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Unser erstes richtiges Kreuzfahrtschiff

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Das ganz in weiß gehaltene Schiff erscheint mir von unten, also von da wo wir ausgeladen werden, groß und mächtig und nicht, wie es im Prospekt geheißen hatte, klein und schmal.

Das Einchecken findet vor einer nach oben führenden Metalltreppe auf einigen Tischen statt, hinter denen viele nette uniformierte Damen und Herren freundlich lächelnd auf uns warten. Alles geht schnell und problemlos über die Bühne, schließlich haben wir alle unsere Papiere, wie verlangt, parat.

Unsere Koffer hat man gleich nach Verlassen des Flugzeugs in LKWs verladen und wie wir informiert werden, sogar bereits in unsere Kabinen gebracht.

Mit einer Chipkarte bewaffnet, auf die sogleich unser Konterfei abgebildet wurde, geht es nach der Anweisung durch einige Uniformierte die Treppenstufen hoch zum Eingang, dann zum Lift und damit nach unten, zu dem, wie sich herausstellt, untersten Deck für Passagiere. Dort befinden sich die nicht so teuren Kabinen, also auch die unsere!

Eine Reihe netter junger Damen steht in Reih und Glied zur Begrüßung neben dem Aufzug und eine davon erbietet sich sogleich, uns zu unserer Kabine zu begleiten. Auf dem Weg dahin gibt sie uns noch so einige wichtige Informationen zum Schiff und zum weiteren Ablauf des Tages.

Auch heute noch haben mein Sohn und ich keine Probleme, zusammen für eine Urlaubsreise nur ein Zimmer oder eine Kabine zu nehmen. Allerdings bestehen wir bei der Buchung stets auf zwei getrennten Betten, was bisher durchaus auch immer möglich war.

Die dummen Bemerkungen über sonderbare Familienbeziehungen oder die Muttersöhnchengeschichte trifft uns kaum, da derartige Bemerkungen meist von Leuten kommen, die keine Kinder haben oder deren Kinder keine Beziehung mehr zu ihnen haben oder haben wollen. Noch viel netter ist es aber, wenn Lausi als mein junger Ehemann oder Liebhaber angesehen wird, da können wir uns ab und an einen bösen Scherz nicht verkneifen.

Unsere Kabine ist erstaunlich groß, hat zwei auseinanderstehende Betten, zwar nicht im amerikanischen Maß aber es reicht. Ein Tisch, ein Sofa, zwei Sessel, ein großer Schrank, ein Fernseher, auch als PC nutzbar und ein Kühlschrank runden das Bild ab.

Auf dem Tisch steht tatsächlich eine echte Pflanze in Grün und in einem Eis-Kühler eine Flasche Champagner. Nicht schlecht!

Auch die Naßzelle läßt keine Wünsche offen. Die Dusche ist recht groß und der Rest hat ebenfalls nicht gerade Miniformat.

Bei vielen unserer Tauchschiffe und sogar auf größeren, sogenannten Luxusschiffen sind gerade die Naßzellen sehr eng und oft echte Naßzellen, bei denen man zusammen mit der Toilette oft zum Duschen verurteilt ist! Danach ist alles nässer als naß!

So gesehen können wir mehr als sehr zufrieden sein, zumal auch die Aussicht durch die zwei Bullaugen besser als erwartet ist. Auf einem Schiff, in einer Gegend, die viel Seegang erwarten läßt, brauche ich keine Kabine ganz oben und sicher auch keinen Balkon. Bei Seegang gilt eigentlich immer:

„Möglichst weit unten und mitten im Schiff!“

Hier paßt beides.

Nach dem Auspacken unserer Koffer tätigen wir einen ersten Erkundungsgang durch das Schiff und sind überrascht, wie groß ein angeblich „Kleines“ Kreuzfahrtschiff doch ist. Es scheint sogar überall, nicht nur im Freien, ein Plätzchen zu geben, wo man sich etwas zurückziehen und gemütlich sitzen kann, sondern sehr viele. Alles ist erstaunlich großzügig, aber doch überschaubar.

Nur eines ist hier ganz anders als auf unseren bisherigen Schiffsreisen mit den Tauchschiffen, hier an Bord trägt die Crew Uniform. Daran muß ich mich erst noch gewöhnen, denn das Tragen von Uniformen oder mit Uniformen vertraut sein, ist bei uns in der Familie einfach nicht üblich und auch wenig bekannt.

Also werde ich mich bei Gelegenheit einmal über die Uniformen der Besatzung und deren Wichtigkeit an einer Infowand bei der Rezeption schlaumachen. Dazuhin soll heute am Abend, vor dem Abendessen, die Crew vom Kapitän persönlich vorgestellt werden.

Das ist sicherlich recht wichtig, denke ich, denn wenn irgend etwas los oder unklar ist, braucht man schließlich die richtigen Ansprechpartner und muß sie auch erkennen können.

Ebenso muß ich noch möglichst umgehend herausfinden, wo die Krankenstation ist, denn auf der Reise ist auch ein Arzt dabei. Falls ich also irgendein Wehwehchen bekomme, was in meinem Alter ja vorkommen kann, muß man schnell die richtige Anlaufstelle erreichen können.

Da nun anscheinend alle Passagiere an Bord eingetroffen sind, kommt ein Aufruf durch die Lautsprecher, daß man in Bälde ablegen wird und dann später, während der Ausfahrt Richtung Falklandinseln, um 19 Uhr das Abendessen serviert werde.

Davor aber ist ein Treffen aller Passagiere in einem Raum auf Deck irgendwas geplant. Alle Infos zum weiteren Ablauf wären jetzt auch schriftlich in den Kabinen und auf dem Fernseher in der Kabine zu finden.

Da bis dahin immer noch genügend Zeit ist, wollen wir beide uns das Schauspiel des Ablegens im Hafen nicht entgehen lassen und suchen das oberste Deck dazu aus, welches Lausi mit seiner hervorragenden Spürnase natürlich sofort findet. Er organisiert dort auch einen sehr guten Platz mit bester Aussicht. Wir bekommen sogar beinahe hautnah mit, wie der Kapitän, vermutlich per Steuerung im Freien, direkt auf dem Deck unter uns, mit etwas wie einem Handy am Ohr, uns aus dem Hafen herausmanövriert.

Dann wird es doch Zeit zum Duschen und Fertigmachen zum Abendessen. Etwas Frischeres ist angesagt, denn die Reiseklamotten haben eine dringende Überholung nötig. Hier an Bord kann man über Nacht waschen und reinigen lassen! Also ab mit den Klamotten in den Wäschesack aus dem Kleiderschrank und mit dem passenden Zettel aufs Bett gelegt. Da nur normale Kleidung auf einem Infoblatt gewünscht oder vorgeschlagen wird, halten wir uns, angetan mit Jeans und Pullover, daran.

Jetzt können Lausi und ich uns guten Gewissens auf die Suche nach dem Raum machen, in welchem man den neuen Passagieren die Crew und das Personal vorstellen will.

Mit unserer Kleidung liegen wir absolut richtig. Kaum einer der anwesenden Mitpassagiere ist „businesslike“ gekleidet und es scheint insgesamt sehr locker zuzugehen. Mit einem Glas Blubberwasser versehen, das man uns am Eingang in die Hand gedrückt hat, setzen wir uns an ein freies Tischchen hin und harren der Dinge, die da kommen.

Ein Herr in Uniform namens Luebker, der Kapitän, denn als solcher stellt er sich nun ganz allgemein vor, scheint sogar ein recht geselliger und unterhaltsamer Mann mittleren Alters zu sein, der nun sehr witzig, mit nordischem Humor, seine Offiziere und einen Teil der gerade abkömmlichen Crew vorstellt.

Für uns etwas ganz Neues, aber auch Interessantes ist, daß es anscheinend Crewmitglieder mit und ohne Uniform gibt. Nur warum das so ist, wird mir trotz aller Erklärungen absolut nicht klar und wird es vermutlich auch nicht werden. Wichtig erscheint es mir sowieso nicht, denn das was in irgendwelchen Kleidern drinsteckt ist für mich wichtiger als das Außenherum.

An dem Tischchen, an dem wir sitzen, noch weitere Personen haben sich dazugesetzt, wird darüber getuschelt, daß sogar die Eigentümer des Schiffes an Bord sind, man sie aber heute noch gar nicht gesehen habe.

Da mir hier an Bord des Schiffes unserer ersten richtigen Kreuzfahrt alles noch sehr fremd, neu und unbekannt ist, denke ich mir dabei eigentlich nichts und freue mich auf das Abendessen, bei dem wir hoffentlich an einem Tisch mit netten Leuten sitzen werden.

Schon lange bevor wir die Reise angetreten haben, waren wir tatsächlich gefragt worden, an welcher Tischgröße wir bevorzugt sitzen wollten. Auf die Empfehlung unseres Reisebüro-Inhabers hatten wir einen der großen Tische gewählt, gemäß dem Motto, da ist immer irgend jemand dabei, mit dem man sich unterhalten kann.

Es kommt sogar noch besser, als erhofft. Eine bunt gemischte Gruppe aus Paaren und Singles aller Altersstufen ist im Heck des Schiffes, in einer Ecke des großen Speisesaals, mit uns plaziert worden. Hier, ganz hinten, kommen wir auch noch in den Genuß, durch eine riesige Glasfront, bei den Mahlzeiten hoffentlich stets eine gigantische Aussicht aufs Wasser und hoffentlich auch ab und zu aufs Land und sonstiges erhaschen zu können.

Nach der ersten Vorstellung untereinander, man beschließt sich auf die Vornamen zu beschränken, denn wir sollen während der gesamten Reise die Abendessen an diesem Tisch zu uns nehmen, setzen wir uns kreuz und quer verteilt hin und geben uns sowohl der intensiven, lockeren Unterhaltung wie auch dem hervorragenden Essen hin.

Am Tisch sind wir acht Personen, obwohl sicher noch mindestens zwei weitere auch noch Platz hätten. Es gibt zwei Paare, eines etwas jünger, Mona und Peter und eines etwas älter, Eva und Franz. Zu uns gehört auch Luise, eine alleinreisende, etwas ältere Dame und Caro, eine hübsche, etwas jüngere, so in Lausis Alter und eben wir beide.

Das Personal, das uns bedient, stellt sich uns ebenfalls vor und soll nun während dieser Fahrt für uns an diesem Tisch abends zuständig sein.

Da wir uns auch ab und zu quer über den Tisch unterhalten wollen, ist unsere erste gemeinsame Bitte an Svenja, unsere Oberservicedame, doch bitte den sehr großen, zwar recht geschmackvollen, aber beim Unterhalten doch störenden Blumenschmuck von der Mitte des Tisches zu entfernen.

Mit einem verlegenen Grinsen im Gesicht, meint sie mit gedämpfter Stimme, das dürfe sie nicht, wenn sie nicht Ärger mit der heute zuständigen Speisesaaloffizierin, der Hosteß Frau Hindenberg bekommen wolle. Die sei etwas eigen!

Der Gesichtsausdruck von Svenja sagt eigentlich bereits alles und als ich einen Blick Richtung Theke werfe, wo diese uniformierte Dame gerade steht, bemerke ich, daß sie uns und Svenja mit einem nicht gerade freundlichen Blick beobachtet.

Was soll das? Wir sind doch hier Gäste und können uns auch mal mit dem Personal unterhalten!

Ich komme nicht lange zum Nachdenken darüber, warum mir der Blick nicht gefällt, denn Luise, die alleinreisende Dame meines „hohen“ Alters ergreift das Wort und meint kämpferisch, wir seinen doch hier die „Könige“ und man habe sich nach unseren Wünschen zu richten. Daraufhin steht sie auf, ergreift das riesige Blumengesteck und stellt es einfach auf ein kleines unbenutztes Tischchen gleich in der Nähe.

„Da steht eh nichts, also sind die Blumen da ganz passend“,

meint sie und nimmt nun von ihrem Vorspeisenteller eine kleine, nett dekorierte Salatvariante von Gurkenscheibe und Blattsalat, die sie auf einem Brottellerchen in die Mitte unseres Tisches plaziert. Mit den Worten und einem Grinsen im Gesicht:

„So nun können wir uns alle wieder ins Gesicht sehen, wenn wir miteinander reden wollen und etwas Deko steht auch da! Ich bin eh kein Salatesser“,

setzt sie sich wieder hin.

Ein Blick Richtung Svenja und ihrer Kolleginnen und Kollegen läßt mich vermuten, daß wir genau das Richtige getan haben, denn alle haben große Mühe ernst zu bleiben und müssen ihr Lachen lediglich vor dem bitterbösen Gesicht von der Hindenberg verbergen.

„Hier an Bord ist also auch nicht alles Gold was glänzt“,

denke ich so im Stillen und hoffe ganz klammheimlich, vielleicht etwas Unterhaltsames für meine ach so geliebten, persönlichen Aufschriebe und Geschichten hier, in einer für mich doch ganz unbekannten Umgebung, zu ergattern.

Aber das köstliche Abendessen, mit einem recht langen, anschließenden feucht fröhlichen Alkoholkonsum, läßt mich meine bösen Gedanken recht schnell vergessen.

Erst sehr viel später, als wir den fast leeren Speisesaal verlassen und an der Dame:

„Hosteß Hindenberg“

vorbeikommen, finde ich ihren Blick, gerade auf mich gerichtet, gar nicht besonders nett, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Aber da Lausi immer wieder der Meinung ist, ich sehe doch zu viele Gespenster, sage ich dazu beim leicht schaukelnden Gang in Richtung unserer Kabine zunächst sogar einmal gar nichts.

Lausi dagegen dreht sich sofort nach dem Betreten und Abschließen der Kabine zu mir um und meint:

„Ich bin es von dir aber gar nicht gewöhnt, daß du weder zu einigen Mitgliedern der Crew, noch zu sonst wem von den Passagieren etwas „Nettes“, du weißt schon, zu sagen hast. Das kann aber eigentlich schon deshalb nicht sein, da sogar mir aufgefallen ist, daß bei der Besatzung, vielmehr vor allem bei einigen Damen davon, nicht alles so ganz stimmt. Mutter wirst du etwa so was wie normal?“

„Liebster aller Söhne, ich wollte nur wenigstens einmal auf einer Reise nicht gleich am ersten Tag etwas zu unserer Umgebung, vor allem zu den Zweibeinern sagen, was nicht so „nett“ ist, wie du es freundlicherweise auszudrücken bereit bist. Aber irgend etwas nicht sehr Angenehmes läuft hier unterschwellig ab.

Dein liebenswerter Vater würde meine Meinung zu all dem hier, wie stets als äußerst negativ bezeichnen. Er liebt es mir und meiner Person das Negativsein auch so gerne bei meinem gesamten Dasein und Handeln anzudichten.

Ist dir aufgefallen, daß es im Speisesaal einen Tisch gibt, auf dem eine Karte mit „Reserviert“ in einem silbernen Kartenhalter gut oder besser gesagt, nicht gut verborgen hinter einem Blumengebinde steckt und dieser Tisch heute abend leer stand.

Gut, es waren sowieso nicht alle Tische belegt, vor allem die kleineren nicht, aber der Blick der Hosteß Hindenberg, vor allem Richtung diesem und unserem Tisch war sonderbar, wie diese ganze Frau mir recht sonderbar vorkommt.

Sie ist also nicht nur mir sondern auch anscheinend dir aufgefallen. Am ersten Tag wollen wir jedoch noch nichts Übles irgendwo sehen. Also lieber schnell ins Bett. Du hast hoffentlich nicht vergessen, daß wir morgen früh ganz zeitig aufstehen müssen, weil irgendeine sogenannte Seeübung ansteht.“

Nach dem Durchlesen eines Papiers mit den Veranstaltungen für den nächsten Tag, das zusammen mit einem „Betthupferl“ auf den Betten gelegen hatte, schlafen wir vermutlich wirklich schnell ein und tatsächlich einfach hervorragend durch bis zum Morgen.

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