Читать книгу Herzrasen 2.0 - Elmar Sprink - Страница 11
ОглавлениеDer 12. Juli 2010 war ein heißer Sommertag und einer der ersten Tage nach meinem Urlaub. Ich hatte das schlechte Abschneiden und den frühzeitigen Ausstieg beim Ironman in Klagenfurt halbwegs verdaut. Leider war unser deutsches Team in der Woche zuvor auch noch bei der Fußballweltmeisterschaft im Halbfinale gegen Spanien ausgeschieden. Es gab also nicht viel zu feiern. Ich machte in Gedanken einen Haken dran und stürzte mich am Morgen in die Arbeit.
Nach einem längeren Urlaub wartete normalerweise im Büro eine wahre Flut an E-Mails. In dieser Woche hatte ich allerdings noch keine Termine, deshalb arbeitete ich an diesem Tag zu Hause die Unmenge an elektronischer Post ab. Meine Frau Karin hatte sich nach der Arbeit mit einer Freundin auf einen Kaffee verabredet und ich mir für den Tag nichts Wichtiges vorgenommen.
Irgendwann nachmittags legte ich eine kleine Pause ein und plauschte noch über dieses und jenes mit meinen Nachbarn bei uns im Garten. Gegen 17 Uhr war ich mit dem Großteil meiner Arbeit für den Tag durch. Ich hatte bereits einige Angebote für meine Kunden vorbereitet, also hockte ich mich mit meinem Laptop aufs Sofa und freute mich auf das Ende der Tour-de-France-Etappe.
Karin kam an diesem Tag früher als erwartet nach Hause und setzte sich in unserem Büro noch mal an den Rechner. Es war ein unglaublich heißer Julitag, der nicht gerade Lust auf Heißgetränke machte, also wurde das Kaffeetrinken verschoben. Der Tourtross befand sich irgendwo in den Bergen, und die Bergetappen schaue ich mir besonders gerne an. Das Finale der Etappe ging gegen Viertel vor sechs in seine entscheidende Phase, für mich endete diese Etappe jedoch mit einer der letzten Kehren des Führenden: Im nächsten Moment, an den ich mich erinnern kann, liege ich und sehe auf einen Bildschirm, doch es war nicht mein Fernseher und auch nicht mehr mein Sofa.
Ich befand mich in einem Krankenhausbett, hatte Schläuche in der Nase, und zwei Monitore überwachten meine Werte. Zwei Ärzte und Karin standen um mein Bett. Ich fragte, was passiert sei, doch zunächst stellten die Ärzte mir einige Fragen. Ich wusste gar nicht, was das Ganze überhaupt sollte, das wurde mir erst viel später klar. Karin erzählte mir, dass ich zu Hause starke Kreislaufprobleme bekommen hätte, aber ich wunderte mich, warum ich dann in einem Zimmer lag, das einer Intensivstation gleichkam. Erst nach und nach erfuhr ich, was geschehen war. Was also war zu Hause passiert?
Ich hatte zu Karin gesagt, dass es mir nicht so gut gehe und ich mich etwas hinlegen wolle. Einige Minuten später vernahm Karin »komische Geräusche« aus dem Nebenzimmer: für einen kurzen Moment ein sehr starkes Atmen, bevor es still wurde. Sie eilte aus dem Büro und sah mich dort liegen: bewusstlos und bereits blau angelaufen. Ohne zu überlegen, lief Karin zu unserem Nachbarn Michi und klingelte Sturm. Sie klopfte und klingelte abwechselnd an die Tür. Michi ist Arzt und war zum damaligen Zeitpunkt wegen einer Knieoperation krankgeschrieben. So schnell es sein Knie zuließ, folgte er Karin. Als er mich erblickte, erbat er von Karin einen harten Gegenstand, den er unter mich legen konnte. Außerdem sollte sie einen Rettungswagen rufen und alle Türen öffnen, sodass die Notärzte sofort zu mir durchkämen. Dann begann er mit der Reanimation – und er machte seine Sache wirklich super! Schon nach drei Minuten war ich wieder bei Bewusstsein. Ich bäumte mich immer wieder auf und versuchte, Luft in meine Lungen zu bekommen. Die Geräusche, die ich dabei gemacht haben muss, waren so laut, dass es die ganze Nachbarschaft aufgeschreckt hatte (wir wohnen recht beschaulich in Ehrenfeld, da bleibt so etwas nicht unbemerkt). Der Notarzt traf nach circa acht Minuten ein. Ich schlug um mich, weshalb sie mich nur unter größten Schwierigkeiten auf die Trage bekamen. Nach einigen Minuten war ich dann sediert und so weit medizinisch versorgt, dass ich in das Herzzentrum in Köln gebracht werden konnte. Ich hatte bei der Einlieferung einen Puls von über 200, was nichts anderes bedeutet, als dass ich zu diesem Zeitpunkt schwerste Herzrhythmusstörungen hatte, eine Arrhythmie, wodurch das Herz nicht mehr in der Lage ist, Blut durch den Körper zu pumpen. Also wurde kurz nach Einlieferung eine Kardioversion mit 200 Joule durchgeführt, oder wie die Mediziner sagen, ich wurde geschockt (mit dem Defibrillator, wie man es aus dem Fernsehen kennt). Danach hörte das Flimmern auf und mein Herz schlug wieder im richtigen Rhythmus. Ich lag fast die ganze Nacht wach und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Mir gingen so viele Dinge durch den Kopf. Warum war das passiert? Wie sollte es jetzt weitergehen? Was war mit meinem Herzen passiert, und in welchem Zustand war es jetzt? Wann konnte ich wieder arbeiten, wann wieder Sport machen? Die Fragen in meinem Kopf hörten nicht auf.
Schon am nächsten Tag stand ein Marathon für mich auf dem Programm – ein Untersuchungsmarathon, der längste meines Lebens. Zunächst führte man eine Herzultraschall- und eine CT-Untersuchung durch. Das Ultraschall brachte nicht wirklich neue Erkenntnisse, und dank der Computertomografie ließ sich wenigstens eine Lungenembolie ausschließen. Zwei Tage später stand eine Herzkatheteruntersuchung auf dem Programm.
Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass ich sehr große Angst vor all diesen Untersuchungen hatte. Glücklicherweise wusste ich da noch nicht, was noch alles in den nächsten Wochen und Monaten auf mich zukommen würde. Die Katheteruntersuchung verlief ohne Komplikationen. Man liegt auf einem OP-Tisch und bekommt einen kleinen Schnitt in die Leiste, durch den ein dünner Schlauch bis zum Herz vorgeschoben wird. Unter Röntgenkontrolle kann der behandelnde Arzt so den Zustand der Herzkranzgefäße beziehungsweise des gesamten Herzens erfassen. Hierbei stellte man fest, dass mein Herz leicht vergrößert und seine Kontraktion gestört war, es bestand der Verdacht auf eine Myokarditis (Herzmuskelentzündung). Da man sich aber nicht sicher war, wurde direkt im Anschluss noch eine Magnetresonanzuntersuchung des Herzens durchgeführt. Sie kennen das vielleicht: Man wird in ein Gerät mit riesigen Dimensionen geschoben und darf sich in einer Röhre liegend sehr lange nicht bewegen – zum Glück habe ich keine Platzangst. Zu allem Übel litt ich aufgrund der vorherigen Untersuchung jedoch unter Schmerzen in der Leiste, und gefühlt wollte und wollte die MRT-Untersuchung nicht mehr enden. Nach dem MRT nahmen die behandelnden Ärzte an, dass es sich bei mir um eine akute floride Myokarditis handeln könnte; florid bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Krankheitserscheinungen heftig ausgeprägt sind. Aber ganz sicher schien man sich nicht zu sein. Ich hatte auf jeden Fall einen Perikarderguss Typ II bis III, das heißt, in meinem Herzbeutel befand sich mehr Flüssigkeit, als dort üblicherweise hineingehört.
Vier Tage nach meiner Einlieferung war ich bereits so stabil, dass man mich auf die Normalstation verlegen konnte. Ich bekam Betablocker, die den Herzrhythmus stabilisieren sollten. Auf dem Langzeit-EKG zeigte sich, dass ich noch einige Extrasystolen schlug (das sind – bei Gesunden – zusätzliche Schläge des Herzens, die sich zwar unangenehm anfühlen, aber unbedenklich sind), diese aber nicht mehr gefährlich waren. In den nächsten Wochen im Krankenhaus wurden die Untersuchungen von Zeit zu Zeit wiederholt, an eine Entlassung aus dem Herzzentrum war nicht zu denken. Meine Eltern waren in dieser schweren Zeit vorrübergehend nach Köln gezogen, und viele Freunde besuchten mich.
Am 26. Juli wurde noch einmal eine MRT-Untersuchung an meinem Herzen vorgenommen. Noch am gleichen Tag entließ man mich mit Verdacht auf eine Myokarditis sowie leicht eingeschränkter Pumpfunktion des Herzens. Die Ärzte rieten mir, mich in den nächsten drei bis sechs Monaten zu schonen.