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Drei

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Maya

»Das ist das kleine Esszimmer«, erklärt William, als wir einen Raum betreten, dessen Wände in dunklem Rot verkleidet sind. Der Raum ist langgezogen und nicht besonders breit. In der Mitte dominiert ein dunkler Tisch, an dessen langen Seiten jeweils zehn goldverzierte Stühle stehen. An einer Stirnseite befinden sich zwei Stühle, auf der anderen ein Stuhl. William legt seine Hand auf den einzelnen Stuhl und grinst. »Hier sitzt die Queen, mein Bruder und ich sitzen auf der anderen Seite. Meine Schwester Anne links von mir. Anne besucht ein Internat in der Schweiz, weswegen sie nur selten zu Hause ist. Und die anderen Stühle, die engere Familie, wenn sie da ist. Meist ist mein Onkel da, er wohnt im Ostflügel.«

Ich sehe mich erstaunt um, aber nach all dem Prunk, den ich schon gesehen habe und den William mir erklärt hat, als würde er auswendig aus einem Geschichtsbuch zitieren, kann mich der Prunk und die Schönheit dieses Raums kaum noch überraschen. »Dieser Raum zählt also eher zu euren privaten Räumen?«, hake ich nach. William nickt und ich mache mir eine Notiz, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich noch Wochen benötigen werde, um all das zu erfassen, was er mir in den letzten mehr als zwei Stunden gezeigt hat.

William zeigt auf eines der Gemälde mit prächtigem Goldrahmen, das an der langen Wand gegenüber der Fensterreihe hängt. »Mein Großvater. Er war einer der humorvollsten Menschen, die ich kenne.«

Ich betrachte den Mann mit dem weißen Haar und dem leichten Bauchansatz und versuche in seinem Gesicht etwas zu entdecken, das mich an William erinnert. Vielleicht die leuchtend hellblauen, fast eisfarbenen Augen, das markante Kinn mit dem Grübchen in der Mitte und die aristokratisch gerade Nase. Aber sonst entdecke ich kaum Ähnlichkeiten. William ist groß, hat breite Schultern und unter dem Shirt, das er trägt, seit wir angekommen sind, zeichnen sich deutlich Brust- und auch Bauchmuskeln ab, die man bestimmt nicht ohne viel Arbeit bekommt. Seine Haare sind honigblond, und wenn man genauer hinschaut, kann man ein paar hellere Strähnen entdecken. Er trägt sein Haar kurz und akkurat frisiert. Und trotzdem schafft er es, irgendwie rau auszusehen. Eher wie ein Rockstar als wie ein Prinz. Aber was weiß ich schon, wie ein Prinz aussehen sollte.

»Das Wichtigste hast du noch nicht gesehen«, wirft er ein und geht nahe an mir vorbei. Für eine Sekunde habe ich den Eindruck, dass er sich sogar ein bisschen zu mir nach unten gebeugt hat, um an mir zu schnuppern. Aber wahrscheinlich habe ich mich geirrt. Seit wir vorhin angekommen sind und er mir mein Zimmer, nicht weit von seinen Zimmern, gezeigt hat, besteht er darauf, dass wir uns unförmlich ansprechen, solange wir allein sind, weil er das angenehmer findet. Mir ist das nicht so angenehm, aber er ist der Prinz, also füge ich mich.

»Was ist das Wichtigste?«, frage ich und folge ihm durch eine hohe cremefarbene, doppelflügelige Tür. Sobald ich durchgetreten bin, verschlägt es mir den Atem. Es gibt doch noch etwas, das mir nach all dem Luxus den Atem rauben kann: Der Ballsaal. »Heilige Mutter Maria«, stoße ich aus und fühle mich für einen Augenblick geblendet von Gold, Spiegeln und Kristallleuchtern. Von der blau bemalten Decke mit historischen Kampfszenen hängen etwa zwanzig Kristalllüster über die ganze Länge des Raums. Überall gibt es goldene Verzierungen. Auf der einen Seite befinden sich deckenhohe Rundbogenfenster und ihnen gegenüber befinden sich ihnen nachempfundene Spiegel, die das Licht der Fenster einfangen und den Raum in ein helles Strahlen tauchen.

»Das ist unglaublich«, stoße ich beeindruckt aus. Mein Herz rast noch heftiger in meiner Brust als vorhin, als ich im Hof des Buckingham Palace aus der Limousine ausgestiegen bin und Johann durch den Seiteneingang hinein gefolgt bin. Schon in diesem Moment konnte ich kaum fassen, dass ich, Maya Calas, im Buckingham Palace arbeiten und leben soll. Aber jetzt fühle ich mich einer Ohnmacht nahe. In etwa der gleichen, wie vor Stunden, als ich begriffen habe, dass der Herr, dessen Assistentin ich sein soll, nicht Johann ist, sondern der Prinz von England. Der jüngere Sohn der Queen.

William kommt auf mich zu, nimmt meine Hand und zieht mich hinter sich her in den Saal, ungeduldig, weil ich noch immer an der Tür stehe. »Stell dich hier hin«, verlangt er, geht dann um mich herum und legt seine Hände auf meine Oberarme. Ich spüre seinen Oberkörper an meinem Rücken und eine leichte Gänsehaut überzieht meinen Körper, als er mir so nahe ist. Ich habe den Schock noch nicht überwunden, dass einer der Prinzen von England mein neuer Arbeitgeber ist, und schon ist er mir so nahe, dass ich mir wünsche, vergessen zu können, wer er ist, und es einfach nur genießen zu können, dass ein so attraktiver Mann mich auf so intime Weise berührt. »Schließ die Augen«, fordert er. Ich tue, was er verlangt, dann dreht er mich herum, wechselt unsere Position und flüstert in mein Ohr. »Aufmachen!«

Ich öffne die Augen und erstarre. Wir stehen genau in der Mitte des Raums, umgeben von bunten Farben, die die Kristalle überall hinwerfen. Sie brechen das Sonnenlicht, lassen es tanzen und zaubern bunte tanzende Staubkörner in die Luft um uns herum.

»Wie gefällt dir das?«, fragt William, noch immer ganz nah bei mir und ich versuche zu ignorieren, was diese Nähe in mir hervorruft. Ich habe schon sehr lange keine körperliche Nähe gefühlt. Dass es sie jetzt plötzlich gibt, stellt ganz merkwürdige Sachen mit mir an. Es lässt mich nach viel mehr sehnen. Und genau deswegen löse ich mich von William und gehe ein paar Schritte durch den Saal, bevor ich mich zu ihm umwende.

»Es ist wundervoll«, sage ich leise und meine Stimme klingt zittrig vor Schwäche. Ich sehe mich nervös um, versuche William nicht anzusehen, denn ich muss den Mut sammeln, etwas zu tun, das für uns beide wichtig ist, sonst werde ich diese Anstellung nicht sehr lange haben. Und im Moment gefällt mir diese Anstellung viel zu sehr, als dass ich bereit wäre, sie aufzugeben, nur um ein einziges Mal der Anziehung nachzugeben, die William als Mann und nicht als Prinz auf mich ausübt. Aus der er versucht, etwas herauszuholen, das ihm so wenig bedeutet, wie die zahllosen Kurzzeitaffären, für die er bekannt ist. Ich räuspere mich verlegen, dann sehe ich ihn hoffentlich möglichst selbstsicher und streng an. »Ich würde es zu schätzen wissen, wenn wir unsere Beziehung streng beruflich lassen«, sage ich mit strengem Ton zu ihm. Es ist der gleiche Ton, den ich auch immer benutzt habe, um meinen Bruder in seine Schranken zu weisen.

Seine Mundwinkel ziehen sich träge nach oben, er schiebt seine Hände in die locker sitzende Anzughose und legt den Kopf nachdenklich zur Seite, dann kommt er mit langsamen Schritten auf mich zu. »Hattest du das Gefühl, da wäre irgendetwas anderes?«, will er leise wissen und seine Stimme nimmt einen so dunklen, warmen Klang an, dass ich sie auf meinen nackten Armen spüren kann, als würden Federn mich sanft berühren.

Verwirrt runzle ich die Stirn und schüttle den Kopf. »Hatte ich nicht.«

»Gut, aber da wir jetzt so strenge Regeln haben, fällt der Tanz auch aus, über den ich eben noch nachgedacht habe. Was schade ist, denn es wäre für jeden eine große Ehre, über den Boden zu gleiten, über den seit mehr als 200 Jahren die wichtigsten Persönlichkeiten der Welt getanzt sind.«

Ich schlucke, bei dem intensiven Blick, mit dem er mich fast schon mahnend mustert. »Ich denke, das werde ich überleben.«

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