Читать книгу Das Orakel von Hahm - Eliandra Murr - Страница 5
2.) Hoob der Einsiedler
ОглавлениеMit den ersten Sonnenstrahlen verließen sie die Höhle.
Der Wald hatte sich seit ihrem nächtlichen Abenteuer nicht viel verändert. Koperian schlug seinen gewohnten Pfad ein, der wie frisch geschnitten und neu angelegt aussah. Der Druide nahm sich vor, auf der Suche nach den Einhörnern seinen Weg nur selten zu verlassen und nicht weit in den Wald hinein zu gehen, um nicht wieder in den Hinterhalt der unbekannten Macht zu geraten.
Schweigend marschierten die Freunde ein kurzes Stück in Richtung des Tezeena-Sees. Dann bogen sie nach Westen und der Elf führte sie mitten in das Dickicht des Waldes hinein. Koperian arbeitete sich langsam mit seiner Machete voran, während sich Sambtwah und Indo leise über alte Lieder unterhielten, die sie früher zu einer besseren Zeit zusammen gesungen hatten. Ab und zu stimmten sie gemeinsam Melodien an, doch eine entspannte Atmosphäre wollte sich nicht einstellen. Keinem war wohl in seiner Haut. Irgendwann gebot der Elf seinen Gefährten Schweigen und setzte Indo ab.
„Ich werde jetzt ein Stück voranmarschieren und schauen, ob ich die Einhörner erspähe. Sie stehen häufig in der nächsten kleinen Lichtung um zu fressen“, erklärte er und ließ, ohne eine Rückantwort abzuwarten, Indo und Sambtwah zurück.
Leise steckte der Elf seine Machete weg und schlich vorsichtig durch das Unterholz. Kurz darauf erreichte er die kleine Lichtung, die wegen ihres steinigen Bodens das Wachstum größerer Pflanzen unmöglich machte. Vorsichtig hob er seine Hände, schloss die Augen und stand eine Weile still. Er konzentrierte sich auf eine alte magische Formel, die ihn völlig an seine Umgebung anpassen sollte.
Langsam schob er sich vor. Kein Lebewesen war zu erspähen und Koperian stand enttäuscht auf. Vorsichtig trat er einen Schritt auf die Lichtung.
- Wo konnten die Ishahilen wohl sein? -
Plötzlich spürte er einen sanften Stoß im Rücken; hastig drehte er sich um. Die Spitze eines Hornes stach leicht in seine Brust. Er stand einem stattlichen, älter wirkenden weißen Hengst, einem Einhorn mit feuerroten Augen gegenüber.
„Sei gegrüßt Koperian, Elf des Waldes", erklang eine sehr weiche und melodische Stimme.
Der Elf war sprachlos.
- Noch nie hatte er mit einem Einhorn geredet! -
Für Koperian war diese Begegnung eine hohe Ehre. Der Druide hatte bis jetzt daran gezweifelt, dass Sambtwahs Mission durch Erfolg gekrönt sein würde. Schnell riss er sich zusammen und trat rückwärts auf die Lichtung, um der Bedrohung durch das spitze Horn zu entgehen. Das Einhorn folgte ihm.
„Sei gegrüßt edler Ishahil", erwiderte Koperian stockend.
„Mein Name ist Zordan“, antwortete das Einhorn und fuhr nach einer kleinen Pause fort: „Du hast Begleiter dabei?“
„Ja. Bei mir befinden sich die vierte Prinzessin der Feen von Flawoor und Indo, ein kleiner Gambur", erklärte Koperian leise.
„Richte der Prinzessin von Flawoor aus, dass ihre Mission erfolgreich war und wir uns bei ihrem Feenvolk melden werden“, sagte das Einhorn, trat einen Schritt auf Koperian zu und sah ihm tief in die Augen.
„In diesen schlechten Zeiten müssen sich Gleichgesinnte zusammenschließen, Elf von Saraganthiél." Bei diesen Worten Zordans zuckte der Druide unmerklich zusammen. „Doch die Zeit ist unser Feind. Der Wald stirbt schnell und die böse Kraft nimmt uns allen unsere Macht.“
„Ich hatte so einen seltsamen Traum", erzählte Koperian wie unter Hypnose. Er konnte seine Augen nicht von Zordan abwenden.
„Ich weiß. Rede nicht von Träumen, solange sie nicht Wirklichkeit sind, Koperian. Rede nicht von diesen Träumen. Die Hüter des Waldes werden sich, soweit sie dazu fähig sind, verbünden. Doch das reicht nicht aus", begann das Ishahil nach einer kleinen Pause wieder. „Wir wissen nicht, womit wir es zu tun haben. Wir versuchen die dunkle Macht der Nacht zu bannen, doch unser Schutz reicht nicht aus. Das Dunkel schmälert unseren Blick für das Ganze. Sie greift uns und unsere Magie an. Wir altern sehr schnell, während Nilaja unsere Tochter nicht erwachsen werden kann. Wir wissen nicht, wie lange wir noch standhalten können bevor uns der Wahnsinn und das Grauen der Nacht einholt. Eine mächtige Hand greift nach uns.“ Zordan machte eine betretene Pause.
- Also waren auch die Ishahilen nicht stark genug gegen die Macht der Nächte anzugehen. Auch diese starken und mystischen Wesen erkrankten wie der Wald und niemand wusste, warum. - Der Druide erschrak.
„Koperian, wir brauchen einen Vermittler, der zu den Menschen geht.
Du bist der Druide von Tasmanorb“, Zordan machte eine kurze Pause:
„Ein Ishahil hat noch niemals um etwas gebeten.“
Koperians Augen weiteten sich vor Überraschung.
„Aber die Zeit erfordert es", fuhr der stolze Hengst fort. „Wir brauchen einen Vertreter des Waldes, der aus der Dunkelheit, die den Wald umgibt blicken kann. Wir brauchen ein Auge nach draußen und wir brauchen deine Hilfe.“
Der Elf schluckte. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
„Gehe zu den Menschen und finde heraus, was vor sich geht. Finde die Quelle und den Ort des Übels. Gehe und hilf deinem Wald, auf deine Weise, Druide.“
„Aber was kann ich denn tun?“ fragte der Elf erregt. „Ich kenne mich in der Welt nicht aus und verstehe die Menschen nicht. Ein Druide wirkt in seinem Element, dem Wald! Wieso glaubst du, dass ausgerechnet ich außerhalb von Tasmanorb hilfreich sein kann?“
„Es ist so, wie es ist, Druide", erwiderte das Einhorn, „unter den Hütern kannst nur du den Wald ohne Folgen für diesen verlassen. Die Zeit lässt keine anderen Möglichkeiten zu. Also bleibst nur DU.“
Wieder machte das Einhorn eine Pause, um seinen Worten besondere Bedeutung zu geben.
„Um im Wald wirken zu können bedarf es der Kraft aller Völker",
entgegnete Koperian. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken Tasmanorb verlassen zu müssen. Erhatte Angst vor den Menschen und Angst vor ihrer Welt. Aber Zordan hatte Recht. Dem Druiden blieb keine Wahl. Alleine hier im Wald würde er früher oder später selbst ein Opfer der fremden Mächte sein.
„Ich verstehe", sagte Koperian resignierend, „ich werde mit Sambtwah reden und dann zu den Menschen gehen.“
„Gut, Elf von Tasmanorb. Wir werden uns noch einmal vor deiner Abreise sehen", erklärte das Ishahil und schwenkte lautlos, fast schwebend in den Wald hinein. Verwirrt blieb Koperian eine Weile auf der Lichtung stehen, wendete sich dann um und ging zurück zu den anderen.
Nachdem er der Fee seine Geschichte erzählt hatte, verabschiedeten sie sich voneinander. Der Druide und Indo kehrten in ihre Höhle zurück.
Die Menschen erschienen in Koperians Gedanken. Er erinnerte sich daran, dass er einmal im Jahr hinunter in die kleinen Dörfer am Rande des Waldes wanderte:
- Jedes Mal ließ er sich dabei bestaunen und tauschte Felle ein. Doch noch nie hatte er die Menschen verstanden. Sie waren so vielseitig und verwirrend. Man wusste nie, was ein Mensch wirklich wollte und was er im nächsten Moment sagen oder tun würde. Und nun musste er zu ihnen gehen und um Hilfe bitten. Allein davor hatte er Angst. -
Den Rest des Tages sprach der Elf kein einziges Wort. Still verrichtete er seine alltäglichen Arbeiten und stocherte appetitlos in seinem Essen herum. Um seinen Vater aufzuheitern hatte sich Indo bei der Zubereitung des Essens große Mühe gegeben und geschickt aus den Karotten kleine Männchen geschnitzt, sowie aus den Salatblättern kleine Baumschablonen geritzt. Jetzt saß er gekränkt da und beobachtete, wie der Elf die kleinen Kunstwerke zerstörte, ohne seine Mühe wahrzunehmen.
Plötzlich blickte Koperian auf und sah den Gamburen an. Langsam wurde dem Druiden bewusst, wie unfreundlich er sich verhalten hatte. Verschämt neigte er den Kopf zur Seite, ohne Indo dabei aus den Augen zu verlieren. Dann sah er die kleinen Figuren im Essen an und begann herzhaft zu lachen. Für kurze Zeit fiel alle Anspannung von ihm ab.
Indo verstand die Welt nicht mehr. Er war überrascht über die Reaktion seines Vaters und blickte ihn aufgelöst und verlegen an.
- Er hatte sich so große Mühe gegeben! -
„Ach entschuldige Indo", stieß Koperian hervor. „Vielen Dank für das nette Essen", er musste erneut schmunzeln. „Ich war zu sehr in Gedanken versunken".
Indo entgegnete: „Ein Königreich für einen Satz von Dir,
Bin ich denn ganz alleine hier?“
Ich gab mir Müh! Spring für dich rum!
Du bist weit fort! Hältst mich für dumm!“
„Entschuldige Indo, es war nicht meine Absicht, dich zu kränken.“ Koperian wurde ernst.
„Wiederhol dich nicht!
Sprich zu mir! Sprich!
Ein Königreich nur für dass,
was du in deinem Kopfe hast", brummte der Gambur verärgert.
„Es geht um das, was ich Zordan dem Ishahil versprochen habe", entgegnete der Druide ernst und machte eine kurze Pause.
„Es liegt mir so schwer auf dem Herzen", begann er von neuem. „Ich muss fort von hier! Fort aus meinem geliebten Tasmanorb, aus meinem Wald.“
„Nur von unsrem Wald geschlagen!
Dafür willst du Trauer tragen?“
„Es ist nicht der Wald, es ist eine fremde Macht, die ihr Unwesen treibt und alle Hüter nach und nach zerstört“, entgegnete der Druide. „Außerdem weiß ich nicht, was mich bei den Menschen erwartet“, wieder machte der Elf eine kleine Pause. „Und ich weiß nicht, wer für dich derweil sorgen wird.“
„WIE", schrie Indo erschrocken auf. Er geriet in Erregung, so dass er ein wenig zu schweben anfing, ohne es selbst zu merken. „Du wirst dich unterstehen ohne mich zu gehen", rief er zornig aus.
„Indo", versuchte Koperian zu beschwichtigen, ,,es wird sehr gefährlich und du bist doch noch so jung. Du bist doch noch ein Kind!"
„Kind hin, Kind her!
Ich fühle es, ich bin schon mehr"; schnaubte der Gambur.
„Ich werd ein Mann, du wirst schon sehen
und jedenfalls doch mit dir gehen!"
„Ich kann es nicht verantworten, dich mitzunehmen", meinte der Druide nachdenklich. ,,Ich weiß selber nicht, was mich erwartet und ob ich überhaupt wiederkomme werde".
„Gefahren kann ich wohl erkennen,
du solltest sie beim Namen nennen.
Dann können Freunde hilfreich sein
Und sich aus Schwierigkeit befrei'n“, gab Indo ärgerlich zurück. „Wenn du mir jedoch nicht vertraust
und auf den > Kleinen < nicht baust,
so musst du lernen, dass auch ich
bestimmen kann allein für mich!
Verlassen bleibe ich nicht hier,
ich brauche dich und komm mit dir.“
Damit war es entschieden. Der Entschluss eines Gamburen war unumstößlich. Auch der Druide konnte daran nichts ändern. Er musste sich schließlich eingestehen, darüber erleichtert zu sein.
- Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass er nicht alleine reisen sollte. Sein schlechtes Gewissen, den Gamburen in fremde Gefahren zu führen, wurde auch dadurch abgemildert, dass er Indo nicht in Tasmanorb zurück lassen musste und der Gambur damit nicht weiter den unheimlichen Mächten ausgeliefert war. -
Der Druide seufzte kurz auf und fügte sich in sein Schicksal: „Vielleicht hast du recht... Vielleicht sollten wir wirklich zusammen halten. Also gut, Indo. Ich nehme dich mit."
„Da wäre noch eines, was ich nicht versteh“, setzte Indo erneut an. „Wieso willst du zu den Menschen gehn? Wieso nicht nach Saranganthiél sehn?“
Der Druide zuckte zusammen. Er sah Indo mit traurigen Augen an und sagte leise: „Indo. Ich bin einer der letzten aus Saranganthiél.“
Indo schluckte.
- Hatte sein Vater ein ähnliches Schicksal hinter sich wie er? -
Der kleine Halbkobold war tief betroffen.
Jetzt, da alles gesagt und beschlossen war, fühlten sich beide erleichtert. Sie tranken einen selbst gebrauten, heißen Beerenwein mit Honig und fielen, wie in längst vergangenen unbeschwerten Tagen, in den Schlaf.
Am nächsten Morgen wurden sie durch ein lautes Pochen geweckt. Koperian band sich einen Lendenschurz um, packte seinen Wanderstab und öffnete die Tür einen Spalt. Geblendet blinzelte er ins Morgenlicht. Zwei Ishahile standen vor ihm. Auch Indo war aus seiner Koje geklettert und verschlafen zwischen die Beine des Elfen getreten. Seine Augen weiteten sich erstaunt, als er die Einhörner erblickte. Als Koperian auf die Lichtung treten wollte, stürzte er fast über den vor Faszination erstarrten Gamburen. Verlegen begrüßte er seine edlen Gäste. Zordan stellte kurz seine Begleiterin, Armilehn und Koperian sein Ziehkind, Indo vor. Als sich herausstellte, das Indo mit auf die Reise gehen würde, meinte Zordan erstaunt: „So ein kleines Waldkerlchen und so mutig, alle Achtung."
„Indo lässt sich davon nicht abbringen", erklärte Koperian.
Indo schaute etwas beleidigt, denn er fühlte sich von den Einhörnern nicht ernst genommen. Doch dieses Gefühl dauerte nicht lange. Erstaunt sah der kleine Gambur, wie das Horn des Zordan weiß und strahlend zu leuchten begann.
„Erschreck jetzt nicht, kleiner Gambur", sagte das Ishahil sanft. „Ich werde dir jetzt ein kleines Geschenk machen, Vielleicht wird es euch in schwierigen Situationen helfen können.“
Der Hengst berührte Indos Stirn mit seinem weißen Horn. Das weiße Licht begann Indo für kurze Zeit einzuhüllen und schweben zu lassen. Als das Einhorn seine Berührung beendete, sank Indo zurück und Koperian spürte wieder das ganze Gewicht des Halbkoboldes in seinen Armen. Der Gambur schlief tief und friedlich. Er hatte nun ein kleines weißes Mal zwischen den Augen auf seiner Stirn.
„Es ist etwas zu viel Kraft für ihn gewesen. Sie wird ihm aber nicht schaden", erklärte Zordan. „Er wird aufwachen und nichts mehr von unserem Treffen wissen.“
Das Einhorn lächelte.
„Dir können wir nichts mit auf deinen Weg geben, Koperian. Doch sei gewiss, wir werden mit dir kämpfen.“ Zordan machte eine Pause.
„Geh und nimm unsere Gedanken mit auf euren Weg, Druide von Tasmanorb. Lebt wohl und viel Glück.“ Mit diesen Worten drehten die beiden Einhörner um und verschwanden so leise, wie sie gekommen waren. Koperian blieb mit dem schlafenden Gamburen auf seinen Armen zurück und betrachtete neugierig das Mal auf Indos Stirn. Ärgerlich dachte er bei sich:
- Jahrelang studiert man die Geheimnisse der Magie, um nur immer wieder festzustellen, dass man eigentlich gar nichts weiß. -
Dann ging er in seine Behausung zurück.
Indo schlief noch den ganzen restlichen Tag und Koperian ließ ihn in Ruhe. Er bettete den kleinen Kerl in seine Schlafnische und machte sich daran, seine Vorratshöhle aufzuräumen und zu verschließen. Er steckte Kräuter, Felle und alles, was er auf den Märkten der Menschen verkaufen konnte, in große Ledertaschen.
- Bei den Langbeinern benötigte man Geld oder man sollte etwas zum Tausch oder Verkauf parat haben. -
Koperian sammelte alle selbstgemachten Fackeln und seine Wanderlaterne ein, um sich gegen die Dunkelheit zu rüsten. Nur das Licht hatte ihn in der abenteuerlichen Nacht vor den schwarzen Schatten gerettet. Er holte Regenwasser und steckte für vier Tage getrocknetes Fleisch und Fladenbrot ein. Dann räumte er alle verderblichen Dinge aus seiner Höhle und überließ sie den Tieren des Waldes. Zum Schluss säuberte der Elf seine Höhle und bereitete sich darauf vor, Tasmanorb für längere Zeit zu verlassen. Koperian arbeitete bis tief in die Nacht. Der kleine Gambur bemerkte nichts von alle dem. Er war durch die Berührung des Einhornes in einen tiefen Schlaf geglitten und träumte wirr:
Zordan stand vor ihm auf einer Lichtung und berührte ihn sanft mit seinem leuchtenden Horn. Der Gambur begann in weißem, gleißendem Licht zu schweben. Er fühlte sich wohl und geborgen. Die Helligkeit wärmte ihn und schirmte seine Angst von ihm ab. Der Halbkobold geriet in einen Sog aus Bildern und Gefühlen und wusste nicht, ob wachte, oder träumte.
Plötzlich bekam er einen festen Schlag auf die Stirn, der ihn auf den Boden der Lichtung zurück warf. Wie gelähmt saß er da und beobachtete die Bilder, die ihn immer noch umgaben:
< Aus einem Felsen formte sich ganz langsam das steinerne Gesicht eines Mannes, mit einem langen Bart. Er musste Schmerzen haben. Die Mimik seines Gesichtes veränderte sich nur langsam und gequält. Er hatte ein seltsames Symbol auf der Stirn und schien zu rufen. Indo kannte diesen Mann.....
Eine Frau und ein zahmer Bär zeigten sich auf einer Einöde. Sie mussten schon sehr lange gewandert sein. Der Gambur kannte auch diese Frau. Er wusste, dass sie schon einmal an diesem Platz gestanden hatte....
Dann wechselte das Bild plötzlich. Indo konnte sich laufen sehen. Er war auf der Flucht..., auf der Flucht vor sich und seinen Gefühlen. Er wusste nicht, wohin er gehen und was er tun sollte. Ihm war kalt, sein Fell war zerschlissen und wärmte ihn schon lange nicht mehr. Angst durchfuhr ihn
und er schrie: <Koperian! Oh, Koperian!>. Doch er war allein..., allein wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Eisiger Nebel jagte ihn vor sich her. Dunkle Rauchschwaden, die die Gestalt von Menschen hatten, huschten vorbei. Er rannte und rannte und hatte das Gefühl, dass er nicht von der Stelle kam. Schuld schien ihn zu erdrücken und er schrie erneut! >
Plötzlich verschwand das Bild und ein neues tauchte auf:
Auf einer Einöde stand ein Einhorn. Es war nicht Zordan und auch nicht seine Begleiterin, nein. Er hatte dieses Einhorn noch nie in seinem Leben gesehen. Unendlich viel Leid spiegelte sich in den Augen dieses Wesens... oder war es Wahnsinn?...
Nun sah er sich einer Pferdestute gegenüber, welche ihn liebevoll mit ihren Nüstern stupste. Er kannte sie! Dieses Wesen besaß drei Namen. Zwei von ihnen waren Indo sehr vertraut. Der dritte Namen war jedoch neu. Der Gambur konnte ihn nicht aussprechen. Er wusste ihn einfach nur: „Asterdiburya". Die Stute war unwirklich schön und schien ein Geheimnis in sich zu tragen. Ihr Körper war zierlich und fein. Sie hatte ein isabellfarbenes Fell, eine weiße Mähne und ihre dunkelbraunen Augen hatten einen ruhigen und weichen Ausdruck. Geduldig stand sie vor Indo und betrachtete den Gamburen. Ihre lange Mähne spielte im rauen und unfreundlichen Wind, der sie kalt und Unheil verkündend umgab. Seine Gefühle verwirrten ihn zutiefst. Neben verzweifeltem Hass, den er auf sich selbst bezog, stand er in tiefer Zuneigung zu dieser Kreatur. Er würde wenn nötig für sie sterben. Verwirrt und voll Angst schaute er zu ihr auf und wartete...
Dann verschwand auch dieses Bild und ein neues tauchte auf.
Er sah ein Menschen-, nein, ... ein Elfenmädchen mit hellbraunen, wilden, lang gelockten Haaren und wunderschönen blauen Augen. Sie besaß keinen Namen, oder er erinnerte sich nicht mehr an sie. Er wusste, ihr Leben würde bald zu Ende gehen. Das Schicksal hing wie eine große, dicke Gewitterwolke über ihr, doch sie schien es nicht zu bemerken. ...
Dann sah er Koperian, seinen Vater und Freund. Ziellos und ruhelos irrte er umher. Seine Gestalt schien unwirklich und er hatte Angst..., große Angst. Er musste viel durchlitten haben, denn man merkte ihm große Veränderungen an, die von Schreck und Leid geprägt sein mussten. Irgendjemand sprach mit einer fremden, für Koperian unverständlichen Sprache auf ihn ein. Diese Sprache war magisch und schien den Elfen völlig einzunehmen. Indo wollte seinem Vater zurufen; ihm den Weg zeigen! .....
Aber dann verschwamm auch dieses Bild.
Indo sah sich mit vielen Frauen lachend zusammen sitzen. All diese Menschenfrauen hatten zwei Namen. Der zweite Name war magischer Natur und der Gambur konnte auch diesen nicht aussprechen. ...
Dann träumte der Gambur von unendlich viel Wasser und von Bergen, die denen seiner Heimat glichen. Er empfand Heimweh. Freud und Leid. Panik ergriff ihn, plötzlich trieb ihn etwas, vor dem er entsetzliche Angst hatte. Die Macht war schwarz und kalt. Sie war immer in Bewegung und verlangte nach den Körpern lebender Wesen. Tiere stürzten mit Indo in die Flucht. Die Macht fingerte zwischen ihnen hindurch und suchte nach dem Gamburen. Als sie ihn fast erreicht hatte, schrie er laut und entsetzt auf ....-
Schweißgebadet wachte er auf. Koperian stand vor ihm und schaute ihn verwundert an.
„Was hat Zordan nur mit dir gemacht", murmelte der Elf schlaftrunken.
„Wer ist Zordan?“ Indo erinnerte sich an gar nichts mehr.
Er wusste gerade noch, dass er schlecht geträumt haben musste. Es war früh am Morgen und noch nicht hell. Beide beschlossen noch bis zum Morgengrauen zu schlafen. Indo krabbelte zu Koperian ins Bett und schmiegte sich an den Elfen. Langsam verblasste das unangenehme Gefühl des Alptraumes, Indo schlief tief und fest ein. Beide erwachten erst wieder, als die Sonne schon am Himmel stand.
„Eine längere Reise mit Übernachtung in der Wildnis könnte tödlich verlaufen“, sagte Koperian, während sie sich reisefertig machten.
„Also müssen wir einen sicheren Halt aufsuchen, bevor wir das Menschental erreichen.“
Es gab noch einen Einsiedler im Wald: Hoob.
Hoob war ein eigenbrötlerischer alter Mensch, der ebenfalls alleine in Tasmanorb lebte. Er hatte sich eine Holzhütte, etwa eine Tagesreise entfernt von den ersten Menschendörfern, gebaut. Koperian hatte ihn bei seinen Wanderungen zu den Menschen jedesmal besucht. Trotz seiner mürrischen und verschlossenen Art hatte Hoob den Elf bald lieb gewonnen. Sicher würde er ihn auch diesmal für eine Nacht beherbergen. Koperian beschloss, zum Fluß Arbic zu laufen und mit seinem dort versteckten Boot stromabwärts zu rudern. Mit Hilfe der Strömung kam man ein gutes Stück voran und wenn alles gut lief, konnten sie am späteren Nachmittag bei dem Einsiedler sein. Die Fahrt im Boot war nicht ganz ungefährlich, denn der kleine Fluss schwoll rasch zu einem reißenden Strom an. Doch Koperian kannte die Tücken des Flusses, hatte er sie doch schon oft gemeistert.
Ohne zu zögern brachen sie auf. Der Druide wollte gegen Abend des zweiten Tages das erste Menschendorf Ischia, in der Ebene von Triman erreichen und dort übernachten. Sein Endziel war die große Hafenstadt Triminort, in der eine alte sehr gute Freundin wohnte. Triminort war eine Handelsstadt, in der als Erstes wichtige Neuigkeiten zu erfahren waren. Vielleicht reichte die Reise in diese Stadt schon, um Tasmanorb helfen zu können.
Hoffnungsvoll nahm er den Gamburen auf seinen Schultern. Indo wunderte sich über das Mal auf seiner Stirn. Der Pfad zum Fluss, den Koperian ab und zu benutzte, war mit totem Holz und Geröll verschüttet. Koperian fluchte und bemühte sich mit all seiner Kraft so schnell voran zu kommen, wie nötig erforderlich war, um Hoob vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Wieder und wieder hieb er mit seiner Elfenmachete auf die Bäume und Sträucher ein und ab und zu murmelte er einen Zauber, der die Pflanzen zur Seite weichen ließ. Erschöpft erreichte er endlich den hier noch kleinen Fluss Arbic. Das Wasser war gerade tief genug, dass das Boot nicht auf Grund lief. Nur eine Strecke stromab wurde er schon deutlich tiefer. Hier hatte der Arbic viele kleine Nebenquellen, die ihm reichlich Wasser zukommen ließen. Auch der Fluss war trüb: Vereinzelt schwammen tote Fische an der Oberfläche. Koperian schauderte, denn er spürte das Leid der Flussbewohner. Mit schnellen und gezielten Paddelschlägen trieb der Druide das Boot voran, während Indo an einem Stück getrocknetem Fleisch kaute und den Wald beobachtete. Er nahm Abschied von seiner Heimat, die er vielleicht zum letzten Mal zu sehen bekam.
Die Zeit, die sie im Dickicht verloren hatten, machte der Elf auf dem Wasser wieder wett. Geschickt manövrierte er an Stromschnellen und Untiefen vorbei, bis sie am frühen Nachmittag endlich wieder dem Land zusteuerten. Indo verspürte eine leichte Übelkeit und war erleichtert, als sie das Festland erreichten. Koperian zog das Boot ans Ufer und versteckte es wie gewohnt im Dickicht. Dann bahnten sie sich ihren Weg in Richtung Hoob´s Hütte.
Der ausgeruhte Gambur zog es diesmal vor, selber von Ast zu Ast und von Baum zu Baum zu springen. Einmal erschreckte er ein verschüchtertes Tarinjunges und erntete dabei den Groll der Mutter, die sofort auf ihn losging. Die Tarins waren kleine gewandte Baumbewohner, die den Ruf hatten, ihre Jungen bis aufs Blut zu verteidigen. Außer Atem sucht Indo Schutz bei dem Elfen, der über das ängstliche Verhalten des Gamburen und das Gezeter der Tarinmutter sichtlich erheitert war.
„So ein dummes, lautes Weib", schimpfte der Halbkobold,
„soll doch behalten den blöden Balg!"
„Du solltest deine Nase nicht in jedes Gebüsch hängen", schmunzelte Koperian und achtete nicht auf die beleidigte Miene des Freundes. Indo saß einige Zeit schweigsam und mit erhobenem Haupt auf der Schulter des Elfen, bevor er dann beleidigt sagte:
„Pah, ich bin nicht neugierig!
Tarins sind nur furchtbar ... zickig."
Der Elf lächelte: „Wie es in den Wald ....“
„Untersteh dich!", gab der Gambur erzürnt zurück und sprang wieder ins Geäst.
Nach einem langen Marsch erreichten sie endlich die Lichtung, auf der Hoobs Hütte stand. Aber irgendetwas stimmte nicht.
Kein Rauch stieg auf. Alle Fenster und Türen waren weit aufgerissen und der Wald schien sich seinen Platz wieder zurück zu erobern. Alles war verwahrlost und verlassen und es sah aus, als hätte jemand absichtlich die Hütte so verwüstet.
„Ob Hoob etwas zugestoßen ist?“ fragte sich der Druide laut.
„Ordnung ist in der Wildnis Pflicht,
wer nicht ordentlich ist,
dessen Leben mehr als gefährdet ist", erwiderte Indo nachdenklich.
Koperian ging langsam und vorsichtig mit erhobener Machete weiter, doch es rührte sich nichts. Sie lugten und lauschten vorsichtig in alle Richtungen, und begutachteten langsam die Hütte von außen. Indo blieb dabei, vor Aufregung unsichtbar geworden, auf den Schultern seines Freundes sitzen. Endlich betraten sie dann vorsichtig die Hütte. Alles war verstaubt und verdreckt. Hier hatte schon länger niemand mehr gewohnt und von Hoob fehlte jede Spur.
- Entweder hatte der Einsiedler seine Hütte sehr überstürzt verlassen müssen, oder es war ihm Gewalt angetan worden-, dachte Koperian entsetzt.
Den beiden Freunden blieb keine Zeit. Bald würde es dunkel und ungemütlich werden. Indo machte sich daran, Feuer zu entfachen, während Koperian kehrte und die Hütte einigermaßen aufzuräumen versuchte.
Sorgfältig überprüfte der Elf die Fenster und die Tür. Er stellte fest, ob die alten Holzläden noch funktionierten und verschloss sie sorgsam. Er traute der Nacht nicht. Ehe es dunkel wurde sammelten sie Holz, damit ihnen das Feuer nicht ausgehen konnte. Mit Einbruch der Dämmerung igelten sie sich in der Hütte ein und begannen hungrig etwas aus ihren Vorräten zu essen. Koperian hatte die Gegend nach Spuren abgesucht, doch stieß er auf keinen Hinweis, wann und wo Hoob verschwunden war. Der Druide musste an sein Erlebnis in der Dunkelheit denken und schauderte dabei. Vielleicht war Hoob etwas Ähnliches widerfahren und vielleicht hatte es der Einsiedler nicht überlebt.
Den beiden Gefährten war nicht wohl in ihrer Haut und sie beschlossen so schnell wie möglich diese Unheil verkündende Hütte wieder zu verlassen.
Rasch brach die Nacht herein. Sie war so schwarz, wie die Nächte zuvor. Indo standen die Haare zu Berge. Bei jedem Blitz und jedem Donner zuckte er zusammen. Koperian achtete fast zwanghaft darauf, dass das Feuer nicht ausging. Immer wieder legte er Holz nach. Wieder pfiff der Wind, leichter Regen setzte ein. Die Gefährten beschlossen, abwechselnd Wache zu halten, und das Feuer zu schüren. Kurz nach Mitternacht löste Indo seinen Ziehvater ab und der Elf kuschelte sich so gut er konnte in seine Felle.
Da rumpelte es vor Tür des Blockhauses. Nach einer kleinen Pause klopfte jemand stürmisch an die Tür. Koperian und Indo schreckten auf. Eine heisere, lallende Stimme meldete sich zu Wort:
„Heei, ah! Verfflucht! Meine tü ist ssu? Unn Licht? Verdammt, wasss solll dasss! Eiiii! Auffmachen!"
Kein Zweifel, es war Hoobs Stimme. Sie klang verändert und seltsam, doch unverkennbar war es die Stimme eine Menschen.
- Wie konnte es sein, dass er mitten in der Nacht auftauchte? - Koperian nahm sich vor, vorsichtig zu sein.
Der kleine Gambur war von einem Schimmer umgeben, der den Eindruck vermittelte, als löse sich der Halbkobold auf. Aber anscheinend reichte die Angst nicht, um ihn ganz unsichtbar zu machen.
Die Freunde schauten sich kurz an. Koperian stand auf, zündete eine Fackel an, nahm seine Machete in die Hände und ging zur Tür. Indo folgte ihm mit Abstand.
„Wir öffnen ganz vorsichtig die Tür. Es ist zwar seltsam, das Hoob mitten in der Nacht auftaucht, aber draußen lassen können wir ihn auch nicht“, flüsterte Koperian seinem Ziehsohn zu. „Es ist zudem ja auch noch seine Hütte", murmelte der Elf dann zu sich. Der Druide schob den Riegel zurück öffnete langsam und nur einen Spalt breit die Tür. Als die beiden Freunde in das Dunkel blickten, fror ihnen das Blut in den Adern. Vor ihnen stand ein halbnackter, in Fetzen gehüllter Mann, mit einem aschfahlen, leeren Gesichtsausdruck. Seine Haut war gelblich-grau, die Pupillen seiner Augen waren so weit geöffnet, dass die Iris nicht mehr existent war. Sein Blick wechselte zwischen Irrsinn und Leere. Seine Hände waren dreckig. Aus dem halboffenen Mund ragten verrottete und schwarz verfärbte Zähne. Dieser Mensch kam Koperian viel größer vor als sonst. Der Hüne grinste sie mit bösem und eiskalten Blick an. Aus seinem Mund bewegte sich grauer rauchiger Atem. Plötzlich bewegte er sich auf Koperian zu, der, wie in einem Reflex, ebenso schnell schützend die Fackel zwischen sich und Hoob brachte. Der Einsiedler stieß einen gellenden Schrei aus und taumelte zurück. Die Fackel hatte ihn noch nicht einmal berührt. Ohne zu zögern warf der Druide mit voller Wucht die Tür zu und schob den Riegel vor. Zornig donnerte Hoob mit seinen Fäusten gegen die Tür. Koperian ging ans Feuer und suchte Indo mit Blicken, doch dieser war unsichtbar geworden. Beiden saß der Schreck im Nacken.
Draußen begann es zu rumoren. Man hörte Schritte rund ums Haus laufen jedes Mal klopfte es dabei an einen anderen Fensterladen. Hoob schrie, schimpfte und verfluchte die beiden im Inneren der Hütte, aber diese reagierten nicht. Als alles nicht half, bettelte und flehte der Mensch. Er heulte und schrie wie ein Hund. Erst am Morgen wurde es wieder still. Das Wesen, das einst Hoob gewesen war, schien sich vor der Sonne zurück zu ziehen.
„Er ist besessen", meinte Koperian entsetzt.
„Was für ein Schrecken", maulte der inzwischen wieder sichtbar gewordene Gambur.
„Wir sollten alles ganz schnell vergessen."
„Und ich denke, wir sollten noch bleiben“, entgegnete der Druide.
„WAS?!", schrie Indo erschrocken.
„Noch eine Nacht in diesem Haus?
Das hält der stärkste Held nicht aus", jammerte der Halbkobold.
„Wir bauen eine Falle und fangen Hoob ein", erklärte der Elf, „wir können den armen Kerl ja nicht einfach hier lassen.“
„Können wir nicht?", fragte Indo ungläubig, „Wo ist unsere Pflicht?
Dies hier ist nicht unsere Sorge.
Komm! Lass uns ganz schnell weiter ziehen.“
„Hoob ist ein guter Mensch und im Moment ein bedauernswertes Wesen. Er ist, wie wir, ein Teil von Tasmanorb und vielleicht können wir ihn ja retten", erklärte Koperian fest.
„Er ist besessen, hast du das vergessen?
Was willst du mit ihm machen?
Du kennst dich nicht aus mit solchen Sachen", gab Indo ärgerlich zurück.
- Er verstand nicht, wie der Elf nach dieser Nacht so reagieren konnte! Er verstand nicht, dass sein Freund nicht an sie, sondern an diesen Menschen dachte. Es war zu gefährlich, viel zu gefährlich, schon am Anfang einer Reise! -
„Ich kenne in Setchal eine Kräuterfrau, die sich ein bisschen mit dem Austreiben von Dämonen und ähnlichem auskennt. Ich bringe ihn nach Setchal", erklärte Koperian geduldig.
Indo schwieg.
- Der Elf war einfach nicht umzustimmen! Indo hatte Angst, Angst vor der Nacht, Angst vor dem Besessenen, Angst um Koperian und um sich! Für einen fremden und fast toten Mann sein Leben aufs Spiel zu setzen, war einfach zu gefährlich! Vielleicht war der Druide doch nicht so stark, wie er sich erst eingebildet hatte? Naja, dies konnte er zumindest heute Nacht noch herausfinden. -
Entschlossen verdrängte er alle düsteren Gedanken und zog die Luft und das Licht des Tages, so bewusst wie noch nie, ein.
- Vielleicht war es ja das letzte Mal. -
Indo versprach, sich den friedlichen Eindruck der Sonne mit in die Nacht zu nehmen. Vielleicht konnte er so etwas Mut gewinnen. Koperian durchstöberte die Fallenausstattung des Einsiedlers. Hoob hatte mit Vorliebe Gruben gebaut und Netze ausgelegt, um damit sein Wild zu fangen. Diese Netze waren jetzt ideal dazu geeignet, den irren Mann zu überwältigen, ohne ihm groß zu schaden. Lange dachte der Elf darüber nach, wo und wie er die Falle in der Hütte am besten aufstellen konnte.
- Wenn Hoob herein kommen wollte, dann sollte sie ihn direkt am Eingang in Empfang nehmen. -
Indo sammelte soviel Holz, wie er finden konnte. Fast den ganzen Tag war er damit beschäftigt. Ihm war es gar nicht recht, noch eine Nacht hier verbringen zu müssen.
- Aber es hatte ja keinen Sinn, mit seinem Ziehvater darüber zu reden. Hoob hatte ihnen immer Einlass gewährt und auf seine mürrische Art war er ihnen offen und herzhaft entgegen gekommen. Koperian hatte ihn lieb gewonnen. Er würde sich niemals umstimmen lassen. Der Druide fühlte sich dazu verpflichtet, diesem Menschen zu helfen.... Doch mit einem Dämon scherzte man einfach nicht lange! Und ihn herauszufordern war eine noch größere Dummheit! Der Druide kannte die Nachtgestalten und ihre Magie nicht! Sein magisches Wissen war an Leben und Erde gebunden. Damit konnte er nichts gegen nicht irdische und tote Geschöpfe ausrichten. Und trotz dieser Tatsache wollte es Koperian mit den Dunkelfürsten aufnehmen, ... oder wie immer man sie nennen sollte. - Indo mochte an gar nichts mehr denken.
Der Elf entfernte ein paar Bodenbretter vor der Hütte und hob mit Hilfe seiner Magie eine Fallgrube aus, über die er das gefundene Netz spannte. Dann tarnte er seine Falle mit den Brettern und befestigte das Seil, mit dem er das Netz zuziehen konnte, am Türpfosten, da es zu kurz war und nicht bis in die Hütte reichte.
Hoob war zwar ein kundiger Fallensteller, aber das Wesen, dass im Moment in ihn steckte wohl eher, oder - HOFFENTLICH - nicht. Nun konnte der irre Mann kommen.
Erschöpft ließen sich Indo und Koperian am Abend nieder und aßen ihr spärliches Mahl. Es wurde dunkel, die Nacht zog ein. Lange waren nur Sturm und Donnern zu hören.
Kurz vor Mitternacht polterte es jedoch plötzlich auf dem Dach. Koperian hielt vor Schreck den Atem an. Jemand machte sich am Schornstein zu schaffen. In panischer Angst legte Indo Holz nach, das auflodernde Feuer erhellte den Raum.
Die Geräusche entfernten sich von Kamin. Anscheinend konnte der Fremde auf dem Dach sein Vorhaben dort nicht beenden. Kurze Zeit später hörten sie die Schritte auf dem Platz vor der Hütte. Wie in der Nacht zuvor klopfte jemand die Fensterläden ab.
Indo flüsterte ängstlich: „Hoob“, und Koperian streichelte sein Ziehkind beruhigend.
„Lasssst mich dooch rein", schrie es von draußen. „Ich werde sonst sehr böse, böse!"
Es war Hoobs Stimme. Die Schritte näherten sich der Tür. Die Nerven der beiden Freunde waren zum Zerreißen gespannt. Da: ein Krachen und Stöhnen. Hoob war in die Fallgrube gestürzt. Koperian zündete eine Fackel an, ging zur Tür und horchte. Kein Laut war zu vernehmen. Vorsichtig öffnete der Elf die Tür und leuchtete in die Nacht hinaus. Vor ihm lag die tiefe dunkle Falle, in der jemand zu jammern schien. Indo flüsterte (aufgeregt): „Wie haben ihn! Wir haben ihn! Es war doch leichter, als es schien!"
Das Jammern schwoll zu einem dunklen Gurgeln an und mündete in ein schrilles Kreischen. Plötzlich bewegte sich etwas in der Grube und schien ihnen entgegen zu kommen. Erschrocken wich der Elf einen Schritt in die Hütte zurück und zog die Falle am Strick zu. Es gab einen festen Ruck, doch die Seile rissen, als seien sie Spinnweben.
Hoob schwebte plötzlich blutverschmiert über der Grube. Er hatte ohne Rücksicht auf seinen Körper die Seile zerrissen. Mit weit aufgerissenen Hass erfüllten Augen stierte er Koperian an. Das wutverzerrte Gesicht und der geschundene Körper mit tiefen Einschnitten in das Fleisch sahen entsetzlich aus. Ein Windstoß fuhr durch die Hütte und löschte das Feuer bis auf eine kleine Glut. Hoob schwebte nun langsam, aber zielstrebig näher und flüsterte beschwörend mit rauer Stimme: „Es manoha es gestehnet! Es manoha es gestehnet! Es...“
Der Druide blieb wie gelähmt stehen und schloss die Augen. Ein furchtbarer Zauber griff nach ihm. Eine große, graue und aus Rauch bestehende Hand streckte sich nach ihm aus. Der Druide versuchte einen Schutzwall aus Staub um sich zu zaubern und wehrte sich mit allen Kräften, gegen die Macht des Zaubers. Er taumelte zurück in die Hütte, riss sich für einen kurzen Augenblick von den Worten los und hauchte: „Indo, das Feuer! Das Feuer!“
Sein Kopf schien zu platzen. Nur zu gerne hätte er den fremden Mächten nachgegeben, um seinem Kopf wieder frei zu bekommen. Schmerz verzerrt presste er die Hände an die Stirn und sank auf die Knie. Wilde Rauchschwaden umtanzten ihn in Gedanken und bahnten der großen Hand den Weg durch die Magie des Elfen. Koperian war nahe daran das Bewusstsein zu verlieren. Plötzlich durchdrang ein ganz weit entfernt klingender Schrei seinen Kampf. Langsam ließen die Kopfschmerzen nach und die Schatten zogen sich zurück. Benommen öffnete er die Augen und sah Hoob an der Feuerstelle auf dem Boden liegen. Das Feuer brannte und leuchtete die ganze Hütte aus. Der Einsiedler sah fürchterlich aus. Seine Augen waren verdreht, er zuckte am ganzen Körper und blutete aus vielen Wunden. Das Licht des neu entfachten Feuers schienen die bösen Kräfte in ihm zu lähmen. Er hatte das Bewusstsein, - welches auch immer -, verloren.
Der Elf taumelte zur Tür und verriegelte sie fest. Dann lief er zu dem alten Mann, verband die Wunden, so gut es ging, fesselte ihn und schnürte ihn fest in eine Decke ein. Als alles erledigt war, schaute er zu Indo hoch.
Die Dankbarkeit, die er verspürte, konnte er nicht in Worte fassen.
Indo schnappte aufgeregt nach Luft. Hatte er sich die ganze Zeit furchtbar zusammengerissen, so war seine Haltung jetzt vollends dahin. Seine Knie wurden weich und er sackte langsam zusammen. Ihm wurde schwarz vor Augen und er viel in Ohnmacht. Schnell fing der Elf den kleinen Gambur auf, ehe dieser in das Feuer kippen konnte und trug ihn zu seinem Schlafplatz. Koperian wachte die ganze Nacht am Feuer. Er hatte Angst, es könne erlöschen) und die böse Macht zurückkehren. Ehe der Morgen graute löste Indo ihn ab. Wortlos verständigten sie sich, denn keiner der Beiden mochte etwas sprechen.
- Warum hatten sie sich dieser Gefahr aussetzen müssen? -
Hoob zuckte immer noch mit verdrehten Augen in seiner Decke. Sein Zustand veränderte sich jedoch nicht. Erschöpft sank der Elf in einen kurzen und traumlosen Schlaf, aus dem ihn Indo erst wieder erweckte, als die Sonne hoch am Himmel stand. Kurz bevor sie ihre Sachen zum Aufbruch packten, aßen die beiden Freunde eine Kleinigkeit. Vergeblich versuchte Koperian dem alten Mann Flüssigkeit einzuflößen. Hoobs Körper war fest wie ein Bogen gespannt, die Muskeln seines Gesichtes hart wie Eisen. Der Mund war verschlossen und es gab keinen Trick, auf den der Einsiedler reagierte. Aus seinen Augenhöhlen blickte nur noch das Weiß der Augen. Seine Lider bewegte er nicht.
- Um Überleben zu können brauchte er rasche Hilfe. -
Koperian bastelte eine Trage aus Holz und Fellen und legte Hoob darauf. Dann schulterte er das Gestell mit ihrem „Gefangenen“ und sie brachen auf.