Читать книгу Emilio und das Meer - Elisa Sabatinelli - Страница 16
ОглавлениеNr.3
Riccardo, auch Riccardo Dorschherz genannt, ist mein bester Freund. Er wohnt mit seinen Eltern und seinen vier großen Brüdern oben in den Hügeln. Doch er liebt das Meer genauso wie ich und wir verbringen viel Zeit bei unserer guten alten Marina. In der Schule sitzen wir natürlich nebeneinander. Riccardo bekommt oft schlechte Noten, bloß, weil er so schüchtern ist. Denn wenn ihn die Lehrerin etwas fragt, antwortet er mit einem ganz dünnen Stimmchen, und sie versteht Dinge, die er eigentlich gar nicht gesagt hat. Ich stupse Riccardo dann immer mit dem Ellenbogen an, um ihn daran zu erinnern, dass er lauter sprechen muss. Aber es gelingt ihm einfach nicht.
In der Pause, wenn alle anderen ihre Sammelkarten tauschen, sitzen wir gern eng beieinander auf der kleinen Mauer ganz hinten im Schulgarten und tauschen lieber Dinge, die wir am Strand gefunden haben.
Riccardo und ich verstehen einfach nicht, weshalb Amedeo Limonta unbedingt ein eigenes Tauchzentrum bauen musste. Wo ihn doch das Meer nicht mehr interessiert als eine vertrocknete Sardelle! Leider wissen das die Urlauber nicht. Sie sehen nur die niedrigen Preise. Und so strömen sie fröhlich zum Rivadoro.
Zur Marina kommt außer uns nur noch Anselmo. Er sitzt gern einfach nur da, vor den verschlossenen Türen, lauscht dem Plätschern der Wellen und blickt hinaus aufs Meer. Wir kennen Anselmo eigentlich nicht so gut, denn er sagt nie etwas. Die Leute im Dorf glauben, er sei vor Schreck stumm geworden, als einst sein Haus in Flammen aufgegangen ist. Ich finde, es ist ein riesiges Glück, dass er sich damals retten konnte! In seinem Schlafzimmer stand nämlich ein Aquarium voller Wasser, mit dem er einen Teil des Feuers gelöscht hat.
Dass Anselmo nicht reden möchte, macht uns überhaupt nichts aus. Wir lassen ihn einfach in Frieden. Wenn er dort so still am Ufer hockt mit seinem Umhang, den er sich aus einem alten Fischernetz gebastelt hat, dann stellen wir uns manchmal einfach vor, dass er eine Statue ist.
Papa hat alles versucht, um wieder mehr Urlauber anzulocken und die Marina zu retten. Einige Monate bevor wir schließen mussten, hat er begonnen, Werbezettel zu verteilen. Papa hat sich damit sehr viel Mühe gegeben. Eine wunderschöne bunte Vorlage hat er gezeichnet, voller Muscheln, Korallen und Fische in tausend Farben. „Kommt und entdeckt die unglaublichen Geheimnisse des Meeres!“ stand darauf. Doch dann habe ich in der Schule ganz viele Kopien davon gemacht. Daran, dass das nur in Schwarz-Weiß geht, habe ich leider vorher nicht gedacht. Die Zettel, die aus dem Kopierer kamen, sahen ganz grau und düster aus, wie Werbung für eine Höhle.
ALS IRGENDWANN ÜBERHAUPT NIEMAND MEHR ZUR MARINA KAM, HAT PAPA BESCHLOSSEN, SIE ZU SCHLIESSEN,
und wir sind in das kleine Häuschen gezogen, in dem wir jetzt wohnen. Wir haben fast nichts mitgenommen, nur Papas Tauchanzug und die Karte, auf der Opa all die Orte eingezeichnet hat, an die er über das Meer gereist ist. Vor dem Einschlafen schaue ich immer auf die schmutzigen Wände meines neuen Zimmers und träume von all diesen Orten. Eines Tages möchte ich sie auch sehen!