Читать книгу Die Falle - Emanuel Müller - Страница 6

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Prolog

Die Baumwipfel rauschten laut im Wind, man konnte es fast als Sturm bezeichnen. Vom Vollmond beleuchtete Wolkenfetzen rasten den dunklen Nachthimmel entlang. Waldemar stolperte über eine Baumwurzel und kam fluchend wieder auf die Beine. Was für ein grandioses Ende für diesen Tag. Alles war schiefgelaufen! Natürlich hatten sie die Halskette nicht gehabt, die er Maria zum Geburtstag schenken wollte. Warum auch? Seit 6 Wochen war er täglich am Juwelier vorbeigekommen. Jedes Mal hatte er sich ausgemalt, wie das Schmuckstück im Schaufenster seiner Frau stehen würde und wie sie sich darüber freuen musste. Und gerade heute, als er sich entschieden hatte, sie tatsächlich zu kaufen, war sie weg gewesen! Jemand war ihm zuvorgekommen! Nach 6 Wochen!

Auf der Rückfahrt wurde es bereits dunkel. Während Waldemar gedanklich bei einem Ausweichgeschenk war, für dessen Besorgung ihm noch eine Woche Zeit blieb, holperte plötzlich das Auto, das Heck scherte aus und der Wagen schlidderte von der Straße. Erschrocken trat Waldemar auf die Bremse. Er fuhr durch ein dichtes Waldstück Richtung Wernigerode und hatte nicht die Absicht, den Abend in einem zerschmetterten Fahrzeug zu beenden.

Mit einiger Mühe bekam er den Wagen wieder unter Kontrolle und brachte ihn zum Stehen. Den Motor ließ er laufen, damit die Scheinwerfer hell weiterbrannten, außerdem setzte er den Warnblinker. Dann stieg er aus und atmete tief durch. Was für ein Schreck! Seine Hände zitterten und die Knie schienen aus Gelee zu bestehen. Im Licht der Hecklampen und dem intermittierenden Leuchten des Warnblinkers glitt sein Blick über die Straße. Da lag etwas. Zögernd kam er näher und inspizierte den Gegenstand, den er mit dem Auto überfahren hatte. Eine Drahtspirale. Das sah aus, wie ein Stacheldraht. Aber mit vielen Windungen und extrem langen und dicken Dornen dran. Jemand hatte das Ding quer auf die Fahrbahn gelegt. Na super, ein toller Streich! Am besten benachrichtigte er gleich die Polizei, das war ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr!

Mit mulmigem Gefühl kehrte er zum Wagen zurück. Wie er es befürchtet hatte: Alle 4 Reifen waren platt. Die Vorderreifen schienen sogar richtiggehend zerfetzt. Zwar hatte er ein Reserverad im Kofferraum, doch bei 4 platten Reifen nützte ihm das nichts.

Der Abend wurde echt immer großartiger. Besser, er rief zunächst Maria an, damit sie sich keine Sorgen machte, dann den ADAC und zum Schluss die Polizei. Ja, das war eine gute Reihenfolge. In alter Gewohnheit griff er in die Hosentasche, in der er stets sein Handy mit sich trug.

Sie war leer.

Ein Erinnerungsfetzen schoss ihm durch den Kopf. Am Vormittag hatte er vom Büro aus mit seiner Frau telefoniert.

»Ach, du hast übrigens dein Handy vergessen. Auf dem Küchentisch.«

»So ein Mist! Na, ich werd’s überleben! Lass es einfach dort liegen, bis ich heute Abend komme!«

Bis ich heute Abend komme ... Fluchend umrundete er das Auto. Über die Straße waren es noch mehrere Kilometer bis Wernigerode. Durch den Wald wäre es erheblich näher ...

Waldemar war hier schon oft im Wald gewesen, auch nachts. Seit seiner Kindheit kannte er die gesamte Umgebung in und auswendig. Ein Klacks! Er stellte das Warndreieck auf, verschloss den Wagen und machte sich auf den Weg.

Und jetzt so etwas! Er hatte sich verlaufen. Er, Waldemar Brandes! War das zu glauben? Das durfte er echt niemandem erzählen. Stirnrunzelnd sah er zu den Baumwipfeln hinauf, die sich vor dem runden Vollmond abhoben und im Wind bogen. Wenigstens regnete es nicht.

In der Ferne drang ein Heulen durch den Wald. Mehrere andere Stimmen antworteten mit einem Gegenheulen.

Was war das? Das klang ja fast wie ein Rudel Wölfe! Waldemar hatte die Berichte in den Medien verfolgt, denen zufolge sich im Harz wieder Wölfe angesiedelt hätten. Besonders die Landwirte beklagten bitter die Verluste unter ihren Tieren, angeblich von wilden Wolfsrudeln verursacht. Er hatte das alles nie so recht glauben können.

Bis jetzt.

Das Heulen wiederholte sich, jetzt so nah, dass er eine Gänsehaut bekam. So aufmerksam er sich auch im dunklen Wald umschaute, es war nichts zu sehen und zu hören. Sämtliche Geräusche waren seit dem ersten Heuler verstummt. Keine Vögel, keine anderen Tiere, nicht mal Insekten, die summten. Totenstille.

In der Ferne knackte es im Unterholz. Ein Laut, welcher schnell näher kam. Waldemar wandte sich um und stolperte ein weiteres Mal. Über dieselbe Wurzel, wie eben. Es ging halt immer noch etwas besser.

Jetzt hörte er obendrein Getrappel von irgendwelchen Tieren. Und da ... wieder ein Heulen! Er erschrak, wie nah es war.

Verdammt, er hatte nicht einmal die Taschenlampe aus dem Handschuhfach mitgenommen! Was war bloß los mit ihm? Und alles nur, weil irgendein Idiot Stacheldraht auf die Landstraße gelegt hatte. Oder war es am Ende Absicht gewesen und galt gar gezielt ihm? Ach, Unsinn! Dann wäre er doch bereits am Auto ausgeraubt worden!

Aber das Heulen ...

Er fing an, zu rennen. Zurück Richtung Straße! Er würde sich im Wagen einschließen und darauf warten, dass jemand vorbeikam! Das hätte er gleich tun sollen! Nachts durch den Wald, was für eine blöde Idee!

Hinter ihm brach etwas aus dem Unterholz. Waldemar hörte schnelles Getrappel und stoßweises Hecheln, wie von einem wilden Tier. Ohne sich umzusehen, beschleunigte er seinen Sprint.

Wieder das Heulen in der Ferne, diesmal vor ihm. Panisch schaute er nach rechts und links. Nur zurück wollte er keinen Blick werfen. Etwas verfolgte ihn, aber was?

Ein lautes Knurren ließ ihn zusammenzucken, einen Sekundenbruchteil später wurde er von hinten zu Boden gerissen. Ein blendend greller Schmerz durchzuckte ihn. Sein Schrei wurde vom Waldboden verschluckt.

Die Falle

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