Читать книгу Und wer küsst mich? - Ellen Sander - Страница 7

Le Figaro

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Das war also meine Ausbeute nach meinem Ex: Messie und Mr. Top of the Flops.

Ich trenne mich von dem Mann den ich liebe, weil er mich nicht genug zurück liebt, und anstatt endlich die Liebe zu bekommen, die mir zusteht, küsse ich nur Frösche, die sich in hässliche Kröten verwandeln, und nicht wie versprochen in wunderschöne Prinzen.

»Ella, du darfst auch nicht so anspruchsvoll sein«, sagte kürzlich noch eine Freundin zu mir. Das kann sie aber nicht ernsthaft gemeint haben, denn meine Toleranz grenzt ja schon an Anspruchslosigkeit.

Wie verzweifelt muss eine Frau sein, wenn sie wie ich hartnäckig eine schrullige Diva liebt? Mit Diva meine ich meinen Ex. Mein Ex hat seine Launen rücksichtslos ausgelebt und seinen Gefühlen immer freien Lauf gelassen – mindestens so lange, bis er mir meine Laune verdorben hatte.

So auch mal auf einer Autofahrt nach Bad Homburg zu einer Freundin von mir, die uns zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen hatte. Ich wäre auch alleine dorthin gefahren, aber er wollte ja unbedingt mit. Und kaum waren wir auf der Autobahn, da fing er an zu zetern:

»Warum tue ich mir das eigentlich an? Habe ich nicht genug Stress?«

»Aber du wolltest doch mit«, erwiderte ich. »Du hättest ja auch zu Hause bleiben können.«

»Du weißt doch, dass ich so wenig Freizeit habe.«

»Ja, weiß ich. Ich sagte ja: Du hättest auch zu Hause bleiben können.«

»Weißt du eigentlich, wie viel Kilometer das sind? Und das alles für so eine blöde Geburtstagsfeier. Ich hoffe, die Fahrt lohnt sich wenigsten und wir werden nicht nur mit einer Bratwurst abgespeist.«

Ich hoffte ihn mit einer Neckerei vom Thema abzulenken:

»So wie du fährst kommen wir nie an. Warum hast du dir eigentlich einen Porsche gekauft, wenn du auf der Autobahn so langsam fährst, als würdest du einen Parkplatz suchen?«

Er musste tatsächlich grinsen:

»Weil ich jetzt mit 140 km/h auf der linken Fahrspur fahren kann, ohne dass einer hupt.«

Danach: Schweigen. Es hatte gewirkt. Denkste – das Schweigen hielt nur so lange an, bis wir weit genug gefahren waren und sich eine Umkehr nicht mehr gelohnt hätte. Denn dann ging es wieder los:

»Jetzt ist hier auch noch ein Stau!«, sagte er genervt.

»Da vorne geht es doch schon wieder weiter«, versuchte ich wieder zu beschwichtigen.

»Toll – bis zum nächsten Stau.«

So ging das die ganze Fahrt. Und als wir endlich ankamen, war er wieder bester Laune. Nur meine Laune, die war dahin. Die Partygäste haben sicher gedacht: ER ist ja einer Netter – aber SIE?

Damals war ich so blöd und habe die Kosten für die Autofahrt und die Hotelübernachtungen allein getragen, damit er mir nichts nachsagen konnte. Heute bin ich so klug und habe immer Ohrenstöpsel dabei.

Ich bin nicht anspruchsvoll – ich bin Idealistin und habe eine sehr idealistische Vorstellung von einer Partnerschaft. Gleichberechtigung, Respekt und gegenseitige Rücksichtnahme bilden die Grundlage einer guten Beziehung. Amen.

Obwohl ich auch durchaus bereit bin, meine Bedürfnisse in einem gewissen Rahmen zurück zu stellen und mich dem Partner anzupassen, wenn es den gemeinsamen Zielen dient. Beispiel mein Ex-Ex und ich: Ich habe vier Jahre lang beruflich auf der Stelle getreten, bis er sein Studium abgeschlossen hatte und klar war, wohin ihn seine Kariere und unser gemeinsamer Weg führen würde.

Seine Kariere führte ihn dann in den Süden und steil nach oben. Das war zu der Zeit als ich realisierte, dass wir wohl doch nicht das gleiche Ziel hatten. Ich wollte Ehe, er genoss den Status einer unverbindlichen Beziehung und wollte dies auch gar nicht ändern.

Gerade rechtzeitig wurde mir klar, dass während er konsequent seinen eigenen Weg ging, ich auch an mich denken musste. Da kam für mich das berufliche Angebot für ein Projekt nach Hamburg zu gehen, gerade recht.

Irgendwann einmal später hat mein Ex-Ex zu mir gesagt, dass unsere Beziehung praktisch daran gescheitert sei, dass ich mich gegen ihn und für meinen Beruf entschieden hätte. Typisch männliche Wahrnehmung – er hatte scheinbar vergessen, dass er sich zuvor für seinen Beruf entschieden hatte und nach München gegangen war.

Genau genommen bin ich ein gutmütiges Schaf. Anstatt immer Verständnis zu haben und Rücksicht zu nehmen, hätte ich öfter mal Zicke sein sollen und meine Rechte einfordern müssen. Ich erinnere mich an eine Situation im letzten gemeinsamen Urlaub mit meinem Ex-Ex in der Türkei, als einer aus der Clique, die ich kennen gelernt hatte, zu mir sagte:

»Für eine Single-Frau ist das hier nun nicht unbedingt die richtige Ferienanlage. Diese ist mehr was für Paare und Familien. Du hättest dich lieber in den Single-Club nebenan einmieten sollen.«

»Aber ich bin doch gar nicht allein hier, sondern mit meinem Freund«, sagte ich.

»Du bist mit deinem Freund hier? Wo ist der denn? Den haben wir ja noch nie gesehen.«

Stimmt, die meiste Zeit des Urlaubes hatte ich allein verbracht, denn mein Ex-Ex war im wahrsten Sinne des Wortes abgetaucht. Täglich machte er Tauchausflüge, die mindestens den halben Tag dauerten. Und danach war er in der Regel so müde, dass er erst mal schlafen musste. Für Gemeinsamkeit blieb da nicht viel Zeit.

Warum stehen wir Frauen auf Männer? Vor allem: Warum stehen wir selbst dann auf Männer, wenn wir von Ihnen nicht mal besonders gut behandelt werden? Sind wir masochistisch veranlagt?

Hirnforscher haben die Antwort darauf gefunden: Wir Frauen können einfach nicht anders. Obwohl wir rational betrachtet wissen, dass wir die Kerle eigentlich zum Teufel jagen sollten, liegt in den Tiefen unseres Stammhirnes die Botschaft verankert, dass wir ohne sie nicht leben können. Aus Selbstversuchen weiß ich, dass das stimmt.

Ich bemühe mich zu analysieren, wer Macho oder Pascha ist und auf keinen Fall in mein Beute-Schema darf, aber kaum kommt ein solches Exemplar daher, setzt mein Verstand aus und meine Hormone spielen verrückt. Wie bei meinem Friseur. Ein Südländer und ‚Macho vor dem Herrn’ – viel zu jung für mich und zum Niederknien hübsch.

Ich genoss es, mich von seinen schönen Händen und Worten verwöhnen zu lassen:

»Sie haben so schöne Haare. Überhaupt – Sie sind eine tolle Frau!«

Welche Frau hört das nicht gern? Flirtete er eigentlich mit mir?

»Die meisten Friseure sind ja schwul. Ich bin Hetero«, erwähnte er einmal.

Das sagte er doch nicht nur so, oder?

»Die Schauspielerin Demi Moore hat jetzt diesen um viele Jahre jüngeren Mann geheiratet. Ich finde das klasse.«

War das eine Botschaft? Und bei meinem letzten Besuch meinte er:

»Ich würde ja nie etwas mit einer Kundin anfangen. Wenn, dann müsste die Initiative auf jeden Fall von der Kundin ausgehen.«

Ich stehe ja manchmal auf der Leitung, aber der Fall war klar: Er will was von mir. Das konnte ich nicht falsch interpretieren, oder? Meine Initiative war gefragt, nicht wahr?

»Pooooockopockpockpockpock«, scholl es aus meinem Telefonhörer.

»Ach, Frau Braaatbäcker, das verrückte Huhn ist wieder dran! Wie geht es dir, Chrissie?«

»Hm, nicht so gut«, kam die traurige Antwort.

»Nicht? Ist es mit deinem Hamburger nicht so gut gelaufen?«

»Nein, gar nicht.«

»Chrissie, Maus. Was ist passiert?«

»Freitagabend war es noch so schön. Ich hatte gekocht und wir haben gekuschelt und waren richtig ein bisschen verliebt. Samstag bekam er dann eine SMS nach der anderen von seiner Ex. Und dann ist er mittags ohne jede weitere Erklärung abgefahren.«

»Zu seiner Ex?«

»Wahrscheinlich.«

»Ach Chrissie. Nicht traurig sein. Du weißt doch: Liebeskummer lohnt sich nicht my Darling. Schade um die Tränen in der Nacht.«

»Komm mir nicht mit deinen alten Schlagern. Da werde ich erst recht deprimiert.«

»Würde denn ein Sekt helfen? Was hältst du davon, wenn wir uns gleich im Prosecco treffen?«

»Ins Prosecco. Da kannst du mit deinen Gucci-Girls hin gehen.«

»Jetzt sein nicht so hart. Dann gehen wir halt in die Friesenstube und du kriegst ein Bier!«

»Ne, dann doch lieber ins Prosecco. Da gibt es sicher auch Bier.«

»In einer halben Stunde?«

»In 30 Minuten!«

Mann, was haben wir uns einen gezischt. Chrissie und ich hatten den Abend beide gutes Sitzfleisch und den dazugehörigen Durst.

»Ella«, lallte Chrissie, »warum liebt misch keina?«

»Aber Chrischie«, lallte ich mich Chrissies Sprachstil anpassend zurück, »ich liebe disch doch!«

»Wirklich?«

»Aber ja. Wenn du ein Mann wärst, du wärst genau mein Typ.«

»So wie isch bin? Kom-pro-misch-los?«

»Chrischie, in einer Beziehung muhsss jeder Kompromisssse eingehen. Du könntest zum Beispiel deinen Kleidungsstil für misch überdenken.«

Aus meiner Sicht ist Chrissie von allem etwas zu viel: etwas zu blond, etwas zu braun gebrannt, etwas zu stark geschminkt, etwas zu offenherzig dekolletiert und sie zeigt etwas zu viel Bein. Dafür findet Chrissie mich umgekehrt natürlich schrecklich konservativ.

»Kommt überhaupst nischt in Frage. Du musssst misch nehmen, wie isch bin. Oder gar nischt. Hallooooo! Bringen Ssie mir noch’en Bier.«, rief sie der Bedienung zu.

»Und mir einen Kaffee, bitte.«

»Kaffee?« fragte Chrissie ungläubig. »Ella, wasn mit dir loss?«

»Ich habe gerade meinen Friseur entdeckt. Ich brauche einen klaren Kopf.«

»Ella, auf welchem Tripp bissst du denn? Der Junge isss mindestens 10 Jahre jünger alsss duh.«

»Er ist volljährig und ich mache mich somit nicht strafbar«, entgegnete ich schmunzelnd.

Mein Friseur übte eine solche Anziehungskraft auf mich aus, dass ich den Blick nicht von ihm abwenden konnte, nachdem ich ihn zur Tür reinkommen gesehen habe. Automatisch lächelte ich ihn an. Und an der Art wie er zurück lächelte wusste ich, dass die Stunde meiner Initiative gekommen war. Nur wenig später fanden wir uns in meinem Wagen wieder. In dieser Nacht habe ich mit ihm meinen eigenen Rekord im Dauerknutschen gebrochen: Fünf Stunden – bis die Scheiben beschlugen. Wie in alten Zeiten.

Es klingelte an der Tür und ich musste das Telefonat mit Kiki beenden:

»Du, ich muss auflegen. Es hat an der Tür geklingelt. Das wird Chrissie sein. Sie zeigt mir, wie diese Partnerbörse im Internet funktioniert.«

»Dann viel Spaß. Ciao, Ella!«

»Ciao, Kiki!«

Noch mit dem Hörer in der Hand machte ich die Tür auf.

»Hallo Chrissielein. Komm rein!«

»Hi. Hast du den PC schon angeschmissen?«

»Jawohl. Alles startklar.«

»Deinem plötzlichen Interesse für die Partnerbörse entnehme ich, dass es mit deinem Friseur nicht gut lief, oder?«

»An mir soll es nicht liegen, aber er hat sich seit dem Abend nicht mehr gemeldet. Schade eigentlich. Er kann wirklich fantastisch küssen.«

Gut, dass ich die Nacht nicht gleich mit ihm ins Bett gegangen bin. Jetzt fühlte ich mich wenigstens nur ein ganz kleines bisschen schlecht.

»Wahrscheinlich hat er kalte Füße bekommen«, sagte Chrissie. »Der ist mit einer älteren Frau wie dir einfach überfordert.«

»Danke für ältere Frau«, sagte ich gespielt beleidigt.

»Und außerdem bist du seine Kundin«, meinte Chrissie ergänzend.

»Jetzt nicht mehr. Du kennst nicht zufällig einen guten Friseur?«

Als hätte sie das nicht gehört meinte Chrissie nur:

»So, zeig mal her, Ella. Wo ist denn dein Internet Provider?«

»Mein WAS?«

»Wie gehst du ins Internet?«

»Ach so. Hier, man braucht nur diese Taste am Laptop zu drücken und automatisch wird der Internetzugang aufgebaut.«

»Praktisch. Jetzt brauchst du nur die Adresse einzutippen: www.find_mich.de. Na bitte, da sind wir schon. Hier kannst du nun dein eigenes Profil anlegen.«

»Mein Profil?«

»Deinen Namen und Beschreibung zu deiner Person. Wie willst du denn heißen?«

»Ich kann mir einen Namen aussuchen? Hm ... Wie heißt du denn?«, wollte ich von Chrissie wissen.

»Lullaby2004.«

»Lullaby heißt doch übersetzt Schlaflied, richtig? Chrissielein, das kann MANN aber auch falsch verstehen. Ist doch kein Wunder, wenn die Männer nur auf einen Abstecher bei dir vorbei kommen.«

Ups, das war nicht nett. Ich konnte nur hoffen, dass Chrissie die Doppeldeutigkeit meiner Worte nicht bemerkt hat. Aua, sie hat! Chrissie guckte mich schief von der Seite an, konnte sich dann aber ein Grinsen nicht verkneifen:

»Ella, das ist geschmacklos!«

»Äh ... «, stammelte ich und versuchte sie mit einer anderen Frage abzulenken: »Und warum hast du die Zahl im Namen? Warum Lullaby2004.«

»Weil ich nicht die Einzige bin, die sich hier so nennt. Also, wie willst du heißen? Konservative1?«

»Ha, ha! Wirklich komisch. Nein, ich will was mit Stil. Einen Frauennamen mit Klasse. Marie Claire!«

»Marie Claire? Das hört sich an wie eine Damenbinde. Der Name hat keine Klasse, der ist einfach nur langweilig. Aber bitte. Wahrscheinlich brauchst du noch nicht mal eine Nummer dahinter zu setzen. Tatsächlich. Du bist die Einzige mit diesem dämlichen Namen. Was sollen wir denn für ein Passwort nehmen? Was ein Passwort ist, weißt du aber, oder?«

»Mach dich nur lustig. Ja, ich weiß eines: Ja ich will.«

»Wie bitte?«

»Das soll mein Passwort sein.«

»Du hast ‘nen Knall. Na gut. Also, bei dem Feld Login gibst du erst MarieClaire ohne Leerschritt ein und dann, auch ohne Leerschritt. Jaichwill. Und schon kannst du auf große Shopping-Tour gehen.«

Und wer küsst mich?

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