Читать книгу Lustig & Schön - Ekkehard Wolf - Страница 4
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ОглавлениеErst einmal muss ich nachdenken. Eine lustige und schöne Geschichte schreibt sich nun einmal nicht so einfach aus dem Handgelenk. Also brauche ich erst einmal meine Ruhe. Wenn ich meine Ruhe habe kann ich gut nachdenken. Aber wo findet man in dieser Welt schon die nötige Ruhe zum Nachdenken. Wenn ich so in die Welt hinaus schaue, dann werde ich irgendwie das Gefühl nicht los, dass es besser wäre für diese unsere kleine Welt, wenn etwas mehr Ruhe einkehren würde. Aber auch das wäre schon wieder eine andere Geschichte. Und auch nicht unbedingt eine lustige und schöne. Aber ich brauche nun einmal meine Ruhe. Deshalb leihe ich mir ein Auto. Mit dem Auto fahre ich ans Meer, genauer gesagt an die Nordsee. Die ist nicht weit weg. Schließlich mache ich Urlaub an der Nordsee. Die ist zwar nicht so ruhig, aber dafür sehr salzig. In salzigem Wasser kann ich mich einfach hinlegen, den Kopf zurück legen und in Ruhe nachdenken. Das ist ein absolut schönes Gefühl. Du liegst da auf dem Rücken, breitest die Arme aus und schaust den Wolken zu und den Vögeln und den Insekten. Sonst machst du gar nichts. Einfach so daliegen auf dem Wasser, das dich trägt. Das ist total schön und ruhig. Die ganze Welt um dich herum versinkt einfach im Nirgendwo. Jedenfalls normalerweise. Heute klappt das nicht so richtig. Das liegt an den beiden Mädels. Die fahren mit ihren Kajaks herum. Die Kajaks sind aus Plastik und ich bin der, um den sie herum fahren. Sie haben noch nie eine Leiche gesehen, die in der Nordsee schwimmt. Ich bin die erste. Und deshalb kreisen sie mit ihren Booten immer um mich herum. Sie passen auf, dass sie mir nicht zu nahe kommen. Vermutlich wollen sie die Leiche nicht aufwecken oder auch nur die Totenruhe stören. Aber ich merke es trotzdem und vorbei ist es mit der Ruhe. Ich drehe mich um und schwimme ein wenig, damit die Mädchen merken, dass ich keine Leiche bin. Die Mädchen in ihren Kajaks aus Plastik kreischen ein wenig. Ich bin beruhigt. Jetzt wissen sie schließlich, dass ich keine Leiche bin und ich habe wieder meine Ruhe, denke ich. Deshalb lege ich mich wieder auf den Rücken, breite die Arme und die Beine aus und spiele wieder toter Mann. Aber natürlich bin ich immer noch nicht tot. Das heißt nun Mal so - toter Mann eben. Aber natürlich ist man dann nicht tot. Und auch nicht töter als tot, wie meine Enkelin immer behauptet, obwohl ich ihr schon ausführlich erklärt habe, dass das nun Mal nicht geht. Tot ist nun Mal tot. Eine Steigerung ist nicht möglich. Jedenfalls denke ich das. Ganz sicher bin ich aber nicht. Schließlich war ich noch nicht tot. Oder vielleicht doch und weiß es nur nicht mehr? Egal, denke ich und bleibe dabei, dass toter Mann jedenfalls nicht heißt, dass der Mann im Meer tot ist. Ich weiß das und eigentlich weiß das jeder. Nur die beiden Mädel in ihren Kajaks aus Plastik wissen das nicht. Kann ja sein, dass die Leiche eben gar nicht geschwommen ist, sondern nur so getan hat. Jedenfalls umkreisen mich die Beiden wieder. Sie sind zwar ganz leise jetzt, aber ich merke es trotzdem. Wie soll ich unter solchen Umständen bloß die nötige Ruhe finden, um mir Gedanken darüber zu machen, wie ich eine lustige und schöne Geschichte schreiben kann? Ich denke mir, es wird das Beste sein, ich bleibe einfach auf dem Rücken liegen und stelle mich tot. Irgendwann werden die beiden Kajaknixen schon merken, dass ich mich nicht rühre und gelangweilt von dannen ziehen. Irgendwann mag ja stimmen, aber wann ist irgendwann? Im Moment sieht es jedenfalls nicht danach aus, dass den Beiden in ihren Kajaks aus Plastik langweilig wird. Jedenfalls kurven die weiter um mich herum. Leise zwar, damit ich nichts höre, aber ich merke es immer noch. Schließlich bin ich ja gar nicht tot, sondern spiele nur toter Mann. Aber die beiden Nixen können sich das anscheinend nicht vorstellen und kurven weiter um mich herum. Was soll ich bloß machen, damit sie mich in Ruhe lassen?! Ich könnte ja wieder ein wenig schwimmen, aber das hat ja schon beim ersten Mal nicht funktioniert. Vielleicht besser einfach tauchen?! Ich merke, wie ich anfange, ein wenig genervt zu sein. Vielleicht sollte ich das tatsächlich machen, tauchen. Am besten direkt unter das Plastikboot von einer dieser Nixen und sie einfach aus dem Boot kippen. Dann wären sie jedenfalls beschäftigt und ich hätte wieder meine Ruhe und könnte nachdenken. Irgendwie lustig wäre das schon. Nur weiß ich nicht, ob meine Tochter das auch so lustig finden würde. Aber ich fände das lustig, sehr sogar. Aber ich lasse es trotzdem. Was sollen schließlich die Leute denken. Stellen Sie sich das Mal praktisch vor, ein alter Mann spielt im Meer toter Mann nur damit die armen kleinen Nixen angelockt werden. Kaum sind sie nahe genug heran, da werden sie aus dem Boot gekippt. Gar nicht auszudenken, was sich die Leute denken würden. Also ziehe ich es vor, mich aus dem Meer zu verziehen und woanders nachzudenken. Ich könnte ja auch einfach spazieren gehen, denke ich mir. Der Strand ist schließlich lang hier im Norden von Dänemark. Da wird sich schon irgendwo ein ruhiges Plätzchen finden lassen, wo ich nachdenken kann.