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Sonnabend, 12. Oktober
ОглавлениеHinter der Hausecke, wo man vom kalten Ostwind geschützt sitzt, ist es noch angenehm warm. Evelin lehnt sich an die Mauer, blinzelt in die Sonne und zieht genüsslich an ihrer Zigarette.
Ben Schmied steht ein paar Schritte von ihr entfernt auf einen Laubbesen gelehnt. Der 35-Jährige ist ein mittelgroßer, schlanker Mann mit glattem, ungepflegtem Haar. Die schmale, gebogene Nase und das fliehende Kinn geben seinem Gesicht etwas Raubvogelhaftes. Er blickt sich vorsichtig um, bevor er ganz nah an die Kellnerin herantritt.
»Spinnst du?« Die Frau weicht aus, als er sie küssen will. »Die verdächtigen uns sowieso schon.«
»Was? Wieso?« Erschrocken tritt er einen Schritt zurück.
»Nein, nicht, was du denkst. Aber dass wir was miteinander haben.«
»Na und? Wär das so schlimm, wenn sie es wüssten? Dann bräuchten wir uns nicht immer zu verstecken.«
»Nein, auf keinen Fall. Dann kommen sie uns irgendwann auf die Schliche. Es läuft gerade so gut, wir dürfen nichts riskieren. Lass die glauben, wir können uns nicht leiden, das ist unsere beste Tarnung.«
»Ich weiß nicht«, murrt der Mann. »Ich glaube, du übertreibst. Niemand ahnt etwas. Die halten uns doch sowieso für ein bisschen blöd.«
Evelin nickt und lacht verächtlich. »Das sollen sie auch. Aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein. Die Alte, Berta, ist schlau. – Aber wir sind schlauer«, fügt sie zufrieden hinzu.
Ben lehnt den Laubbesen an die Wand und tritt ärgerlich dagegen. »Die hat auch Schuld, dass ich keinen Laubbläser kriege, sondern wie ein Steinzeitmensch hier mit der blöden Harke herumlaufe. ›Das Ding macht nur unnötigen Lärm und stört die Tiere …‹ Die spinnt doch, die Alte! Am liebsten würde ich alles hinschmeißen.«
»Komm, halt noch ein bisschen durch!« Auch Evelin sieht sich nach allen Seiten um, bevor sie leise und verschwörerisch auf ihren Freund einredet: »Wir haben doch schon so viel Geld zusammen. Und den Schmuck, den können wir auch noch verkaufen. Denk immer an die Zukunft, dann macht dir das alles hier nichts aus. Da stehen wir doch drüber.«
»Ja, und du?« Ben lacht leise. »Du kannst dich doch auch nicht immer zusammenreißen. Wer hat denn das Essen versalzen, über das sich die Hotelgäste beschwert haben? Renate sicher nicht. Ich hatte nur Glück, dass ich hier draußen war, sonst hätten sie doch gleich wieder mich verdächtigt.«
»Das wusste ich doch. Ich konnte es eben einfach nicht mehr ertragen, wie die Renate gelobt haben: ›Die beste Köchin in Bansin.‹ – ›Wir haben noch nie so leckere Fischsuppe gegessen.‹ – Das ist doch nicht mit anzuhören!« Evelin kichert. »Na, die Suppe habe ich ihnen gründlich versalzen, im wahrsten Sinne des Wortes. Am Ende hat Renate selbst geglaubt, dass sie sich vertan hat. Und Sophie war das so peinlich. Herrlich!« Sie drückt ihre Zigarette aus. »Hin und wieder braucht man eben ein bisschen Spaß, dann fühlt man sich nicht mehr so klein und ausgenutzt.« Sie gibt der grauen Katze, die hinter einem kleinen Strauch sitzt und angespannt die Vögel auf dem Rasen beobachtet, im Vorbeigehen einen Fußtritt, dann setzt sie eine naiv-freundliche Miene auf und läuft ins Haus.
Berta ist unzufrieden. Nachdenklich nimmt sie das Telefon in die Hand, legt es dann aber wieder auf den Tisch.
Sophie beobachtet sie. »Was ist los? Du bist schon den ganzen Tag so gereizt. Ist es wegen Frau Hagemeister? Fang ja nicht wieder an …!«
»Nein, ist ja gut. Ich bilde mir da wohl wirklich nur etwas ein. Aber du musst doch zugeben, nach all dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, kann man schon mal misstrauisch werden. Bisher hat sich mein Verdacht ja meistens bestätigt. – Leider«, fügt sie seufzend hinzu.
»Aber diesmal war es doch eindeutig Selbstmord, oder?«
»Ja, ich denke schon. Wer hätte die alte Frau auch ermorden sollen und vor allem – warum? Andererseits, welchen Grund hatte sie, sich das Leben zu nehmen? Wenn ich das nur wüsste.«
»Das wirst du wohl herausbekommen müssen, vorher hast du ja keine Ruhe.«
»Ja. Nur ist das gar nicht so einfach. Ich hätte gern mit ihrer Tochter gesprochen oder dem Schwiegersohn. Aber die Gaststätte ist geschlossen und zu ihnen nach Hause mag ich nicht gehen. Und die Nachbarin, die bestimmt etwas wüsste, die beiden waren auch befreundet, die ist gerade zur Reha-Kur. Was ja auch schon wieder verdächtig ist«, überlegt sie.
»Du wolltest die doch nicht etwa anrufen?« Sophie deutet auf das Telefon.
»Nein, ich hab ja gar keine Nummer. Ich wollte Fred Müller fragen, ob der was Neues weiß. Das mache ich jetzt auch.«
Nach ihrem Gespräch mit dem Ortspolizisten ist Berta zumindest sicher, dass die alte Frau nicht ermordet wurde. Sie glaubt ihm, dass es sich eindeutig um einen Suizid gehandelt hat. »Aber den Grund möchte ich trotzdem wissen«, erklärt sie ihrer Nichte, als sie zusammen Mittag essen. »Sobald Frau Hagemeisters Nachbarin wieder zu Hause ist, werde ich ihr einen Besuch abstatten.«