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3 Theoretische Rahmung

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Mit der Frage, wie es zur Beharrungskraft der Geschlechtsspezifität kommt, schließen wir an Überlegungen und Forschungen der deutschen Soziologin Helga Krüger an. Sie hat schon in den 1990er-Jahren darauf hingewiesen, dass sich die seit Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft vorangetriebene Polarisierung der Geschlechter (Hausen, 1976) nicht nur in Interessen, Orientierungen und Entscheidungen der Subjekte verfestigt hat. Geschlechtsspezifische Muster haben sich ebenso als «geronnene Gewalt» (Krüger, 1991, S. 141) in die gesellschaftlichen Institutionen – Familie, Arbeitsmarkt, Bildung, Wohlfahrtsstaat – niedergeschlagen und entfalten historische sowie lebenszeitliche Langzeitwirkungen (Krüger, 1991, S. 140).

Hier anschließend stellt sich die Frage, welche sozialen Mechanismen zur Reproduktion und pfadabhängigen Entwicklung der Geschlechtstypik von Bildungsinstitutionen führen, aber auch, wie institutioneller Wandel möglich ist. James Mahoney (2000) hat hierzu einen konzeptionellen Vorschlag gemacht, der auch in anderen Studien mit vergleichbaren Fragestellungen fruchtbare Antworten ermöglichte (z. B. Blanck, Edelstein & Powell, 2013) und für die Analyse der FMS ebenfalls hilfreich sein kann (Fischer, Leemann, Imdorf, Esposito & Hafner, 2017). Er unterscheidet analytisch zwischen utilitaristischen, funktionalen, machtbasierten und legitimatorischen Mechanismen, welche realiter aber miteinander verflochten sind und sich gegenseitig unterstützen oder behindern. Utilitaristische Mechanismen basieren auf Kosten-Nutzen-Einschätzungen der Akteure, welche keinen Anlass zu Veränderungen sehen, solange dieses Verhältnis stimmig ist. Erst wenn der gesellschaftliche Druck auf die Kosten oder den Nutzen sich erhöht (z. B. durch erhöhte Anforderungen an Effizienz), kann es zu Veränderungen kommen. Stabilität durch funktionale Mechanismen ist so lange wahrscheinlich, wie die FMS ihre Funktion der Vorbereitung auf Gesundheits- und Pflegeberufe, die für ein größeres System, den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft elementar sind, erfüllt. Funktionale Kräfte, welche Wandel in der Geschlechtstypik initiieren, könnten bei sich ändernden und neuen Berufsfeldern ins Spiel kommen, wodurch die Einschränkung auf bisherige Berufsfelder dysfunktional wird. Bei den machtbasierten Mechanismen kommt die Definitionsmacht von Akteuren ins Spiel. Die Institution wird reproduziert, weil mächtige Akteure dies durchsetzen. Erst wenn sich im Machtgefüge Änderungen ergeben, ist Reform möglich. Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der FMS können wir annehmen, dass die Vertreter der Schule nicht zu den mächtigen Akteuren im Feld der Bildungspolitik gehören und deshalb geringen Einfluss haben und wenig Unterstützung erhalten, um einen Wandel einzuleiten. Der Bildungsweg der FMS ist für die gesellschaftliche Elite kaum von Bedeutung, die Schule hat als «Mädchenschule» wenig Prestige und die mächtigen Akteure der Berufsbildung haben, wie wir noch sehen werden, eine starke Positionierung der Schule immer zu verhindern versucht. Basis von legitimatorischen Mechanismen sind gesellschaftliche Werte und Normen, auf die sich Akteure stützen, um entweder die Weiterführung einer Institution oder deren Reform zu rechtfertigen. Da in den Jahrzehnten der Transformation der Schule die neue Frauenbewegung erstarkte, können wir annehmen, dass auch moralische Forderungen nach Geschlechtergleichheit und Gleichstellung ins Spiel gebracht wurden.

Gendersensible Berufsorientierung und Berufswahl (E-Book)

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