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VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

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ZU SWEDENBORG

Emanuel Swedenborg (1688 – 1772) ist der deutschsprachigen Leserschaft bisher fast ausschließlich aufgrund seiner esoterischen Schriften bekannt. Nur wenige wissen, dass dieser Lebensphase zwei davon vollkommen unterschiedliche, aber nicht minder bedeutungsvolle vorausgingen. Bis Mitte seiner 40er war Swedenborg als wissenschaftlicher Universalgelehrter in Europa weit bekannt und hoch geschätzt. Seine Schriften aus jener Phase sind dabei noch ganz durchdrungen vom kartesianischen, d. h. mechanistisch geprägten, Zeitgeist. Andererseits war es zeitlebens seine große Passion Naturwissenschaft und Geist zu vereinen, so wie dies für Wissenschaftler vor Descartes noch selbstverständlich war. Und so folgte ab ca. der 1730er eine Lebensphase, in der er sich vorrangig der Erforschung des menschlichen Organismus widmete. Die in jener Zeit verfassten Abhandlungen Oeconomia regni animalis in transactiones divisa und Regnum animale anatomice, physice et philosopice perlustratum oder seine posthum zusammengestellten Notizen über das Gehirn1 gehören zu den spannendsten medizinischen Abhandlungen der Neuzeit, deren medizinhistorische Würdigung noch aussteht. Eine spirituelle Krise 1743/​44 begründete dann seine letzte Lebensphase, in der er sich ausschließlich der Erforschung der himmlischen Sphäre und der Neuinterpretation der Bibel widmete. Für eine ausführliche Beschreibung seines Lebens und Werks sei an dieser Stelle auf weiterführende Literatur verwiesen.

ZUM VORLIEGENDEN WERK

Eine der großen Passionen Swedenborgs bestand in diesem Zusammenhang in der Erforschung jener Grundmechanismen und anatomischer Strukturen, die maßgeblich an der Übertragung und Verarbeitung von Informationen beteiligt sind und die Wahrnehmung letztlich überhaupt erst ermöglichen. Wie das vorliegende Dokument belegt, antizipierte Swedenborg in diesem Zusammenhang bereits 1718, also lange vor Beginn seiner anatomisch-physiologischen Studien, die zentrale Bedeutung der Körperflüssigkeiten, der Membranen und der Knochen, die allesamt dazu innerhalb eines Kontinuums einzig die Aufgabe haben, Tremulationen, d. h. Schwingungen, Vibrationen, Zitterbewegungen etc. aus einer lokalen Quelle in den Körper als Ganzen zu verbreiten. Diese ubiquitär im Körper auftretende Kovibration galt Swedenborg als essenzielle Grundlage jeglicher Sinneswahrnehmung. Eine faszinierende und unglaublich moderne Hypothese, deren Bewertung aus medizinhistorischer Sicht ebenso aussteht wie deren wissenschaftliche Überprüfung.

Die genaue Geschichte der Abhandlung Über Tremulationen entnehmen Sie dem Vorwort zur englischen Ausgabe.

ZUR TERMINOLOGIE

Da im vorliegenden Werk die Terminologie zu Wellenphänomenen gelegentlich verwirrend erscheint, sei hier eine kleine Orientierungshilfe angeboten:

Undulation: Sichtbare Tremulationen, wie etwa das Schwingen eines Pendels oder das Wehen einer Flagge.

Tremulation: Hörbare Tremulationen, wie etwa der Klang des Tones einer schwingenden Saite.

Kontremiszenz: Feinste unsichtbare und unhörbare Tremulationen.

Begriffe wie Schwingung oder Vibration sind im jeweiligen Kontext in die o. a. Bedeutung einzuordnen. Das Schwingen einer Saite ist demnach sowohl Undulation als auch Tremulation; man kann die Schwingung sehen und hören.

Verwirrend ist die Begrifflichkeit v.a. deshalb, weil Swedenborg den zentralen Begriff Tremulation, aber auch den von ihm geprägten Fantasiebegriff der Kontremiszenz in seiner Originalschrift auch verwendet, um damit sämtliche in der Natur vorkommenden wellenartigen Vorgänge zu beschreiben. Diese Begriffe sind somit zugleich terminologische Gesamt- und Teilmenge. Gelegentlich sind alte anatomische Ausdrücke wie etwa matres für die Meningen (Gehirnhäute) anzutreffen, aber der Authentizität zuliebe wurde auf eine minutiöse Angleichung an die aktuelle medizinische Nomenklatur verzichtet.

Bezüglich der Terminologie offenbart sich im Übrigen eine grundsätzliche Schwäche der deutschen Übersetzung, denn diese erfolgte nicht auf Grundlage des schwedischen Originals, was eine korrekte Überprüfung unmöglich macht; sie basiert vielmehr auf der englischen Übersetzung des schwedischen Historikers Clas Teodor Odhner (1836 – 1904) aus dem Jahre 1899. Da JOLANDOS als Kleinstverlag die Mittel fehlen, um den enormen Aufwand einer wissenschaftlich relevanten Übersetzung aus dem Schwedischen jener Zeit zu finanzieren, der Inhalt des Werkes aber nach Ansicht des Herausgebers von überragender medizin- und v.a. osteopathiehistorischer Bedeutung ist, wurde als Kompromiss die Übersetzung aus dem Englischen gewählt. Eine notwendige Nachbesserung muss anderen überlassen werden.

ZUR BEDEUTUNG

Obwohl das Werk Über Tremulationen von allgemeinem Interesse ist, dürfte es aber in Besonderem Osteopathen und allen voran jene, die sich im Kontext der Biodynamischen Osteopathie bewegen, interessieren. Dies umso mehr, wenn man um die historischen Zusammenhänge zwischen Emanuel Swedenborgs anatomisch-physiologischen Schriften bzw. seinem Weltbild im Allgemeinen und dem Begründer der Osteopathie, A. T. Still (1828 – 1917), weiß. Dies trifft ebenso auf den Entdecker der Kranialen bzw. Kraniosakralen Osteopathie zu und so verwundert es kaum, dass einige Aussagen in diesem Werk mit der kraniosakralen Osteopathie verdächtig identisch erscheinen. Hier ist momentan eine intensive historische Aufarbeitung im Gange und allen Interessierten sei David Fullers Osteopathie und Swedenborg (Seite 79) wärmstens empfohlen, der diese Zusammenhänge ausführlichst recherchiert und brillant dargelegt hat.

Geradezu bahnbrechend ist auch Swedenborgs Beschreibung der peripheren Membranen, heute als Faszien bekannt, denn modernste Wissenschaftsarbeiten in diesem Bereich scheinen die Beobachtungen Swedenborgs zu bestätigen, dass es sich bei diesen Strukturen tatsächlich um ein primär nervös-lymphatisches Gewebe handelt, das weit mehr physiologische Bedeutung besitzt als eine rein biomechanische. Mit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Faszien scheint man sich sogar mehr und mehr von diesem rein muskuloskelettal geprägten Bild der Faszien zu verabschieden und es immer mehr im tatsächlich ‚ganzheitlichen‘ Kontext, v.a. aber im Kontext der Sinneswahrnehmungen zu begreifen.

ZUR ÜBERSETZUNG

Der Begriff Tremulationen wurde weitestgehend beibehalten.2 Wo es sich eindeutig um himmlische Tremulationen handelt, wurde in der deutschen Übersetzung der Begriff ‚Schwingungen‘, für ihre physikalische Entsprechung ‚Vibrationen‘ gewählt. An dieser Stelle sei auch ausdrücklich betont, dass die vorliegende Übersetzung zudem auf der 1899 erstellten englischen Version des schwedischen Historikers Clas Teodor Odhner (1836 – 1904) beruht und somit quasi „um zwei Ecken“ übersetzt wurde. Zwar wurde darauf geachtet, den Kerngedanken im Einklang mit seinen späteren anatomisch-physiologischen Schriften zu erfassen und zu vermitteln, ausgewiesene Kenner dieser Schriften Swedenborgs sind hier aber zur kritischen Durchsicht eingeladen.

Ich habe mir weiterhin zur Verbesserung der Übersichtlichkeit erlaubt, den Kapiteln einzelne Überschriften zuzuweisen. Da diese in den Originalschriften nicht vorhanden sind, wurden sie in eckige Klammern gesetzt. Der Index wurde vom englischsprachigen Original übernommen.

Lassen Sie sich aber nun vom Inhalt dieses bedeutenden Werkes inspirieren und genießen sie den Einblick in Swedenborgs grandiose Beobachtungen zu den spannendsten Fragen rund um den Menschen. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen jene Freude beim Lesen, die mich dazu bewogen haben, Swedenborgs kleines Meisterwerk in deutscher Sprache zu veröffentlichen.

Christian Hartmann

Pähl, Mai 2013

Über Tremulationen

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