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Tag 1 - Sonntag

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Als wir morgens erwachen, oder besser von der „freundlichen“ Besatzung recht abrupt durch das unsanfte Öffnen der Sonnenblenden aus dem Schlaf gerissen werden, begrüßt uns die von weitem erkennbare, weißstrahlende Etosha Pfanne unter uns. Wir befinden uns also bereits über Namibia. Der wolkenlose Himmel begleitet uns auch die letzten Flugkilometer bis nach Windhoek und so bekommen wir einen ersten positiven Vorgeschmack von oben für dieses und von diesem Land. Dazu wechseln sich im Morgenlicht golden- und rotschimmernde Gebirgsketten mit weiten, leicht grün erscheinenden Ebenen ab.

Auf dem Flughafen von Windhoek, dem Hosea Kutako International Airport, kommen wir wenig später auf gut 1.700 m Höhe bei strahlend blauem Himmel an und werden sogleich nach dem Gepäckband von unserem Reiseleiter Erich, einem weißen Namibier, also einem von ehemaligen Deutschen abstammenden und in der 4. Generation hier lebenden, jungen Mann, freundlichst empfangen.

Nach und nach treffen in der recht heißen Ankunftshalle auch die restlichen Teilnehmer unserer Reisegruppe ein. Nur ist alles bisher etwas unkoordiniert, da jeder in einer anderen Ecke steht oder sitzt und einige versuchen sogleich Geld zu tauschen, das man laut Vorgabe des Reiseunternehmens hier tauschen sollte und es auch sehr gut und günstig tun kann. Einige Mitreisende suchen in der Ankunftshalle aber auch etwas Frischluft und da immer noch nichts passiert, weil anscheinend weiterhin bei uns noch drei Personen fehlen, stöbere ich in dem einzigen Shop in Greifnähe herum, zur Vorinformation, was es hier im Lande so Einheimisches gibt und was angeboten wird!

Lausi und ich warten dann etwas abseits des Ausgangs, da weht durch einige geöffnete Türen etwas frische Luft, und von da kann ich meine Studien der Mitpassagiere des Fluges voll ausleben. Bei doch einem Großteil davon kann ich nur hoffen, daß die nicht ausgerechnet zu unserer Reisegruppe gehören werden, denn Erich ist nicht der einzige Reiseleiter hier in der Halle, der seine Schäfchen zusammensucht.

Als dann endlich anscheinend doch alle da sind, wird unser Kleinbus, passend zur Kleingruppe, der direkt vor dem Ausgang des Flughafens parkt, ganz schnell von Erich und einem Helfer beladen. Da wir beide nichts tun können und im Moment auch nichts tun wollen, suchen wir uns einen Sitzplatz, wie immer, das heißt wenn es möglich ist, bevorzugter weise ganz hinten im Bus.

Weshalb wir das bevorzugen hat vielerlei Gründe. Zum einen muß man sich da nicht ständig unterhalten mit wem auch immer, man ist auch nicht gezwungen, den Unterhaltungen der anderen notgedrungen zuhören, man hat meistens noch einen freien Sitz neben sich und fast in jedem Bus sind die Fenster optimal, um aus dem Bus heraus zu fotografieren. Zudem mag ich ganz vorne gar nicht gerne sitzen, vor allem nicht in einem Bus. Vermutlich hat das mit meiner Höhenangst zu tun! Ich finde das unangenehm! Schon deshalb versuchen wir auch stets auf unseren Busreisen das ach so beliebte Rotieren im Bus zu vermeiden und bezeichnen es auch als das modische Rollieren!

Erich hat, wie es scheint, bereits beim Beladen einen ständigen Blick auf seine Armbanduhr und meint, wir lägen nicht ganz in der Zeit. Dennoch rast er, nachdem wir losgefahren sind, nicht einfach durch die Gegend. Das würde dann auch irgendwann nicht mehr gehen, denn da wird der Weg plötzlich eng, sandig und steinig, als wir von der geteerten, kerzengeraden Straße in die „Landschaft“ abbiegen.

Am Ende des Weges, und nach Durchfahrung mehrerer Tore, erwartet uns dann die morgendliche Überraschung. Erich bringt uns als erstes zu einer sehr schönen, stilvollen, aber doch noch nahe dem Flughafen gelegenen Farm und dort werden wir von einem sehr sympathischen deutsch-namibischen Paar empfangen. Mit einem Drink in der Hand, am frühen Morgen natürlich ohne Alkohol, werden wir über das Farmleben im allgemeinen und über ihre Farm im Besonderen aufgeklärt und dann auf einer gepflegten Terrasse, mit Blick auf die wunderschöne Landschaft, mit einem hervorragenden Frühstück versorgt.

Der gut bewässerte Rasen vor dem Haupthaus eröffnet den Blick auf eine leicht hügelige Umgebung, mit einem Sammelsurium an trockenen Büschen, blühenden Bäumen und großen Büscheln von Gras. Dazwischen stehen vereinzelt Kühe, die irgendwie so gar nicht in diese Gegend passen wollen.

Hier könnte man es auch längere Zeit aushalten, so mein Kommentar zu Lausi. Obwohl, wie so üblich und häufig bei meinem Sohn, wenn er noch nicht ausgeschlafen ist, also leicht mürrisch, muß er mir doch zustimmen, da hier alles eigentlich so ist, wie wir es lieben:

Im und um das stilvolle Farmhaus ist Altes mit Neuem vermischt und liebevoll angeordnet, dazu findet man auch noch einen Schuß Humor und viel gepflegtes Grün!!

Das Vorstellen der Reiseteilnehmer untereinander kann auch hier leider nicht durch Erichs Initiative erfolgen, denn der ist rundherum total beschäftigt, deshalb macht jeder das so, wie er denkt. Erich trifft dabei keine Schuld, denn einige der Mitreisenden haben schon gleich zu Beginn, noch im Flughafen etwas zu lautstark und sehr selbstgefällig auf sich aufmerksam gemacht!

Es handelt sich dabei vor allem um die drei Personen, die erst als Letzte zu der Gruppe dazukamen. Wie man auch bereits im Bus und nun beim Frühstück mitbekommen hat und dies auch sollte, ist man von altem Adel. Es sind die „von Müllersdorf“, bestehend aus Mutter, ihrem Sohn und dessen Ehefrau.

Bevor es noch, nach dem Verlassen des Flugzeugs, durch den Zoll und die Einreise ging, hörte man noch vom Flugfeld her die befehlende Stimme von eben der Mutter, die überlaut rief:

„Jüüürgen, hast du auch das Flugzeug und den Flughafen richtig fotografiert? Du weißt doch, das brauchen wir für unsere Präsentation zu Hause!“

Bereits da drehten sich eigentlich die meisten der vor den Einreiseschaltern anstehenden Mitpassagiere um und grinsten. Aber dies nicht nur wegen des Rufes, sondern auch wegen des Anblicks, den die drei boten. Die Schwiegertochter, die arme graue Maus, trug oder besser schleppte das gesamte, natürlich von einem Designer gut beschriftete Handgepäck der „Familie“ hinter ihrer Schwiegermutter her. Diese edle Edelfrau trägt selbst nämlich nur ein kleines goldenes Handtäschchen, passend zum echten oder unechten rosaroten Chanel-Lagerfeld-Kostüm! Genau das Richtige für dieses Land hier! Sohnemann dagegen schleppt sich lediglich nicht mal einen Bruch mit seiner Kamera!

„Diese Familie oder diese drei, das kann wohl nicht wahr sein. Hoffentlich haben wir so etwas nicht in unserer Gruppe!“

Das war noch so ein Wunschtraum von mir, wie dieser auch noch mehrmals beim Betrachten einiger anderer, diesmal aber, wie man es aus schlechten Filmen kennt, echt safari-like gestylter Typen, unter unseren Mitanstehern bei der Einreise aufkommt.

Nur leider wird eben der Wunschtraum, speziell die drei betreffend, jetzt schon zum Alptraum! Diese drei sind und bleiben tatsächlich in unserer Reisegruppe. Na das kann heiter werden! Mit Adel waren wir bisher noch nie unterwegs gewesen!

Insgesamt sind wir zwölf Touristen mit eben einem Reiseleiter in unserer Gruppe. Dabei ist Erich Reiseleiter und Fahrer in einem.

Es gibt in dieser Gruppe also einmal gerade diese Herrschaften von Müllersdorf, bestehend aus Mutter Siglinde in Chanel, Sohn Jürgen im dunkelblauen Blazer und heller eleganter Hose und dessen Frau Claudia im dunkelgrauen Business-Kostüm - alle einfach „süß“!!

Dann haben wir Kurt und Beate, ein Ehepaar, wobei sie einiges jünger zu sein scheint als er und aus einem östlichen Europaland, ihrem Akzent nach zu schließen, kommt. Daß er sie nicht auf Händen trägt ist alles, obwohl sie ganz nett viele Haare auf den Zähnen zu haben scheint und mit ständigem Gequatsche und Bemerkungen zu allem und jedem bereits jetzt anfängt zu nerven.

Des weiteren ist eine Margarete dabei, die ebenfalls nicht wenig redet, dann Antonella, eine schlanke, sehr gepflegt und zurückhaltend wirkende Dame und Paul, der entweder nach dem ersten Eindruck zurückhaltend oder aber hochnäsig sein könnte, alle nicht mehr ganz jung. Last but not least gibt es noch Sören und Susanne, er sichtlich jünger als sie, jedoch auf Anhieb sympathisch und sie eigentlich ebenfalls. Wir werden sehen! Natürlich gehören wir zwei beide, mein Sohn Lausi und ich auch noch dazu. Bis auf unseren Adel sind alle übrigen, einschließlich uns, in normaler, leicht sportlicher Kleidung angereist.

Nach der freundlichen Verabschiedung auf der Farm geht es weiter mit dem Bus. Zunächst fahren wir, zurück auf der gut ausgebauten Hauptstraße, über die weiten Ebenen, auf der neben dem Flughafen auch viele Farmen liegen, in Richtung einer Bergkette. Durch ein Tal geht es dann etwas bergab in Richtung Windhoek.

Dort angekommen, macht Erich mit uns zunächst eine kleine Stadtrundfahrt, denn es ist immer noch recht früh am Morgen und Einchecken in unserer Unterkunft können wir daher noch nicht.

Windhoek ist Afrikaans und bedeutet Windecke oder windige Ecke. Andere Namen aus den unterschiedlichen Stammessprachen sind: Heiße Quellen, Ort des Dampfes und Namen wie Queen Adelaide's Bath, Barmen und Concordiaville. 1903 wurde amtlicherseits der Name Windhuk festgelegt, aber schon 1918 wurde er in Windhoek umgewandelt. Das Deutsche Auswärtige Amt benutzt aber heute noch den Namen Windhuk.

Die Gegend um Windhoek wurde schon seit Jahrtausenden von dem Buschmann-Stamm der San bewohnt. Erst Jonker Afrikaner, der damalige Kapitän (Häuptling) der Orlam Afrikaner in Südwestafrika gründete hier 1840, im heutigen Klein-Windhoek, die erste Ansiedlung und gab ihr den Namen Windhoek angeblich nach der Farm im Kapland, wo seine Familie eigentlich herkommt. Ein Grund für die Stadtgründung von Jonker Afrikaner waren die vielen heißen Quellen in der Umgebung. Danach entstand eine Stadt, die recht gut und schnell gedieh, bis die Nama und die Herero sich bekriegten und dadurch die aufblühende Stadt zerstörten.

Erst 1890 entschloß sich der Hauptmann der deutschen Schutztruppe, Curt von François, die Verwaltung nach Windhoek zu verlegen. Damit begann dann ein langsamer Aufstieg der modernen Stadt Windhoek.

Stets aber war die Trennung der weißen und schwarzen Bevölkerung ein großes Problem dieser Stadt. Nicht nur die deutsche Kolonialzeit spaltete die Bevölkerung in diese Hautfarben, auch die spätere Südafrikanische Besatzung machte es nicht anders oder gar besser. Bis Ende 1980 hatten die meisten Regierungsgebäude, Unternehmen und Geschäfte tatsächlich verschiedene getrennte Eingänge für die unterschiedlichen ethnischen Gruppen. Erst 1990, mit der Unabhängigkeit Namibias von Südafrika, änderte sich vieles, aber anscheinend noch nicht alles.

Wir fahren nun zuerst auf einen Hügel hoch zu den wichtigen historischen Bauten. Dazu gehört eine weithin sichtbare Kirche, der sogenannte Tintenpalast also der Sitz des Parlaments, ein Reiterdenkmal, eine Festung und nun, weniger historisch, ein gigantischer, meiner Meinung nach geschmackloser Museums-Neubau.

Die Christuskirche, 1907 bis 1910 von der Windhoeker Gemeinschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Namibia erbaut, gilt als das Wahrzeichen der Stadt. Etwas kurios mutet an, daß die Kirchenfenster beim Bau verkehrt herum, also Innenseiten nach außen, eingebaut wurden, dies aber erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts auffiel und man sie dann wendete. Ein Besuch der Kirche ist uns nicht möglich, da gerade eine Hochzeit stattfindet.

Auf der anderen Straßenseite hinter der Kirche haben wir einen hervorragenden Blick über eine sehr gepflegte Gartenanlage hin zum Tintenpalast, dem Sitz des Parlaments also der Nationalversammlung. Den Namen hat dieser, von Deutschen entworfene und 1912-1913 gebaute Palast deshalb bekommen, weil man spöttischer Weise behauptete, die zahlreichen Schreiberlinge darin würden zu viel Tinte verbrauchen.

Nicht weit entfernt davon steht das deutsche Reiterdenkmal mit seiner wechselvollen Geschichte. Es wurde 1912 eingeweiht und 2009 abgebaut. Das Denkmal sollte damals eigentlich abgerissen und vernichtet werden. Da es aber zu dieser Zeit noch ein Nationaldenkmal war, hat das Deutsche Kulturamt seinen Umzug vor die Festung organisiert und finanziert. Ein Großteil der farbigen Bevölkerung war gegen den Umzug und für den Verbleib. 2010 wurde das Denkmal dann 100 m weiter wieder aufgebaut und eingeweiht. 2013 hat jedoch Staatspräsident Prohamba den endgültigen Abbau des Denkmals empfohlen.

Am 25. Dezember 2013 wurde es tatsächlich abgebaut und „bei Nacht und Nebel“ unter großen Sicherheitsmaßnahmen in den Innenhof der Alten Feste gebracht. Es gibt weiter Streit und Empörung um die Versetzung und Zerstörungen an Sockel und Inschrift. Die Inschrift war zwar seit langer Zeit ein Grund für die Debatten um das Reiterdenkmal, da sie nur die weiße Bevölkerung ehrt und nicht auch die unzähligen Schwarzen, die bei den vielen Auseinandersetzungen im Land ihr Leben ließen.

Dieser Umzug sollte aber auch vor allem wegen des Neubaus des Unabhängigkeitsmuseums, wie es genannt wird, geschehen. Nur wird dieses Bauwerk aber anscheinend weder endgültig fertig noch scheint es bei der Bevölkerung besonders beliebt zu sein. Ein Grund für die geringe Beliebtheit ist sicherlich auch der Umstand, daß das ultramoderne riesige Gebäude von einem Nordkoreanischen Bauunternehmen geplant und von Nordkoreanischen Arbeitern gebaut wurde, wobei eigentlich gerade aber in Namibia große Arbeitslosigkeit herrscht.

Das Reiterdenkmal stört nun diesen Prunkbau und es stört angeblich auch zwei dazugehörende aber noch nicht aufgestellte Statuen, die ebenfalls von diesem Bauunternehmen angefertigt werden sollen oder sollten. Diese zwei Stauen sollen einmal den Gründungspräsidenten Namibias, Sam Nujoma, zeigen und die zweite soll an den Völkermord von 1904 erinnern. Aber anscheinend verschieben sich sowohl die Eröffnung des Museums wie auch das Aufstellen der neuen Statuen bis auf weiteres.

Auf und in die Alte Feste werfen wir aus Zeitgründen nur noch einen kleineren und kürzeren Blick. Der Bau zu dieser Festung begann am 18. Oktober 1890 und wird eben als Grundsteinlegung des heutigen Windhoek gesehen. Der Hauptmann der Schutztruppe, Curt von François, wollte mit dem Bau den Frieden zwischen den Namas und den Hereros zu sichern.

Mit dem Bau zog eine Vielzahl von Menschen rund um die Festung. Heute beherbergt sie das National Museum von Namibia. Ich finde schon bei der schnellen Betrachtung, daß ein Bißchen mehr an Auffrischung, bzw. Interesse oder vermutlich Geld für Renovierungen dringend nötig wären. Schade, wenn Kulturgüter, ob mit positivem oder negativem Tatsch, so vernachlässigt werden.

Es folgt noch ein kurzer Stop in einem Supermarkt, um uns mit dem lebensnotwendigen Trinkwasser zu versorgen. Dieser Besuch vermittelt uns einen ersten Einblick in die gigantischen Ausmaße namibischer Supermärkte, die sogar am Sonntag geöffnet haben und die auch zusätzlich Treffpunkt und Aufenthaltsort vieler Namibier gerade am Sonntag zu sein scheinen.

Voll beladen mit Wasser und unnützem Sonstigen geht die Fahrt zu unserer ersten Unterkunft in Windhoek.

Die Pension, befindet sich in einer sehr ruhigen Lage, allerdings gut eingezäunt und gesichert. Nur mit Schlüssel und einem O.K. durch die Sprechanlage kann man eintreten.

Lausi und ich haben diesmal sehr großes Glück mit unserem Zimmer. Zwar müssen wir unser Gepäck in den ersten Stock hieven, aber vom Zimmer selbst haben wir Zugang zu einer eigenen riesigen Terrasse mit Blick auf Bäume und einen Pool. Für einen sicher guten Schlaf werden auch keine direkt angrenzenden Zimmer sorgen!

Zuerst haben wir noch etwas Zeit zum Ausruhen, Auspacken und Frischmachen, obwohl wir ja bisher noch nicht viel getan haben und auch noch keine riesigen Wanderungen hinter uns gebracht haben. Fast alle, aber eben nur fast alle, haben sich in ihre Zimmer zurückgezogen mit Ausnahme von Jürgen und Claudia. Er hat eine riesige Kamera um den Hals hängen und fotografiert wie ein Weltmeister und es scheint, daß einfach alles als Bild eingefangen wird. Claudia trägt eine vermutlich recht schwere Tasche hinter ihrem Ehemann her, in die er ab und an etwas hineinlegt oder herausnimmt. Sicherlich Teile seiner Fotoausrüstung. Zusehen kann man diesem Treiben eigentlich nicht, ohne entweder laut zu lachen, oder gemütskrank zu werden!

Dann am späteren Nachmittag geht auch schon unser Programm weiter mit dem Besuch des Stadtteils Katutura. Der Name bedeutet in der Sprache der Herero: „Ort an dem wir nicht leben möchten“!

Katutura ist in den 1950iger Jahren im Zuge der Apartheidspolitik entstanden, wobei man damals versuchte, die nicht beschäftigten Schwarzen von der eigentlichen Stadt fernzuhalten und von den Weißen nach Südafrikanischem Vorbild zu trennen. Man errichtete dazu kleine Einheitshäuser, Schulen, Krankenhäuser und Einkaufsmöglichkeiten, damals weit weg von der eigentlichen Stadt. Heute ist Katutura mit der Stadt verwachsen, denn derzeit leben hier etwa 66 700 Einwohner.

Den sozialen Mittelpunk dieser riesigen Siedlung bildet der Tukondjeni Markt mit seinen Markthallen. Genau dort, vor einem der Zugänge, halten wir an und machen zuerst einmal einen Streifzug durch die Angebote im allgemeinen, rundum offenen Frischemarkt. Neben den verschiedensten Obst- und Gemüsesorten gibt es viel proteinhaltiges Käfer- und Krabbelgetier und natürlich auch Fleisch, gerade vor allem Rind, das ungekühlt darauf wartet, gekauft oder gleich hier gegessen zu werden. Die Verkäufer und Verkäuferinnen sind auf meine Bitten hin meist bereit, sich für ein Foto in Pose zu stellen oder zu setzen. Ein freundliches Lächeln gepaart mit einer höflichen Anfrage erleichtert meist sehr viel und man kann sogar dabei ins Gespräch kommen.

In den kleineren Hallen nebenan können wir beim Verschönern der vielen Damen zusehen, die hier ihre üppigen Haarteile aus geflochtenen Naturhaaren eingearbeitet bekommen. Es ist also nicht alles eigene Haarpracht, was sich auf den Köpfen der einheimischen Damen befindet. Toll sieht es dennoch aus! Natürlich können sich auch die Herren hier verschönern lassen, wie und womit auch immer.

Nur drängt dann wieder die Zeit und es geht weiter zur Fraueninitiative „Penduka“. Penduka ist eine Stiftung, die benachteiligten Frauen Hilfe zur Selbsthilfe anbietet. Hier werden von diesen einheimischen Frauen Webarbeiten hergestellt, wie wunderschöne Tisch- und sonstige Decken, Taschen und Puppen und vieles mehr. Dann gibt es als eine Spezialität noch die Perlenketten, hergestellt aus Altglas und bewundernswert in ihrer Art und Vielfalt und allerlei Töpferwaren.

Die Frauen lernen in dieser Einrichtung ein Handwerk und geben anschließend dieses Wissen als Lehrer an andere Frauen weiter. Durch den Verkauf ihrer Arbeiten können sie sich selbst versorgen. Es fällt mir schwer, hier nicht zu viel zu kaufen, aber wir sind ja erst am Beginn unserer Reise und deshalb können wir die Koffer nicht jetzt schon füllen!

Hier in der Anlage fotografieren Mutter und Sohn Adel wie die Weltmeister und Lausi, der sich eigentlich auch sehr viel und ganz gut fotografisch betätigt, schüttelt dazu nur noch den Kopf.

Ich kann auch nur den Kopf schütteln wenn ich Claudia beobachte, die versonnen die schönen Arbeiten der Frauen betrachtet und die, während sie sich eine Kette aussucht und bezahlt, immer einen Blick auf Schwiegermutter und Ehemann wirft. Hat sie etwa Angst, daß die beiden ihr verbieten, etwas zu kaufen oder was ist da los?

Schnell vergesse ich aber diesen Vorfall, denn wir werden zum gemeinsamen Abendessen und einer Tanzvorführung gebeten. Vor einer Lokalität mit Blick auf einen See, mit großer überdachter Terrasse, ist ein langer Tisch für uns gedeckt und bevor das Abendessen serviert wird, tanzt eine Gruppe von Frauen für uns. Es sind sehr rhythmische und mitreisende Tänze, die sie in passender pinkfarbener Kleidung vorführen.

Ich bin begeistert und anscheinend hat es doch auch einem Großteil der Gruppe gefallen, wobei ich eigentlich Beate ausschließe, die gelangweilt geschaut und immer wieder versucht hat, Paul und ihren Ehemann in ein Gespräch zu verwickeln, was beide aber ignorieren.

Das Abendessen ist sehr gut und wie angekündigt, auch von den Frauen der Initiative selbst gekocht. Mit einem sehr schönen Ausblick auf den kleinen See, also auf Wasser und sehr viel Grün genießen wir noch eine Zeitlang die Idylle hier, bis Erich zum Aufbruch mahnt.

Zurück in unserer Unterkunft wollen wir beide aber doch noch einen Absacker nehmen und treffen im Garten vor der Bar auf die drei „vons“ und das jüngere Paar. Alle anderen verziehen sich in ihre Zimmer! Unter mehreren Bäumen sitzen wir auf dem gutgepflegten Rasen und unterhalten uns so über alles und jedes und bald werden die Gesprächsthemen weniger und irgendwie, so mein Gefühl, lassen die Adligen uns doch spüren, daß sie ziemlich über uns, vor allem über uns beiden stehen.

Siglinde wollte zwar wissen in welchem Verhältnis Lausi und ich zueinander stehen, aber direkt fragen konnte sie nicht und so hielt ich sie eben nur weitschweifend, genau wie sie gefragt hatte, mit meiner Antwort hin. Dasselbe tat Lausi mit seinem Beruf, denn Jüüürgen, so nennen wir ihn bereits, hatte genauso hochnäsig über das Volk, also auch uns hier Versammelte, geredet wie seine ach so hochherrschaftliche Mutter.

Von Claudia kommt an diesem Abend eigentlich so gut wie nichts. Sie sitzt da und schaut, meist wie eine verschreckte Maus, nur wenn sie sich unbeobachtet fühlt, verzerrt sich ihr sonst so starres, gar nicht so langweiliges Gesicht und sie sieht irgendwie haßerfüllt aus.

Haßt sie alle Menschen oder nur die beiden aus ihrer, sich hier befindenden Familie? Abgesehen davon, bei der Schwiegermutter würde selbst auch ich meine Abneigung, besser meinen Haß kultivieren, aber warum bei ihrem Ehemann, den sie doch stets immer wieder anzuhimmeln scheint.

„Elli“,

sage ich mal wieder zu mir,

„da ist eingehende Beobachtung nötig, auch wenn ich eigentlich aus einem anderen Grund hier in Namibia bin, nämlich um das Land mit „Inhalt“ kennenzulernen und nicht irgendwelche Mitreisenden! Aber wie schon so oft werden wir sehen!“

Nach dem Leeren von einer Flasche Südafrikanischen Weins verabschieden die drei sich und Siglinde meint noch zu Claudia, sie solle doch auf die Golftasche achten und eventuell noch einige Dinge im Koffer umräumen.

Kaum sind die drei verschwunden, platzt Sören schon damit heraus, daß die wohl wirklich nicht ganz dicht sind. Anscheinend kennt er die drei, aber nur von der Ferne, wie er kundtut. Er weiß, daß die von Müllersdorf in einem recht großen Gutshof bei ihm in der Nähe wohnen. Da schwirren viele Gerüchte in der Gegend herum und eigentlich fragt sich jedermann im näheren Umkreis, wovon die Familie wirklich lebt und mit welchem Geld sie sich die teuren Hobbys leisten kann. Angeblich haben die von Müllersdorf, wie es so in der Umgebung heißt, einen Handel von Gourmetlebensmittel und veranstalten traditionell eine große, jährliche Jagd auf dem Gut.

Alle drei sind auch eifrige Golfer mit eigenem Golfplatz, der aber an einen Verein vermietet ist. Zudem geht das Gerücht um, daß Claudia einst irgendeine Koryphäe im Bogenschießsport war, die mit einem reichen Vater gesegnet ist. Warum auch immer ist sie auf Jürgen abgefahren und man vermutet, daß ein Teil des Geldes zum Unterhalt der Müllersdorf wohl vom Vater stammen könnte. Ferner heißt es, daß die nette Claudia, denn das war sie früher tatsächlich einmal, Jürgen nur wegen des Titels und auf Wunsch ihres Vaters geheiratet habe, denn Jüüürgen habe sie von Beginn ihrer Bekanntschaft an nur betrogen und schlecht behandelt. Also alles in allem eine recht sonderbare Verbindung!

Aber dann unterhalten wir vier uns lieber über doch anderes, nämlich über unsere Erwartungen an die Reise und über uns. Eh viel interessanter! Irgendwann scheint es so, daß überall in der Anlage die Beleuchtung immer weniger wird und so machen auch wir uns notgedrungen auf, unsere Zimmer etwas weiter oben wiederzufinden. Ich bin heute einmal tatsächlich sehr schnell weg und ich glaube Lausi ebenfalls!

Noch zu erwähnen ist, daß wir beide kein Problem haben, uns ein Zimmer zu teilen. Das Bett allerdings teilen wir sicher nicht, da bestehen wir immer auf getrennten Betten und das funktionierte eigentlich bisher stets auf allen unseren Reisen.

Man mag es nicht glauben, aber ich habe meinen Sohn schon seit Beginn seines Daseins ganz nackt gesehen und er mich auch. Wo also soll es da ein Problem geben? Bei meiner zwischenzeitlich absolut verkorksten Figur kann auch er sicherlich nichts an mir irgendwie „anders interessant“ finden! Aber böse Klatschmäuler gibt es überall!

Tatort Namibia

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