Читать книгу Bannsymbole - Elias Reich - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеMüde saß ich am Küchentisch und trank einen Tee. Livia stand am Herd und machte Rühreier mit Speck. Ihr verletzter Arm hing nach wie vor in einer Schlinge, doch es ging ihr schon viel besser. Herzhaft gähnend reckte und streckte ich mich. Ich war die ganze Nacht über wach geblieben und hatte auf meinen Besuch aufgepasst. Dementsprechend kaputt war ich jetzt. Ich plante erst mal gut zu frühstücken und mir anzuhören, was Livia eigentlich passiert war, bevor ich mich auf´s Ohr legen würde, um den Schlaf nachzuholen. Ich lehnte mich zurück und starrte an die Decke. In dem Moment näherten sich Schritte und Violetta kam in die Küche. Normalerweise war sie keine Frühaufsteherin und wenn sie mit mir zusammen frühstückte, kam sie meistens frisch aus dem Bett nach unten. Doch heute hatte sie bereits geduscht und sich zurecht gemacht. Ihre rabenschwarzen Haare waren noch feucht und glatt nach hinten gekämmt. Sie trug eine enganliegende lilane Jeans und eine knappe schwarze Bluse mit Spitze. Sogar Make-up hatte sie schon aufgetragen. Schwarzen Eyeliner, Lidschatten und roten Lippenstift hatte sie aufgetragen. Mit anderen Worten, sie sah aus, wie die blasse, hübsche Frau aus der Gruft... so wie eigentlich immer. Ich lächelte. “Guten Morgen. Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“ “Sicher“, murmelte sie. “Du siehst müde aus. Warst du wirklich die ganze Nacht wach?“ Ich nickte. “Setzt dich doch. Jetzt gibt es Frühstück.“ Violetta griff sich einen Stuhl und nahm neben mir platz. Sie und Livia begrüßten sich knapp. Nun war das Essen fertig. Livia schaufelte mir und sich selbst die Eier mit Speck auf den Teller. Violetta verzichtete dankend. Sie wollte lieber etwas Obst essen. Wir begannen mit dem Frühstück. Ich schaute von meinem Teller hoch und zu Livia. “Also, was ist dir gestern passiert?“ Verstohlen warf sie Violetta einen Blick zu. Ich verdrehte die Augen. “Jetzt guck nicht so! Antworte mir einfach auf meine Frage! Wenn Violetta davon nichts hören dürfte, würde ich dich nicht fragen, während sie dabei ist!“ Violettas Augen wanderten von mir zu Livia. “Was ist hier los?!“ Ich winkte ab. “Nichts. Livia hat sich nur gefragt, ob du eine Eingeweihte bist. Mehr nicht.“ Die Amazone atmete tief durch. “Na gut. Einige Städte weiter hat eine Gruppe von Trollen für Ärger gesorgt. Die haben geplündert und immer wieder Leute ermordet. Das hat vielen nicht gefallen, deshalb hat mein Telefon geklingelt und ich habe den Auftrag gekriegt mich darum zu kümmern. Lange habe ich nicht gebraucht, um die Trolle aufzuspüren und auszuschalten, aber wie ihr ja gesehen habt, ist nicht alles glatt gegangen und ich wurde verletzt. Jedenfalls war ich in der Gegend und brauchte jemanden, der meine Verletzungen versorgen kann. Da dachte ich, es wäre in Ordnung, wenn ich vorbei komme.“ Ich lächelte. “Gut. Dann haben wir das auch geklärt. Wenn du willst, kannst du gerne noch ein paar Tage bleiben, bis du dich weiter erholt hast.“ “Danke“, sagte sie. “Meiner Schulter geht auch schon wieder besser.“ “Nachher können wir auch noch eine Kräutersalbe drauf machen, um Entzündungen zu verhindern und den Heilungsprozess noch weiter zu beschleunigen“, schlug ich vor und stand auf. “Aber jetzt lege ich mich erst mal hin. Wenn irgendwas wichtiges ist, weckt mich.“ Ich wollte mich gerade daran machen zu gehen, als mein Handy anfing zu klingeln. Wer kann das sein?, fragte ich mich und kramte es heraus. Es war Jovana. Meine platonische Vampirfreundin. “Hallo“, meldete ich mich. “Was kann ich für dich tun?“ “Hallo, Oskar“, sagte sie. “Kannst du zur Kneipe kommen? Ich muss etwas wichtiges mit dir besprechen.“ Ich rieb mir die Augen. “Wie dringend ist es? Muss es jetzt sofort sein?“ “Besser wäre es“, erwiderte sie. “Umso schneller, umso besser!“ Ich seufzte. “Okay. Ich verstehe. Bis gleich.“ Und schon legte ich auf. Fragend schauten mich Violetta und Livia an. Lächelnd verstaute ich mein Handy. “Ich muss eine Kleinigkeit erledigen. Violetta, willst du mit?“ “Sicher“, antwortete sie. “Ich mache mich eben fertig.“ “Gut“, sagte ich und wandte mich an Livia. “Fühle dich ganz wie zu Hause und ruhe dich weiter aus. Bald sind wir wieder da.“ Sie schnaubte. “Warum fragst du mich nicht, ob ich mitkommen will?“ “Weil ich dich nicht mitnehmen würde“, erwiderte ich. “Du bist mein Gast und du bist verletzt. Erhole dich. Außerdem würdest du dich eh nur langweilen. Ich muss nur was besprechen gehen. Nichts wildes.“ “Und mit wem?“, fragte sie neugierig. Ich verdrehte amüsiert die Augen. “Das geht dich nichts an. Bis später.“ Rasch suchte ich meine Sachen zusammen und ging zur Haustür. Dort wartete bereits Violetta. Nun trug sie auch noch klobige Stiefel und eine schwarze Lederjacke. Ich lächelte. “Bereit?“ “Natürlich“, erwiderte sie. “Wohin geht es denn?“ “Zur Kneipe von Jovana“, sagte ich, öffnete die Haustür und trat hinaus. “Sie muss irgendwas dringendes mit mir besprechen.“ “Hast du eine Ahnung, worum es geht?“ Ich schüttelte den Kopf. “Nö. Ich weiß nur, dass es nicht bis morgen warten kann. Das ist alles.“ “Hmmm“, machte sie. “Dann scheint es ja wichtig zu sein.“ “Oder sie dramatisiert nur“, sagte ich augenzwinkernd. “Ist ja auch egal. Wir werden sehen.“ Flott gingen wir zu meinem >Mercedes-Benz GLK<. Einem SUV mit Vierradantrieb und Automatikschaltung. Ich schloss den Wagen auf und stieg ein. Einige Meter weiter hatte Livia ihren Sportflitzer geparkt. Aufmerksam schaute ich mich um. Mein zweistöckiges Haus lag in einer etwas ländlicheren Gegend von Oberhausen. Nicht weit weg von hier gab es einige alte Bauernhöfe und Felder. Ich hatte das große Grundstück samt Haus vor einiger Zeit gekauft, als ich beschlossen hatte, längere Zeit in Oberhausen zu bleiben. Davor war ich jahrelang, als Nomade durch die Welt gereist. Nie mehr als nur ein paar Wochen oder Monate an einem Ort. Die Umstellung war mir zugegebenermaßen am Anfang nicht ganz leicht gefallen und dann hatte ich sogar eine Mitbewohnerin bekommen, was auch wieder Neuland für mich gewesen war. In einer folgenschweren Vollmondnacht war ich Violetta im Wald begegnet. Sie befand sich damals in einer ziemlich heiklen Lage und brauchte Hilfe. Ich half ihr und von da an wohnte sie bei mir. Als Violetta noch ganz klein war, sind ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Daraufhin lebte sie im Waisenhaus. Aus dem ist sie allerdings mit 16 Jahren ausgebügst, weil sie eigenartige Kräfte entwickelte und immer wieder zerstörerische Blackouts hatte, nach denen alles verwüstet war. Später fanden wir gemeinsam heraus, dass das daran lag, dass sie eine Halbdämonin war. Und nicht nur irgendeine Halbdämonin, sondern die Tochter von Baal, dem König der Hölle, oder der rechten Hand des Teufels... oder der leibhaftige Satans selbst. Da ist man sich nicht so ganz einig. Wie auch immer. Durch ihre Abstammung gab es einige Komplikationen. Normalerweise sind Halbdämonen Menschen mit ein paar Superkräften, doch Violetta hatte das Pech wirklich ein halber Dämon zu sein mit den selben diabolischen Zügen. Etwas was Violetta natürlich furchtbar fand. Außerdem gab es einige Legenden und Prophezeiungen darüber, dass sie gemeinsam mit ihrem Vater die Welt vernichten würde. So viel dazu. Jetzt zurück zum Wesentlichen. Wir fuhren nun schon eine Weile und ich linste zu Violetta hinüber. Sie schaute aus dem Fenster und spielte nachdenklich an ihrer Halskette herum. Vor kurzem hatten wir Ärger mit ein paar schwarze Magie betreibenden Hexen. Die brauchten Violetta für ein Ritual, um Baal zu beschwören. Damit sie Violettas Dämonenseite unter Kontrolle halten konnten, hatten sie irgendwelche kryptischen Symbole auf sie gemalt. Zum Glück gelang es mir die Situation zu bereinigen. Die Hexen stellten seitdem kein Problem mehr da, aber Violetta war ganz besessen von diesen Symbolen gewesen. Für sie waren diese Zeichen die Lösung all ihrer Probleme, weil sie ihr Dämonenerbe vollkommen unterdrückten. Deshalb hatte ich einen Schmuckmacher aufgetrieben, der aus diesen Symbolen silberne Kettenanhänger machen sollte. Nun besaß Violetta sowohl eine Halskette, als auch ein Armband, welche sie abwechselnd rund um die Uhr trug. Ich wollte nach wie vor mehr über die Magie hinter diesen Zeichen herausfinden, doch bisher hatte ich keinen Fachmann dafür gefunden. Vielleicht weiß ja Livia etwas darüber. Violetta räusperte sich. “Kann ich dich etwas fragen?“ “Selbstverständlich“, antwortete ich. “Ich kann dir nur nicht versprechen, dass ich die Antwort kenne.“ “Woher kennst du Livia?“, fragte sie. “Wie habt ihr euch kennengelernt?“ Ich zögerte. Einige Sekunden herrschte Stille, bevor ich mir einen Ruck gab. “Nach dem Auftritt gestern nehme ich an, du hast dir die Antwort darauf verdient. Also, das war so... Vor einigen Jahren war ich Türsteher in einem Nachtclub. Der Laden gehörte einem Zauberer. Zu der Zeit kamen immer wieder Drogendealer in den Club und wollten einen ihrer Leute da positionieren, um ihren Geschäften nachzugehen. Ich habe die jedes mal des Ladens verwiesen. Also fingen die an mir einen Anteil anzubieten. Ich habe abgelehnt. Was ich zu der Zeit nicht wusste war, das der Zauberer eine Abmachung mit den Drogendealer hatte. Die waren nun jedenfalls allesamt ziemlich angepisst. Deshalb sollte ich ausgeknipst werden. Um sich nicht selber die Hände schmutzig zu machen, sollte es eine Auftragsarbeit werden. Der Zauberer hatte irgendwoher von Livia gehört und nahm Kontakt auf. Damals hatte ich schon einen gewissen Ruf in der übernatürlichen Gemeinde. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, erzählte der Zauberer Livia, ich würde Schutzgeld erpressen und Frauen im Club vergewaltigen. Wegen diesen Humbug hatte sie sich schließlich bereiterklärt, den Auftrag anzunehmen. Na ja, eines Abends bin ich nach der Arbeit zu meinem Wagen gegangen und wurde von einem Pfeil durchbohrt.“ “WAS?!“ Ich lächelte und zog den Kragen meines T-Shirt herunter, um den Blick auf die Narbe unter meinem Schlüsselbein freizulegen. “Volltreffer. Die Spitze kam auf der anderen Seite wieder raus.“ “Oh mein Gott!“, sagte sie. “Und dann?“ Ich schnaubte. “Offensichtlich hatte sie nicht so gut getroffen, wie sie eigentlich vorhatte. Deshalb sprang sie aus ihrem Versteck und stürzte sich auf mich... Die Sache lief nicht so, wie Livia sich das vorgestellt hatte und so landete sie mit Gehirnerschütterung und ein paar gebrochenen Knochen auf dem Asphalt. Da ich wissen wollte >Wer sie war?< und >Wer sie beauftragt hatte?< habe ich sie nicht sofort umgebracht. Deshalb habe ich sie in meinen Kofferraum verfrachtet und mitgenommen.“ Ich lachte. “Während der Fahrt bin ich dreimal fast ohnmächtig geworden und in den Graben gefahren. Später beim Pfeil ziehen musste ich mich vor Schmerzen übergeben. Du kannst dir denken, was für eine miese Laune ich hatte.“ “Ich kann es mir vorstellen“, murmelte sie. “Aber wie kommt es dann, dass Livia noch lebt?“ “Dazu komme ich jetzt“, sagte ich. “Eigentlich hatte ich vor ein sehr ernstes >Gespräch< mit ihr zu führen, bevor sie für immer verschwinden würde, doch bei unserer Unterhaltung stellte sich irgendwann raus, dass sie böse verarscht wurde. Die wildesten Lügen hatte man ihr über mich erzählt, damit ich überhaupt dem Ehrenkotex der Amazonen entsprach... Unter diesen Umständen fand ich es nicht angebracht, wenn ich sie umbringen würde. Zum einen war es nur etwas geschäftliches und zum anderen war sie nur unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu gebracht worden den Auftrag anzunehmen. Wie auch immer. Um das langatmige Geschwafel abzukürzen, ich habe Livia nicht umgebracht. Kurze Zeit später hatten der Zauberer und die Drogendealer so eine Art Unfall, wenn du verstehst, was ich meine. Auch wenn ich nachsichtig mit Livia war, galt das keineswegs für diese Dreckssäcke.“ Violetta machte große Augen. “Und seitdem sie dich mit einem Pfeil abgeschossen hat, steht ihr in regelmäßigen Kontakt?!“ Ich zuckte mit den Schultern. “So ungefähr. Kann man so sagen.“ “Du weißt, wie verrückt das klingt, oder?“, fragte sie. “Ich meine, sie hat versucht dich umzubringen!“ “Ist mir bewusst“, erwiderte ich. “Aber es war nichts persönliches. Und zum Glück war ihr Versuch erfolglos. Seither hat sie sich einige Male als nützlich erwiesen, von daher war es nicht verkehrt sie nicht umzulegen.“ “Und damit ist die Sache für dich erledigt?!“, fragte sie. “Du hast keine Rachegelüste gehabt, oder so?“ Ich kratzte mich am Kinn. “Nö, nicht wirklich. Das einzige, was ich verlangt habe, war, dass sie niemandem davon erzählt, weil das schlecht für meinen Ruf wäre. Die Leute würden den Respekt verlieren, wenn die wüssten, dass ich so was habe durchgehen lassen. Das kann ich nicht gebrauchen.“ Ich warf ihr einen Blick zu. “Nur am Rande. Natürlich erwarte ich auch, dass du diese Geschichte für dich behältst. Ich denke, dass ist einleuchtend.“ “Von mir erfährt keiner etwas“, versicherte sie. “Ich bin schweigsam, wie ein Goldfisch.“ Ich lächelte. “Danke.“ Sie strich sich eine dunkle Haarsträhne hinters Ohr. “Wie war es eigentlich als Türsteher zu arbeiten?“ “Oh ich habe es gehasst!“, sagte ich grinsend. “Du weißt ja, dass ich Kneipen, Nachtclubs und den ganzen anderen Kack furchtbar finde! Betrunkene Leute gehen mir auch auf den Senkel, von daher war es genau die richtige Arbeit für mich.“ Ich zuckte mit den Schultern. “Hat sich halt so ergeben.“ “Also warst du froh als es vorbei war?“ “Über die Jahre habe ich immer wieder als Türsteher gearbeitet“, erwiderte ich. “Sowohl davor, als auch danach noch.“ “Ach so“, sagte sie. “Verdient man wenigstens gut?“ Ich legte den Kopf schief. “Geht so. Man kam über die Runden. Ich hatte schon lukrativere Jobs. Aber genug von mir. Womit hast du eigentlich Geld verdient, nachdem du aus dem Waisenhaus abgehauen bist?“ “Na ja, das mit dem Taschendiebstahl weißt du ja schon“, sagte sie verlegen. “Ansonsten Minijobs und so was in der Art. Über Kontakte bin ich an einen gefälschten Ausweis gekommen, damit ich auf dem Papier älter war und arbeiten konnte. Eine Zeit lang war ich Straßenmusikerin und habe Taschenspielertricks vorgeführt. Solchen Kram halt.“ Mein Augenbrauen wanderten in die Höhe. “Warum hast du das bisher nie erzählt? Ich bin beeindruckt! Welches Instrument hast du gespielt?“ Ihre Wangen röteten sich. “Ich habe mal eine Gitarre im Müll gefunden und mir selber ein bisschen das Spielen beigebracht.“ Anerkennend nickte ich. “Nicht schlecht. Was ist aus der Gitarre geworden?“ Sie lächelte. “Das Ding habe ich im Müll gefunden. So was hält nicht ewig. Irgendwann ist sie auseinandergefallen.“ “Möchtest du wieder eine haben?“, fragte ich. “Wenn du willst schenke ich dir eine.“ Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. “Da habe ich noch gar nicht dran gedacht. Eigentlich hätte ich mir selber eine neue holen können...“ “Klar könntest du“, sagte ich. “Durch deine Halbtagsstelle in Jovanas Kneipe hast du ja Geld.“ “Ich denke mal drüber nach“, erwiderte sie und damit war das Gespräch mehr oder weniger beendet. Spärlicher Small Talk folgte, während wir unsere Fahrt fortsetzten.