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Kapitel 2
ОглавлениеVor 4 Tagen.
Ich saß in meinem Wagen. Die Sonne war gerade dabei hinter dem Horizont zu verschwinden und die Dämmerung brach herein. Die Zeit der Jäger begann. Ich beobachtete ein kleines Häuschen auf der anderen Straßenseite. Ich atmete tief durch. Heute Nacht ist es wieder so weit, dachte ich. Wie so viele Nächte zuvor. Es ist nicht so, dass ich es tun will, aber ich muss. Ich habe leider keine Wahl. Tief seufzend überprüfte ich nochmal meine Ausrüstung, dann stieg ich aus meinem Wagen und ging hinüber zu dem Haus. Auf dem Weg dorthin schaltete ich ein beinah authentisches Lächeln ein. Ich klingelte an der Haustür. Ich konnte hören, wie sich Schritte der Tür näherten. Ich war bereit. Die Tür öffnete sich und eine Gestalt erschien. “Halli hallo Maria“, begrüßte ich strahlend die Frau im Türrahmen. “Damian schön das du kommen konntest“, begrüßte Maria mich zurück und breitete die Arme aus. Ich umarmte sie und verbarg dabei meinen Widerwillen ausgesprochen gut, darauf folgten noch zwei Bussis für jede Wange, die mich innerlich erschaudern ließen. Meine metaphorische dunkle Nische (welche nur eine abstrakte Metapher für komplizierte Gedankengänge und innere Konflikte ist) zischte mir unartige Dinge zu, doch ich schob sie einfach beiseite. Jetzt war nicht die Zeit für so etwas. Ich trat ins Innere des Hauses und folgte Maria ins Wohnzimmer, wo die anderen Frauen saßen und sich angeregt unterhielten. Ich bin im siebten Kreis der Hölle angekommen, dachte ich während ich scheinheilig lächelnd eine nach der anderen auf die gleiche Art und Weise begrüßte, wie zuvor Maria. Anschließend setzte ich mich auf meinen Platz und holte meine Stricknadeln samt Wolle heraus. Und so begann das Treffen der “Strick- und Häkelgruppe Oberhausen“. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich der einzige Fuchs im Hühnerstall war oder? Ich seufzte innerlich und konzentrierte mich auf das Stricken und das Schwatzen über alltägliche Nettigkeit. Letzteres hatte erstaunlicherweise einen höheren Stellenwert, als ersteres. Etwas was mich, als ich die ersten Male hier gewesen bin durchaus überrascht hatte. Immerhin wird nichts davon im Namen der Gruppe erwähnt. Wenn die Gruppe “Die gesprächigen Strickerinnen“ heißen würde, hätte ich mich darauf einstellen können, aber so war ich doch sehr überrascht gewesen. Wie auch immer, ich war gerade dabei mir mal wieder eine Katzengeschichte von Frau Bäcker anzuhören und musste nun schon zum dritten mal die selbe Stelle wieder aufribbeln, weil ich eine Masche verloren hatte. Sehnlichst wartete ich darauf, dass Frau Bäcker endlich zum Ende ihrer lahmen Geschichte kam. Als es dann tatsächlich soweit war, erhob ich mich unter dem falschen Vorwand mir dringend meine eingeschlafenen Beine vertreten zu müssen und schlenderte zum Fenster. Ich blickte hinaus in die mittlerweile finstere Nacht. Im Schein der Straßenlaternen konnte ich in der Ferne Julia Riedels Wagen erkennen. Julia Riedel ist ihrerseits Ex-Polizistin, aktuelle Privatdetektivin und mein potenzieller Sargnagel. Sie ist auch der Grund, warum ich hier vor mich hin schmore, anstatt ein wenig Folter und Mord zu genießen. Ich bin mir sicher, dass sie weiß, das ich weiß, das sie ahnt das ich nicht nur der nette Typ von nebenan bin. Das Ganze klingt ziemlich verworren nicht wahr? Dann versetzen sie sich mal in meine Lage! Glauben Sie mir, ich finde diese Situation auch nicht berauschend und es fällt auch mir nicht leicht in diesem Chaos den Überblick zu behalten. Aber erst mal alles von Anfang an: Vor nicht allzu langer Zeit war ich noch ein unbeschwertes mordendes Monstrum, doch dann traf ich eines Nachts bei einem meiner antisozialen Abenteuer auf Julia. Sie befand sich zu dem Zeitpunkt in einer sehr misslichen Lage aus welcher ich sie befreite (ja danke ich weiß ich bin super). Dummerweise hat sie dabei anscheinend von mir unbemerkt einen Blick auf mein antisoziales Hobby (das Foltern und Ermorden von anderen bösen Menschen) geworfen. Zum Glück für mich wurde dieses Wissen in den Untiefen ihres Geistes verborgen, bis zu einem weiteren traumatischen Erlebnis, während unserer Zusammenarbeit an einem ihrer Fälle, bei dem ich ihr übrigens zum zweiten mal das Leben rettete. Leider ist die gute Julia ein undankbares Stück und versucht seitdem meine Geheimnisse zu lüften und mein Leben zu zerstören. Und selbstverständlich spukt Ihnen nun eine berechtigte Frage durch den Kopf: >Na sag mal Damian. Dein liebstes Hobby ist es Menschen bei lebendigem Leibe in kleine Stückchen zu schneiden. Warum tötest du Julia nicht einfach?< Nun ja das ist eine ausgezeichnete Frage. Um ehrlich zu sein, finde ich darauf keine wirklich logische Antwort, außer das ich sie aus welchen dummen Gründen auch immer NICHT töten will. Um genau zu sein, bin ich bereits große Risiken eingegangen, um sie am Leben zu erhalten. Ich führe nun schon seit sehr sehr langer Zeit eine leere Existenz, während ich den Anschein der Menschlichkeit wahre. Emotionen und tiefgehende Empfindungen sind mir fremd, aber ich EMPFINDE Interesse an dem Wohlergehen von Julia... Fragen Sie mich nicht warum. Ich weiß es selbst nicht. Ärgerlicherweise erwidert Julia dieses Interesse nicht und arbeitet gerade daran mein Leben ruinieren. Bereits seit einigen Wochen werde ich von ihr beschatten in der Hoffnung mich bei meinen kleinen Unartigkeiten zu erwischen. Seitdem verbringe ich bedauerlicherweise einen Großteil meiner Freizeit mit... nun ja Serienkiller untypischen Aktivitäten. Zumindest nehme ich an, das Stricken und Häkeln in diese Kategorie fällt. Es ist ja nicht so, dass es zu diesem Thema Fachliteratur oder Internetforen gibt. Egal ich hoffe jedenfalls, dass Julia sich draußen in ihrem Wagen noch mehr langweilt als ich! Ach ja und um diesem ganzen Theater noch die Krone aufzusetzen, arbeite ich sogar weiterhin mit Julia zusammen und assistiere ihr bei ihren Fällen. Fragen Sie sich jetzt, warum ich so dämlich bin mich darauf einzulassen? Meiner Meinung nach wäre es doch allzu auffällig, wenn ich nun jeden Kontakt zu ihr abbrechen würde oder? Ich muss gute Miene zum bösen Spiel machen. Mein Ziel ist es, wie ein netter harmloser Typ zu wirken, also muss ich mich auch dementsprechend verhalten. Genervt rieb ich mit beiden Händen über mein Gesicht. Ich hatte nun lange genug, wie ein schräger Spinner aus dem Fenster gestarrt und meinen finsteren Gedankengängen nachgegangen. Deshalb wandte ich mich wieder dem Raum voller Häkelfrauen zu und machte weiter mit meiner schauspielerischen Darstellung. Nach eineinhalb Stunden war ich endlich erlöst und konnte, nach einer quälend langwierigen Verabschiedung von jeder anwesenden Frau, gehen. Nach außen hin vergnügt ging ich zu meinem Wagen, stiegt ein und winkte den Frauen noch ein letztes mal, dann fuhr ich los. In meinem Rückspiegel konnte ich sehen, wie die Lichter von Julias Wagen angingen. Ich setzte unwillkürlich ein schiefes Grinsen auf. So nervig sie auch ist, man kann ihr nicht absprechen das sie hartnäckig ist. Wie ein Terrier, der sich in etwas verbissen hat und sich weigert loszulassen. Sie setzt eine Besessenheit an den Tag, die ich nur zu gut von meinem Verlangen kenne. Sowohl Julia, als auch ich entsprechen nicht so ganz in der Norm. Wenn sie sich nicht von meiner Finsternis ablenken lässt, wird mir am Ende wohl nichts anderes übrig bleiben, als zwischen ihrem oder meinem Leben zu wählen. Ich schüttelte den Kopf. Genug sinniert für heute. Wenn ich drastische Schritte einleiten muss, werde ich es tun, aber noch ist es nicht soweit! Ich konzentrierte mich wieder auf die Straße und lenkte meinen Wagen durch die Nacht. Bereits nach kurzer Zeit kam ich in Oberhausen Styrum an. Ich fuhr in eine ruhige Nebenstraße und hielt vor einem dreistöckigen Haus. Die beiden oberen Stockwerke waren meine kleine Festung der Einsamkeit, während im Erdgeschoss mein Nachbar wohnte. Ich stieg aus meinem Porsche Cayenne und blickte die Straße hinunter um mich zu vergewissern, dass mein zweiter Schatten immer noch anwesend war. Selbstverständlich war sie es. Nachdenklich legte ich den Kopf schief. Gute Nacht Julia, wünschte ich ihr im Geiste. Ich hoffe dich überkommt ein Sinneswandel. Dann verschloss ich meinen Wagen und ging zu meiner Haustür. Ich kramte kurz in meiner Hosentasche nach meinem Schlüssel, fand ihn und schloss auf. Auf leisen Sohlen trat ich ins Treppenhaus und glitt die Treppen hinauf bis ich vor meiner Wohnungstür angekommen war. Auch diese öffnete ich und betrat mein Reich. Ich atmete auf und zog meine Schuhe aus, dann ging ich ins Badezimmer und machte mich bettfertig. Anschließend ging ich in mein Schlafzimmer, machte das Licht aus und legte mich ins Bett. Ich lag noch eine ganze Zeit lang mucksmäuschenstill in meinem Bett und starrte an die Decke. Doch dann überkam mich die Müdigkeit und ich schlief ein.