Читать книгу Die Verstoßene - Eliette Abécassis - Страница 7

2.

Оглавление

Alles war von einem Vermittler arrangiert worden, der mir eine Fotografie von dem Mann gegeben hatte, den ich heiraten würde. Ein oder zweimal hatte ich ihn am Telefon gesprochen. Wir hatten einige Worte gewechselt. Seine Stimme war schön, ernst und tief, ihr Klang sinnlich. Alles übrige erledigte Yossef, der Gehilfe des Rabbi. Es brauchte keine drei Monate, um die Sache zum Abschluß zu bringen.

Die Synagoge war voller Menschen. In der Mitte des Raumes hatte man ein Zelt errichtet. Die Chassidim mit ihren Hüten und Schläfenlocken gingen rein und raus. Einige setzten sich, warteten. Andere beteten, sich nach rechts und nach links wiegend. Die Frauen waren nicht zu sehen: sie hielten sich hinter der Holzwand auf, die sie von den Männern trennt. Mein Bräutigam und ich wurden unter das Zelt geführt.

Das erste, das ich von ihm kennenlernte, war ein feiner, gebogenen Finger, der den Ring auf meinen Finger schob. Dann sah ich eine Lippe, die in den Weinbecher eintauchte, den wir teilten. Man wickelte ein Glas in ein Tuch, und mit einem Fußtritt zerbrach der Rabbi es, so will es der Brauch, im Gedenken an die Zerstörung des Tempels.

Dann hob ich den weißen Schleier, der mein Gesicht verdeckte, und ich drehte mich siebenmal um meinen Mann. Ich schlug die Augen zu ihm auf. Ich sah Augen von dunklem Schein, hohe rötliche Wangenknochen, einen schmalen Mund, purpurfarben wie der Granatapfel. Er war groß und stattlich wie eine libanesische Zeder. Er war schön wie der Mond, strahlend wie die Sonne.

Schweigen trat ein. Alle verstummten. Der Rabbi erhob sich von seinem Sitz und ging in die Mitte der Synagoge. Er hatte einen langen grauen Bart und schwarze stechende Augen. Seine Körperfülle hatte mit den Jahren zugenommen, er war nicht sehr groß, aber von ihm ging eine solche Aura aus, daß alle Blicke sich ihm zuwandten und alle verstummten, wenn er einen Raum betrat.

»Wenn ein Mann und eine Frau heiraten«, sagte der Rabbi, »können sie endlich als vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft betrachtet werden. Denn der Mensch ist nach dem Bild Gottes geschaffen, daß heißt, er ist männlich und weiblich. Deshalb ist die Ehe ein göttliches Gebot, und das Zölibat ein Vergehen gegen das göttliche Bild im Menschen. Erst durch die Ehe gelangt der Mensch zur Vollkommenheit und zum Jenseits, die die Ankunft des Messias möglich machen. Du, Nathan, und du, Rachel, wir erwarten von euch eine zahlreiche Nachkommenschaft, so zahlreich wie die Sterne am Himmel.«

So sprach der Rabbi bei meiner Hochzeit mit Nathan, meinem Ehemann.

Dann begannen die Chassidim zu tanzen. Hin und wieder erhoben sich leidenschaftliche Rufe. Die Chassidim tanzten zusammen, einer am anderen, wobei ihre Körper in unbändigem Takt wogten. Mitunter löste sich einer aus der Gruppe und bewegte sich allein inmitten des Kreises.

Eine Holzwand trennt die Männer von den Frauen. Wir sind hinten, aneinandergedrückt beobachten wir die Männer. Wir tanzen nicht. Ich sah ihre Gesichter, ich hörte die Rufe der Tänze und die Unruhe und Freude, die sie ausdrückten. Mein Blick mischte sich unter die Stimmen in der Nacktheit der Silben, die Melodie tanzte, rollte und sang, ohne Worte, ohne die Fesseln der Worte, und dieses Schweigen umhüllte mein Schweigen.

Der Mann, der vor mir tanzte, versuchte durch weite und langsame Bewegungen seinen Gefährten zu beeindrucken, bis sie schließlich gemeinsam zum Rhythmus tanzten, immer schneller und schneller, und ich sah ihn an, ich konnte meine Augen nicht lösen von dem berauschten, dem entrückten Tänzer: Nathan, mein Mann, die Augen geschlossen, vom Tanz ergriffen, geblendet von Seiner Anwesenheit, und ich sah ihn an, ich war da, folgte jeder seiner Bewegungen, atmete jeden seiner Atemzüge, keuchte jeden seiner Luftstöße, gab mich ganz dem Rhythmus seines Körpers hin. Und er sah mich an, und ich sah ihn, wie er mich ansah, und ich vereinte mich in Gedanken mit ihm, und wir waren durch den Tanz vereint, bis wir in der Ekstase einen einzigen Körper bildeten, und der Hauch Gottes über uns war.

Die Verstoßene

Подняться наверх