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Kapitel 2 - März – Juli 08
ОглавлениеHeute gibt es „MÄRZENBECHERGRÜßE“ und Neues vom Mas.
Wie war unser erstes Vierteljahr, wie ist unser neues Leben in unserer neuen Heimat?
Das klappt aber nur deshalb mit dem Schreiben, weil seit zwölf Stun-den ein heftiger Mistral weht, draußen wurschteln wäre jetzt unan-genehm. Es war ja schon fast frühsommerlich warm zwischendurch, aber dieser Wind, dieser böse Wind, der drückt dann die Temperaturen wieder runter.
Ich erzähle, während der Gatte eine neue Lichtleiste im Ankleide-zimmer anbringt. Wir sind sowas von vornehm geworden! Bei den vielen Gemächern hätte man gut und gerne auch ein Séparée für den Hund einrichten können.
Dann müssen noch ein paar Bilder im Gästezimmer aufgehängt wer-den, denn ab der nächsten Woche sind wieder Gäste zu erwarten.
Im Haus gibt es natürlich immer noch viel zu tun, aber wir wurschteln uns voran. Eigentlich ist es schon jetzt saugemütlich, und manchmal, wenn wir so abends geschafft vor dem Kamin sitzen, mit einem Glas Rouge, dann staunen wir immer noch über unser Glück.
Ich sitze grad so bequem, da werde ich Euch ein bisschen erzählen von B., unserer neue Heimatstadt.
Es ist ein typisches Provencestädtchen, als Sahnehäubchen hat es einen Hafen im Zentrum; die meisten Besitzer der Boote, die dort vor Anker liegen, wohnen ganzjährig auf ihren Schiffen: Holländer, Belgier, Engländer, Franzosen. Am Anfang wurden wir immer gefragt, ob wir vielleicht auch auf einem Boot wohnen würden….
Parallel zum Hafen ist ein großer Platz mit Platanen bestückt, wie das so ist im Midi.
Genau dort ist donnerstags und sonntags bis mittags Markt. Und das bedeutet, da ist Leben. Sonntags sind alle Läden offen. Dann holen wir uns die Zeitung, den „Midi Libre“, denn man möchte schließlich wissen, wie die Bürgermeisterwahl ausgehen wird und was auf der Jahresversammlung der Stierkampffreunde so gestritten wurde.
Danach holen wir uns unsere Austern von einem Stand, der am Wo-chenende seine Meeresfrüchte feilbietet, setzen uns ins Café, ich trinke einen Rosé, der Gatte bevorzugt einen Pastis, und wir schauen dem Treiben zu, bevor wir wieder heimfahren und die Austern verknuspern. Haben natürlich auch ein frisches Baguette gekauft.
Tägliche Rituale: nach unten schleichen, einen Espresso trinken und dabei beobachten, wie die Sonne auf der Ostseite über das Dach von Madame Dijolles Haus klettert. Ach, das Licht! Es ist Klischee, ich weiß, aber ich weiß auch, dass es so ist, - und Ihr wisst es auch…
Elvis und ich ziehen dann später los auf unsere morgendliche Sportel-runde, durch die Weinfelder, bis zum Kanal, eben jener Kanal, der im Hafen von B. anfängt und immer weiter nach Westen führt bis nach Bordeaux.
Bevor wir zurücklaufen, verschnaufen wir ein bisschen, dabei frage ich meinen Hund, wie er es so findet hier, und er sagt jedes Mal, er wäre sehr zufrieden.
Auch draußen haben wir schon schwer gewerkelt.
Im Februar hatten wir in einer Gärtnerei einen Großeinkauf getätigt, die haben angeliefert und Jean Dias, der Portugiese, der Neffe von Lori, hat alles im Garten eingepflanzt.
Bambus, Pittosporum, den mexikanischen Orangenstauch - Santoli-nen, eine 15m lange Lavendelreihe, Olivenbäume, Zypressen, - die typischen Pflanzen des Mittelmeeres eben.
Bei der Pflanzaktion beobachte ich einen Radelfahrer, der jeden Morgen an unserem Garten vorbeifährt, sehr langsam, schließlich am Brückchen anhält, absteigt und guckt. Ich gucke zurück. Auf mein „bonjour“ kam keine Reaktion. Nach einpaar Tagen hab ich ihm den Beinamen „Hahnejökel“ verpasst, so nannte meine Großmutter Typen, die ein wenig aus der Spur waren, aber im Prinzip harmlos. Ich entschied mich auch für diese Variante.
Eines Tages stand er da wieder nur so rum, und auf einmal grüßt er mich und erzählt, leicht wirr, dass dieses Stück Garten, den wir erst zu einem machen wollen, früher mal der Gemüsegarten seines Großvaters war .Und in dem er als Kind gespielt hat.
Jetzt wissen wir auch, woher die zwei Kirschbäume kommen und die riesige Feige. Und die hervorragende Qualität der Erde.
Er jökelt in Abständen immer mal wieder vorbei, manchmal grüßt er, manchmal nicht. Aber wenn er gute Erinnerungen an seinen Großvater hat, ist das schön, und dann darf er auch gucken.
Vorn am Eingangshof, nach Nordwesten gelegen, hat inzwischen ein schönes schmiedeeisernes Hoftor mit vergoldeten Spitzen seinen Platz gefunden! Der Gatte hat eine vorhandene Mauer verlängert, um das Tor einzupassen. Versaille, ja, genau so. Tisch, Stühle, eine Bank, Pötte, alles schon sehr einladend. Ich könnte mir gut vorstellen, dass dies unser Abendplätzchen wird bei Sonnenuntergang. Wenn der Mistral nicht weht, versteht sich.
Da vorne haben wir Lorbeer, Oleander und Hortensien gepflanzt, und mittendrin…die einzige Rose, die wir aus D. mitgenommen hatten, „Félicité Parmentier“. Sie hat Umzug und Vernachlässigungen nicht übelgenommen und treibt aus!
Dieser Gartenteil nach Norden direkt am Haus sah wirklich furchtbar aus, ein paar zauselige Büsche, ein Stück Wiese, eine Brache. Aber es hatte sich ja auch nie jemand gekümmert. Das Haus war bis zu diesem Zeitpunkt nur im Sommer an Feriengäste vermietet, und Sommergäste haben nun mal keine Veranlassung, irgendwas im Garten zu machen.
Auf der Südterrasse sind Kletterrosen gepflanzt, Zitronen- und Oli-venbäume stehen in Kübeln, ein paar Hortensien im Schatten. Sie fühlen sich alle sichtbar wohl, weil hier ihnen ja auch der Mistral nicht zusetzt. Über den wird noch zu sprechen sein!
Am Pool, im Garten, angelehnt an das Poolhäuschen, haben wir eine Pergola aufgestellt, gabs günstig als Fertigteil im Baumarkt.
Obendrüber ist eine Strohabdeckung als Sonnenschutz, ist ja die volle Südseite. Rechts und links sitzen zwei Glyzinien, mittig ein Jasmin. Ihr dürft ab jetzt klettern!
Solche Arbeiten kriegen wir noch allein hin. Die schweren Sachen machen eben die Portugiesen. So wie Lori, unsere Zugehfrau, unsere „femme de ménage“. Sie wohnt gegenüber und hat noch am Tage unseres Einzugs dieses Haus unter ihre Fittiche genommen. Auch hier wieder „danke, Schicksal!“. Sie ist so ein kleines, rundliches Energie-bündel, so eine, die reinkommt, in die Hände klatscht und nicht lange fackelt. Und wenn sie sagt, die Betten werden heute neu bezogen, dann würde ich nie widersprechen. Allerdings ist sie grobmotorisch angelegt. Ich geh weg, wenn sie den Staubsauer schwingt, hab ein bisschen Angst um meine Deko.
Möchtet Ihr jetzt einen ersten kurzen Blick ins Haus werfen?
Bibliothek, Esszimmer, Küche mit großem Kamin, die drei Räume ge-hen ineinander über. Alte Bodenplatten aus dem Burgund, der Fuß-boden in der Bibliothek hat das für ein „Maison der Mâitre“ typische schwarz-weiße Rautenmuster. Hohe Decken, teils Stuck, teils Holz-kassetten. Zur Geschichte des Hauses werde ich mich noch kundig machen.
Die Böden sind ganz schön uneben. Unter jedes Bücherregal wird ein Hölzchen geschoben. Na und?
Mit der Hausführung mache ich im nächsten Brief weiter, dann reden wir über T1, T1b..usw., das ist jetzt alles ein bisschen verwirrend.
* * *
Ein Wort zu Elvis: ich darf den Begriff „Leben wie Elvis in Frankreich“ mal strapazieren, das trifft es nämlich. Wir machen die Haustür auf, er darf frei herumstrunkeln, durch die Weinfelder schlendern, sich mit Kumpels treffen. Die gefährliche Landstraße ist weit genug weg. Hier am Haus vorbei führt nur ein Wirtschaftsweg. Er hat sein Terrain voll im Griff und ist zufrieden. Wir auch!
Der Mistral rappelt nach wie vor an den Läden; ich werde jetzt nach unten gehen und den Gatten an seine Küchenpflichten erinnern. Mir ist nach einer leckeren Kleinigkeit, einen Rosé dazu, und dann mal sehen, wie der Tag sich so entwickelt.
Bis zum nächsten Mal.
Ihr wisst, wenn es nur ginge, würden wir Euch so gerne ein bisschen was vom blauen Himmel schicken.
P.S. Es gab knusprig gebratene Rotbarben auf Blattspinat! War wohl schon mehr als eine Kleinigkeit…