. Als er am frühen Nachmittag glaubte soweit wieder hergestellt zu sein, um sich dem Aktenstudium widmen zu können, nahm er sich die Unterlagen vor.

Der Fall an sich war klar. Irgendwo da draußen, in der schönen heilen Welt war jemand der Auffassung, eben diese Welt mit einer kleinen Anschlagsserie beglücken zu sollen. Weniger klar war, wie ernst dieser oder diese Ankündigung genommen werden musste. Obwohl, oder gerade weil dummerweise auch nach der jüngsten Ankündigungsserie unklar blieb, mit welcher Dimension von Anschlägen tatsächlich gerechnet werden musste. Was sich bisher ereignet hatte, mutete eher ein wenig seltsam als gefährlich an. Bei insgesamt vier nahezu gleichzeitig verübten Anschlägen auf Hochleitungsmasten entlang der S-Bahn Strecke der S7, waren zwischen Icking und Wolfratshausen alte mechanische Taschenuhren als Auslösemechanismen verwendet worden. Wegen einer in allen Fällen gleichermaßen fehlerhaften Berechnung der für die Sprengung der Masten notwendigen Menge an Sprengstoff, hatte der angerichtete Schaden „mehr symbolischen Charakter“, wie der Oberrat erst kürzlich zur Verärgerung seiner Abteilungsleiterin im Verlauf einer Dienstbesprechung angemerkt hatte. Obwohl er durchaus einräumen musste, dass aufgrund der Auswahl der Masten im Erfolgsfall ein zwar zeitlich befristeter, zugleich aber wohl überregionaler Stromausfall zu verzeichnen gewesen wäre, der wiederum hätte zur Folge haben können, dass zahlreiche Haushalte und Betriebe vorübergehend ohne Strom dagestanden hätten und möglicherweise auch das in der Nähe befindliche Kernkraftwerk ein klitzekleines Kühlproblem hätte haben können. Hätte, hätte, hätte, hatte aber nicht. Dass die Berechnung fehlerhaft war, hatten die Experten auch darauf zurückgeführt, dass mit Tri-Trinal eine Mischung verwendet wurde, die gern zur Zeit des 1. Weltkrieges eingesetzt worden war. Rogge war daher geneigt, den gesamten Vorgang als eine der Enten einzustufen, zu deren Jagd die Polizei immer einmal wieder und zu seinem Leidwesen in letzter Zeit immer öfter eingeladen wurde. An wichtigtuerischen Verrückten, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, die Polizeiapparate dieser Welt in Atem zu halten, hat es in der Vergangenheit nicht gemangelt und mangelte es auch heute nicht. In diesem Fall fiel dem Beamten allerdings trotz der nicht eben kleinen Zahl an Jahren, die er als Erfahrung einzubringen in der Lage war, die Einschätzung schwer, ob es sich hier um Spinner oder eine ernstzunehmende Gefährdung handelte.

Das fing damit an, dass die Botschaften nicht wie heutzutage üblich für Jedermann sichtbar im Internet veröffentlicht waren.

Zudem waren die „abgefangenen Kuriermitteilungen“ so dilettantisch getarnt, dass sich dem erfahrenen Kriminaler fast ein bisschen der Eindruck aufdrängte, die Entdeckung der Post sei Teil des Attentatsplanes. Aber welcher Attentäter kann schon ein Interesse an der Aufdeckung seiner Tat haben, bevor diese ausgeführt ist? Außer, der Plan soll überhaupt nicht zur Ausführung gelangen oder dessen Aufdeckung ist für die Ausführung des Attentats erforderlich.

Andererseits ließen die konkreten Vorbereitungen, die sich aus den abgefangenen Botschaften ablesen ließen, kaum einen anderen Schluss zu, als dass hier jemand am Werke ist, der ganz ernsthaft die Absicht hat, eine richtig üble Schandtat zu begehen oder besser begehen zu lassen. Genau diese Zielrichtung sorgte dafür, bei Rogge ein ausgesprochen ungutes Gefühl aufkommen zu lassen. Zumal auch die erkennbare Motivlage Anlass zur Sorge geben musste; denn da waren offenkundig Überzeugungstäter mit missionarischem Drang am Werke. Und auch die Werkzeuge erweckten nicht gerade den Eindruck harmloser Spinnerei, wenngleich auch nicht zu übersehen war, dass Der- oder Diejenige(n) – schon um seine neue Vorgesetzte zu ärgern hatte Rogge es sich angewöhnt, in diesen „geschlechtsneutralen“ Begrifflichkeiten zu formulieren – die hinter den Vorbereitungen standen, sich über weite Strecken Technologien bei der Durchführung ihrer Anschläge zu bedienen gedachten, die nicht unbedingt in die heutige Zeit zu passen schienen.

„Ein wenig hinterwäldlerisch,“ wie es der mit der Analyse der ins Auge gefassten Sprengmittel beauftragte Experte beispielsweise ausgedrückt hatte, dessen handschriftliche Stellungnahme der Akte in vorausschauender Weise bereits beigefügt war.

Folglich deutete dieses Detail für den Experten bereits wieder eher auf Dilettanten hin.

Andererseits konnte auch hier nicht ausgeschlossen werden, dass die allseitige Verfügbarkeit gerade dieser hinterwäldlerischen Mittel die Durchführbarkeit der angedachten Attentate sehr erleichterte und damit auch schon wieder wahrscheinlich machte.

Im gleichen Atemzug hatten sich ihm die Anschläge in Ägypten in Erinnerung gerufen. Bomben mit Zeitschaltuhren, die auch für Waschmaschinen verwendet werden, sind in Ägypten bereits mehrfach gezündet worden. Bei einer Serie von Anschlägen auf der Sinai-Halbinsel zwischen 2004 und 2006 kamen dadurch etwa 120 Menschen, überwiegend Touristen, ums Leben. Sogar diese Vorgehensweise erschien im Vergleich zu den hier vorgeschlagenen Methoden aber geradezu modern. „Das Ganze hat was kochbuchartiges,“ hatte es denn auch besagter Sprengstoffexperte intern ausgedrückt und damit die Ermittlungen zugleich auch mit einer gewissen Zwangsläufigkeit in eine politische Richtung balanciert, die eben über eine gewisse Affinität zu dem berühmt-berüchtigten „Kochbuch“ verfügt.

Nicht dazu passte hingegen das, was die Verfasser/Innen dieser Botschaften bisher über die Auslösemechanismen geruht hatten bekannt werden zu lassen.

Der oder die Verfasser regten an, mechanische Zündvorrichtungen zu verwenden, die Rogge nicht zufällig irgendwie an Wecker erinnerten, die nur eben irgendwie sehr viel komplizierter und zugleich aufgrund des quecksilbergesteuerten Auslösemechanismus auch wieder sehr viel heimtückischer waren.

Wie der Oberrat amüsiert zur Kenntnis nahm, stammten diese Vorrichtungen mechanisch gesehen damit im Prinzip aus einer Zeit, in der die Kochbuchgeneration noch nicht einmal laufen gelernt haben konnte. Dazu kam, dass diese Gerätschaften aus eben diesem Grunde „eigentlich“, wie es besagter Experte auszudrücken pflegte, „auf regulärem Wege heutzutage überhaupt nicht mehr beschafft“ werden konnten.

„Außer vielleicht in irgendwelchen fiesen Kellern von einigen ewig Gestrigen, die das Zeug dann aber im Prinzip seit Jahrzehnten für eben diesen Zweck gebunkert haben müssten,“ kommentierte der Kriminaloberrat diese Einschätzung mit dem ihm eigenen Sarkasmus.

Er verstand nicht viel von diesen Dingen und nahm sich deshalb vor, das Thema bei nächster Gelegenheit einmal dem alten Uhrmacher vorzulegen, der sich solche altertümliche Sprengfallen zu seinem Hobby auserkoren hatte.

Der heutige Abend würde hierfür eine gute Gelegenheit bieten, da er nach Dienstschluss ohnehin verabredet hatte ihn aufzusuchen, um seine eigene Uhr von der Reparatur zu holen.

Vorläufig musste sich Rogge damit begnügen zu erkennen, dass er es mit einem rundherum reichlich verworrenen Lagebild zu tu hatte.

Er war überzeugt davon, unter dem Strich jedenfalls gegenwärtig nicht davon ausgehen zu müssen, es hier mit einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr zu tun zu haben. Andernfalls, dessen war sich Rogge gewiss, wäre der Fall mit Sicherheit nicht bei ihm gelandet.

Hoch genug, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, man habe dem Vorgang nicht die gebührende Aufmerksamkeit zuteil werden lassen, nicht hoch genug, um damit wichtige Kapazitäten zu einer Zeit zu binden, in der es sicher Wichtigeres zu tun gab, als sich mit solchen Fisemantenten aufzuhalten.

So ähnlich dürfte „Madame“ die Entscheidung gegenüber ihren Vorgesetzten begründet haben, diesen Fall gerade ihm zu übertragen. Dessen war sich Rogge sicher und entschloss sich daher dazu, seine lieben Mitarbeiter/innen zunächst einmal mit der Suche nach den üblichen Vergleichsfällen zu beschäftigen.

Dazu beraumte er für den nächsten Dienstag kurzfristig eine Dienstbesprechung an, zu der er auch gleich die junge Profilerin bat, die vor wenigen Wochen ihren Dienst im Amt aufgenommen hatte.

„Dienstag ist Dienstag,“ hatte er zur Begründung angemerkt und sich als Einziger köstlich über dieses Wortspiel amüsiert.

Inzwischen war die Zeit des Dienstschlusses gefährlich nahe gerückt und Rogge entschloss sich dazu, diesen erst gar nicht mehr abzuwarten. Jedenfalls nicht im Büro.

Er packte seine Siebensachen, zu denen inzwischen auch ein Notebook gehörte, das für sich in Anspruch nahm ‚tough’ zu sein und das er sich in Wirklichkeit allein aus sentimentaler Verklärung angeschafft hatte. Immerhin standen diese kleinen Computer in dem Ruf besonders zuverlässig und mit robuster Technik ausgestattet zu sein. Ein Zuverlässigkeitsmerkmal, das Rogge allemal dem ansonsten bei seinen Kolleginnen und Kollegen sehr verbreiteten Streben vorzuziehen war, den jeweils neuesten Stand der Technik in den Händen zu haben. Natürlich hatte er Probleme damit, sich selbst eine derartige Gefühlsduselei einzugestehen. Das hinderte ihn aber nicht daran, selbige auszuleben.

Völlig gleichgültig war ihm hingegen der Umstand, dass die Verwendung eines solchen privaten Computers schlicht und ergreifend vorschriftswidrig war und ihm dieser Verstoß bei böswilliger Betrachtung den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit und damit ein entsprechendes Disziplinarverfahren einbringen konnte.

Allein diese Haltung hätte seine Vorgesetzten bei genauerem Hinsehen dazu veranlassen müssen darüber nachzudenken, ob es tatsächlich noch vertretbar war, einem Mann mit dieser Dienstauffassung auch weiterhin Vorgänge von einiger Bedeutung anzuvertrauen.

Er war jedoch nicht defätistisch genug, um seine Dienstauffassung ständig nach außen zu kehren und so entband er seine Vorgesetzten auch von der Notwendigkeit, sich darüber allzu große Gedanken machen zu müssen.

Rogge hatte gerade sein Köfferchen zugeklappt, die Schreibtischschublade verschlossen und war im Begriff sich von seinem Sessel zu erheben, als sich die Klinke der Tür zu seinem Büro vorsichtig bis zum Anschlag senkte. Er lehnte sich zurück und blickte gespannt auf das Türblatt.

Die Klinke blieb gedrückt, aber die Tür wurde nicht geöffnet.

Rogge begriff, dass der oder diejenige, von der die Klinke betätigt wurde, wohl davon überrascht worden war, die Tür geöffnet vorzufinden.

Jetzt suchte die Person vermutlich händeringend nach einer Erklärung dafür, hier einfach eingedrungen zu sein, ohne zumindest geklopft zu haben. Also konnte es sich nur um einen Rangniederen handeln, machte sich der Oberrat klar und wurde im selben Moment eines Besseren belehrt.

Ausgerechnet seine neue Abteilungsleiterin steckte den Kopf durch die Tür, sah ihn mit ihren wachen Augen an und erkundigte sich mit ungewohnt umgänglicher Stimme danach, ob sie kurz hereinkommen dürfe.

Rogge hatte ganz ausgeprägt das Gefühl, dass ‚Madame’ eigentlich nur deshalb an seiner Tür gelandet war, um sich davon zu überzeugen, dass er das Büro bereits verlassen hatte - wieder einmal selbstverständlich vor Dienstschluss. Doch auch diesen Gedanken beschloss Rogge besser für sich zu behalten.

„Kommen Sie herein,“ forderte er die leitende Polizeidirektorin statt dessen auf und war ehrlich gespannt, welchen Grund für ihren plötzlichen Besuch sie sich zwischen Tür und Angel würde einfallen lassen.

Die Vorgesetzte ließ ihn nicht lange zappeln. Sie setzte sich - selbstverständlich unaufgefordert - an den runden Tisch, an dem Rogge seine kleinen Lagebesprechungen abzuhalten pflegte, lud ihn mit einer Handbewegung ein, sich dazu zu gesellen, wartete ab, bis er es sich bequem gemacht hatte und überfiel ihn sodann mit der simplen Frage, wie weit er inzwischen gekommen sei.

Rogges gedehntes „äh, ja“ löste bei ihr ein verstehendes „aha“ aus.

Da die Dame Grafunder trotzdem keine Anstalten machte, das Büro umgehend wieder zu verlassen, sondern ihn statt dessen weiterhin mit fragendem Blick erwartungsvoll ansah, blieb diesem nichts anderes übrig, als sich zu einigen weiteren Ausführungen zu bequemen.

Viel hatte er nicht zu sagen und so musste sich seine Vorgesetzte mit der hochinteressanten Tatsache zufrieden geben, dass ihr Mitarbeiter sich die Unterlagen „bereits angesehen“ hatte und dabei auf „einige Ungereimtheiten“ gestoßen war, die jetzt zu erläutern „natürlich zu weit führen“ würde.

Dr. Andrea Grafunder erkundigte sich noch höflich danach, wie er weiter vorzugehen gedenke, bedankte sich dann ebenso höflich, entschuldigte sich im Gehen sogar noch für die Störung und wünschte ihm zum Schluss „viel Erfolg bei der Bearbeitung des Falles.“ Danach ließ sie ihn allein.

Rogge hatte sich erhoben, war aus Gewohnheit bereits auf dem Weg zur Tür gewesen, um ihr diese zu öffnen, doch sie hatte ihn mit den Worten daran gehindert: „Nein, lassen Sie mal, ich finde noch allein hinaus.“ Zurück blieb bei Rogge ein doch deutlich ungutes Gefühl.

Ihm war klar, dass er soeben nicht gerade einen besonders kompetenten Eindruck hinterlassen hatte und das wurmte ihn, auch wenn er wie üblich versuchte, diesen Anflug von kritischer Selbsteinschätzung mit einer kurz verbalisierten Trotzhaltung zu überspielen.

Er sah auf die Uhr, wartete noch die verbleibenden wenigen Minuten bis zum offiziellen Dienstschluss ab, ließ dann noch einige Minuten vergehen, die er damit verbrachte, in der Schublade seines Schreibtisches nach einem Memorystick zu suchen, der sich in Wirklichkeit bereits in seiner Hosentasche befand.

Als der Kriminaler schließlich doch noch den Weg heraus aus dem Dienstgebäude fand, war es bereits eine gute Viertelstunde nach Dienst – Schluss, wie Rogge diesen Zeitabschnitt pointiert zu bezeichnen pflegte.

Auf direktem Weg begab er sich zu seinem Audi, den er vor wenigen Monaten günstig von einem Bekannten erworben hatte. Ihm war nicht entgangen, dass es auch innerhalb des Dienstes böse Zungen gab, die behaupteten, bei dem Bekannten habe es sich um einen bekannten Kriminellen gehandelt, der sich über den Preis für das Auto des besonderen Wohlwollens des Polizisten vergewissern wollte. Rogge hatte eingeräumt, dass auch andere Menschen zu Wortspielen fähig waren, sich ansonsten hiervon nicht weiter beirren lassen.

Wenn man bereits dadurch zum Kriminellen wurde, dass man als Grieche auf die Idee kam, mit Autos zu handeln, dann war sein Bekannter sicher ein Krimineller.

Noch auf dem Weg zu seinem Wagen sah er auf die Uhr und erinnerte sich daran, welchem anderen Bekannten er noch einen kurzen Besuch abstatten wollte.

„Wenn einer weiß, wie und wo man anklopfen muss, um an solche Spielsachen heranzukommen, dann vermutlich der,“ machte sich der Polizist Mut und stellte alle Bedenken zurück.

Als Rogge es eine knappe Stunde später geschafft hatte, sich durch den Feierabendverkehr zu dem Uhrmacher durchzukämpfen, erwartete ihn dort eine kleine Überraschung.

Rette sich, wer kann!

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