Читать книгу Emilio und das Meer - Elisa Sabatinelli - Страница 14
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Schon als ich noch ganz klein war, habe ich mir einen eigenen Tauchanzug gewünscht. „Wenn du größer bist“, haben Mama und Papa mir dann immer versprochen. Jetzt werde ich bald acht Jahre alt. Das ist längst groß genug für einen Tauchanzug, finde ich.
Doch in unserer kleinen Küche in dem neuen Haus gibt es dafür keinen Platz. Außerdem könnten Mama und Papa ihn sowieso nicht bezahlen. Wir mussten nämlich die Marina schließen und jetzt haben wir kein Geld mehr. Mein armer Opa, der vor einer Weile gestorben ist, wäre bestimmt sehr traurig gewesen, wenn er all das noch erlebt hätte. Schuld daran ist nur Amedeo Limonta, dieser ehrlose Fiesling mit seinem riesigen Tauchzentrum! Das weiß ich ganz bestimmt, auch wenn ich ihn eigentlich nicht persönlich kenne.
Amedeo stammt aus einer einfachen Familie. Sein Vater Giulio war eine Sardine. Das heißt aber natürlich nicht, dass er ein Fisch war! Sardinen, so nennen wir die Fischer, die davon leben, diese kleinen Fischchen zu fangen. Opa hat mir erzählt, dass Giulio einer der anständigsten Männer war, die er kannte. Giulio hat wenig gesprochen. Aber wenn, dann war er so freundlich wie sanfte Wellen. Eines Nachts holte ihn aber das Meer und er kehrte nie an Land zurück.
AMEDEO BLIEB MIT SEINER MUTTER ALLEIN UND KÜMMERTE SICH WEITER UM DIE SARDINEN.
Doch er wurde immer unzufriedener und begann, das Meer zu verachten. Die Dorfbewohner waren sich nicht sicher, woran das lag. War ihm der ständige Küstenwind nicht bekommen? Oder hatte ihm die salzige Luft das Hirn vernebelt? Ich weiß es auch nicht. Ich weiß nur, dass Amedeo und das Meer zu Feinden wurden. Manchmal beschimpfte Amedeo das Meer mit bösen Flüchen. Die Wellen wurden dann natürlich wütend und warfen sein Boot hin und her. Irgendwann wollte das Meer Amedeo keine Fische mehr geben und er fing immer weniger, immer kleinere Sardinen. Zum Schluss war Amedeo das Meer völlig egal. Er wollte nur noch Geld verdienen! Und dabei verlor er auch das letzte bisschen seiner Seemannsehre. Das war zur Zeit der Wanderung. So nennt man es, wenn die Fische in riesigen Schwärmen an einen anderen Ort ziehen. Amedeo Limonta nahm damals gigantische Netze und fing damit Millionen von Thunfischen ein. Er sperrte sie in Unterwasserkäfige, bis sie dick und fett wurden. Dann verscherbelte er sie teuer nach Japan. So scheffelte er jede Menge Geld, doch er verlor den Respekt der Dorfbewohner. Und die Liebe seiner wunderschönen Frau, die verlor er auch. Eines Morgens machte sie sich davon. Sie schwamm einfach dem Horizont entgegen.
Als Amedeo Limonta schließlich beschloss, ein riesiges Tauchzentrum in der Nähe unserer Marina zu bauen, wussten wir also schon, mit wem wir es zu tun hatten. Er nannte sein Zentrum „Rivadoro“ und bot Tauchausflüge und Bootsrundfahrten an. Genau wie wir. Nur für viel weniger Geld. Dann versprach er den Urlaubern auch noch, dass sie Delfine und Schwertfische sehen würden, obwohl das oft überhaupt nicht stimmte.
Das neue Tauchzentrum ist so blitzeblank, dass man sich nicht wie am Strand fühlt, sondern wie im Krankenhaus.
Limonta hat drei trottelige Mitarbeiter, die um ihn herumsurren wie die Fliegen und die rein gar nichts vom Meer verstehen. Einmal habe ich gesehen, wie sie in die falsche Richtung gefahren sind, obwohl doch jeder hier weiß, an welcher Stelle die Delfine am liebsten schwimmen. Ich bin natürlich losgerannt, um ihnen zu sagen, wo sie die Delfine finden können. Aber sie haben nur gerufen: „Vergiss es, du Stockfisch!“
Ich glaube, das sollte eine Beleidigung sein. Dabei mag ich Stockfisch richtig gern. Im Gegensatz zu Amedeo Limonta mit seinem Schnurrbart und seinen Haaren, die aussehen wie geleckt. Den mochte ich nämlich noch nie!