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ОглавлениеKapitel 6
Schulzeit und Rebellentum
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Fidel Castro wurde auf eine von seinem Vater gegründete Grundschule geschickt.
Die Grundschule in Birán. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Als Analphabet hatte der Vater sich lange Jahre mühsam durchschlagen müssen. Darum stand Bildung für ihn hoch im Kurs. Er war es auch, der eine Lehrerin dazu brachte, in dieser Pampa Kinder zu unterrichten.
„Ich hatte zwei ältere Geschwister, Angelita und Ramón, die auf diese Schule gingen, und sie nahmen mich mit, obwohl ich eigentlich noch zu jung war, und setzten mich mitten auf eine Schulbank in der ersten Reihe. .... Vier Jahre alt war ich. Ich lernte, zu schreiben und zu krakeln, indem ich den anderen Kindern zusah und der Lehrerin, was sie mit der Kreide an die Tafel schrieb“56, erinnert sich Castro an sein erstes Schuljahr.
Das Klassenzimmer der Grundschule in Birán. In der ersten Reihe in der Mitte saß Fidel Castro.
Anders als die Kinder der amerikanischen Angestellten der United Fruit Company wurden die Castro-Kinder zusammen mit den Kindern der Landarbeiter und Bauern unterrichtet. Diese kamen barfuß. Sie besaßen oft nicht einmal ein paar Schuhe, ihre Kleidung war ärmlich. Es waren Kinder von Haitianern, die in einfachen Hütten aus Palmfasern und Guano, mit gestampftem Lehmboden lebten. Als Kind sollte er erleben, wie diese Familien eines Tages, auf Grund der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Batistas, aus ihren Hütten vertrieben und auf Schiffe verladen wurden. Dort, wohin man sie brachte, sollte sie ein noch elenderes Dasein erwarten. Mit Entsetzen sah Fidel Castro damals Szenen der Verzweiflung, die sich am Hafen von Santiago de Cuba abspielten.
In der Grundschule lernten die Kinder lesen, schreiben, ein paar Grundrechenarten und das Singen der Nationalhymne. Mehr nicht. Die Lehrerin erkannte Fidels Begabung und nahm ihn und seine ältere Schwester, später auch noch Ramón, mit nach Santiago de Cuba. Doch statt sie zu unterrichten, wie sie versprochen hatte, benutzte sie die Kinder des zahlungskräftigen Patrons nur, um mit dem Geld ihre eigene verarmte Familie über Wasser zu halten. In dem dunklen, feuchten Haus litt Fidel nicht nur unter der Enge sondern musste sich auch in ein Leben des Nichtstuns fügen. Es war verlorene Zeit. Und es war das erste Mal, dass er Hunger am eigenen Leib verspüren sollte: „Bei dieser Familie ging es mit jedem Centavo um Leben oder Tod“57, erinnert er sich an die damaligen Zustände.
Das Haus der Lehrerin in Santiago de Cuba, in dem Fidel Castro als Kind wohnte. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Als Mutter Lina ihre abgemagerten Sprösslinge in den Ferien zu Gesicht bekam, schritt sie energisch ein. Ramón, Fidel und Raúl kamen auf eine ordentliche Schule, das Colegio de la Salle in Santiago de Cuba. Es wurde von französischen Ordensbrüdern geführt. Allerdings setzten deren Strenge, Strafen und Restriktionen den drei Castro-Brüdern ziemlich zu. Die Brüder waren isoliert. Weil sie unehelich und nicht getauft waren, verspotteten ihre Mitschüler sie als „Juden“. Fidel wurde übrigens erst mit acht Jahren getauft. Die Hänseleien ihrer Mitschüler reizten die Brüder mitunter bis zur Weißglut. Doch die Castros, allen voran Fidel, wehrten sich „mit überzeugenden Faustschlägen“58 Besonders aber stieß dem Jungen auf, dass die Schüler immer wieder von den Priestern mit harter Hand gezüchtigt wurden. Vor allem der ihnen zugeteilte Betreuer legte ausgesprochen brutale Erziehungsmethoden an den Tag. Mehrfach traktierte er auch den kleinen Fidel mit Faustschlägen auf den Kopf. So lange, bis dieser sich die Behandlung eines Tages nicht mehr gefallen ließ und mit aller Kraft, die das Kind aufzubringen vermochte, zurückschlug.59
Auch Mutter Lina zeigte sich gerne kämpferisch. Hier 1958 mit Gewehr und Pistole. Birán. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Für die drei Castro-Jungens bedeutete dies jedoch zurück nach Birán. Die Aussicht, von nun an sein Dasein auf den Zuckerrohrfeldern der väterlichen Farm fristen zu müssen, gefiel dem damals elfjährigen Fidel überhaupt nicht. Voller Wut über diese Ungerechtigkeit drohte er seinen Eltern: „Ich sagte ihnen, wenn ich nicht mehr in die Schule gehen dürfte, dann würde ich das Haus abfackeln.“60
Die Eltern Lina Ruz Gonzales und Ángel Castro. Birán. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Ramón blieb auf der Farm und war glücklich darüber. Fidel und Raúl kamen als Internatsschüler auf das Jesuitenkolleg Dolores in Santiago de Cuba. Es galt damals als eines der angesehensten im ganzen Umkreis. Das Kolleg war nur den Söhnen wohlhabender, weißer Familien vorbehalten. Weder Schwarze noch Mestizen waren zugelassen, es herrschte strenge Rassentrennung. Während Raúl die Schule mit dem endlosen „Beten und der Furcht vor Gott“ 61 verabscheute, schien Fidel fasziniert von der Disziplin, dem Charakter und der Unerbittlichkeit des Glaubens der Jesuiten. Dass die spanischen Ordensbrüder allesamt Franco-Anhänger waren, nationalistisch, rechts, rassistisch und reaktionär, bekümmerte zwar den jungen Fidel damals, doch andererseits war er froh, endlich Lehrer gefunden zu haben, die ihn mit Respekt behandelten und die ihn zu fördern wussten: „Der spanische Jesuit kann einem einen großen Sinn für persönliche Würde einschärfen, ein Ehrgefühl. Er weiß Dinge wie Charakter, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Mut einer Person zu würdigen und anzuerkennen. Oder die Fähigkeit, ein Opfer zu bringen. Das sind Werte, die sie begeistern.“62
Raúl Castro als kleiner Junge in Uniform. Birán. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Noch einmal wechselte er und kam schließlich an die renommierteste Schule auf ganz Kuba, das Jesuitenkolleg Belén in Havanna. Bereits bei seiner Aufnahmeprüfung im Oktober 1941 hinterließ der junge Fidel Castro einen bleibenden Eindruck bei seinen Lehrern, während seine distinguierten Mitschüler aus der Oberklasse den Bauernsohn aus dem als rückständig belächelten Osten eher mit Herablassung behandelten. Doch Castro bewies sich. Im Sport als der beste Baseballspieler des Schulteams, im Unterricht wegen seines enormen fotografischen Gedächtnisses. Er verblüffte alle, da er ganze Buchseiten, die er kurz zuvor gelesen hatte, auswendig wiedergeben konnte.
Castro lernte an dieser Schule auch die Schriften José Martís kennen, mit deren Gedankengut er sich bald schon identifizierte. 1945 schaffte er seinen Abschluss als einer der besten Schüler des Internats. Stolz schenkte ihm sein Vater zum bestandenen Abitur ein nagelneues Ford Cabrio. Das Fahren brachte er sich selbst bei.
Bachelor-Diplom Fidel Castros, Havanna, vom 29. September 1945, Birán. Interessant ist hier der zweite Name Fidel Castros, nämlich Casiano. Dies spricht für die These, dass er sich später den Namen „Alejandro“ in Anlehnung an Alexander den Großen selbst gegeben hat (s. Norberto Fuentes, die Autobiographie des Fidel Castro). Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Kurz darauf schrieb er sich für das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Havanna ein. Und damit begann eine knallharte Lehrzeit, die so gar nichts mit den gängigen Vorstellungen eines Jurastudiums gemein hat. Denn an der Universität glänzten viele Professoren mehr durch Abwesenheit, während Studenten sich gewalttätige Machtkämpfe um die Kontrolle der studentischen Gremien lieferten. Die Universität galt als Sprungbrett in die politische Führung des Landes.