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IV. Die Vormachtstellung der Franken
ОглавлениеDas Langobardenreich wurde während des gesamten 8. Jahrhunderts von Vormachtkämpfen mit Byzantinern, Exarchen, Päpsten und Franken erschüttert. Eine längere Ruhephase gab es nur während der langen Regierungsdauer König Liutprands (712–744). Unter seinem Nachfolger Ratchis (744 –749) brachen wegen unterschiedlicher politischer Grundausrichtungen des Königs und seiner Herzöge neue Krisen aus. Ratchis suchte den Ausgleich mit Rom und Ravenna-Byzanz, doch die Opposition zwang ihn zu einem Militärschlag gegen die Pentapolis und damit gegen Byzanz. Während der Belagerung Perugias vermittelte Papst Zacharias einen Waffenstillstand, den die langobardischen Gefolgsleute Ratchis’ aber nicht mittrugen; sie verjagten ihren König und erhoben an seiner Stelle dessen Bruder Aistulf; Ratchis zog sich enttäuscht ins Kloster Monte Cassino zurück.
Der tatkräftige Aistulf (749 –756) war eher nach dem Geschmack der Langobarden, obwohl seine Erhebung letztlich den Untergang ihres Reiches heraufbeschwor. Energisch konsolidierte er seinen Machtbereich, unterwarf die päpstlichen Verbündeten Spoleto und Benevent und stand 751 vor Rom – das Langobardenreich hatte seine größte Ausdehnung erreicht. In seiner Not suchte der Papst verzweifelt bei den Franken Schutz, obwohl es seit dem gescheiterten Hilfegesuch Papst Gregors III. an Karl Martell 739 keinen erkennbaren Kontakt mehr gegeben hatte. Die Nachrichtenverbindung zwischen Rom und dem Frankenreich lief über den Missionar Bonifatius, dessen Verhältnis zu Karl Martell eher kühl war. Das änderte sich, als dessen Söhne, Karlmann und Pippin III., an die Macht gelangten und eng mit dem Angelsachsen zusammenarbeiteten.
751 war die Zeit reif für einen Dynastiewechsel im Frankenreich. Die Karolinger entmachteten die zu ihren Marionetten herabgesunkenen Merowinger; aber dem „Staatsstreich“ haftete etwas Anrüchiges an. Daher sandte Pippin Vertraute nach Rom, um nach angelsächsischem Vorbild handlungsleitende Maximen zu erhalten. Glaubt man den Reichsannalen, der offiziellen fränkischen Hofhistoriographie, so fragte der Karolinger nach, ob es gut sei, dass diejenigen Könige im Frankenreich seien, die keine königliche Macht mehr besäßen. Der heftig von den Langobarden bedrängte Papst Zacharias antwortete wunschgemäß, dass es besser wäre, wenn diejenigen Könige seien, in deren Händen die Macht läge, weshalb er kraft apostolischer Autorität befehle, Pippin zum König zu machen. Rechtsverbindlich wurde der Dynastiewechsel damit freilich nicht, sondern erst durch die Wahl der Franken mittels Akklamation und Thronsetzung 751 in Soissons, aber das Papsttum hatte Pippin die autoritative Grundlage verschafft, auf der sein Königtum gründen sollte.
Als sich die Lage in Rom zuspitzte, ersuchte der neue Papst, Stephan II., um eine Einladung ins Frankenreich, wo ihn am 6. Januar 754 Pippin in der Pfalz Ponthion ehrenvoll empfing. Die Bitte um bewaffnete Hilfe gegen die Langobarden fand bei den Franken keine einhellige Zustimmung, da viele sich mit den Langobarden verbündet und versippt hatten. Pippin schloss dennoch ein Freundschaftsbündnis mit dem Papst und versprach ihm in der sogenannten Pippinischen Schenkung große Teile des Langobardenreiches, das der Franke gleichsam auf dem Reißbrett in zwei Teile zerlegte: Der Norden sollte den Franken zufallen, der Süden, der den römischen Dukat, byzantinische Besitzungen, den Hafen von Luni sowie wesentliche Gebiete um Ravenna und in der Pentapolis sowie die Verbindungsstraße zwischen diesen Liegenschaften, Teile Venetiens und Benevent sowie Spoleto umfasste, dem Papst. Diese Schenkung war bestenfalls eine Absichtserklärung für den Fall zukünftiger militärischer Gewinne, denn 754 verfügte Pippin noch über keinen Meter dieser Liegenschaften. Dennoch stellt die Pippinische Schenkung die Grundlage für die Souveränität des Papsttums und die Ausbildung des Patrimonium Petri auf italischem Boden dar. Noch 754 brach Pippin zum Feldzug gegen Aistulf auf und rang ihn im Piemont nieder. Der Langobarde schloss einen Friedensvertrag, rückte aber dennoch 756 neuerlich mit einem in drei Säulen gestaffelten Heer gegen Rom vor. Noch einmal überwand Pippin mit Heeresmacht die Alpen und diesmal erlitten die Langobarden eine vernichtende Niederlage. Fortan waren sie den Franken tributpflichtig und mussten die byzantinischen Städte des Exarchats an das Papsttum übergeben; der Niedergang des Langobardenreiches war die Geburtsstunde des späteren Kirchenstaates.
Unter Aistulfs Nachfolger Desiderius (756 –774) schien sich die Lage zu entspannen, aber er liebte das Risiko. Nach der Einnahme Spoletos und Benevents bedrohte er erneut Rom. Zugleich verheiratete er seine Schwester Liutperga mit Herzog Tassilo III. von Bayern. Da Karl der Große ebenfalls mit einer Tochter des Desiderius vermählt war, schien die Hochzeit den Wiederaufstieg des Langobardenreiches anzukündigen. Aber der Schein trog, denn Karl verstieß seine Gattin und wandte sich vom Langobardenkönig ab. Plötzlich war aus der langobardisch-bayerischen Allianz eine antikarolingische Demonstration geworden. Als sich Desiderius in innerkarolingische Streitigkeiten einmischte, seine Verhandlungen mit dem Papsttum scheiterten und er zu einem Heerzug gegen Rom rüstete, nahm die Katastrophe ihren Lauf. Der Papst bat Karl den Großen um Hilfe, der trotz anhaltender Sachsenkriege im Spätsommer 773 über die Alpen zog. Während sein Heer Pavia belagerte, reiste Karl zu Ostern (3. April 774) nach Rom, was den Papst zutiefst erschreckt haben dürfte. Zwar war ihm an einem machtvollen Helfer gelegen, nicht aber an einer großen räumlichen Nähe oder gar permanenten Präsenz des Karolingers in der Ewigen Stadt. Karl jedoch betete in Rom scheinbar nur wie ein Pilger und wandte sich rasch wieder nach Norden. Kaum zurückgekehrt, überwältigte er Desiderius und eroberte Pavia.
Anders als sein Vater demütigte Karl die Langobarden nicht nur. Ohne formellen Wahlakt eignete er sich die Krone ihres Reiches an und nannte sich seit dem 5. Juni 774 König der Franken und der Langobarden sowie Patricius Romanorum. Nur Benevent entzog sich dem karolingischen Zugriff; alle anderen Teile des Langobardenreiches fielen künftig unter karolingische Zuständigkeit. Um eine Rückkehr Desiderius’ zu verhindern, wurde er mit seiner gesamten Familie in fränkische Klosterhaft gesperrt.
Die langobardische Kultur hatte sich schon vor dem Zusammenbruch stark verändert. Seit dem 7. Jahrhundert war die Romanisierung nicht mehr aufzuhalten. Immer herrschte im Langobardenreich Zweisprachigkeit, wobei sich das Latein als überlegen erwies, auch weil das Langobardische nicht verschriftet wurde. Die Möglichkeit rechtsgültiger Ehen zwischen Romanen und Langobarden beschleunigte den Anpassungsprozess. In der Mode und dem Schmuck kam es zu regem Austausch, doch imitierten vor allem die Frauen die romanische Mode, während die Männer sich traditioneller kleideten und schmückten. Weit mehr als ein schickes Accessoire waren die aufgenähten Goldblattkreuze, die ursprünglich aus Byzanz stammten. Sie symbolisieren den sich beschleunigenden Übergang der arianischen Langobarden zum Katholizismus. In der Gestaltung der Goldblattkreuze jedoch tradierten die Langobarden ihr eigenes Kunstwollen und befruchteten die frühmittelalterliche Ornamentik. In den Klöstern im Langobardenreich entstehen nach 750 Meisterwerke der Buchkunst – die Grundlage der sogenannten karolingischen Renaissance.
Obwohl sich das Latein behauptet hatte, war es nicht mehr die klassische Sprache Ciceros; vielmehr zeichneten sich Veränderungen ab, die für Italien wichtig wurden. Niemals war die einfache Volkssprache deckungsgleich mit dem komplexen, eleganten Latein der Hochgebildeten gewesen. Während des 7. und 8. Jahrhunderts finden sich Lautveränderungen, die noch nicht zwangsläufig in ein frühes Italienisch münden mussten, die sich aber im späteren Italienisch wiederfinden. So wird planus zu piano, factum zu fatto. Noch fehlt eine volkssprachliche Literatur, aber die ersten Anzeichen für die geliebte Sprache Dantes und die vielleicht wichtigste integrative Klammer Italiens lassen sich gerade in dieser Umbruchszeit erkennen.
Obwohl Desiderius die volle Härte Karls traf, bewies der Karolinger gegenüber dem Langobardenreich Augenmaß und ließ es fortbestehen, wenn auch unter anderem Vorzeichen. Weder Jurisdiktion noch Administration wurden nivelliert und den fränkischen Gepflogenheiten angepasst, um das Selbstwertgefühl der Langobarden nicht zu beschädigen und ihre Integration in das Frankenreich zu erleichtern.
Bestes Beispiel für die Toleranz Karls sind die langobardischen Bildungseliten, vor allem der Geschichtsschreiber Paulus Diaconus. 720/30 in Cividale geboren, stand er dem Langobardenhof sehr nahe. Sein Ruf als exzellenter Lehrer und Autor der für Adelperga, Tochter des Desiderius, und Herzog Arichis verfassten Historia Romana war bis an das Ohr des Karolingers gedrungen. 782 begab sich Paulus Diaconus an Karls Hof, um die Freilassung seines Bruders zu erwirken, der 776 bei einem Aufstand in Friaul gefangengenommen worden war. Karl entsprach seinem Wunsch, forderte allerdings, dass Paulus Diaconus als Lehrer an seinem Hof bliebe. Rasch gewann der hochgebildete Historiograph großes Ansehen und schrieb hier die karolingerfreundlichen, die Familie Karls glorifizierenden Gesta episcoporum Mettensium, wohl in Anlehnung an den Aufbau des Liber Pontificalis. 787 zog er sich ins Kloster Monte Cassino zurück, wo er zu den Mitbegründern einer reichen Kulturblüte gehörte. In der Abgeschiedenheit widmete er sich seiner Historia Langobardorum.
Fingerspitzengefühl bewies Karl auch hinsichtlich Pavias, das Verwaltungsmittelpunkt und Integrationszentrum blieb. Auch in der Jurisdiktion und der Gesetzgebung war er vorsichtig. Ganz bewusst erließ er Kapitularien ausschließlich für das Langobardenreich, um dem Gefühl der Überfremdung entgegenzuwirken. Auch im Königstitel Rex Francorum et Langobardorum zeigt sich, dass es Karl vermied, die Empfindlichkeiten der fränkischen Großen zu verletzen, auf deren Loyalität er angewiesen war, und das Selbstwertgefühl der Langobarden zu beschädigen.
Selbstverständlich gestaltete Karl das neue Reich trotzdem nach seinen Vorstellungen, wo immer ihm dies nötig erschien. Dies betraf vor allem die Herzöge. In seinem Kernreich hatte Karl die Herzöge zielstrebig entmachtet, und auch südlich des Alpenhauptkammes setzte er seine Politik fort; an ihre Stelle traten nach fränkischem Vorbild Grafen.
An neuralgischen Punkten richtete Karl zur Verteidigung Marken ein. Dabei konnte er auf langobardische Vorarbeiten zurückgreifen, denn im Friaul, um Ivrea, in Camerino und der Toskana fand er bereits befestigte, in ihrer politischen, administrativen und militärischen Struktur verdichtete Räume vor, die den Langobarden als wehrhafte Puffer nützlich gewesen waren.
Zur Befriedung unruhiger Gegenden und zur Sicherung wichtiger Straßen und Passverbindungen siedelten die Karolinger fränkische Wehrbauern an, die sich um Verona, am Fuße des Brennerpasses und am Südende des Comer Sees, dem Zielpunkt der Bündner Pässe, aber auch entlang der Via Francigena massierten, wobei vor allem Parma, Piacenza und der alte toskanische Vorort Lucca besetzt wurden. Bemerkenswerterweise gibt es im Dukat von Rom, der Pentapolis und dem Exarchat von Ravenna keine Hinweise auf eine vergleichbare Ansiedelungspolitik. Hier nahm Karl – ebenso wie seine Nachfolger – Rücksicht darauf, dass die Gebiete kraft der Pippinischen Schenkung dem Papsttum gehörten, dessen Kooperation die Karolinger zur inneren Stabilisierung und Integration ihres Riesenreiches benötigten. War auch die reale politische Macht des Nachfolgers Petri marginal, wog sein moralisches Gewicht doch schwer und seine Stellungnahme konnte stimmungs- und meinungsbildend sein.
Da die Langobarden die Bistumsstruktur nicht grundsätzlich vernichtet hatten, konnte Karl auf ein lebendiges und in der Spätantike an neuen Aufgaben gereiftes kirchliches Netzwerk zurückgreifen. Um verlässliche geistliche Oberhirten zu gewinnen, besetzte er – wo immer es ging – oberitalienische Bischofsthrone mit fränkischen Vertrauten, nicht aus übergroßem Misstrauen gegenüber den lokalen Eliten, aber Karl zog den hohen Klerus zu Militärdiensten und Heeresfolge heran; eine Inanspruchnahme, wie sie vor 774 auf italischem Boden ungebräuchlich war. Unter Karl und seinen Nachfolgern erhielten Pavia, Verona, Vercelli und Novara fränkische Bischöfe, vielleicht auch Mailand und Reggio Emilia. Nach Karls Tod wurden italienische Bistümer noch internationaler besetzt: In Vicenza amtete ein bayerischer Oberhirte, in Brescia ein Alemanne und in Fiesole ein Ire. Besonderes Augenmerk richtete Karl auf geostrategisch bedeutende Diözesen entlang wichtiger Straßen oder in Grenzregionen. In Aquileja, der Hüterin des Friaul, erlangten nur zuverlässige Getreue den Patriarchen-Thron.
Der Einsatz Landfremder als Bischöfe hatte für die Karolinger viele Vorteile. Die neuen Oberhirten verfügten vor Ort über keine Hausmacht und waren daher von der Rückendeckung des Herrschers abhängig. Zudem konnten sie in der Fremde nicht in einen Loyalitätskonflikt zwischen den Interessen des Reiches, ihres Bistums und ihrer Familie geraten. Dennoch berief Karl auch reichsorientierte und zuverlässige einheimische Kleriker, um kein Gefühl der Überfremdung in der Bevölkerung aufkommen zu lassen. Weit stärker als vor 774 empfing die Kirche reiche Privilegien und Schenkungen, musste hierfür aber eine Fülle von Leistungen und Diensten für den König übernehmen. Neben der Pflicht zur Heeresfolge oblag den Bischöfen ein Großteil der sozialen Fürsorge, die Pflege einer prosperierenden Wirtschaft und die Förderung agrarischer Innovationen; außerdem ruhte die schriftliche Administration auf ihren Schultern.
Die enge Vernetzung der oberitalienischen Kirche mit dem Reich und die Nordausrichtung der Bischöfe verbanden beide Reichsteile über die Trennmauer der Alpen hinweg. Die Bindung überlebte, wenn auch abgeschwächt, das Mittelalter und dauerte bis in das Risorgimento fort. Die enge Verknüpfung konnte reifen, da die Karolinger das Langobardenreich immer als geschlossene Einheit betrachtet hatten. In ihren Reichsteilungen wurde es stets als Ganzes weitergegeben und fungierte seit 781 als Unterkönigtum für die Herrschersöhne. Als ersten setzte Karl der Große Pippin ein, der freilich noch zu jung war, um die Regierungsgeschäfte selbständig zu führen; an seiner Stelle agierte Abt Adalhard von Corbie.
Der Erhebung Pippins ging ein neuerlicher Rombesuch Karls zu Ostern 781 voran. Damals ließ er seinen vierjährigen Sohn Karlmann vom Papst taufen, der die Patenschaft übernahm. In der Taufe erhielt Karlmann den Traditionsnamen der Karolinger und hieß fortan Pippin. Am Ostermontag wurden Pippin und sein Bruder Ludwig in St. Peter zu Königen gesalbt und Karl wies ihnen ihre künftigen Reiche zu: Pippin bekam Italien und Ludwig Aquitanien. Im Anschluss machte sich Karl an die Einlösung der Pippinischen Schenkung, allerdings in weit geringerem Umfang als der Papst gehofft haben dürfte. Er übereignete ihm nur die zum Herzogtum Spoleto zählende Sabina Langobardica und fiskalische Gefälle in der Toskana; auf weitergehende Ansprüche in der Toskana und in Spoleto dürfte Papst Hadrian I. in einer eigenen Urkunde verzichtet haben.
Wahrscheinlich erwartete Hadrian, Karl würde nun nach Süden ziehen, um dort die Byzantiner zu bekämpfen; aber er wurde enttäuscht. Statt Krieg zu führen, verhandelte Karl mit dem Hof am Bosporus um einen Bräutigam für seine Tochter Rotrud. Auch wenn dieses Ehebündnis nie zustande kam, hatte das Papsttum in seinem Wunsch nach mehr Selbständigkeit und Emanzipation einen herben Rückschlag erlitten.
Die Einheit des Reiches mit Reichsitalien ankert in einer politischen Grundsatzentscheidung des Jahres 800: der Erneuerung des Kaisertums im Westen. Unmittelbar nach seiner Erhebung 795 hatte Papst Leo III. Karl dem Großen sein Wahldekret, die Schlüssel zum Petrus-Grab und eine Fahne Roms übersandt sowie um Machtboten zur Vereidigung der Römer gebeten. Zum Dank schickte Karl einen Teil der Awarenbeute an den Tiber, erläuterte aber zugleich seine Vorstellungen vom künftigen Miteinander des Herrschers und des Papstes. Der Nachfolger Petri habe demnach in erster Linie für den König zu beten, um so dessen Kampf gegen die Feinde der Kirche zu unterstützen. Zudem oblag dem Papst der sakramentale Vollzug der Verehrung Gottes und der Heilsvermittlung; die faktische Aufsicht über die irdische Kirche behielt sich Karl indessen selbst vor. In Rom fand diese Auffassung wenig Gegenliebe und das Papsttum verschaffte seinem eigenen Standpunkt optischen Ausdruck. Noch vor 800 entstand ein Silberbild in St. Peter, das Petrus als Schutzherrn des Papstes und des Frankenkönigs zeigt. In Santa Susanna prangten im Apsismosaik Papst Leo und König Karl und im Triklinium des Lateran entstand ein berühmtes, heute barockisiertes Mosaik: Christus entsendet die Apostel und übergibt in diesem Kontext Petrus die Schlüssel der geistlichen Gewalt und Konstantin eine Fahne als Symbol der weltlichen Gewalt. Petrus überreicht daraufhin Leo III. das Pallium und Karl eine Fahne.
799 kam es in Rom zum Aufstand gegen Papst Leo III., dessen Lebensstil Anstoß erregt hatte. Der Papst wurde gefangengenommen, aber nicht, wie vielfach behauptet, verstümmelt und konnte entkommen. Ohne Aufenthalt reiste er nach Paderborn und Karl der Große versprach Hilfe, ohne zu diesem Zeitpunkt das Kaisertum mit aller Macht anzustreben. Das Haupthindernis dürfte wohl die Person des Papstes gewesen sein; dennoch erörterte man in Paderborn die wichtigsten theologischen, politischen und rechtlichen Fragen. Im August 800 kündigte Karl einen Romzug an.
Gentile Bellini, Prozession vor San Marco, 1496.
Am Weihnachtstag des Jahres 800 krönte Leo III. schließlich Karl den Großen zum Kaiser, obwohl dieser mit dem Prozedere, vor allem mit der Akklamation durch die Römer, nicht einverstanden und darüber verärgert war. Sein hochkomplizierter Kaisertitel verdeutlicht die Schwierigkeiten, denen sich Karl nach der Kaiserkrönung gegenübersah: „Der erhabenste, von Gott gekrönte, große und friedfertige Kaiser, der das Römische Reich regiert und durch Gottes Gnade König der Franken und der Langobarden ist“. Karl durfte um keinen Preis die Franken düpieren, deren Loyalität seine Herrschaft stützte. Zugleich beschwor die Kaiserkrönung Konflikte mit Byzanz herauf. Dort war der Herrscherthron keinesfalls vakant, sondern es regierte Kaiserin Eirene. Dass die beiden verwitweten Kaiser durch eine Ehe alle Rangstreitigkeiten aus der Welt schaffen wollten, ist wohl nur ein Gerücht; konkrete Hinweise auf Hochzeitspläne fehlen.
Vielmehr versuchten Eirene und Karl ernsten Konflikten aus dem Wege zu gehen und sich gütlich zu einigen. Einen ganz eigenen Problemkreis stellte dabei Venedig dar. Kulturell orientierte sich die Lagunenstadt an Byzanz. Sie bildete den westlichsten Vorposten des Byzantinischen Reiches, diente aber seit jeher nicht als Speerspitze, sondern als Brücke zwischen Osten und Westen. Venedig hatte eine eigene Herrschaftsstruktur unter Führung der Dogen entwickelt, deren Residenz in Malamocco auf dem Lido 811 nach Rialto verlegt wurde. Nur wenige Jahre später (827) gelangten die Gebeine des heiligen Markus aus Alexandria nach Venedig und der Bau des Markusdomes konnte beginnen. Obwohl die Spannungen zwischen den Kaisern im Westen und Osten einigen Dogen das Leben kosteten, profitierte die Stadt vom geschickten Lavieren zwischen den Fronten, wobei sie sich ihre Parteigängerschaft durch Handelsprivilegien teuer bezahlen ließ. 812 einigten sich Karl der Große und Michael I., der Nachfolger Eirenes, auf den Sonderstatus Venedigs, dessen Eigenständigkeit fürderhin akzeptiert wurde. Ein überaus erfolgreicher Sonderweg, der im Kern letztlich wohl der Erneuerung des Kaisertums im Westen zu verdanken war.
Venedig war aber nur ein Konfliktherd auf dem Boden Italiens. Langfristig schwierig gestaltete sich das Verhältnis zum Papsttum. Karl ließ keinen Zweifel daran, dass er die Kontrolle über die Kirche im Diesseits beanspruchte und seine Nachfolger sahen dies ähnlich. Um seinen Herrschaftswillen auch über Rom nachdrücklich zu demonstrieren, ließ Karl nach seiner Kaiserkrönung Machtboten am Tiber zurück, was heftige Irritationen hervorrief. Zwar brauchten die Päpste den Schutz und die Fürsorge des Kaisers, aber an einer dauerhaften Herrschaftspräsenz in Rom lag ihnen nicht.
Von Rom aus lenkte das Kaisertum den Blick weiter nach Süden, wobei sich die Frage stellte, wie weit das Imperium Romanum eigentlich reiche und ob es Süditalien und Sizilien einschlösse. Ein brisantes Problem, das Konflikte mit Byzanz und einem ganz neuen Feind mit sich brachte.
Die militärische Ausbreitung des Islam ließ das Mittelmeer vom mare nostrum der Antike zum Grenzmeer werden, was nicht nur den Fernhandel mit Luxusgütern aller Art stark behinderte, sondern auch Piraterie und Übergriffe auf die Küstenregionen begünstigte. Seit 720 wurde Italien immer wieder von plündernden Sarazenen heimgesucht, die vor allem die Küsten von Sizilien, Sardinien und Korsika unsicher machten. Zudem fiel die alte Kornkammer des Imperiums in Nordafrika nun weitgehend aus. Als die Araber das Heimatbistum des Kirchenvaters Augustinus, Hippo in Algerien, überrannten, brachte man die Gebeine des Heiligen eiligst nach Cagliari. Die räuberischen Überfälle gefährdeten die kostbaren Reliquien aber auch dort, weshalb König Liutprand sie in seine Hauptstadt Pavia bringen und in der neu erbauten Kirche San Pietro in ciel d’oro ehrenvoll beisetzen ließ. Der langobardische Arianer rettete die Gebeine des katholischen Kirchenlehrers! Noch heute ruhen die Reliquien in Pavia, seit dem Spätmittelalter umschlossen von einer vielfigurigen Arca auf dem Hochaltar.
Solange die Sarazenen nur Beute suchten, glaubte man, sie kontrollieren zu können. Das änderte sich schlagartig, als sie zu Beginn des 9. Jahrhunderts verstärkt auf Landnahme aus waren. Als erstes Opfer fiel ihnen 806 die Insel Pantelleria in die Hände. Die dortigen Mönche wurden als Sklaven an die Spanier verkauft. Hier war der neue Kaiser und Schützer der ecclesia catholica gefordert, und Karl machte sich persönlich für die Freilassung der unglücklichen Mönche stark.
Die Verteidigungsaufgaben ruhten aber weniger auf Karl, der sich außerhalb Italiens befand, sondern auf Pippin, der nun seine militärischen Qualitäten beweisen musste. Als die Sarazenen auch Korsika und Sardinien überwältigten, rüstete Pippin eine Flotte aus und dämmte die Gefahr zunächst erfolgreich ein; aber die Beruhigung währte nur kurz. Seit 810 kontrollierten die Araber die Küstenlinien Sardiniens und Korsikas. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie auf Sizilien landen würden, dem lohnendsten Beutestück der italienischen Inselwelt. 827 war es so weit; die Sarazenen landeten nahe Mazara und stießen 831 nach längerer Belagerung auf Palermo vor. Dabei beließen sie es aber nicht, sondern griffen auf die Inseln Ponza, Lampedusa und Ischia aus. Auf dem Festland hatte man gehofft, dass sich die Sarazenen mit den Inseln begnügen würden – vergeblich! 838 plünderten sie Brindisi und Tarent, 840 eroberten sie die wichtige griechisch dominierte Hafenstadt Bari und spätestens jetzt hätten sich die Christen zu einer konzertanten Aktion gegen die andrängenden Muslime aufraffen müssen. Ihr Ausbleiben macht deutlich, wie uneinig die Christenheit tatsächlich war. Der eigene Vorteil wog schwerer als der gemeinsame Glaube. Vor allem Neapel suchte seinen Vorteil in wechselnden Allianzen und unterstützte die Araber bei der Belagerung Messinas. Im Gegenzug halfen die Sarazenen Neapel 836 im Kampf gegen das Herzogtum Benevent. Das Ringen der Seestädte Amalfi und Neapel um Handelsvorteile und die Vormachtstellungen auf dem Meer nutzten die Araber, um Kräfte vertraglich an sich binden, die ihnen eigentlich hätten feindlich gegenüberstehen müssen.
Gleichzeitig ging die Eroberung Siziliens weiter. 843 fiel Messina und die Araber standen plötzlich an der Meerenge den Byzantinern gegenüber. Hartnäckigen Widerstand leistete nur noch der Osten, der dem Ansturm erfolgreicher entgegentrat als der Westen. Aber 878 musste Syrakus die Waffen strecken und 902 fiel Taormina – die Araber hatten ganz Sizilien eingenommen.
Die Handelsverträge hinderten die Sarazenen nicht, ihre Partner gelegentlich plündernd zu überfallen und weiter nach Norden auszugreifen. Bari diente ihnen dabei als vortreffliche Basis. 875 gelangten sie entlang der adriatischen Küste bis Grado!
Auch die tyrrhenische Küste durfte sich nicht in Sicherheit wähnen. Spätestens mit dem Überfall auf Rom und der Plünderung römischer Kirchen wurde schlagartig deutlich, dass die Sarazenengefahr keine räumlichen Grenzen mehr kannte. Kaum waren die Raubscharen abgezogen, begann Papst Leo IV. mit der Ummauerung des Borgo, also desjenigen Teils der Ewigen Stadt, der westlich der Engelsburg und außerhalb der schützenden Aurelianischen Mauer lag. Die nach ihm benannte Leostadt verdankt ihre fortifikatorische Sicherung den Sarazenen!
Und wo waren die karolingischen Kaiser? 824 hatte Lothar I. in der Constitutio Romana festgelegt, dass Kaiser und Papst je einen Beauftragten zur Überwachung der Administration im Kirchenstaat stellen sollten und der Papst nach seiner Wahl und vor seiner Weihe und Inthronisation den Abgesandten des Kaisers den Treueid leisten musste. So viel Einflussmöglichkeit ließ auf Schutz und Hilfe in der Not hoffen, aber die Karolinger ließen in Unteritalien lange auf sich warten, was wohl daran lag, dass der Süden Italiens sowie Sizilien dem Bewusstsein des Kaisers fernstand. Die fränkischen Reichsannalen, sozusagen die Hofhistoriographie, vermelden zwar eine im ganzen wirkungslose Flottenaktion des Markgrafen von Tuszien gegen die Küste vor Karthago (828), aber sie lassen nicht erkennen, dass der Hof die Tragweite der islamischen Expansion richtig eingeschätzt hätte. Spanien und die dortige Ausbreitung der Mohammedaner lagen dem Kaiser näher und hier engagierte er sich auch stärker. Zudem hielten Streitigkeiten innerhalb der Familie die Karolinger in Atem und Unteritalien rückte zunehmend aus ihrem Blickfeld. Erst fast 30 Jahre nach dem epochalen Vertrag von Verdun (843) und der langsamen Verfestigung des Ost- und des Westreiches besann sich Kaiser Ludwig II. wieder auf Italien, das in eben jener Zeit seinen Status als Unterkönigtum abstreifte. Nicht als ferne Macht, sondern in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Führungseliten, die freilich vielfach aus dem Frankenreich stammten, konsolidierte Ludwig II. die Apenninenhalbinsel. 871 gelang ihm dank byzantinischer Flottenhilfe nach langer Belagerung die Einnahme Baris, des Zentrums der Sarazenen auf dem Festland. Die permanente sarazenische Bedrohung ganz Unteritaliens führte zur Formierung neuer Bündnisse aus alten Gegnern, die der gemeinsame Feind zusammenzwang.
Die effiziente Allianz mit Byzanz hielt nicht lange. Ludwig II. schickte sich an, Unteritalien nach eigenem Dafürhalten zu regieren, und ließ die wichtigsten Verteidigungsanlagen Benevents von loyalen Truppen besetzen. Angesichts dieser für Adelchis offenbar überraschenden politischen Entwicklung entschloss sich der Herzog, im August 871 kurzerhand den Kaiser gefangen zu nehmen.
In Erwartung eines neuen Sarazenenangriffs ließ Adelchis Kaiser Ludwig II. frei, presste ihm aber das Versprechen ab, sich niemals an ihm zu rächen. Obwohl der Papst den Kaiser in Rom von dem erzwungenen Eid lossprach, fehlten Ludwig II. die militärischen Mittel, um Adelchis zu beseitigen, der sich zwischenzeitlich mit Byzanz verbündet hatte. Die Demütigung der Gefangennahme offenbarte den Niedergang der karolingischen Kaisergewalt in Italien. 875 wandte sich der Kaiser wieder nach Norden und starb in Oberitalien. Obwohl er im Kampf gegen Herzog Adelchis nicht erfolgreich war und sein Bündnis mit Byzanz rasch zerbrach, deutete sich bei Ludwig II. die politische Vision einer „lateinischen Mittelmeermacht etwa in der Tradition des verschwundenen Langobardenreiches an“ (Schieffer, Karolinger, S. 164). Dass diese Perspektive letztlich mit Ludwig II. ins Grab sank, liegt vor allem daran, dass er keine männlichen Erben hatte.
Nutznießer des Sarazenensieges Ludwigs II. vor Bari war letztlich Byzanz, das seine Herrschaft in Unteritalien neu zu konsolidieren und seinen verhassten Fiskalismus neu zu etablieren vermochte. Dennoch blieb Unteritalien bis ins 11. Jahrhundert hinein zerrissen zwischen byzantinischer Kaiserhoheit und arabischen Emiraten, wobei die Sarazenen von der Zerstrittenheit des christlichen Lagers profitierten. Einige christliche Mächte verstanden sich sogar zu Zweckbündnissen mit den Sarazenen, und Amalfi beteiligte sich offen an deren Raubzügen entlang der tyrrhenischen Küste.
Aber nicht nur profitorientierte Seestädte koalierten mit den Glaubensfeinden, selbst Bischof Athanasius II. von Neapel warb arabische Söldner an. Zwar schlugen seine Pläne fehl, aber die Sarazenen behaupteten sich am Fuße des Vesuv und verheerten von dort aus das Umland, setzten sich in Agropoli nahe Salerno fest und plünderten das uralte Paestum. Etwa gleichzeitig bezogen sie eine Basis nahe Gaeta an der Westküste Unteritaliens und terrorisierten vor allem schutzlose Klöster. Bis 915 fielen ihnen Farfa, Montecassino, San Vincenzo al Volturno und andere Abteien zum Opfer; die Angreifer schleppten alles weg, was wertvoll schien, und steckten die ausgeplünderten Konvente in Brand. Erst 915 bereitete Papst Johannes X. gemeinsam mit Byzanz, italienischen Fürsten und Berengar I., den der Papst dann zum Kaiser krönte, dem Spuk in der Schlacht am Garigliano ein Ende. Die Sarazenen mussten ihre Aktionsplattform räumen und wurden aus dem Gebiet verjagt.
Die permanente Unsicherheit veränderte die sozialen Strukturen. Die Menschen orientierten sich angesichts der Bedrohungen und rasch wechselnder Allianzen kleinräumig und suchten Schutz in überschaubaren Einheiten. Das begünstige lokale Adelsfamilien, die wenigstens ein Mindestmaß an Ordnung und Fürsorge versprachen, dafür aber die absolute Loyalität ihrer Untergebenen forderten. Die kleinen Machtblöcke, die manchmal nur eine ummauerte Siedlung auf einem Hügel umfassten, verteidigten ihre Stellung zäh gegen jedermann und versuchten sich durch wetterwendische, aber pragmatische Politik durch die Unbilden der Zeitläufte zu lavieren. Die Kleinkammerung prägte Unteritalien weit über das Mittelalter hinaus.
Eine besondere Entwicklung durchlief Sizilien, das fest in der Hand der Araber blieb – für die Insel und ihre kulturelle Ausformung kein Nachteil! Die Mohammedaner waren gegenüber Christen und Juden tolerant und missionierten nicht mit Gewalt. Zwar forderten sie von Nichtmuslimen eine Kopfsteuer, doch war diese Abgabe weniger drückend als die fiskalischen Forderungen der Byzantiner. Sizilien erlebte unter arabischer Herrschaft eine Blütezeit in jeder Hinsicht. Seit der Antike war die Insel von Monokulturen des Getreideanbaus geprägt. Dank artifizieller Bewässerungsanlagen durchbrachen die Araber die Monokulturstruktur und bereiteten den Boden für den agrarischen Neubeginn. Sie brachten Pistazien, Zitronen, Orangen und Dattelpalmen auf die Insel und kultivierten sie in großem Stil. Der wirtschaftliche Aufschwung machte Sizilien zum attraktiven Einwanderungsland. Die Siedler, vor allem aus Nordafrika, prägten nicht nur die Kultur, sondern auch die Ortsnamen der Insel; bis heute weisen Caltagirone, Caltanissetta oder Caltabellotta auf islamische Besiedlung hin. Vor allem in der Westhälfte Siziliens dürften im 10. Jahrhundert die Muslime teilweise die stärkste Bevölkerungsgruppe gestellt haben, was auch mit der Abwanderung der Christen zu erklären ist. Denn trotz muslimischer Toleranz waren die Chancen für eine Karriere im öffentlichen Bereich für Christen gering. Daher wichen viele in das byzantinisch geprägte Unteritalien und die blühende Klosterlandschaft Kalabriens aus. Wohl eher unfreiwillig beflügelte die Migrationsbewegung den kulturellen Transfer und ließ sizilische Errungenschaften im Bildungsbereich, der Agrarwirtschaft und im Kunsthandwerk auf das Festland überschwappen.
Palermo diente den Arabern als Vorort; möglicherweise war die Stadt im 10. Jahrhundert so groß wie mehr als 500 Jahre später unter den spanischen Vizekönigen. Hier konzentrierte sich die wirtschaftliche Produktion für den Export; vor allem die Seidenweberei. Aber die Araber brachten auch arabische Übersetzungen griechischer Texte der Philosophie und Naturwissenschaften mit; Wissensschätze, die dem Abendland nun dank in Sizilien und Spanien angefertigter lateinischer Übertragungen erschlossen wurden. Gleiches gilt für die Medizin, die im arabischen Raum den oftmals obskuren Kur-Praktiken des Abendlandes weit überlegen war.
Aber Sizilien war trotz der Blütezeit nicht frei von Spannungen. Nach dem Aussterben der Aglabiden folgte nicht eine Herrscherfamilie nach, sondern zahlreiche Emirate teilten sich die Macht und befehdeten sich zeitweilig erbittert. Die interne Zerrissenheit erleichterte es den Normannen im 11. Jahrhundert erheblich, sich auf Sizilien festzusetzen.
Und wie sah es im Norden der Apenninenhalbinsel aus? Kaiser Ludwig II. hatte keine Söhne und Oberitalien zerfleischte sich in Machtkämpfen. Der Geschichtsschreiber Andreas von Bergamo, ein Zeitgenosse des Kaisers, hat die chaotische Zeit des Umbruchs als Heimsuchung bezeichnet. Allerdings schrieb Andreas aus langobardischer Sicht und war in der provinziellen Enge seines Gesichtskreises gefangen. Dass Umbruchszeiten immer auch Chancen für den Aufstieg neuer Kräfte boten, konnte er nicht erkennen.