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Vier

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Benedict wurde dazu überredet, zum Tee zu bleiben. Trotz seines Protestes hatte er natürlich erwartet, dass er blieb, wie immer, und hatte deshalb auch Kleidung zum Wechseln mitgebracht. Er nahm ein Bad und als ihm klar wurde, dass er sich zum vollkommenen Dummkopf gemacht hatte, als er mit Schlamm bedeckt war, wünschte er sich nach Birmingham zurück. Er war unerklärlicherweise nervös - oder vielleicht war es gar nicht so unerklärlich. Er war ehrlich genug zu sich selbst sich einzugestehen, dass er Angst hatte, Eastons Cousine zu nahe zu kommen. Bevor er erfahren hatte, dass er heiraten musste, hätte er sie als Schönheit abgetan und hätte sich um seine Sachen gekümmert. Das wollte er jetzt auch. Aber das Bild von ihr auf dem Pferd würde ihm noch lange im Kopf umherschwirren, und er wusste, er würde alle anderen an diesem Bild messen, auch wenn es ungerecht war.

Er musste Hughes sagen, dass er die Liste weiter abarbeiten sollte. Er konnte es nicht ertragen, sich wieder emotional einzubringen. Er zog sein Halstuch ein letztes Mal zurecht und überlegte, wie er Eastons Cousine gegenüber auftreten wollte. Er konnte spüren, wie seine Gefühle wieder zum Leben erwachten und er brauchte alle Selbstkontrolle, derer er habhaft werden konnte, denn er spürte auch, wie sich die seidene Schlinge langsam um seinen Hals zuzog.

Auf dem Weg zum Salon entschloss er sich der Lady gegenüber gleichgültig und höflich aufzutreten. Wie schwer würde es schon sein, einen Tee zu trinken? Es war einfach schon zu lange her, dass er mit irgendeiner unverheirateten Frau in Kontakt gekommen war. Er war nur aus der Übung. Er hoffte, dass Easton und Elly ihn auch weiterhin als Benny ansprachen. Das würde die Spannung lösen. Wenn er bei seinen Freunden nicht bestand, würde er London niemals überleben.

Er betrat den Salon und wurde mit hellblauem Musselin konfrontiert, das um ein zierliches Bündel drapiert war, mit einem blauen Band und einem passenden Haarband, das ihr perfektes Gesicht einrahmte. Sie drehte sich um und plötzlich wünschte er sich, dass er noch den Schlamm hätte, um sich dahinter zu verstecken. Er nahm es allerdings mit etwas Genugtuung hin, dass ihre violetten Augen bei seinem Anblick kurz bewundernd aufleuchteten, bevor sie es wieder verbarg. Sie ließen auch Amüsiertheit und Überraschung erkennen, aber darüber würde er nicht nachdenken. Er bewunderte ebenfalls ihre Erscheinung. Er war sich immer noch nicht über ihre Rolle im Klaren; war sie eine Freundin oder ein Gast?

Er riss sich zusammen und verbeugte sich. „Miss Winslow.“

„Mr. Stanton.“ Sie knickste.

Er blieb in der weit geöffneten Tür stehen und war sich nicht sicher, was er als nächstes tun sollte.

„Ich glaube, es ist akzeptabel für Sie, wenn Sie mir Gesellschaft leisten. Die anderen werden gleich hier sein. Elly ging, um die Kinder zu holen.“

Sie setzte sich auf ein Sofa aus braunrotem Brokat und bedeutete ihm, sich ebenfalls zu setzen. Er sah sich nach einer Möglichkeit um, um sich zu verstecken, aber das Zimmer war zu klein. Er wählte einen Sessel am Kamin, da er sich unwohl dabei fühlte, mit ihr allein zu sein. Bitte lass sich die anderen beeilen, dachte er.

Sie saßen für einige Minuten in schmerzhafter Stille. Dann sprachen beide zur gleichen Zeit.

„Machen Sie ...“

„Sind Sie ...?“

„Ich bitte um Verzeihung, bitte, sprechen Sie zuerst“, sagte er.

„Ich wollte nur ein wenig Konversation machen.“ Sie winkte geringschätzig mit der Hand.

„Es ist ein schöner Tag“, meinte er.

Sie lachte und ihr Lächeln war bezaubernd. „So nun auch wieder nicht. Ich wollte Sie fragen, wo Sie herkommen.“

„Ach, da seid ihr zwei!“, rief Elly, als ob sie überall nach ihnen gesucht hätte. „Habt ihr schon nach dem Tee geklingelt? Die Kinder werden oben bleiben. Sie haben sich auf ihrem Ausritt nicht gut benommen.“

Benedict war überrascht, denn normalerweise waren die Kinder immer beim Tee anwesend. Das war eine der Eigenarten der Eastons. Er applaudierte jedoch der Disziplin, so sehr er sich auch wünschte, sie zu sehen.

„Dann muss ich wohl bald wiederkommen, wenn ich so von meinem Patenkind ferngehalten werde.“

„Du weißt doch, dass wir dich nie fernhalten würden. Du kannst ihn immer sehen, wenn du es wünschst.“

„Ich freue mich, das zu hören.“

„Andrew und Gwen werden uns auch keine Gesellschaft leisten. Sie ist erschöpft, was normal ist in ihrem Zustand“, sagte Elly, als sie sich setzte.

„Ist es bald soweit?“, fragte er höflich.

„Eher als wir dachten, glaube ich. Das wird Jolie freuen. Ich bin sicher, sie langweilt sich mit uns hier auf dem Land und will wieder in die Stadt.“

„Das tue ich nicht“, protestierte Jolie bezaubernd. „Ich würde gerne hierbleiben.“

„Nein, nein. Ich werde dich nicht aufhalten, sobald ich weiß, dass Gwen und das Baby gesund sind“, sagte Elly, während sie nach dem Tee klingelte.

Easton betrat das Zimmer. „Bitte entschuldigt die Verspätung. Ich habe mit Vater gesprochen.“

„Wie geht es Wyndham?“, fragte Benedict liebevoll.

„Er wird jeden Tag schwächer, fürchte ich. Er möchte, dass wir Olivia mit uns nach London nehmen. Ihm ist bewusst, dass sie jetzt in die Gesellschaft eingeführt werden sollte.“

„Ist er stark genug für einen Anstandsbesuch, bevor ich wieder gehe?“, fragte Benedict besorgt.

„Er würde es uns nie verzeihen, wenn wir das ablehnten!“ Easton lachte in sich hinein.

„Sehr wohl. Ich werde dann kurz vorbeigehen.“

Der Butler brachte das Tee-Tablett und Elly deutete Jolie an, die Rolle der Gastgeberin zu übernehmen.

„Wie hat Hector Dido gefallen?“, fragte Elly, als Jolie den Tee ausschenkte und jedem seine Tasse gab.

„Dido schien nicht beeindruckt“, grübelte Benedict.

„Hector war müde!“, protestierte Easton.

„Oha. Ich habe meine Aufgabe zu gut erfüllt“, sagte Jolie entschuldigend.

„Sie machen nur Scherze. Pferde haben ihre eigenen Paarungsriten. Manchmal braucht es seine Zeit“, sagte Elly zuversichtlich.

„Ich muss gestehen, ich weiß nicht viel über Pferdezucht“, gab Jolie zu.

„Dafür kennen Sie sich aber sehr gut mit Pferden aus.“ Benedict war überrascht über sich selbst, als er das sagte. „Den Hengst haben Sie mit Leichtigkeit unter Kontrolle gehabt.“

„Vielen Dank, Mr. Stanton“, antwortete Jolie bescheiden.

Benedict sah Easton an, leicht amüsiert, dass man ihn Mr. Stanton nannte, aber Elly mischte sich ein, bevor er etwas sagen konnte.

„War Charlotte schon in der Stadt?“

„Nein, angeblich zieht sie Bücher den Bällen vor. Meine Mutter verzweifelt. Sie glaubt, es würde sie überzeugen, wenn ich selbst gehe. Ich hatte gehofft, dass mir das erspart bleibt, aber so wie es aussieht, muss ich wohl.“

„Dann könnt ihr wenigstens zu zweit das Übel ertragen“, sagte Elly zu Easton. „Wir sollten eine kleine Gesellschaft geben für Olivia und Charlotte, da es auch das Ende der Saison ist. Zu dieser Zeit wird man sowieso nirgends mehr einen freien Tag finden, nur die engsten Freunde werden anwesend sein.“

Benedict war überzeugt, dass Lady Easton dafür sorgen würde, aber würde es seiner Mutter gefallen?

„Das klingt für mich annehmbar, wenn ich London schon nicht vollkommen umgehen kann“, stimmte er zu.

Er sah zu der Cousine hinüber, um ihre Reaktion zu sehen, aber sie hatte ihr Gesicht abgewandt, als sie ihre Teetasse betrachtete.

„Jolie kann mir helfen, die Liste und die Daten aufzustellen. Ich werde deiner Mutter einen Brief mit den Namen schicken, damit sie dem zustimmen kann.“

„Sicherlich“, stimmte Jolie zu.

„Nun gut“, seufzte er resignierend.

„Es wird besser werden, als du glaubst, alter Freund“, sagte Easton, als er ihm auf die Schulter klopfte. „Soll ich dich zu Vater bringen?“


Jolie beobachtete, wie Mr. Stanton mit ihrem Cousin davonging und versuchte, ihn vor Elly nicht zu offensichtlich zu bewundern. Aber sie war verzaubert. Das war eine vollkommen neue Erfahrung für sie.

„So sieht Benedict normalerweise aus“, erklärte Elly.

„Er sah aus wie ein echter Gentleman“, bemerkte Jolie unschuldig.

„Ich kann mich täuschen, aber du wirst ihn wohl häufiger sehen, wenn wir Olivia und Charlotte zusammen vorstellen wollen." Elly schenkte ihr ein wissendes Lächeln.

„Ich freue mich über Olivias Gesellschaft. Ich war nicht besonders erpicht darauf, nach unserer Rückkehr allein zu sein. Ich habe nicht erwartet, dass du jede freie Minute mit mir verbringst“, antwortete Jolie ausweichend.

„Ich weiß, und es macht mir nichts aus. Ich war nicht der Liebling der Gesellschaft, so wie du.“

„Wenn ich es nur so gut haben könnte wie du", sagte Jolie wehmütig.

„Ich habe keinen Zweifel daran, dass du den Richtigen akzeptieren wirst, wenn du ihm begegnest“, sagte Elly mit einem Zwinkern.

„Langsam fürchte ich, dass etwas mit mir nicht stimmt. Ich habe mir schon oft gewünscht, dass Vater etwas für mich arrangiert, aber er wollte es nicht. Und obgleich ich die Wahl habe, gibt es keinen, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte“, sagte Jolie leicht frustriert.

„Du kannst dich glücklich schätzen, dass du die Wahl hast.“

„So sagt man mir. Aber im Moment tröstet es mich wenig.“

Andrew riss die Tür auf und rannte atemlos ins Zimmer. „Elly, komm mit!“

„Was ist los, Andrew? Ist alles in Ordnung mit Gwen?“, fragte Elly.

„Das Baby!“, rief er anstelle einer Erklärung.

„Ich hatte es nicht so schnell erwartet.“ Sie sprang aus ihrem Sessel, um ihrem Bruder zu folgen.

„Kann ich irgendetwas tun, um zu helfen?“, rief Jolie ihnen nach. „Obwohl ich so gut wie nichts über Geburten weiß.“

„Nein, ich habe jede Menge Hilfe dabei. Mach die Gästeliste für die Party“, schlug Elly vor, als Andrew sie aus dem Zimmer zerrte.

Jolie wünschte, sie hätte besser bei ihrer Mutter oder ihrer Schwester aufgepasst. Diese konnten gut organisieren, und sie hatte gelernt, sich von deren Führung des Haushaltes fernzuhalten. Aber sie ging davon aus, dass sie eine Gästeliste aufsetzen konnte, wenn sie es versuchte. Sie kannte sich gut aus in der ton, der feinen Gesellschaft, und wusste, wer für die Saison anwesend war. Sie wusste nur wenig über Mr. Stanton, aber er schien die Stadt nicht besonders zu schätzen, daher ging sie davon aus, dass es ihm egal wäre, wen sie einlud.

Sie saß an dem kleinen Eichenschreibtisch und fing an, eine Liste der Familien zu machen, von denen sie glaubte, dass sie für Olivias und Charlottes Debüt passend wären. Sie wusste, dass die Leute kommen würden, da die Eastons nur selten in die Stadt gingen oder jemanden einluden. Sie musste zugeben, dass sie sich jetzt mehr darauf freute, zurückzukommen, jetzt, da sie wusste, dass Olivia bei ihr sein würde. Und vielleicht konnte sie sich mit Charlotte anfreunden - natürlich ohne Hintergedanken. Es waren nicht weniger als einhundert Namen, als sie fertig war. Das war, so glaubte sie, noch wenig nach den gängigen Standards der Gesellschaft.

Es gab immer noch keine Nachrichten von Gwen oder dem Baby, daher schlenderte sie ins Musikzimmer, um sich etwas Zeit am Pianoforte zu gönnen. Sie freute sich jetzt etwas mehr darauf, in die Stadt zurückzukehren, und ihre Musikauswahl spiegelte ihre Stimmung wider. Mozart war etwas erhebender und fröhlicher als die gefühlvollen Stücke von Beethoven und Bach, die sie ausgewählt hatte, seit ihre Familie fortgefahren war. Nachdem sie mit der Rondo Alla Turca fertig war, sah sie auf die Uhr und war überrascht, dass sie seit einer Stunde gespielt hatte. Sie stand auf und streckte sich, bevor sie zum Fenster ging, um hinauszuschauen.

Ihr Herz schlug ein wenig schneller, als sie Mr. Stanton beobachtet, der sich in der Auffahrt mit Easton unterhielt. Ein Stallbursche hatte ihm ein anderes Pferd gebracht, da er Dido hierließ. Er sah großartig aus, als der sich mit Leichtigkeit auf das Pferd schwang, einen braunen Wallach, der hervorragend zu ihm passte. Sie erinnerte sich an seine ungewöhnlichen, bernsteinfarbigen Augen, die sie mit vagem Interesse im Salon beobachtet hatten, und seine leicht gewellten, dunkelblonden Haare, die sein Gesicht mit dem markanten Kinn umspielten. Er war nicht so groß wie Easton, aber er war drahtig und kraftvoll. Er tippte sich an den Hut und trieb sein Pferd vorwärts.

Sie wollte mehr über ihn wissen, über seine ruhige Zurückhaltung und sein mysteriöses Benehmen. Warum hatte sie noch nie zuvor von ihm gehört? Sie wollte Elly so gerne ausfragen, aber sie wusste, dass sie ihr nicht viel sagen würde. Sie glaubte, dass Elly sie bei jeder passenden Gelegenheit verkuppeln wollte. Sie wünschte, sie wüsste mehr über diesen Mann, damit sie mit ihren Gefühlen besser umgehen könnte. Was, wenn sie ihn wirklich mögen würde und er nichts zu bieten hatte? Würde sie ihn auch noch dann mögen, wenn er arm wäre? Sie war angenehm überrascht, dass der fehlende Titel seiner Anziehungskraft keinen Abbruch tat.

Schmelzendes Eis

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