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Der Duft der Winterrose
ОглавлениеGleichsam einer Rose im Winter deren Schönheit und Lebendigkeit unter Eiskristallen und Schnee erstarrt, ist mein Gefühl zu dir – zu uns. Ich erinnere mich noch gut an dein Lachen und an den Glanz in deinen Augen. Eisblaue Augen, blonder Schopf. Du warst ein lebhafter kluger Junge mit vielen Ideen und man konnte in all deinen Bewegungen, Worten und deinem Lachen die unsagbare Lust am Leben spüren. Das ist lange her. Heute bist du erwachsen und weit weg von mir. So weit, dass ich dich nicht mehr spüren kann. Du bist ein erwachsener Mann, verheiratet und Vater eines kleinen Jungen. Adrian ist dir sehr ähnlich. Äußerlich als auch im Wesen. Ich vermisse ihn sehr. Ich vermisse dich.
Räumlich trennen uns nur wenige Kilometer aber es fühlt sich für mich an als lägen Welten zwischen uns. Es ist uns seit Jahren nicht mehr möglich Kontakt zu halten. Weder zu telefonieren, noch zu schreiben. Unsere Beziehung ist auf Eis gelegt und mit jedem Jahr wird es schwieriger das Eis zu brechen. Schwierig für uns beide.
Ob ich eine gute Mutter war? Nein, sicher nicht. Ich war eine junge Frau mit Anfang 20 als ich dich bekam. Meine eigenen Wünsche und Interessen hintanzustellen war nicht immer leicht. Aber ich hatte funktioniert, immer und ohne zu überlegen. Aus Pflichtbewusstsein und weil ich es nicht anders gelernt hatte. Dennoch warst du mein Wunschkind, mein Glück und mein Sinn im Leben. Mein einziger Sinn. Zumindest damals. Dieser hohe Anspruch an dich, mein Sinn im Leben zu sein, musste sich für dich wie eine Kette angefühlt haben. Meine Erwartungshaltung an dich war groß, zu groß. Auch wenn ich es verbal nie geäußert hatte, so musstest du gespürt haben, welch große Bedeutung du für mich und mein Leben hattest. Und diese Bedeutung hat dich unter Druck gesetzt. Dein ganzes Kinderleben lang. Druck abzulassen war letztlich nur möglich indem du unsere Beziehung als Erwachsener abgebrochen hast. Eine von vielen möglichen Erklärungen, die mir helfen sollen damit zu leben.
Gleichsam einer Rose im Winter von Eiskristallen umgeben fühlt es sich in mir selbst an. Die Rose in meinem Herzen: vereist. Zum Stillstand verdammt und ohne Hoffnung auf Wärme.
Es bleibt nur die Erinnerung an die Schönheit des Sommers: Eine schöne, große duftende Blüte von bunten Schmetterlingen umgeben. Wenn ich mich an die Sommer deiner Kindheit erinnere steigt der tiefe, schwere Duft der Rosen in mir auf. Ich kann die Liebe, den Duft der Rosen und des Sommers riechen. Ich erinnere mich daran, wie du mit mir im Garten auf einer Decke gesessen bist. Ein Windrad in Händen hieltst und wir uns sonnten. An der Hausmauer rankten wundervolle rote Rosen an einer schneeweißen Wand. Hunderte. Hunderte von wundervoll duftenden roten Rosen. In dieser Erinnerung steigt ein unsagbarer Schmerz in mir auf. Mein Herz scheint zu zerspringen. Das alles ist lange her. Vergessen? Oder nur nicht mehr wichtig? Zumindest nicht mehr bedeutsam. Bedeutsam für unsere Beziehung heute.
Heute hast du dich von mir abgewendet. Möchtest weder Kontakt zu deinem Vater noch zu mir. Kein Bild, kein Gruß, keine Karte. Nichts.
Dass nichts so weh tun kann. Es ist als hätten unsere Sommer deiner Kindheit nie stattgefunden. Die roten Rosen nie geblüht. Wo sind all die schönen Erinnerungen an deine Kindheit? Vermutlich von Schatten, Kälte und Eis verborgen. Nur die Wintermonate blieben in deiner Seele haften.
Ich versuche mir ein Warum zu konstruieren, brauche einen Schuldigen, dabei weiß ich doch selbst, dass es gar nicht um Schuld geht. Würde es dann helfen meinen Schmerz besser zu ertragen? Ich konzentriere mich und denke an den Duft der Rosen im Sommer. Ich stelle mir vor wie die Blüten im warmen Sommerwind hin und her wiegen. Ich habe dich als kleinen Jungen auch so oft in den Armen gewiegt. Was würde ich darum geben dich noch einmal in den Armen halten zu können. Dich. Meinen Sohn. Meinen Enkel. Ich spüre in mich hinein, spüre den unerträglichen Schmerz, tief in mir.
Mein Herz – gefangen von Eis und Schnee. Mein Herz ist am Zerbrechen. Das Herz einer Winterrose.