Читать книгу Das Haus der Fiktionen - Elena Jedaite - Страница 6

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Ouvertüre

Gestern erschienen wir fast vollzählig zur Premiere des neuen Theaterstücks von Bernardo. Nur Dollys Ehemann Robert war nicht dabei, weil er sich zurzeit mit Gastvorlesungen in London aufhielt. Maestro genoss den reichlichen Applaus des Publikums und nahm strahlend unsere Glückwünsche zu seinem beachtlichen Erfolg entgegen.

Heute feiern wir in gemütlicher Runde Allys Geburtstag. Die Sonne hängt tief im Horizont, aber die warme Sommerluft kühlt nur langsam ab. Es duftet nach Allys Rosen, nach blühenden Kastanien und nach dem Nachtisch, den Mutter aufträgt, nachdem sie sich von dem Porträt gelöst hat, das Alberto für sie hingezaubert hatte. Ich genieße die heitere Stimmung gemütlichen Trubels und widme mich meinem Hobby, Ally beim geschäftlichen Hantieren zu beobachten. Ich habe längst aufgehört mich darüber zu wundern, wie ihre Freude mich mit untrüglicher Sicherheit aus jeglicher Stimmungslage heraus miterfasst. Keiner kann sich so unbeschwert freuen wie Ally. Sie könnte jedem Seelenklempner als Forschungsobjekt für die Studie des Phänomens „ungetrübter Frohsinn“ dienen. Ich frag mich manchmal, ob ich befugt bin, einen Urheberanteil an dem Ursprung dieser herzerwärmenden Heiterkeit für mich zu beanspruchen. Kann ein anderer Mensch ein Wesen wie Ally durch sein Zutun zu solch einer Glückseligkeit inspirieren, oder sprießt diese Art Fröhlichkeit in einem Gefilde, zu dem ein getrübtes Gemüt keinen Zugang hat? Ich würde mich selbst kaum als mürrisch bezeichnen. Eher als jemanden, der die Fähigkeit eingebüßt hat, sich in die Schwingung der Höhenluft zu begeben, weil er nie mehr den Ballast ablegen kann, den er sich im Laufe der Jahre aufgebürdet hat und deshalb nur noch die Freuden des Tieffluges genießen darf. Deshalb ist mein grobstofflicher Geist so sehr von der ätherischen Leichtigkeit der Unbeschwerten fasziniert und gerührt. Durch die permanente Einsicht in die trüben Gewässer verwirrter Geister und verquollener Seelen gelang ich Stück für Stück zu dem grob strukturierten Flugobjekt, das von der Schwerkraft dicht am Boden gehalten wird. Ein heiles Stück Welt stellt für mich das eigentliche Forschungsobjekt dar, da es sich dabei um ein phänomenales Exemplar unverfälschter Natur handelt. Wie ein Fleck des noch erhalten gebliebenen Urwalds. Genau, das ist es. Ally als Elfe, die Einwanderin aus einer uns Sterblichen nicht zugänglichen Landschaft. Ich hätte bestimmt noch ein paar treffende poetische Metaphern für Ally zusammenbekommen, wenn Bernardos laute Präsenz mich nicht aus der angenehmen Trägheit des milden Frühabends herausgerissen hätte.

„Soso, da hast du mich als Parodie eines gewissenhaften Therapeuten ins Rampenlicht geschubst. Ich soll für Marie Claire spioniert haben, um für sie deine Wünsche zu entschlüsseln. Dabei habe ich mich tüchtig ins Zeug gelegt, um ihr jegliches Interesse an deinen Wunschvorstellungen auszutreiben. Und habe mir ein Bein ausgerissen, um sie auf ihre eigenen Wünsche zu stoßen.“

„Pech gehabt. Bertrammo lässt sich nicht austricksen.“ Bernardo genoss offensichtlich das berauschende Prickeln des Erfolgs und die ebenso prickelnde Nachwirkung seines Streichs. Und den schweren Duft der Kastanienblüten, denn er richtete gerade seine Begeisterung darüber an die sich uns nähernde Dolly: „Ich liebe blühende Kastanien. Die inspirieren mich durch die Symbolik der geballten Vitalität zum Höhenflug!“ Er zwinkert mir verschwörerisch zu, Dolly verpasst ihm mit einem Prospekt einen Klaps auf den Schädel: „Benimm dich, Bernardo! Wir sind in einem anständigen Haus.“

Bernardo muss immer angeben oder witzig sein. Er fühlt sich dazu geradezu verpflichtet. Es ist eine Art Zwang, als würde er den Schein der Rampenlichter nie abhängen und ihn immer im Schlepptau behalten, um überall, wo er auftaucht, ein mobiles Theater aufzubauen. Wo Bernardo sich aufhält, ist immer Theater. Und wo Theater stattfindet, sitzt Bernardo in der ersten Reihe. Auch jetzt flirtet er mit Dolly auf seine unermüdlich spritzige Art. Nicht weil Robb durch Abwesenheit glänzt, sondern weil er seinem Ruf eines Charmeurs gerecht werden muss. Und Dolly lässt ihm seine galanten Sprüche sowie die verdeckten Anzüglichkeiten durchgehen, weil sie ihn nur zu gut kennt. Wir wollen doch keine Unterdrückungssymptome hervorrufen. Überschäumende Vitalität und zum Ausdruck drängende Energien sollen ungehemmt an die Oberfläche fließen, raunte sie mir grinsend zu. Eine ähnliche Nummer zieht gerade mein Siebenjähriger vor der hübschen Tochter von Alberto ab. Er schwingt die Schaukel in eine Höhe, die ihn den Hals kosten würde, wenn die Schwiegermutter den Bub aus den Augen lassen würde. Die Kleine bestaunt gebührend seine Meisterschaft und den Mut, mit dem er ihretwegen das Risiko in Kauf nimmt.

„Ich habe dir heute schon sieben Mal gesagt, du sollst nicht den Supermann markieren!“ weht der immer noch nicht abkühlende Wind die Belehrung her. Ganz typisch – sieben Mal.

Die Mama stutzt jede Erscheinung auf das Maß der Sieben zusammen, um sie dann mundgerecht zur sonstigen Inspektion parat zu haben. Sie glaubt unerschütterlich an magische Zahlen, Zeichen und Omen. Und beansprucht das Monopol auf den siebten Sinn. Ihr Anspruch darauf ist auf das wahrhaft nicht alltägliche Geburtsdatum zurückzuführen. Man muss sich das vorstellen: Sie ist am siebten Juli siebenundvierzig geboren. Was soll sie davon halten? Dreimal eine Sieben plus eine Vier. Da kommt man doch zwangsläufig auf die nahe liegende Idee, man wäre im Besitz des siebten Sinnes hoch vier. So sind wir alle in einem Muster verfangen und schlagen uns mehr oder weniger gekonnt damit durch die Wirren des Alltags. Somit heißt das Klinikum, in dem ich hinter vergitterten Fenstern meine „Seelenklempnerei“ betreibe, laut Mama „das Haus der sieben Todsünden“, was eigentlich nicht gänzlich abwegig ist, denn hinter mancher Psychose verbirgt sich eine tiefgründige Entartung des Charakters. Wenn man zum Beispiel den Größenwahn unter anderem als entarteten Hochmut betrachtet oder nicht gemeisterten Machtverlust mit traumatischen Folgen, so würden wir uns wahrscheinlich im Rahmen theologischer Definitionen bewegen. Wenn wir Neid und Zorn den Rahmen sprengen lassen und sie zum pathologischen Ausmaß dehnen, kommen wir wieder mal dahin. Wenn … Lassen wir das, der Abend ist wirklich zu schön für düstere Spekulationen.

Dafür ist Mamas nächste Interpretation der Dinge zwar weit hergeholt, aber desto putziger. Meine Praxis soll laut Mutter „Das Haus der sieben Spiegel“ heißen. „Wieso sieben?“ fragte ich sie. Soweit ich wusste, blinken nur sechs Spiegel in den Räumlichkeiten der Praxis. „Vergiss nicht das Spieglein in der Tasche eurer hübschen Assistentin. Außerdem meinte ich das eher symbolisch, klärte sie mich auf: Ihr drei Seelenklempner spiegelt jeweils die drei Patienten, die Patienten spiegeln euch drei Psychodoktors, und da gibt es ja noch die Hübsche an der Rezeption. „Also sechs plus zwei – die Hübsche spiegelt den Patienten, der spiegelt sie“, zählte ich, von Mamas Spieltrieb angesteckt.

„Ich komme auf die Acht.“

„Sieben. Die Hübsche spiegelt niemanden, sondern nur sich selbst. Punkt. Sieben.“

Das sind wir also mit unseren kleinen und größeren Macken, die wir einander liebevoll nachsehen, denn wir haben uns gegenseitig gern und würden sehr ungern aufeinander verzichten. Oder sagen wir mal, es würde uns wehtun, ohne einander auskommen zu müssen. Heute, zum Beispiel, konnte Robb nicht bei uns sein, so riefen wir ihn zweimal in London an, um ihn doch noch dabei zu haben. Halt, das zweite Mal ging von ihm aus – wir fehlen ihm nämlich auch. „Am Montag ist er da, da schauen wir mal wieder vorbei“, verspricht Dolly.

Und Ally schleicht sich von hinten an mich heran und stützt sich auf meine Schultern. Um sich hinter meinem Rücken zu verschanzen und von dort aus einen Angriff auf Bernardo zu starten: „Gib zu, Bernardo, du benutzt Bertrammo, um deine verruchten Lebensansichten zu verkünden. Von wegen, du frönst den weiblichen Tugenden. Komm, pack aus! Mir und Dolly gegenüber kannst du es doch zugeben. Dolly lässt dich wie immer ungeschoren davon kommen. Ich werde mich nur angemessen darüber wundern, dass du wieder mal deinen Nichtgeburtstag feierst, wie etwa: Schaut her, dann stimmt es ja doch! Ach, Bernardo. Da hat er uns doch hinters Licht geführt. Und Tony unterliegt sowieso der ärztlichen Schweigepflicht. Dolly, du hast ihn noch nicht dafür gerügt, dass er sich aus deinen weißen Blusen einen Bühnenspaß gemacht hat. Komm her zur Verstärkung!“

Dolly spielt mit und stemmt sich vor dem Verfasser der ausgeklügelten Verführungskünste auf, um ihn auf ihre Art zur Beichte aufzufordern:

„Wenn du nicht sofort gestehst, schließ ich dich an meinen ‚Bio-Lügendetektor‘ an, und du bist fällig.“ Bernardo reicht ihr ergeben die Hände. Das Spiel schaut so aus: Dolly schaltet ihre „Bioantennen“ auf Hochtouren und spitzt ihre „Biorezeptoren“, die Bernardo auf den Widerstand seines Gewissens abzuchecken haben. Sein verräterisches Gewebe würde ihn, falls er lügen sollte, durch winzige, nur von Dolly wahrgenommene Impulse verraten: Sein Gewissen würde sich laut Dolly gegen die verbale Lüge sträuben und eine Spannung erzeugen, die eine Enttarnung herbeiführen soll. Wollen wir Dolly die Behauptung ohne weiteres abnehmen. Denn sie lässt sich auch nicht ohne weiteres widerlegen.

Also Dolly schließt den zu jedem Spaß aufgelegten Bernardo an ihren „Bio-Lügendetektor“ und begibt sich auf die Wahrheitssuche:

„Also, du heißt Bernardo. Richtig oder falsch? Ja? Registriert! Jetzt die entscheidende Frage: Steckst du mit deiner Lebensauffassung hinter Bertrammos Theorien? Ja oder nein?“ Bernardo schüttelt mit einer Unschuldsmiene den Kopf, Dolly fällt das Urteil: „Doch!“

Bernardo: „Mein Wort steht gegen deine Aussage. Wer soll der Schiedsrichter sein, der das letzte Wort spricht?“ Der Schalk, der aus den Augen der Mädels sprüht, der Übermut und die Ausgelassenheit der fröhlichen Runde müssen mich zu dem spontanen Einfall angestiftet haben, den ich gegen meinen Vorsatz leichthin und unüberlegt verkünde, woraufhin alle mit Begeisterung auf das unerwartete Angebot meinerseits einstimmen. Eh! Was habe ich da von mir gegeben, musste ich mich wundern, als ich mich sagen hörte: „Ich biete mich als Schiedsrichter an. Die Psycholehre hat immer noch ein ziemlich sicheres Lackmusblättchen parat, um die wahre Einstellung von der Selbsttäuschung oder, sorry, der absichtlichen Täuschung zu unterscheiden. Realität oder Fiktion. Was nun? Wir setzen Bernardo mit seinem Einverständnis unter Hypnose und befragen ihn in seinem ausgelieferten Zustand zum aktuellen Thema. Nachdem wir ihn im bewussten Zustand zu den entscheidenden Fragen interviewt haben. Wenn wir uns seine durch das Bewusstsein gesteuerten Antworten auf unsere Fragen eingeholt haben, schalten wir sein Bewusstsein aus und finden unter Hypnose heraus, was er denn wirklich denkt, wenn er zur bewussten Täuschung nicht mehr fähig ist.“

‚Hab ich das wirklich gesagt?‘, staune ich noch immer und beginne mein eigenes Oberstübchen nach Beweggründen abzuklappern. Ich will es doch nicht etwa meinem Sohnemann nachmachen und die Damenwelt mit meiner Psychoakrobatik in Staunen und Entzücken versetzen? Für einen Rückzug ist es allerdings zu spät. Der Vorschlag hat bereits zu hohe Wellen geschlagen: In den Augen meiner Frau sehe ich die von mir angestachelte Abenteuerlust aufschäumen. „Tust du das wirklich?!“ Allys Augen glänzen wie zwei Weihnachtskugeln, und diesem Hochglanz konnte ich noch nie widerstehen. Ich seufze ergeben und versuche mich auf das selbstangerichtete Übel einzustellen, um die angekündigte Glanznummer mit Bravour zu meistern. Später schüttle ich nur den Kopf über meine Kopflosigkeit. Wie leicht man sich doch von dem Prickeln der Abenteuerlust anstecken und sich zu nie beabsichtigten Handlungen verleiten lässt. Verführen, hinreißen, verlocken …

Keine Bange, mein Vorschlag mündete keinesfalls in eine Katastrophe, ich ärgerte mich eher wegen meines unprofessionellen Verhaltens und darüber, dass ich mich als nüchterner Mensch, für den ich mich halte, des Wankelmuts schuldig gemacht habe. Das Ergebnis der leichtsinnigen Aktion war nicht etwa erschütternd oder weltbewegend, doch es bereitete mir die darauf folgenden Tage einiges Kopfzerbrechen. Der Stolperstein, auf den ich bei dem Psychostreifzug durch Bernardos Unterbewusstsein gestoßen bin, beunruhigte und beschäftigte mich mehr, als es mir lieb war. Aber ich möchte eigentlich nicht vorgreifen, um kein Spielverderber zu sein. Da ich mir die Suppe selbst eingebrockt habe, muss ich sie jetzt auch mit Gleichmut auslöffeln.

„Also. Was sagst du dazu, Bernardo? Bist du bereit, es mit uns aufzunehmen?!“

Ich hoffe insgeheim, dass der Gute einen Rückzieher macht, da mir diese Möglichkeit leider entglitten war.

Nicht doch! Bernardo hebt lachend die Hände: „In Ordnung!“ Was sonst! Er bezweifle nur seine Fähigkeit, sich in Hypnose versetzen zu lassen. Ansonsten sei er immer bereit, sich auf den Pfad der Wahrheitsfindung zu begeben, verkündet er mit unverhüllter Zuversicht in Bezug auf die Nahtlosigkeit seines Egos. Er ist unerschütterlich davon überzeugt, eine absolut monolithische Persönlichkeit zu sein. Er fürchtet also keine Kluft zwischen dem Gedankengut, das von seinem brillanten Verstand zusammengehalten wird, und den verborgenen Regungen, die unterschwellig ganz anderen Strömungen unterliegen könnten. Und der unbewusste Bernardo scheue wie der wache Kerl kein Rampenlicht und keine Herausforderung.

Mal sehen, dachte ich mir. Beim ersten Aufrühren jedes Wässerchens kommt mit tödlicher Sicherheit ein bisher unentdeckter Frosch zum Vorschein, denke ich mir fast mitleidig. Wenn ihr wüsstet, Leute, welche Spukgestalten ihr in eurem Keller beherbergt, würdet ihr die Kellertür nicht einmal nach polizeilicher Aufforderung auftun. Um eure Kellergeister, die bisher im Dunkeln leise vor sich hinschlummerten, nicht ans Tageslicht kommen zu lassen.

„Also, Mädels, jetzt überlegt euch, was ihr aus unserem Freund Bernardo herausholen wollt. Wir brauchen einen Fragenkatalog. Wir gehen folgendermaßen vor: Wir stellen Bernardo unsere Fragen im Wachzustand, dann lassen wir ihn sozusagen in den Schlummerzustand versinken und stellen ihm wiederholt dieselben Fragen, um anschließend die Ergebnisse der beiden Interviews zu vergleichen. So werten wir den Zwiespalt seiner bewussten und unbewussten Einstellungen aus, um festzustellen, was er denn in Wirklichkeit denkt im Gegensatz zu dem, was er zu denken glaubt. Oder … uns glauben lässt. Wir teilen ihm dann mit, was sich trotz jeglicher Überzeugung in seinem klugen Schädel abspielt. Was sagt ihr dazu?“

Die begeisterten Blicke bekunden Goldgräberfieber. Wie könnte ich da noch einen Rückzieher machen? Die angekündigte Schatzsuche hat bereits die Geister weit zurückliegender Kindheit heraufbeschworen, und ich muss mit einem Stich Nostalgie an meine eigenen Lausbubentage zurückdenken.

Los geht´s! „Halt, Tony, ich hole das Diktiergerät aus deinem Arbeitszimmer. Wie sollen wir Bernardo von der Echtheit unserer Zeugenaussagen überzeugen, wenn es keine Tonaufnahmen gibt. Als Beweis.“

„Einverstanden! Gute Idee, Ally“, lobe ich sie. Sie sprudelt vor lauter Erregung und Eifer. Und ist zum Küssen. Sie strahlt Freude über mein Lob und eilt in Windeseile ins Haus, um dann im erstaunlichen Tempo zurückzulaufen - zu dem Brennpunkt der aufregenden Geschehnisse.

Jetzt darf ich mich keinesfalls der allgemeinen Aufregung hingeben, mahne ich mich und fordere die Runde auf, die Testfragen aufzustellen. Bernardo ziert sich noch ein wenig, die Damen mögen ihm verzeihen, wenn es dem großen Meister trotz hervorragender Professionalität nicht gelingen sollte, sein widerspenstiges Gemüt zu manipulieren und ihn in den Zustand der Dämmerung zu verfrachten.

Tja, die aufgetakelten Egos wehren sich meistens gegen die Vorstellung, ihr eigener Wille ließe sich in irgendwelcher Weise beeinflussen, und verfallen dem Irrtum, nie und nimmer „ausgeknipst“ werden zu können. Sie wähnen sich sozusagen in einem Sonderstatus: Ein großer Geist würde sich durch keinen Trick manipulieren lassen, weil er jeglichem Eingriff standhalten würde, und somit wäre der Versuch einer Fernsteuerung mit Sicherheit sabotiert. Ich durfte schon manches aufgeblähte Ego eines Besseren belehren. Zum Verdruss des betroffenen Egos.

Nicht, dass ich den Ehrgeiz entwickelt hätte, Bernardos Format infrage zu stellen. Nein, das hatte ich gewiss nicht im Sinn, als wir ein geschlossenes Kränzchen aufgeregter Verschwörer bildeten, während Bernardo ein wenig unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her rutschte und sich für den bevorstehenden Trip ins Innere sammelte. Bevor wir mit dem „Beschwörungsritual“ angefangen hatten, blickte ich kurz zu Ally, um den sagenhaften Ausdruck in ihren weit geöffneten Augen zu genießen. „Alice im Wunderland“. Und plötzlich wusste ich, was mich letztendlich zu dem Kunststück veranlasst hat.

Allys riesig große Augen sind voller Stolz auf die Fertigkeit des Mannes gerichtet, der einen Zauber vorzuführen vermag. Alle Mitglieder unserer Familie haben eine unverkennbare Schwäche für „Zauber“. Davon dürfen Sie sich im Laufe unserer Chronik zu Genüge überzeugen.

Ich werfe Ally noch einen verstohlenen Blick zu: In ihren Augen blinkt neben der freudigen Erregung unverhohlener Stolz auf: Seht ihr, Leute?! Mein Mann, der große Magier!

Das Interview mit dem wachen Bernardo

Ally: „Was ist mit Marie Claire? Hast du sie verlassen?“

Bernardo: „Das Mädchen ist mir abhanden gekommen. Entführt, weggeschnappt. Das geht in Ordnung. Ich gebe sie her. Möge sie auf ihre Art und Weise glücklich werden. Sie bekommt dafür meinen Segen.“

Dolly: „Verkündet Bertrammo deine eigenen Ansichten in Bezug auf die Frauen? Bedient er sich deiner Verführungsrezepte?“

Bernardo: „Dolly, wo denkst du hin?! Ich liebe Frauen. Ich lasse mich von ihren Reizen verführen. Und nicht umgekehrt. Zugegeben, ich liebe sie nicht im gewöhnlichen Sinne. Meine Auffassung unterscheidet sich gewiss von eurer, meine Damen. Ich liebe die Frauen auf meine Art, aber auch meine Art ist keinesfalls zu schmähen.“

Ally: „Liebe à la Bernardo also. Was ist mit Liebe in der puristischen Form?“

Bernardo: „Ally, Mädchen! Wer soll denn der Verfasser dieser ‚puristischen Form‘ sein? Wer darf deiner Meinung nach das Vorrecht beanspruchen, der Experte der zarten Gefühle zu sein? Wer soll die Grundsätze je festgelegt haben und der Welt vorgeschrieben haben, wie jeder Einzelne seine amourösen Regungen auszuleben und aufzufassen hat? Fällt dir der Name dieses Liebesphilosophen noch ein, damit wir noch schnell vor meinem Einschlummern die Liebesdefinitionen durchgehen können, um Missverständnisse zu vermeiden?“

Ich: „Was Ally meint, ist schlicht und einfach: Glaubst du, Bernardo, an die Liebe im Sinne seelischer Bindung, die über Begierde, flüchtige Verliebtheit, Verehrung und sonstige Verblendungen hinausgeht?“

Bernardo: „Seelische Bindung pflege ich im Rahmen meiner Freundschaften. Dolly bin ich zweifelsohne seelisch verbunden. Oder geistig. Wie auch immer. Nur wer würde behaupten, ich würde sie lieben? Nicht einmal sie selbst würde mir eine derartige Behauptung abkaufen.“

Dolly: „Bernardo, Mann! Es ist Zeit, dass man dich einschlummert. Sonst machst du uns noch alle verrückt mit deinen Verklausulierungen. Sag endlich, glaubst du an die Liebe als solche? Ja oder nein?“

Bernardo: „Meine liebe Dolly. Nichts liegt mir ferner, als dich zu verärgern. Aber wir sollen uns schon auf eine abgesteckte Definition des Gegenstandes einigen. Immerhin begebe ich mich in ein paar Augenblicken in eine geistige Dämmerung. Wie soll ich euch dann folgen können, wenn wir uns bei meinem hellwachen Zustand auf keinen gemeinsamen Nenner einigen können? Ihr verlangt von mir ein mystifiziertes Bild einer Erscheinung, die sich für meine Begriffe ganz einfach darstellt. Und zwar sehe ich das etwa so: Ich fühle mich zu einer Frau hingezogen, das heißt, ich wünsche mir intime Nähe zu ihr – ich will sie berühren, will sie bei mir haben. Dann liebe ich sie halt. Ich meine dabei auch nicht grobstoffliche Regungen, die sich nach zehn Minuten verflüchtigen, da komme ich euch auf halbem Wege entgegen. Ein Bedürfnis nach Nähe, das über die primitive Form der Begierde hinauswächst. Ist das was? Können wir das so lassen? Ich meine, zur Verständigung.“

Dolly: „Gepunktet. Das reicht, Tony. Es ist Zeit, Bernardo in sein Unterbewusstsein einzutauchen. Vielleicht liefert er uns im Dämmerzustand, wenn er nicht tricksen kann, interessante Ideen.“

Bernardo: „Tut mir aufrichtig leid, dass meine Weltauffassung so sehr von deinem Wunschbild abweicht. Was kann ich dafür? Ich habe schon mit dreizehn diese Linie verfolgt, da muss sie ja meinem Naturell entspringen. Ich begebe mich somit in deine fähigen Hände, Tony. Nur zu! Ich offenbare euch freiwillig meine vermeintlichen Geheimnisse. Wenn das kein Vertrauensbeweis reinsten Wassers ist!“

Er lässt sich trotz seiner Zweifel erstaunlich leicht in Hypnose versetzen. Wir schalten das Diktiergerät ein, um seine Aussagen festzuhalten. Seine Stimme erhält den erwünschten gedämpften Klang, und er hält die Augen geschlossen, wie von mir angewiesen. Ich vergewissere mich vorsichtshalber, ob ich ihn in den erforderlichen Zustand gebracht habe, indem ich ihn den Arm erheben lasse und ihn in dieser Position fixiere. Ich suggeriere ihm, er solle sich vollkommen entspannen, nur der erhobene Arm würde, wie vorher angekündigt, ohne sein Zutun oben bleiben. Der spektakuläre Test auf Muskelbefangenheit ergibt für den Hypnotisierten nur dann einen Sinn, wenn er in eine oberflächliche Hypnose versetzt wird und daher imstande ist, das Phänomen zu verfolgen und selbst zu bestaunen. Bernardo ist aber zu tief abgesunken, um das Erlebnis bewusst mitzuerleben. Der Test ist also nur für uns gedacht. Ich frage, ob er mich höre, und er antwortet mit einem Ja.

Ich: „Bernardo, hältst du dich an gewisse vorgefasste Regeln, wenn du an einer Frau interessiert bist und sie für dich gewinnen willst?“

Bernardo schweigt. Er scheint meine Frage nicht einordnen zu können.

Ich: „Formulieren wir das anders. Welche Art Frauen erwecken dein Interesse, und wie gehst du vor, wenn du eine Frau für dich gewinnen willst?“

Bernardo: „Ich bevorzuge die Eingeknickten.“

Ich: „Erklär uns, was du mit eingeknickt meinst.“

Bernardo: „Es gibt die Gutmädchen, die Schlimmen und die Eingeknickten. Die sind mir am liebsten. Sie sind keine schlimmen Mädchen, die ich verabscheue, weil ich absichtliche Bosheit geschmacklos und widerwärtig finde. Die Gutmädchen sind mir ihrerseits zu anstrengend, weil sie darauf versessen sind, mich dauernd auf Lauterkeit zu überprüfen. Auf die Lauterkeit meiner Motive. Ich hasse es, wenn man mir so penetrant auf die Pelle rückt. Ich kann auch nichts dafür, dass ich durch ihre fanatische Suche nach einem Sinn, wo es keinen gibt, gezwungen bin, meine wahren Absichten zu verleugnen.“

Ich: „Was sind deine wahren Absichten in Bezug auf Frauen, Bernardo?“

Bernardo: „Ich will sie genießen, denn ich habe eine heilsame Einstellung zu den Dingen. Ich bin darauf aus, mir eine Welt zu erschaffen, die Genuss und Wonne pflegt und Leid sowie Verdruss meidet. Denn das eine ist gesund und wohltuend, und das andere ist entkräftend und schädlich.“

Ich: „Du magst also alles, was heilsam und heil ist. Zurück zu der von dir bevorzugten Frauenkategorie. Eingeknickt klingt für mich alles andere als gesund. Du wolltest uns gerade erzählen, welche von den Mädels denn als die Eingeknickten zu bezeichnen sind.“

Bernardo: „Oh, das sind diejenigen, die ohne selbst heil zu sein, unsereinem zum Heil verhelfen. Die Gutmädchen mit einem Knick. Die sind wahrhaft goldig, aber das wirklich Schöne daran ist: Die Sache hat einen Haken. Einen sehr willkommenen Haken, an dem sich unsereiner verankern kann. Tief in ihrem Inneren glauben die Eingeknickten, nicht gut genug zu sein, um von uns geliebt zu werden. Da sie selbst nicht glauben, liebenswert zu sein, erhoffen sie von unsereinem keine Beweise für das Gegenteil. Sie grämen sich nur im Stillen und ertragen unsere Unliebe mit stoischer Standhaftigkeit. Und sammeln immer mehr Beweise dafür, dass sie es nie schaffen, an uns heranzukommen. Weil sie es nicht schaffen, von uns geliebt zu werden. Und strengen sich immer mehr an, um liebenswürdiger, schöner und reizvoller zu werden. Und sie werden es auch. Schöner, anmutiger, geschmeidiger. Aber wenn wir ihnen verraten, dass ihre Bemühungen gefruchtet haben, könnte es ja passieren, dass der Haken, an dem wir uns so bequem festhalten, dahin ist. Unbrauchbar. Entzogen.

Der ganze Prozess der Veredelung wäre gestoppt und die Entwicklung würde stagnieren. Wenn das nicht jammerschade wäre.“

Ich: „Ist Marie Claire eine der Eingeknickten?“

Bernardo: „Und ob! Eine dreifach Eingeknickte.“

Ich: „Wieso ließest du sie dann gehen, wenn sie so perfekt in dein Konzept passte?

Bernardo: „Das ist es ja. Eine Verschwendung nenne ich das. Ich konnte aber nicht anders. Zu meinem tiefsten Bedauern hat sie angefangen, mir trotz meiner Überzeugung leid zu tun. Und das ist das Ende von jeglicher Entspannung. Sie war mir zu schade, um so eingeknickt zu bleiben. Da habe ich ihr eine Psychotherapie angeraten. Und damit habe ich mich selbst ausgetrickst. Wenn ein Seelenklempner sie aus dem Knick herausholt und ihr die Flausen ausredet, sich unverzeihlich versündigt und sich alle Gnade der Welt verschanzt zu haben, kommt sie unweigerlich zur Überzeugung, sie müsse für die jahrelange Selbsttäuschung entschädigt werden und mit geballter Anstrengung zum Glück gelangen. Und Glück ist im Fall Marie Claire Liebe und Treue pur. Und wer wäre dafür zuständig? Wer sonst? Euer treuer Diener, Bernardo. Wenn bei so einem Wesen ein Psychodoktor oder ein Homöopath das Symptom „Verzweiflung am Seelenheil“ wegtherapiert, ist die Welt vor dem Anspruch auf ein Happyend nicht mehr sicher. Das Mädchen erhebt sich und stürmt mit wehenden Fahnen die höchste Burg, die Burg von Bernardo.

Da wäre alles sowieso hinfällig. Also Good bye, Marie Clair. Schwing dich auf die Sonnenseite, Baby! Lass die anderen Mädchen zum Zug kommen und sich bewähren. In der Bestrebung, Vollkommenheit zu erlangen. Lass den guten Bernardo im Zwielicht.“

Was meint er wohl mit dem Zwielicht, stutze ich, habe aber keine Lust, es herauszufinden. Was sagte er noch? Er pflege seine Einstellung zu amourösen Regungen seit seinem dreizehnten Lebensjahr. Das wollen wir mal sehen, dachte ich mir und ordnete ihn zurück. In seine Pubertät. Zu seinem dreizehnten Geburtstag. Das wird die schönste Tonaufnahme, freute ich mich und stellte mir Bernardos erstauntes Gesicht vor, wenn er im wachen Zustand die Aussage des dreizehnjährigen Bernardos hören darf. Denn das ist der wahre Hokuspokus bei unserem Unternehmen. Unser Gehirn hat keinen einzigen Eindruck gelöscht. Alles ist schön sortiert in unserem Oberstübchen vorhanden. Um abgerufen zu werden. Wenn man mit dem richtigen Passwort das erwünschte Programm anpeilt.

Ich: „Bernardo, du gehst jetzt in der Zeit zurück. Weit zurück: Du bist zwanzig, sechzehn, dreizehn! Heute ist dein dreizehnter Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch! Wie geht es dir, Bernardo?“

Stille. Bernardos Lippen bewegen sich, aber kein Laut kommt dabei heraus. Er schluckt, fasst sich an die Kehle und schluckt wiederholt. Hat er etwa Krämpfe? Ich sehe besorgt, wie seine Augäpfel hinter den Augendeckeln rotieren und seine Hände sich zu Fäusten ballen. Jetzt schafft er es doch, seine Stimme in den Griff zu bekommen: „Warum will Gott mich nicht lieben?!“ Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr, er bekommt einen Erstickungsanfall. Dolly gibt mir ein Zeichen: Die Tonaufnahme wird gelöscht, und sie drückt auf den Knopf. Ich ordne eilig an, er möge ins Hier und Jetzt zurückkommen. Es ist heute, der …

„Du atmest tief durch, Bernardo. Du fühlst dich ausgeruht und entspannt. Und ganz ruhig. Und jetzt öffne die Augen.“

Bernardo schnauft schwer durch und öffnet die Augen. Er blinzelt etwas unsicher und schüttelt sich, als wolle er etwas Unangenehmes abschütteln, bevor er sich uns zuwendet. Ein paar Augenblicke Auszeit, die wir unsererseits brauchen, um das gleiche zu tun, nur weniger auffällig.

Ally bringt ein täuschend echtes Lächeln auf, um den zurückgekehrten Bernardo willkommen zu heißen.

„Und? Wie gefällt dir unsere Welt nach der Wanderung in dem Schattenreich? Schön, dass du wieder bei uns bist.“ Sie strahlt ihn mit bezwingender Liebenswürdigkeit an, und ich mache mir Sorgen, die ungewohnt liebevolle Zuwendung könnte Bernardo misstrauisch machen. Dollys Lächeln wirkt eher gezwungen, sie steht noch voll unter dem Eindruck des Erlebnisses.

Ob wir je die Erinnerung daran überwinden werden? Erst jetzt fällt mir auf, dass wir mehr als geglaubt an der frivolen Leichtigkeit seines Wesens hingen. Oder wir waren es eher gewohnt, ihn so zu sehen. Er war unser Bernardo, wir ließen uns von ihm provozieren und lebten unsere gerechtfertigte, aber nie ernst genommene Entrüstung aus. Jetzt haben wir uns das gut eingespielte Rollenmuster eigenhändig zerstört. Und sind etwas verunsichert, weil wir nicht so richtig wissen, wie wir mit den soeben gewonnenen Erkenntnissen umgehen sollen. Und er ist schon wach und ist sehr auf unsere Eindrücke gespannt. Vor allem auf den Bericht, welche Figur er selbst bei der Erforschung seines Innenwesens abgegeben hat. Da wir uns immer noch ausschweigen, „Na, was ist? Hat es euch beim Blick auf meine Innenseite die Sprache verschlagen? Hab ich gruselige Geheimnisse ausgeplaudert, und ihr fragt euch, ob ihr mir dabei helfen sollt, die in meinem Keller entdeckten Leichen zu beseitigen?“

„Du warst großartig, Bernardo!“ schwärmt Ally, und ich muss mich wieder wundern, wie aufrichtig ihre Begeisterung herüberkommt. Kein Wunder, dass Bernardo ihr die spendable Herzlichkeit ohne Skepsis abnimmt. Er freut sich über Allys Liebenswürdigkeit, die er selten in diesem Umfang genießen durfte. Und seine Züge entspannen sich. Lachend fordert er Berichterstattung und schaut uns erwartungsvoll an.

Jetzt ringt sich Dolly zur Initiative durch und legt die Hand dramatisch auf die Brust: „Bernardo! Ob du uns je unser Missgeschick verzeihen kannst?! Wir schauen so schuldbewusst, weil wir durch ein Versehen die Aktion mit der Tonaufnahme verpatzt haben. Bernardo, einen Augenblick vor deinem Aufwachen wollte ich das Gerät abschalten und habe den Schlamassel entdeckt. Wir haben kein einziges Wort von der Sitzung auf Band. Es tut mir leid! Keine Ahnung, wie das passieren konnte.“

Bernardos Gesicht spiegelt die ganze Palette maßloser Enttäuschung. Jetzt bin ich dran, ihm väterlich auf die Schulter zu klopfen und muss mich zusammenreißen, um ihm nicht den Vorschlag zu unterbreiten, als heimgekehrter Sohn, den wir alle ab sofortiger Wirkung adoptieren, in unsere bescheidene Bude einzuziehen. Dolly beobachtet mich amüsiert und umarmt Bernardo ihrerseits mit fast schwesterlicher Herzlichkeit. „Was habe ich denn zum Kuckuck gesagt, um so viel Beifall zu ernten? Keine Leichen also. Hausen vielleicht Engel im Zwielicht meines Unterbewusstseins, die euch so verzaubert haben?“ Er lacht ausgelassen, und wir entspannen uns, obwohl ich ein paar Augenblicke zuvor beim Wort ‚Zwielicht‘ schlucken musste.

„Sagt, dass es ein Witz ist. Das mit der misslungenen Tonaufnahme.“

Wir schütteln einträchtig den Kopf.

„Wie soll ich denn jetzt wissen, was ich so von mir gegeben habe, wenn es keine Beweise dafür gibt?“

Ally strahlt ihn wieder mit unwiderstehlicher Herzlichkeit an und verkündet feierlich:

„Du hast doch uns. Wir sind die Zeugen, die jedes Wort mitgehört haben. Wir sagen dir, was du in Wirklichkeit denkst. Bernardo!“ Ihre Stimme nimmt einen beschwörenden Klang an, als ob sie vorhätte, Bernardo ihrerseits zu hypnotisieren:

„Du hast gesagt, dass du an die Liebe glaubst. Dass du fest daran glaubst, zu tiefen Gefühlen fähig zu sein. Und dass du hoffst, dass du eines Tages …“ Sie spricht sich fast heiser, und ihre Augen funkeln dabei, als wollte sie kraft ihres Blickes eine lichte Prophezeiung auf Bernardos Zukunft übertragen.

Ally, Ally! - denke ich mir. Sie versucht tatsächlich, unseren Bernardo zu bekehren. Selbst die Alice im Wunderland unterließ es, das aufgedrehte Kaninchen davon zu überzeugen, Nichtgeburtstag wäre kein Anlass zum Feiern. Aber meine kleine Missionarin gibt nicht auf und versucht, in jede verrußte Ecke hineinzuleuchten, um Bernardos Leben die rettende Botschaft aufzuprägen: Nur die echten und die goldrichtigen Geburtstage mögen zelebriert werden.

Ich höre Bernardo staunen, er lacht unsicher und schüttelt den Kopf: „Das soll ich gesagt haben? Erstaunlich! Ich soll in Wirklichkeit solche holden Ideen hegen, ohne einen Schimmer davon zu haben?! Tony, sag du was! Soll das wahr sein? Hab ich mich tatsächlich in dieser Form über zarte Gefühle ausgelassen?“

Jetzt bin ich dran, um von Ally hypnotisiert zu werden. Ihr Blick durchbohrt mich mit der Kraft eines Geisterbeschwörers. Da flackert so ein kleines gefährliches Lichtchen auf, das nur von mir zur Kenntnis genommen werden soll: Wenn du mir nicht beistehst und meine Mission vereitelst, dann gnade dir Gott!

Ich nicke ergeben und lasse mich durch die nonverbale Drohung des Geburtstagskindes erpressen. Kann mir aber dabei beim besten Willen nicht ein Grinsen verkneifen, was mir einen missbilligenden Blick von meiner Angetrauten einbringt. Nachdem sie vergebens auf meinen aktiven Beitrag zu ihrer „Mission“ gewartet hat und mich auch nicht durch ein bedeutsames Hüsteln zum Beistand bewegen konnte, redet sie eifrig weiter:

„Ja, da wunderst du dich selbst. Was man so alles in sich trägt, ohne es zu ahnen. Ist ja ein Segen, dass die schönsten Dinge, die sonst unentdeckt geblieben wären, durch Zufall oder Fügung zum Vorschein kommen, um ihr Recht zu fordern. Bernardo, du bist immer für eine Überraschung gut. Für diese herrliche Entdeckung, die wir miterleben durften, bekommst du das größte Stück Torte. Mit der Rose, die ich selbst kreiert habe. Wo bleibt sie nur? Meine Geburtstagstorte. Und wo steckt der Rest der Gesellschaft?“

Ich und Dolly wechseln vielsagende Blicke, und wir hätten wegen Allys Überschwänglichkeit am liebsten den Kopf geschüttelt, wenn das nicht so auffällig wäre. Erst jetzt fällt uns auf, dass die Mama, Alberto und Gina nicht an der Verschwörung teilgenommen haben, worüber ich mich nur freuen kann. Wer weiß, wie ein Querdenker wie unsere Mama diese Zumutung überstanden hätte. Wo auch immer sie gerade steckte, es war zu ihrem Besten.

Und da kommen sie schon, keinen Augenblick zu früh, so war es uns vergönnt, sie von unserem geheimen Bund auf legitime Weise auszuschließen. Die prächtige Geburtstagstorte mit den angezündeten Kerzen nähert sich feierlich unserem Tisch.

Die Mama stellt das Tablett mit den kunstvoll arrangierten Cocktails ab und schaut fragend in die Runde: „Haben wir was verpasst?“

Sie schnuppert die erhitzte Luft und beäugt unsere vor Erregung erröteten Gesichter, als hätte sie das gewisse Etwas, das in der Luft liegt, buchstäblich wittern können. Etwas, was sie zu ihrem Bedauern nicht einordnen konnte. Da wir uns bei der Aufklärung der Mama nicht besonders kooperativ zeigen, springt Bernardo eifrig auf und ergreift mit gewohnter Galanterie ihre Hand, indem er ihr strahlend die Schilderung der abenteuerlichen Geschehnisse verspricht:

„Ich, gnädige Frau, weihe Sie persönlich in die Details unseres kleinen psychologischen Experiments ein, das Sie leider verpasst haben, weil Sie so liebenswürdig waren, uns diese Köstlichkeiten zuzubereiten, während wir uns mit Eifer in das Abenteuer stürzten. Deshalb schulde ich Ihnen die genaueste Wiedergabe dieses äußerst spektakulären Bewusstseinstrips, dessen Hauptfigur zu sein, ich persönlich die Ehre hatte. Somit bekommen Sie, gnädige Frau, die Informationen aus erster Hand. In der Tat, unser Verhalten ist ungehörig. Es war äußerst ungezogen von uns, nicht zu warten, bis Sie sich dazu gesellen konnten. Jetzt muss ich das zutiefst bereuen, denn ich habe mich dadurch um das Vergnügen Ihrer Kooperation gebracht. Dabei hätte mich Ihr persönlicher Eindruck von der Geschichte am meisten interessiert. Die Sache ist leider etwas dumm gelaufen. Da die Tonaufnahme des Experiments leider dahin ist, bin ich auf die mündliche Wiedergabe meines Interviews angewiesen und muss mich mit den Bruchteilen des verloren gegangenen Textes begnügen. Wären Sie, gnädige Frau, dabei gewesen, wären Sie mir bestimmt eine große Hilfe. Ich hätte mich zweifelsohne auf ihr ausgezeichnetes Gedächtnis verlassen können.“

Ich klopfte zufrieden auf meine Taschen: Die von Bernardo versprochenen Details waren, Gott sei Dank, rechtzeitig weggeräumt worden und bestens aufgehoben.

Ally bläst andächtig die Kerzen aus und schneidet die Torte auf. Bernardo erhält wie versprochen die Rose und genießt ausgiebig die ihm zufließende Zuwendung. Ganz bestimmt ist er selbst stolz drauf, dass er den Mut gehabt hat, in die unbekannten Klüfte der Psyche abzusteigen, und nimmt die ihm zugesprochene Anerkennung mit Würde an.

Ally gibt mir ein Zeichen, ich möge ihr hinter die Akazienbüsche folgen. Ich gehe der Aufforderung gerne nach, und nutze die Gelegenheit, um ihr im sicheren Versteck einen besonderen Geburtstagskuss zu geben. Ally ist aber nicht zum Scherzen aufgelegt und zürnt mir ein wenig wegen der fehlenden Unterstützung in Sache „Bernardos Seelenheil“. Ganz dicht an unserem Versteck vorbei führt Bernardo die Mama abseits, zu der Bank an den Kastanien, um sich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu sichern. Wir können immer noch seine einschmeichelnde Stimme hören. Und die kleinen Rufe des Erstaunens, mit denen die Mama ihn für seine Mitteilsamkeit belohnt. „Tja, die drei Verschwörer wollten mich der Unredlichkeit überführen. Es sollte bewiesen werden, dass ich meine Hauptfigur Bertrammo dazu benutzt habe, meine eigenen verruchten Ansichten an den Mann zu bringen. Und ihm die von mir selbst praktizierte Theorie der Verführungskünste in den Mund gelegt habe. Und was stellt sich während der Hypnosesitzung heraus? Sie werden es nicht glauben, gnädige Frau. Der als Zyniker verschriene Bernardo entpuppt sich als der Idealist, der sogar Ihre werte Tochter mit seinen erhabenen Ideen in Verzückung versetzt hat. Und Ihre Tochter, gnädige Frau, weiß wie niemand sonst noble Ansichten zu schätzen. Angeblich tummeln sich in meinem Unterbewusstsein Engel, von deren Existenz ich bisher nicht die geringste Ahnung hatte. Auch im gegenwärtigen Moment fällt es mir schwer, mich mit meinem lauteren Alter Ego in Einklang zu bringen. Deshalb bin ich untröstlich darüber, dass ich keine Gelegenheit dazu bekomme, die verleugnete Stimme meiner selbst zu vernehmen …“

Die Stimmen entfernen sich, und ich ergreife wiederholt die Gelegenheit, Allys Gunst zurückzugewinnen. Ich finde die Situation köstlich: Wann habe ich mich denn zuletzt mit einem Mädchen hinter einem Akazienbusch versteckt? Muss lange her gewesen sein. Aber Ally zeigt sich unerbittlich und setzt eine geschäftliche Miene auf. Wieso schnuppert sie nicht wie ihre Mutter zuvor an der herrlichen Sommerluft?

Es liegt heute eindeutig etwas in den Lüften, das Verwegenheit heraufbeschwört und zur Abenteuerlust anstachelt. Es nähert sich wieder jemand unserem Versteck, und Ally versteift sich noch mehr. Als sie ihre zerzausten Locken schüttelt, klingt ihre Stimme fast sachlich: „Tony, ich habe dich hinter den Busch gelockt, um dir eine Idee zu unterbreiten. Ich komme lieber gleich zur Sache. Könntest du, rein theoretisch, bei jemandem im Hypnosezustand ein unvorteilhaftes Programm löschen und es durch ein positives Programm ersetzen?“

„Worauf willst du hinaus? Lass mich raten: Ich soll in Bernardos Persönlichkeit hineingreifen, ein paar seiner Ideen löschen und auf die Leerstelle mit Kursivschrift eingravieren: Ich, Bernardo, bin überzeugt davon, dass ich unermüdlich nach der großen Liebe zu suchen habe und sie früher oder später mit Sicherheit finden werde. Entspricht der Text deiner Vorstellung, oder sollte ich noch etwas hinzufügen?“

„In etwa, großer Meister! Und ich verstehe nicht, was du daran so witzig findest!“ Ihre Stimme klingt trotzig.

„Stell dir vor, ein anderer Maestro würde auf die Idee kommen, dich unter Hypnose zu setzen und würde das Programm ‚Ich liebe meinen Tony‘ durch den Text ‚Ich gehe ins Kloster‘ ersetzen. Würdest du die Korrektur deines Ideenguts eben so selbstverständlich und legitim finden?“

„Du verwechselst zwei grundverschiedene Dinge! In dem von dir geschilderten Fall würde man Liebe durch Nichtliebe ersetzen. Und das wäre selbstverständlich unmoralisch.“

„Meine Liebste, ich versuche dir gerade klarzumachen, dass jegliche Manipulation der Psyche grundsätzlich unmoralisch wäre. Es wäre ein Fremdeingriff in das Gedankengut einer Persönlichkeit. Du schlägst mir vor, ich soll mich durch List in Bernardos Gehirn einschleichen und seine Gedankengänge nach meiner Fasson umgestalten. Ally! Wer hätte gedacht, dass du zu solchen gruseligen Phantasien fähig bist!“

Ich fange mir dafür einen Boxschlag zwischen die zweite und dritte Rippe ein, bevor Ally Anstalten macht, schmollend davon zu stampfen. Ich schaffe es gerade noch, sie am Ellbogen festzuhalten und ihr zuzuraunen: „Du kleine Weltverbesserin, ich biete mich bereitwillig als Projektionsfläche an. Für alle Wunder, die du vollbringen möchtest.“ Sie bedenkt mich mit einer Grimasse und flieht hinter den Busch. Ich schleiche ebenso hinter dem Busch hervor und gieße mir Sekt ein, um nach dem homöopathischen Prinzip das Prickeln durch ein Prickeln auszutreiben. Und muss gleich an meinen Kollegen in unserer Praxis denken, der sich in der Psychiatrie homöopathischer Mittel bediente und, einer französischen Kapazität nacheifernd, das von Ally vorgeschlagene Prinzip praktizierte, indem er seine eigentlichen Patienten veranlasste, ihre problematischen Familienmitglieder durch heimlich verabreichte homöopathische Mittel auf psychischer Ebene zu beeinflussen. So erreichte er die Psyche einiger Leute, die er nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte, und stützte sich dabei ausschließlich auf die Informationen, die ihm der zugängliche Patient über den Fall geliefert hatte. So hat er eine Patientin angewiesen, ihrem Mann ohne sein Wissen Nux vomica in die Suppe zu träufeln, um seine Aggressionen zu mildern, und eine andere Frau ließ er dem schon etwas betagten Gatten mit einem Glas Milch Hyoscyamus verabreichen, um ihm, laut Patientin, seine peinliche Lüsternheit auszutreiben. Und er hatte damit sogar erstaunlicherweise Erfolg. Ich muss den Kopf schütteln: Ich habe die moralischen Aspekte seiner Behandlungsweise in keiner Weise infrage gestellt. Wenn man es genau nimmt, war es nichts anderes als das von Ally vorgeschlagene Ausradieren nicht erwünschter Informationen. Obwohl es sich hier nicht um Ideengut handelte, sondern um Stimmungslagen und Verhaltensweisen. Im ersten Fall hörte der Wüstling auf, seine Frau zu verprügeln, und im zweiten Fall schraubte der Lüstling seinen Anspruch auf erotische Extravaganzen runter, und seine noch vor kurzem sehr bekümmerte Ehefrau bedankte sich freudestrahlend und überschwänglich bei dem Wunderdoktor für den neu entdeckten Familiensegen und das zurückeroberte Vergnügen, hin und wieder mal in einen bequemen Pyjama schlüpfen zu dürfen.

„Herrlich! Einfach köstlich, gnädige Frau! Ihre Torte ist ein Gedicht, das einem Ehrfurcht entlockt. Es ist jammerschade, dass Sie immerfort betonen, wir zwei würden nicht in der gleichen Liga spielen. Was spielt ein lausiges Jahrzehnt schon für eine Rolle, wenn zwei verwandte Seelen sich gefunden haben.“ Bernardo ist in seinem Element und umschmeichelt die Mama, bei der er gefahrlos seinen Charme sprühen lassen kann, ohne befürchten zu müssen, sie könnte darauf reinfallen.

„Sie Schmeichler! Wie kommen Sie auf die abwegige Idee, wir wären seelenverwandt?“

„Aber nicht doch, gnädige Frau! Uns verbindet die Muse! Der Trieb zur künstlerischen Gestaltung. Warum sind Sie wohl Konditorin geworden? Sie verspürten den edlen Drang, Träume zu backen! Ein Paradies der Düfte und Gaumengenüsse zu erschaffen und es durch eigene Hand weiterzureichen. Irre ich mich denn etwa?“

„Die Mama versuchte, eher dem lieben Gott unter die Arme zu greifen, indem sie dafür sorgte, dass all die Gebete erhört werden und jeder sein tägliches Brot erhielt. Als sich in unserer Straße zu unserer Bäckerei zwei andere Bäcker gesellten, beschloss Mama, die Beschaffung des täglichen Brotes der Konkurrenz anzuvertrauen und widmete sich den höheren Bedürfnisse ihrer Mitmenschen.“

Ally folgt Bernardos Blick. Er schaut sich gerade um, um sich zu vergewissern, dass sein Redeschwall Dollys Ohr erreicht. Da sie mit unbeteiligter Miene das Rosenbeet betrachtet, nimmt er Mama am Arm und führt sie in Richtung Dolly. Ally findet die Szene amüsant und vergisst, dass sie vorhatte, mich durch Missachtung zu strafen. Sie lässt die kleine Gruppe nicht aus den Augen und raunt mir zu: „Strengt er sich wegen Dolly so an? Er ist unermüdlich, wenn er das Publikum unterhält. Er entspannt sich wohl nur im Schlaf, ansonsten wähnt er sich anscheinend rund um die Uhr auf der Bühne, von Rampenlichtern angestrahlt.“

„Darf ich meinerseits raten, was Sie veranlasst hat, Dramatiker zu werden?“ Die Mama setzt ihr angriffslustiges Lächeln auf.

„Nur zu, gnädige Frau! Ich bin gespannt, welche Motive Sie mir unterstellen. Denn so wie Sie gerade lächeln, kann ich nur vermuten, ich komme nicht ungeschoren davon. Aber ich stelle mich Ihrem Urteil.“

„Dann will ich nur hoffen, dass Sie sich nicht brüskiert fühlen, wenn ich mit meinen Vermutungen herausrücke. Ich nehme stark an, es bereitet Ihnen Hochgenuss, die Akteure dazu zu bringen, genau das zu sagen, was Sie gesagt haben wollen. Das muss ein berauschendes Machtgefühl sein, die Bühne als Schlachtfeld oder Schachbrett zu benutzen und die Figuren nach Ihrem Belieben hin und her zu bewegen. Da muss man sich unweigerlich als Napoleon fühlen. Der Regisseur ist dagegen nur ein Feldwebel, denn er führt lediglich Ihre Anweisungen aus und passt auf, dass die Soldaten nicht von Ihren Vorstellungen abweichen und brav den ihnen zugedachten Text aufsagen.“

Bernardo lacht schallend auf, er scheint aufrichtig amüsiert zu sein. „Mein Glück, dass mein Regisseur nicht dabei ist, er wäre von der Schmähung seiner Rolle im Prozess der kreativen Gestaltung gewiss nicht erbaut und hätte dagegen einiges einzuwenden. Eine sehr erfrischende Interpretation der Dinge, gnädige Frau! Es ist mir ein Vergnügen, mit Ihnen Ideen auszutauschen. Ich frage mich nur allmählich, wieso die sonst so mitteilsame Dolly heute so schweigsam und zurückhaltend ist. Was stimmt dich so nachdenklich, Dolly?“

Ally raunt mir wieder zu: „Bestimmt beschäftigt sie die gleiche Frage wie uns. Was für einen Kummer verbirgt Bernardo so geschickt vor der Welt? Und wieso ist es möglich, dass er überhaupt unter etwas leidet. Weißt du, Tony, der Gedanke behagt mir gar nicht. Es ist selbstverständlich in jedem Fall bedauerlich, dass jemand leidet. Aber Bernardo! Ihn verletzt oder leidend zu wissen ist … Ich suche nach dem richtigen Ausdruck. Unnatürlich? Nein, eher ungewohnt. Er ist dafür zuständig, Leute zu provozieren. Ich möchte mich daher über ihn aufregen, über ihn herziehen. Du weißt schon, was ich meine. Nicht lästern, sondern mich in leichter Form entrüsten.“

Tja, da hat Ally vollkommen Recht. Bernardo ist für den Operettenklang zuständig. Für die Leichtfertigkeit und den frivolen Ton.

Jede Gemeinde benötigt je nach der Beschaffenheit ihrer Struktur entweder ein Opfer oder einen Clown. Oder ein Feindbild, das die Mitglieder zur Einigkeit zusammenschweißt. Wir sind zu kultiviert für derartige primitive Sinnbilder und nicht spießig genug, um drastisch aufgerüttelt werden zu müssen. Unser Moralcorpus muss nur hin und wieder mal gekitzelt werden, damit seine Fasern gestrafft werden. Durch das satirische Grinsen von Bernardo, dem nichts heilig zu sein scheint.

Was hat er neulich gesagt? - Er sei der Jäger, der die lahmen Hasen im Revier aufscheucht, um sie auf Trab zu halten. Wie hat er sich da bloß ausgedrückt? Etwa so: An dem Idealismus der Kultivierten, die sich geistig im Bereich der Archetypen bewegen, muss ab und zu tüchtig gerüttelt werden, damit das verfeinerte Weltbild nicht eines Tages nach Mausoleum muffelt. Mit jedem Schritt in Richtung angestrebter Tugend laufen wir Gefahr, uns je einen Schritt vom Endziel zu entfernen, denn unterwegs zur Vollkommenheit ist schon so mancher zur Selbstgefälligkeit erstarrt. Wenn Ideale sich zur Unkenntlichkeit aufblähen und den Rahmen sprengen, arten sie in Perversion und Fanatismus aus. Sarkasmus ist das beste Mittel, um das Gleichgewicht aufrecht zu erhalten.

Ally reißt mich aus meinen Bemühungen heraus, Bernardos philosophisches Weltbild zu rekonstruieren. Sie zieht nachdenklich ihre Stirn kraus und meint: „Es stört mich gewaltig, zu wissen, dass das berühmte dröhnende Lachen von Bernardo womöglich ein Versuch ist, verborgenen Kummer zu kaschieren. Nein, ‚stören‘ ist das falsche Wort. Das klingt so eigensüchtig. Es betrübt mich. Ja! Es betrübt mich, dass Bernardo nicht mehr der Bernardo ist, über den ich mich ohne Gewissensbisse aufregen darf, wenn er mit seinen verruchten Ideen ankommt. Tony, wenn du meinst, du wärest nicht befugt, in Bernardos Gehirn umzuräumen, so darfst du mich in Hypnose versetzen und dieses ‚Warum will Gott mich nicht lieben?‘ einfach spurlos löschen, damit ich nicht dauernd daran denken muss. Und mir den Kopf zerbrechen muss, woher das wohl kommen mag und wie das wieder in Ordnung gebracht werden kann. Ich mag keine düsteren Geheimnisse! Außerdem sagst du ja, man könne sowieso nichts damit anfangen. Wozu dann dieses bedrückende Wissen um ein Unheil, das sich nicht aufheben lässt. Du bekommst für meine Gehirnwäsche meine persönliche Genehmigung. Dann ist es ja wohl auch legitim. Oder? Tony, hörst du mir überhaupt zu?“

„Gewiss, Schatz! Du wirst Stein für Stein auseinander genommen. Das verspreche ich dir. Warte nur ab, bis die Gäste sich verabschiedet haben.“

„Tony! Du bist manchmal schlimmer als Bernardo. Ihr habt einander als Team verdient.“ Ally stampft wieder mal davon. Keine Ahnung, was mich heute so daran reizt, sie aufzuziehen. Ich brauch wohl noch einen Schluck Sekt.

„Gnädige Frau, darf ich Sie um einen Gefallen bitten? Nennen Sie mich um Gottes Willen nicht immer ‚junger Mann‘. Ich komme mir da so entmündigt und Ihrer Gesellschaft nicht würdig vor. Sie brauchen die traurige Tatsache, dass wir beide uns in dem Zeitgefüge verfehlt haben, nicht immer zu betonen, um mir das Herz schwer zu machen. Ich füge mich ja dem Unvermeidlichen.“

„Wie schaffst du das, Bernardo, nie von der Bühne zu steigen? Redest du im Schlaf auch solches stilisiertes Zeug?“ Dolly zwinkert der Mama zu.

„Kommen Sie, ich befreie Sie von dem salbungsvollen Redeschwall des Casanovas und entführe Sie zu dem Malerzirkel. Sonst kommen wir gar nicht dazu, ein paar Worte mit Alberto und Gina zu wechseln. Das scheint interessant zu sein, Sven Brigg stellt seine Kunstwerke aus und lässt sie von Alberto begutachten.“

„Das wollen wir uns doch nicht entgehen lassen. Ich komme selbstverständlich mit, um dem Werk des angehenden Künstlers gebührende Aufmerksamkeit zu schenken“, kommentiert Bernardo und lässt sich von den Damen nicht abhängen.

Ich dagegen nutze die sich bietende Gelegenheit zum ungestörten Sinnieren und greife den neu gesponnenen Faden zum Thema „eingeknickte Mädchen“ auf, um Bernardos Gedankengänge weiter zu verfolgen. Marie Claire, das eingeknickte Wesen, das Bernardo mir herübergeschickt hatte, um es auseinanderzufalten. Weil es ihm zu schade war, es im geknickten Zustand zurückzulassen. Marie Claire, für deren Heil Bernardo sich nicht zuständig fühlte und sie zum Wohl ihrer selbst auf die Sonnenseite geschubst hat, wo sich ein fähigerer Retter an dem Problem zu schaffen machen sollte. Wie es scheint, hat es funktioniert. Immerhin genießt sie mit jemandem, der sie anscheinend richtig lieb hat, die Sonne Floridas. Traut sie sich auch, ihr Glück auszukosten?

In dem Moment klingelt mein Handy. Ich hätte vor Überraschung fast meinen Sekt verschüttet. Niemand anders als das Objekt meiner Überlegungen, Marie Claire, ist dran.

„Hoffentlich bin ich Ihnen nicht ungelegen“, beginnt sie auf ihre Art, sich in meinen Alltag vorzutasten.

„Sind Sie denn nicht im sonnigen Florida, um ein blühendes Paradies zu genießen?“

„Doch, Herr Doktor! Ich bin da, und ich genieße pflichtgemäß den Überschuss an Sonnenschein“, versichert sie eifrig. „Ich habe mich auf die Terrasse geschlichen, um ein paar Worte mit Ihnen zu wechseln. Es klingt irre, und ich weiß, dass Sie was Besseres zu tun haben als sich in Gedanken mit mir zu befassen. Aber gerade vor ein paar Augenblicken überfiel mich ein seltsames Gefühl. Mich beschlich eigentlich der Gedanke, Sie würden in diesem Moment an mich denken. Ich halte es selbstverständlich rational gesehen für unwahrscheinlich, aber ich verspürte plötzlich das Bedürfnis, mit Ihnen zu reden.“

Sie redet wie immer zu hastig. Aus Rücksicht auf meine Person. Um meine Zeit zu sparen. Das war ihre eigene Sicht der Dinge, denn so hat sie mir in einer Sitzung ihre Beweggründe dargestellt, als ich sie auf ihr rasendes Redetempo angesprochen hatte. Und jetzt sind wir wieder rückfällig geworden: Marie Claire textet mir zu, und der Text gewinnt mit jeder Sekunde an Dichte und Geschwindigkeit. Sie verfällt wieder dem Drang, den Gesprächspartner zu „schonen“, um keinesfalls seine Zeit zu beanspruchen, um ihn nicht aufzuhalten, um ihn vor allem nicht zu langweilen. Ich hätte wirklich geglaubt, ihr diese Macke ausgetrieben zu haben. Wir haben sogar unter meiner Regie langsames, entspanntes und „egoistisches“ Reden geübt. Ich habe ihr klargemacht, dass die übermäßige Konzentration des Textes den Gesprächspartner eher irritiert, weil es für ihn ermüdend ist, ihren Gedankengängen zu folgen. Er kann dem Redeschwall nur mit Mühe folgen, und seine Aufmerksamkeit wird gerade deshalb zu sehr in Anspruch genommen, was sie, Marie Claire, so verzweifelt zu vermeiden sucht. Ihre Redetechnik bewirkt also das Gegenteil des Beabsichtigten. Sie sah es ein, denn es war genau das richtige Argument, das ihrem Bestreben nach Rücksichtnahme am meisten entsprach.

Ich muss feststellen, dass die Entspannung in der Floridasonne zu der mühsam erworbenen Fähigkeit, Gelassenheit zu bewahren, nicht viel beigetragen hat. Ganz im Gegenteil, sie scheint angespannt und aufgedreht zu sein.

„Sachte, sachte, Marie Claire! Warum müssen Sie sich auf die Terrasse hinaus schleichen? Warum genießen Sie ‚pflichtgemäß‘ den wohlverdienten Spaß? Und warum beklagen Sie sich über den Überschuss an Licht und Herrlichkeit?“

„Das tue ich doch gar nicht, Herr Doktor. Oder zumindest nicht bewusst. Ich genieße aufrichtig, aber mit Vorbehalt. Ich schleiche mich auf die Terrasse hinaus, um mit Ihnen zu plaudern, weil er schläft, und ich seinen Schlaf nicht stören will. Und Florida ist überwältigend! Das ist das richtige Wort. Ich bin überwältigt und kann das noch nicht richtig einordnen. Weil ich es eben nicht gewohnt bin, in diesem Ausmaß verwöhnt zu werden. Da frage ich mich halt, ob ich mir das überhaupt angewöhnen darf. Wenn diese Herrlichkeit nicht andauern sollte, müsste ich mir in meinem Kopf alles rückgängig machen. Der Vorschuss von Glückshormonen würde sich stauen und zu der übelsten Sorte Depression mutieren. Oh, Gott! Wenn meine Glückssträhne reißt und ich mich wie im „Pygmalion“ wieder an das dürftige Dasein eines Blumenmädchens gewöhnen muss, was soll ich da mit der neu erworbenen Genussfähigkeit anfangen? Kurz und gut, ich muss jetzt unbedingt aus Ihrem Mund hören, dass ich glücklich sein darf. Und es auch kann. Und dass es mir zusteht. Und dass meine Glückssträhne kein Phantom ist. Ich hasse die Aussicht auf Entzugserscheinungen! Herr Doktor? Hallo?! Glauben Sie, dass ich das Zeug zum Glücklichsein habe? Dass mein Schicksal oder sonst wer das zulässt?“

Jetzt schweigt sie und wartet auf meine Antwort. Ich brauche allerdings ein paar Takte Zeit, um den leichten Anflug von Schwindel zu überwinden, den ihr Redeschwall in mir verursacht hat. Ja, ein Fall wie der von Marie Claire braucht seine Zeit. Jetzt sollte ich die angeforderte Bestätigung liefern, das Mädel sei im Besitz der Fähigkeit ihr Glück zu halten. Ich fühle mich immer noch überrumpelt oder eher mit der Aufgabe überfordert, ein Gutachten eines Glückspotenzials zu erstellen. Und mir kommt es vor, als wäre eine Hochgeschwindigkeitslokomotive quer durch meinen Kopf gerast, denn das Echo des Dröhnens lässt meine Gehirnzellen nachhaltig vibrieren.

Immerhin war es ein kleiner Fortschritt, dass sie die irrwitzige Glücksgarantie forderte: „Ich muss es aus Ihrem Mund hören“, und nicht ein lahmes „ich möchte“. Also gut, ich atme tief durch:

„Marie Claire, ich fühle mich geschmeichelt durch Ihr Vertrauen. Wenn Sie mir die Aufgabe zuteilen, Ihnen grünes Licht für Ihr Glücksgefühl zu geben, tue ich das sehr gern. Mir fällt gerade ein, was mein Vater mir vor Jahrzehnten mit auf den Weg gegeben hat. Er meinte: Wenn du glücklich sein willst, warte nicht damit. Sei einfach glücklich. So einfach kann es sein, meine Liebe. Und jetzt raffen Sie sich endlich auf. Und seien Sie es! Übrigens, ich habe tatsächlich kurz bevor Sie mich angerufen haben, nichts Besseres zu tun gehabt, als an Sie zu denken. Ich schwör bei Gott, dass es nicht gelogen ist. Wir feiern gerade den Geburtstag meiner Frau. Ich genieße ein paar ruhige Augenblicke und nippe an meinem Sekt. Da kamen Sie mir in den Sinn. Ich hätte fast meinen Sekt vergossen, als ich Ihre Stimme vom anderen Ende der Welt hier unter den Kastanien im Glanz des Sonnenuntergangs, gehört habe. Bernardo ist übrigens auch hier.“

„Grüßen Sie ihn bitte von mir. Und vielen Dank. Ich mache mich unverzüglich daran, das andere Ende der Welt zu genießen. Bis bald! Und richten Sie Ihrer Frau meinen Glückwunsch zu ihrem Geburtstag aus.“

Klick. Klick. Kluck. Sie ist wieder weg. Rechtzeitig weg, noch bevor Bernardo ihr redliches Vorhaben, glücklich zu sein, doch noch über Meilen hinweg in Verstimmung gebracht hätte. Ich stecke das Handy in die Hosentasche, während er sich mir nähert. Er schaut sich umsichtig um, um sicher zu gehen, dass wir nun endlich die Gelegenheit haben, ungehindert ein Männergespräch zu führen und unverfälschte Informationen auszutauschen.

„Marie Clair lässt dich aus dem sonnigen Florida grüßen.“

Er zieht seine markante Denkerstirn kraus, lässt den Blick für den Bruchteil einer Sekunde die Kastanien streifen und kommt nach einem knappen und kommentarlosen Danke zum Thema.

Die Zeit drängt, die Damen sind nicht weit weg und können jeden Augenblick wieder auftauchen.

„So, Kumpel, jetzt pack bitte ganz schnell aus. Ich will jetzt endlich wissen, was da während meines Schlummerstündchens abgelaufen ist. Was habe ich von mir gegeben?“ „Aber nur, wenn du deine Hauptfassade jetzt gefälligst Ally zukehrst und so tust, als ob du dich vor lauter Lachen ausschütten würdest, weil ich dir den witzigsten Witz des Jahres erzähle. Wenn du mir, Maestro, aus der Rolle fällst, Kopf weg! Denn ich würde mich des Verrats schuldig machen und mein Stück Torte los sein. Du weißt schon, das Stück mit der schönsten Rose.“ Bernardo lässt in Richtung Ally seinen unverkennbaren Lacher los.

„Mach schon“, drängt er und grinst.

„Also in Kurzfassung: Du hast dich über die eingeknickten Mädchen ausgelassen. Hast dich über den Haken gefreut, den sie dir zum Festhalten bieten, und hast die Bereitschaft bekundet, deine Chancen wahrzunehmen.“

„Und das soll mir die unverdiente Gunst der Stunde beschert haben? Ally hat mich mit ungewohnter Liebenswürdigkeit regelrecht überschwemmt. Die Frauen überraschen unsereinen doch immer wieder mit ungeahnten Variablen. Da bilde ich mir noch ein, dass ich die Akrobatik der weiblichen Logik erkundet habe. Von wegen!“

„Sei beruhigt. Es war nicht deine Unverfrorenheit, die das Phänomen deiner Beliebtheit bewirkt hat. Die Gunst der Damen hast du dem lyrischen Teil deines Auftrittes zu verdanken. Du hast uns nämlich kurz vor dem Ende der Sitzung deinerseits in Bestürzung versetzt, indem du einem waschechten Erstickungsanfall zum Opfer gefallen bist und als dreizehnjähriger Bernardo Gottes Gnade angezweifelt hast. Warum kann Gott mich nicht lieben? Das klang richtig verzweifelt. Den Rest kennst du. Ally brachte hinter dem Akazienbusch sogar den Vorschlag, ich solle dich noch einmal in dein Unterbewusstsein abtauchen lassen und dich zu deiner eigenen Rettung umprogrammieren. Sie kann es immer noch nicht fassen, dass es nicht möglich sein soll. Und grollt mir, weil sie das böse Erlebnis nicht überwinden kann, wenn sie untätig zusehen muss, wie du dich innerlich quälst, da unten in deinem Unterbewusstsein. Eh, du sollst doch lachen! Vergiss nicht, dass ich gerade dabei bin, den Witz des Jahres zum Besten zu geben.“

„Tja, wenn das kein Witz ist!“ Bernardos Stirn verdüstert sich zunehmend und beschwört die erste Wolke im sich allmählich rot färbenden Himmel.

„Solltest du die Fährte verfolgen wollen, so stehe ich dir zur Verfügung.“

Er sieht zerknirscht aus, und ich frage mich, wie wir unsererseits das unverhofft Gehörte je verdrängen, ausblenden, verniedlichen können. Denn genau das werden wir zur eigenen Therapie unternehmen. Um unseren Bernardo weiterhin als den heitersten Animateur aller Zeiten sehen zu können. Nichts, aber rein gar nichts darf unsere Freude daran trüben. Dafür werden wir schon sorgen, denke ich ein wenig bitter. Wir lassen es nicht zu, dass Bernardos Schalk eine Prise Bitternis beinhaltet, die wir ihm nicht austreiben, nicht abnehmen, nicht wegprogrammieren können. Wo wir doch das heile Stück dieser durchwachsenen Welt präsentieren und vor keiner Hürde Halt machen, wenn es um das Seelenwohl unserer Freunde geht. Und Bernardo ist einer von uns.

Der Gedanke, den ich selbst gerne verscheucht hätte, lässt sich nicht so einfach wegblenden. Ich betrachte Bernardo unauffällig, er ist dabei sich zu fassen und meint nur kurz:

„Ist schon gut. Der Pfad ist so gut wie verwachsen. Man soll die Gespenster manchmal gar nicht ans Tageslicht zerren, wenn sie dort, wo sie sind, gut aufgehoben sind. Mach dir nichts draus. Wir werden mal darüber reden, wenn du meinst, es wäre sinnvoll. Später. Da kommt Ally, das strahlende Geburtstagskind. Prost!“

Ally lässt sich nicht beirren und beäugt uns misstrauisch. „Und was habt ihr zum Tuscheln? Und zum Lachen? Ich würde mich eurer Heiterkeit gerne anschließen, wenn ihr mich an eurem Austausch beteiligen möchtet. Wenn es keine Geheimnisse sind, selbstverständlich.“ Sie bohrt ihren Blick schonungslos in meine vom Sekt etwas verschwommenen Augen.

„Tony hat mir gerade einen Theaterwitz erzählt, den ich nicht kannte.“

„Oh, wie reizend! Den möchte ich auch gerne hören.“ Bernardo blickt hoch, als würde er dem sich allmählich rötenden Himmel den Text ablesen.

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