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Der Weitergeb-Glückspfennig

Anna ist heute etwas traurig. Das kommt manchmal aus heiterem Himmel. Dann hilft nur ein Spaziergang. Wie sie nun so einen ihrer Lieblingswege entlanggeht, ganz in Gedanken, fällt ihr Blick auf einmal auf etwas, das genau vor ihr liegt. Sie bückt sich. Ein Glückscent, freut sie sich. Doch dann schaut sie genauer hin. Nein, es ist tatsächlich ein Pfennig. Wie kommt der hierher, denkt sie verwundert. Die gibt es doch schon lange nicht mehr. Anna steckt den Pfennig in ein kleines Seitenfach ihrer Tasche und geht weiter. Aber plötzlich merkt sie, dass sie gar nicht mehr traurig ist. Sie sieht sich mit leuchtenden Augen um, sieht die vielen Blumen, auf denen sich Hummeln und Bienen tummeln und geht fröhlich weiter. „Hallo“, hört sie da mit einem Mal eine Stimme. Nanu? Sie ist ganz allein. Nirgendwo eine Menschenseele zu sehen. Ach, ich habe mich wohl verhört, denkt sie. Doch da hört sie es schon wieder. Es kommt aus dem kleinen Seitenfach, in das sie den Pfennig gesteckt hat. Erstaunt holt sie den Pfennig heraus und legt ihn auf ihre Hand. Er hat ja plötzlich ein Gesicht. Und nun spricht er mit ihr: „Ich bin ein Weitergeb-Glückspfennig. Bist du noch traurig?“ „Nein“, antwortet Anna, „es ist so schön heute, die Sonne scheint und die Vögel singen. Wie sollte ich da traurig sein.“ „Dann musst du mich weitergeben, wenn du jemanden triffst, der traurig ist. Weißt du noch, warum?“ „Ja“, lacht Anna, „du bist ein Weitergeb-Glückspfennig.“ Sie steckt ihn wieder in ihre Tasche und will weitergehen. Da trifft sie ihre Freundin Elisabeth. „Was lachst du so fröhlich?“, fragt diese. „Ich weiß nicht, ich will heute gar nicht froh werden. Nicht einmal die Sonne kann mich aufheitern.“ „So ging es mir heute auch“, lacht Anna, „aber dann habe ich das hier gefunden.“ Sie zeigt Elisabeth den Glückspfennig. „Einen Pfennig? Na, das ist ja erstaunlich in der heutigen Zeit. Und der lag einfach so da?“ „Ja“, Anna drückt Elisabeth den Pfennig in die Hand, „er lag vor mir auf dem Weg und mit einem Mal war ich nicht mehr traurig. Ich schenke ihn dir, denn du brauchst ihn jetzt nötiger. Aber wenn du wieder fröhlich bist, höre darauf, was er zu dir sagt.“ Kopfschüttelnd geht Elisabeth weiter und mit einem Mal ist auch sie wieder fröhlich. Sie freut sich über den kleinen Spatzen auf dem Weg und zerkrümelt einen Keks, den sie in der Tasche hat. Mmh, da pickt er aber und zwitschert ihr als Dank ein Liedchen. Warum war ich denn nur traurig, denkt Elisabeth, die Welt kann doch so schön sein. „Bist du nun wieder froh, Elisabeth?“ Nanu, Anna ist doch schon lange gegangen. Wer spricht da mit ihr? Da hört sie die Stimme wieder. „Elisabeth, hol mich heraus.“ Der Pfennig? Wo habe ich ihn denn? Ach ja, sie hat ihn ganz in Gedanken in die Jackentasche gesteckt. Als sie ihn herausholt, staunt sie nicht schlecht. Er spricht zu ihr: „Ich bin ein Weitergeb-Glückspfennig, Elisabeth. Wenn du wieder glücklich bist, verschenke mich an jemanden, der traurig ist.“ Ich werde alt, denkt Elisabeth, jetzt höre ich schon einen Pfennig sprechen. Aber hatte Anna nicht gesagt, höre darauf, was er zu dir sagt? Sie schüttelt den Kopf, steckt den Pfennig wieder ein und führt ihren Weg fort. Da sieht sie ihren Nachbarn. „Guten Morgen, Herr Schulz“, begrüßt sie ihn fröhlich, „ist das nicht ein schöner Tag?“ Herr Schulz schüttelt traurig den Kopf. „Wenn man wie ich alt ist und ganz allein, was soll da der Tag schön sein? Richtig laufen kann ich auch nicht mehr.“ Er stützt sich auf seinen Rollator und hat ein paar Tränen in den Augen. „Aber Herr Schulz“, antwortet Elisabeth, „in unserem Alter muss man positiv denken. Sehen Sie mal“, sie zeigt auf den Rollator, „ohne dieses Ding würden Sie sich doch gar nicht mehr aus ihrer Wohnung trauen. Nun sollten Sie sich freuen, dass Sie, wenn auch langsam, in der Sonne spazieren gehen können. Und wenn Sie eine Pause brauchen, setzen Sie sich.“ „Hmm“, Herr Schulz ist immer noch nicht ganz überzeugt. „Schauen Sie mal, was meine Freundin Anna gefunden hat.“ Elisabeth zeigt Herrn Schulz den Pfennig. „Ein Pfennig? So einen habe ich ja ewig nicht gesehen.“ Herr Schulz betrachtet ihn erstaunt. „Nicht wahr? Er macht sie wieder froh, ganz bestimmt. Ich schenke Ihnen den Pfennig.“ „Wirklich, für mich?“ Herr Schulz strahlt. „Danke. Und wissen Sie was, Frau Nachbarin? Sie haben Recht. Trübsal blasen führt zu nichts.“ Dann geht er weiter. Elisabeth schaut ihm nach und hat das Gefühl, dass sein Gang etwas leichter ist. Dann fällt ihr noch etwas ein. „Wenn Sie nicht mehr traurig sind, hören Sie darauf, was er zu Ihnen sagt“, ruft sie. Aber das hört er schon nicht mehr.

Herr Schulz hat aufgehört, zu weinen. Anderen geht es viel schlechter, denkt er, und dass ich keine Familie habe, ist auch nicht so schlimm, wenn ich so eine nette Nachbarin habe. Er schaut beinahe ein wenig verschmitzt und gar nicht mehr traurig. „Herr Schulz, hören Sie mich?“ Wer ruft ihn denn da? Seine Nachbarin kann es nicht gewesen sein, die ist nicht mehr zu sehen. „Herr Schulz, ich bin es“, hört er da wieder und er bemerkt, dass es aus seiner Hosentasche kommt. Da hat er doch den Glückspfennig hineingesteckt. Er nimmt ihn vorsichtig heraus. „Na endlich, Herr Schulz“, der Glückspfennig wirkt ungeduldig. „Ich muss Ihnen doch etwas sagen. Ich bin ein Weitergeb-Glückspfennig, wissen Sie. Sind Sie denn noch traurig?“ Herr Schulz schaut verwundert und antwortet: „Nein, ich bin überhaupt nicht mehr traurig. Eigentlich geht es mir doch gut.“ Da spricht der Pfennig ihn wieder an: „Wenn Sie nun nicht mehr traurig sind, müssen Sie mich weitergeben, sobald sie jemanden treffen, der unglücklich ist. Versprechen Sie das?“ „Ja, ja, das verspreche ich.“ Herr Schulz schaut sich verlegen um. Wenn mich jemand sieht, hält er mich für verrückt, denkt er und steckt den Pfennig wieder ein. Als er weitergeht, fällt sein Blick auf einen kleinen Jungen. Er sitzt im Rollstuhl und weint bitterlich. „Na, mein Junge“, fragt Herr Schulz, „wie heißt du denn, und warum weinst du so?“ Der kleine Junge blickt ihn an. „Ich heiße Jonas“, schluchzt er, „und ich bin so traurig, weil meine Klassenkameraden nichts mit mir zu tun haben wollen. Sie spielen Fußball und ich darf nicht mal zusehen. Meine Mutti hat mir diesen Ball geschenkt.“ Er zeigt auf seinen Schoß. Dort liegt ein schöner Lederball. „Sie hat gedacht, die Jungs spielen dann Fangen mit mir. Aber sie haben mich ausgelacht. Das ist Kinderkram, haben sie gesagt, richtige Jungs spielen Fußball. Aber ich kann doch nichts dafür, dass ich nicht laufen kann.“ „Na, dann spielen wir beide Fangen Jonas, wirf den Ball mal in meinen Korb.“ Herr Schulz zeigt auf den kleinen Korb, der vorn am Rollator befestigt ist. Jonas blickt zu ihm auf und trocknet seine Tränen. Dann wirft er und trifft den Ball tatsächlich mitten in den Korb. „Na prima“, ruft Herr Schulz, „und jetzt fang.“ Er nimmt den Ball vorsichtig mit einer Hand und wirft ihn mit so viel Schwung, wie er kann, Jonas zu. Und der fängt ihn und lacht. „Na, siehst du, frag deine Kameraden, ob du Torwart sein kannst. Aber jetzt muss ich gehen. Aber halt, ich habe ja noch etwas für dich.“ Herr Schulz nimmt den Pfennig aus seiner Hosentasche und drückt ihn dem erstaunten Jonas in die Hand. „Aus welchem Land kommt denn dieses seltsame Geldstück?“, fragt Jonas. „Das gab es mal bei uns, bevor es Euro und Cent gab, mein Junge. Aber das ist schon lange her, da hast du noch nicht gelebt. Es ist ein Glückspfennig. Irgendetwas ist mit ihm, aber ich habe nicht mehr verstanden, was meine Nachbarin gerufen hat. Die hat ihn mir nämlich eben geschenkt. Und jetzt schenke ich ihn dir. Pass gut auf ihn auf.“ „Ja, das mache ich“, antwortet Jonas „und danke nochmal.“ Er steckt den Pfennig in das kleine Reißverschlussfach an seiner Kappe und rollt so schnell er kann zur Schule. Auf dem Schulhof spielen seine Kameraden gerade mit den Jungs aus der Parallelklasse. Aber es scheint schlecht zu stehen. Die anderen haben schon drei Tore geschossen. Manuel, der im Tor steht, hat keinen Ball gehalten. Gerade ist Halbzeit. „Manuel“, nölen die anderen, „was ist heute mit dir los? Wenn das so weitergeht, blamieren wir uns haushoch.“ „Lasst mich doch euer Torwart sein.“ Jonas blickt seine Klassenkameraden herausfordernd an. „Du? Aber du kannst ja nicht mal laufen“, lachen sie ihn aus. „Aber rollen kann ich und fangen. Probiert es doch aus.“ Jonas lässt sich nicht beirren. Er denkt an den Glückspfennig. Na, schlimmer kann es ja nicht kommen, denken die anderen. „Versuch mal, den Ball zu halten“, ruft Elias, der Kapitän. Jonas rollt ins Tor. Elias setzt an und schießt den Ball in seine Richtung. Jonas schaltet blitzschnell. Linke Ecke, denkt er, rollt, hebt die Arme und fängt den Ball. Die Schulkameraden jubeln. „Das könnte ja wirklich klappen“, rufen sie, „probieren wir es doch einfach mal.“ Als die Jungs von der gegnerischen Mannschaft Jonas erblicken, lachen sie laut auf. „Na, euer letztes Aufgebot? Das wollen wir mal sehen. Mindestens 5: 0, wetten?“ Die zweite Halbzeit beginnt. Und Jonas hält jeden Ball. Die Gegner werden langsam wütend und machen Fehler. Und seine Mannschaft? Die Jungs scheinen neuen Mut gefasst zu haben. Sie schießen ein Tor nach dem anderen. Am Ende steht es 5: 3 für Jonas Mannschaft. „Jonas, du bist unser Held“, rufen die Schulfreunde, „von nun an bist du unser Torwart.“ Alle freuen sich, nur Manuel ist ein wenig beleidigt. Aber schnell findet sich auch hier eine Lösung. „Wir ziehen doch in eine andere Stadt“, sagt Luca zu ihm, „dann kannst du meine Stürmerposition übernehmen.“ Da ist Manuel nicht mehr böse, denn eigentlich wollte er ja immer schon Stürmer sein. Jonas bekommt noch eine Brause spendiert vom Sportlehrer, der ihm anerkennend auf die Schulter klopft.

Dann rollt Jonas freudestrahlend nach Hause. „Stell dir vor Mutti“, erzählt er fröhlich, „ich bin jetzt Torwart in unserer Schulmannschaft. Ich habe alle Bälle gehalten.“ Die Mutti schaut ihn liebevoll an. Wenn er nur glücklich ist, denkt sie, er hat es schwer genug in seinem Leben.

Als Jonas ins Bett geht, legt er die Kappe mit dem Pfennig neben sich auf das Kopfkissen. Er träumt von großen Erfolgen. Doch dann wacht er auf. Hat mich da jemand gerufen? Ach nein, denkt er, ich habe wohl geträumt. Doch da hört er wieder etwas. Es kommt aus seiner Kappe. Jonas macht das Täschchen auf und betrachtet den Pfennig. Der spricht ja. „Jonas, bist du jetzt glücklich?“ „Ja, sehr“, antwortet Jonas, „aber was bist du denn für ein merkwürdiges Ding. Wieso sprichst du?“ „Ich bin ein Weitergeb-Glückspfennig. Wenn du jetzt nicht mehr traurig bist, musst du mich weitergeben, wenn du jemanden triffst, der traurig ist. Vergisst du das auch nicht?“ „Ja, das tue ich“, verspricht Jonas und steckt den Pfennig wieder in das Fach an seiner Kappe zurück. Dann kuschelt er sich in seine Decke und schläft ein. Ich hatte ja einen merkwürdigen Traum, denkt er am nächsten Morgen. Heute kann er es kaum erwarten, zur Schule zu kommen. Endlich Freunde, freut er sich.

Auf dem Schulweg sieht Jonas ein Mädchen, das er noch nicht kennt, in einem Garten sitzen. Es sieht traurig aus. „Wer bist du? Ich heiße Jonas. Bist du neu in unserer Straße?“ „Ja“, antwortet das Mädchen, „ich heiße Sarah. Wir sind gestern hierhergezogen, und ich habe mich so gefreut, dass wir jetzt einen Garten haben. Aber die Schmetterlinge lassen sich nicht fangen. Dabei sind sie so schön.“ Traurig zeigt sie auf einen bunten Schmetterling, der gerade an ihrer Nasenspitze vorbeifliegt. „Du bist aber dumm“, sagt Jonas altklug zu ihr, „Schmetterlinge kann man doch nicht fangen. Freu dich doch, wie schön sie im Garten umherfliegen. Wenn du sie unbedingt fangen willst, dann fang sie mit den Buntstiften ein.“ Er zeigt auf den Zeichenblock und die Stifte, die neben Sarah auf der Gartenbank liegen. Der Block ist ganz weiß. „Aber weißt du was“, fällt ihm gerade ein, „ich schenke dir einen Glückspfennig, dann bist du bestimmt wieder froh.“ Er nimmt den Pfennig aus seiner Kappe und legt ihn Sarah in die Hand. Die betrachtet ihn erstaunt. „Was ist denn das für eine Münze? Wo kommt die her?“ Stolz gibt Jonas sein neu erworbenes Wissen weiter. „Ich muss zur Schule, tschüss Sarah“, endet er. „Ach, eines noch. Wenn du wieder fröhlich bist, höre auf das, was der Pfennig zu dir sagt.“ Dann rollt er weiter. „Mache ich“, ruft Sarah hinter ihm her, „danke.“ Sie wundert sich kein bisschen, dass der Pfennig sprechen soll, denn kleine Mädchen glauben ja noch an Märchen. Freudestrahlend nimmt Sarah ihren Block und malt die buntesten Schmetterlinge. Und traurig? Nein, das ist sie längst nicht mehr. „Hallo“, hört sie da eine Stimme.

Wer also einmal traurig ist und dann vielleicht den Weitergeb-Glückspfennig bekommt, sollte immer darauf hören, was er sagt. Und nicht vergessen, ihn weiterzugeben, wenn die Traurigkeit vorbei ist.

Die silberfarbene Gebäckdose

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