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ОглавлениеKapitel 1
Überfall auf die Moncada-Kaserne
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Der Unterkiefer des ausgebleichten Pferdeschädels klappert gespenstisch im Takt der Trommeln. Einem Dämon gleich tanzt das Skelett durch die Gassen, eingehüllt in Stofffetzen und einen Rock aus Palmfasern und Gräsern. Es hüpft und springt inmitten seiner furchterregenden Comparsa, seiner Gruppe. Kleine Glöckchen an den Fußgelenken und um die Taille reihen sich mit ihrem Klang in den schleppenden Rhythmus der Bratpfannen, der Bremsscheiben, Basstrommeln und der Congas ein. Es sind Kokoríkamos1, maskierte Wesen, die die kreischende Menge am Straßenrand erschrecken, sobald ihr Anführer das Zeichen dazu gibt.
Ihnen folgen unheimliche Gestalten, eingehüllt in kapuzenartige Mehlsäcke, die Gesichter mit Rötel und schwarzer Farbe fratzenhaft unkenntlich gemalt. Dazwischen kubanische Schönheiten, grellbunt geschminkt, in farbigen Tüchern und mit viel nackter Haut. Rhythmisch wiegen diese Königinnen aus den Armutsvierteln ihre Hüften im Takt der Musik. Rum fließt in Strömen, ausgetrocknete Kehlen lechzen nach kühlem kubanischem Bier. Es ist Juli, eine schwülheiße Nacht, die Stadt ein tobender, tanzender Hexenkessel: Santiago de Cuba feiert Karneval.2
Karnevalsfigur aus dem Karnevalsmuseum in Santiago de Cuba. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Und für das, was sie vorhaben, eignet sich dieses bunte, ausgelassene Treiben hervorragend — unter all den Teufeln, Dämonen, kubanischen Schönheiten und gaffenden Menschenmassen würden sie nicht auffallen. Außerdem ließen sich unter riesenhaften Kapuzen, Kostümen und großen Trommeln hervorragend Waffen verbergen.
Karneval in Santiago de Cuba. Bildquelle: Leonide Perez
Während Santiago de Cuba seinen Karnevalsrausch ausschläft, schlagen sie zu. Sie sind an die hundert Männer und zwei Frauen. Seit Tagen bügelten die Frauen3 in einer gemieteten Hühnerfarm nahe der Küstenstadt Siboney die selbstgeschneiderten Armeeuniformen, während die Männer Waffen im Brunnen versteckten. Das Ziel des Angriffes erfahren sie erst kurz vor dem Losschlagen von ihrem Führer.
Am frühen Morgen des 26. Juli 1953, einem Sonntag, rasen sechsundzwanzig amerikanische Limousinen – alles Mietwagen – über die Avenida Garzón. Die Insassen: Unteroffiziere4, zumindest den Uniformen nach. Einzig die flachen Schuhe verraten5, dass sie keine Regierungssoldaten sind. Um 5:15 Uhr haben sie ihr Ziel erreicht: den Kasernenkomplex Moncada, die zweitgrößte Kaserne Kubas.
Vorderseite der Moncada-Kaserne mit Einschusslöchern vom 26. Juli 1953. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Das erste Auto fährt zum Tor, hält auf die Wachhabenden zu. Es gelingt, sie zu überwältigen und das Kasernentor zu öffnen. Doch von nun an geht der Plan schief. Denn eine zweite Patrouille taucht unerwartet auf. Bereits das nachfolgende Auto schafft es nicht mehr durch das Kasernentor. Diesen zweiten Wagen steuert Fidel Castro, der Anführer der Rebellen. Ein Hüne von einem Mann und mit einer funkelnagelneuen Brille6 – der Aufstand sollte nicht an seiner Kurzsichtigkeit scheitern. Sein belgisches Jagdgewehr in der linken, eine Pistole in der rechten Hand fährt er den Wagen gegen den Bordstein. Er und seine Männer springen aus dem Wagen, erste Schüsse fallen. Alle nachfolgenden Wagen stoppen ebenfalls. Plötzlich geht die Alarmsirene der Kaserne los. Fidel Castro schießt, steht wie eine Festung im Kugelhagel, bleibt wie durch ein Wunder unverletzt und ahnt doch, dass hier schon alles verloren ist. Castro erinnert sich: „Die Alarmsirenen tobten los und verbreiteten einen unaufhörlichen höllischen Lärm, der mit den Schüssen verschmolz. Alle Männer aus den nachkommenden Fahrzeugen stiegen wie geplant aus und drangen in ein langes, relativ großes Gebäude ein. […] Es war nichts anderes als das Militärkrankenhaus, und sie verwechselten es mit dem Ziel, das sie eigentlich hätten einnehmen sollen. […] Das Problem war, dass der Kampf, der sich eigentlich drinnen in der Kaserne abspielen sollte, nun schon draußen losging, und in dieser Verwirrung nahmen einige das falsche Gebäude ein. ..... Ich trat augenblicklich in das Krankenhaus ein, um den Leuten zu sagen, dass sie sich geirrt hatten. […].“7
Am Ende waren sie chancenlos. Fidel Castro befahl den Rückzug. Doch Panik und mangelnde Koordination ließen an die sechzig Rebellen kämpfend im Kasernengelände zurück. Die Aktion war ein Desaster, sie endete in Chaos und Tod. Die Zurückgebliebenen wurden ein Opfer desjenigen, dem ihr ganzer Hass gegolten hatte: des Diktators Fulgencio Batista. Nach ihrer Gefangennahme wurden sie von Batistas Schergen bestialisch gefoltert und umgebracht8. Dieses brutale Vorgehen sickerte trotz Pressezensur allmählich durch. Als auch noch heimlich aufgenommene Fotos der Gemarterten auftauchten, brachte dies die Bevölkerung schließlich gegen den Diktator auf. Ihre heimlichen Sympathien galten fortan den Rebellen. Fidel Castro selbst war zunächst die Flucht gelungen, doch nach fünf Tagen wurde auch er gestellt. Hier hätte jener Mann, der in nicht allzu ferner Zukunft seine Palmeninsel des Sozialismus nach seinen Vorstellungen gestalten sollte, ein frühes und leidvolles Ende finden können. Das Schicksal wollte es anders.