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Geist und Körper in ihrer Wechselwirkung.
ОглавлениеVortrag, gehalten zu Nancy im März 1917 und zu Paris im Oktober 1917
Von Emil Coué
Meine Damen und Herren!
Ich will Ihnen vom Geist und vom Körper sprechen. Vor allem müssen wir daher diese beiden Worte definieren.
Nun, seien Sie versichert, ich will klar sein, und darum werde ich mich wohl hüten, Metaphysik zu treiben, und Sie wissen ja, man fängt an, Metaphysik zu treiben in dem Moment, wo der, welcher spricht, nicht mehr genau versteht, was er sagt, und wo die, welche zuhören, den Redner ebenfalls nicht mehr verstehen.
Ich beschränke mich also auf diese einfachen Definitionen: Geist, das ist der immaterielle Teil unseres Wesens oder (um die Materialisten, die sich vielleicht unter Ihnen befinden, nicht zu verletzen) der unsichtbare und untastbare Teil unseres Ich, jener Teil, der denkt, der will und besonders der Einbildungskraft hat.
Im Gegensatz dazu nenne ich Körper den materiellen Teil unseres Wesens, den wir sehen, den wir fühlen und der durch Worte, durch Gesten, durch Taten ausdrückt, was der Geist denkt, was er will, was er sich einbildet.
Ich glaube, diese Definitionen sind hinreichend klar, so dass sie von allen verstanden werden können.
Also, jeder von uns ist zusammengesetzt aus einem Geist und aus einem Körper. Prüfen wir nun, wie diese beiden Teile unseres Ich sich gegeneinander verhalten. Sind sie unabhängig? Lebt der eine getrennt vom anderen? Gewiss nicht. Denn die Tatsachen beweisen uns, dass sie immerfort in gegenseitiger Wechselwirkung stehen.
Betrachten wir nun, wenn es Ihnen recht ist, eine Person, deren Körper von irgendeiner Anomalie betroffen wurde; immer oder fast immer wird sein Benehmen den Reflex dieser Anomalie zeigen.
Solch ein Individuum hat zum Beispiel einen unmäßig dicken Kopf mit herausgetriebener Stirn. Es wird wenig intelligent sein, wenn nicht gar ein Idiot. Wenn jemand eine fliehende Stirn hat, wie Pferde und Rinder, so wird er ebenfalls wenig intelligent sein, wenn auch nicht grade ein Idiot.
Hat er einen trüben Blick, offenstehenden Mund, hängende Lippen, dann ist das gewiss ein Idiot schlimmster Art, unfähig zu begreifen, was da ist, außer dem, was auch das Tier begreift. Im Allgemeinen spricht er nichts, er stößt nur unartikuliertes Grunzen aus, das seinen Zorn oder seine Freude ausdrückt, je nachdem man ihn ärgert oder ihm Nahrung bietet.
Nehmen Sie einen Buckligen, so sehen Sie, dass er fast ausnahmslos äußerst reizbar ist, äußerst empfindlich in Kleinigkeiten. Er weiß, dass er von der Natur schlecht behandelt wurde und neigt nun zu dem Glauben, man mache sich über ihn lustig, und deshalb wird er oft bissig, ja selbst boshaft gegen die anderen, noch ehe man es gegen ihn wird.
Hier ist ein Lahmer, sei es von Geburt an oder durch Unfall. Da findet man oft entweder eine große Furchtsamkeit oder aber äußerste Anmaßung. Das kommt so: er empfindet sich als furchtsam, sagt sich aber, dass er das durchaus nicht sein will, und wird nun unverschämt. Dies beweist wieder einmal, wie die Extreme sich berühren, wie Lachen so nah bei Tränen wohnt.
Wir alle hatten einmal in unserer Umgebung kranke Personen, und wir konnten feststellen, dass Charakter und Stimmung dieser Kranken sich änderte zugleich mit den Schwankungen ihrer Krankheit.
Es handelt sich um ein Leberleiden: die Kranken sind argwöhnisch, mürrisch, unzufrieden mit allem, voll Melancholie, stets in Erwartung des, wie sie glauben, drohenden Todes.
Betrachten wir eine Person, die an einer schweren Krankheit leidet, an Hirnhautentzündung, Typhus oder etwas ähnlichem. Unter dem Einfluss des starken Fiebers, das sich mehr oder weniger plötzlich und mehr oder weniger heftig äußert, verdunkelt sich der Geist des Kranken, und sein bewusstes Ichgefühl verschwindet gänzlich. Ein Fall, ein heftiger Schlag, eine Explosion, die unerwartet eintritt, können in gewissen Fällen eine fast gänzliche Zerrüttung des Geistes herbeiführen.
Traurigerweise haben wir das ja in Nancy feststellen können infolge der Beschießungen, die wir zu erleiden hatten.
Ich könnte noch lange so fortfahren, doch diese Beispiele scheinen mir genügend, um die Wirkung des Körpers auf den Geist zu zeigen.
Es besteht also das alte Sprichwort zu Recht: mens sana in corpore sano. Noch näher der Wahrheit kämen wir mit der Umformung: corpus sanum cum mente sana.
Fragen wir uns jetzt, ob auch seinerseits der Geist Einfluss auf den Körper hat. Es ist klar, dass dieser Einfluss existiert. Ich behaupte sogar, dass er unendlich größer ist, als man gewöhnlich denkt. Er ist ungeheuer, unermesslich.
Sie haben alle schon Muttermale gesehen, diese Flecken, mehr oder weniger gefärbt, mehr oder weniger hervorragend, die manchmal nicht größer sind als eine Linse, aber die in anderen Fällen einen mehr oder weniger großen Teil des Körpers bedecken können.
Diese Muttermale entstehen im Allgemeinen dadurch, dass eine werdende Mutter bei Beginn der Schwangerschaft eine Person sieht, welche mit diesen Malen behaftet ist. Das Bild dieses Leidens setzt sich in ihrem Geiste fest, und dieser wirkt nun wiederum ein auf das kleine Wesen, das einige Monate später geboren werden soll, und drückt ihm dies Bild auf.
Ein ziemlich seltener Fall, der aber vorkommt und von dem wohl viele von Ihnen schon haben sprechen hören, ist die eingebildete Schwangerschaft. Wodurch wird sie verursacht, wenn nicht durch die Einwirkung des Geistes auf den Körper?
Eine Frau stellt sich vor, dass sie bald Mutter sein wird, und nun spürt sie alle Symptome der Schwangerschaft, falls sie schon Kinder hatte: oder hatte sie noch keine, spürt sie das, was sie für ein Zeichen der Schwangerschaft hält.
Übelkeit, Erbrechen, das Gefühl von Bewegungen im inneren Körper, selbst allmähliches Anschwellen des Leibes, nichts fehlt.
Man erwartet das Kind zu einer bestimmten Zeit, alles ist vorbereitet zu seinem Eintritt in die Welt. Aber es kommt nicht, aus dem triftigen Grunde, weil es nicht existiert. Da sieht denn nach Ablauf einer gewissen Zeit die Schein-Mutter schließlich ihren Irrtum ein, und von dem Tage an beginnen die Symptome zu verschwinden.
Die Stigmatisierung ist ferner einer der schlagendsten Beweise für die Einwirkung des Geistes auf den Körper.
Der heilige Franz von Assisi liefert dafür das beste Beispiel, denn bei ihm findet man die äußerste Form der Stigmatisierung. Er trug an Händen und Füßen Löcher, ähnlich denen, die er auf einem Kruzifix betrachtet hatte, und seine rechte Seite war wirklich wie durchbohrt von einem Lanzenstich.
Die Wunden seiner Extremitäten waren klaffend und blutig. In ihrer Mitte sah man Nägel aus wucherndem Zellgewebe gebildet, und diese Nägel waren schwarz und hart wie Eisen, dessen Farbe sie hatten. Sie waren auf einer Seite spitzig, und auf der anderen hatten sie einen abgeplatteten Kopf, so dass man zwischen sie und die Haut einen Finger legen konnte. Sie waren ganz beweglich, und wenn man auf das eine Ende drückte, sah man das andere hervortreten. Nur herausreißen konnte man sie nicht.
Die Seitenwunde war drei Finger lang, ziemlich breit und tief, und oft befleckte sie die Kleider des Heiligen mit Blut.
Bemerkenswert ist, dass keine dieser Wunden sich jemals entzündete noch eiterte, obwohl sie gar nicht gepflegt wurden.
Das Experiment des Professors Liégeois und des Herrn Focachon ist nicht weniger beweisend. Während das Kindermädchen des Herrn Focachon eingeschlafen war, legte man ihr auf den einen Arm Postpapier, indem man ihr versicherte, das wäre ein Blasenpflaster, und dies Blasenpflaster solle am nächsten Tage abgenommen werden. Auf den anderen Arm legte man nun wirklich ein Blasenpflaster aber suggerierte ihr, das wäre ein ganz wirkungsloses Pflaster und würde keinerlei Folgen haben.
Am nächsten Tage hatte das Postpapier Blasen erzeugt, und das Blasenpflaster hatte keinerlei Wirkung gehabt.
Man begreift leicht, dass, wenn die Wirkung des Geistes auf den Körper solche Effekte hervorbringen kann, sie auch fähig sein wird, das Funktionieren unserer Organe zu beeinflussen, indem sie dieselben reguliert oder anormal macht.
Nehmen wir als Beispiel ein Individuum in guter Geistesverfassung. Es hat Hunger bei den Mahlzeiten, es isst mit Vergnügen und verdaut leicht. Die Funktionen der Einverleibung und Ausscheidung ergänzen sich normal.
Ist diese Person nun aber neurasthenisch, liegen die Dinge ganz anders. Im Allgemeinen hat sie schlechten Appetit und verdaut die Speisen mehr oder weniger ungenügend. Daraus entsteht Schwäche und Bleichsucht. Wenn sie nun zur Bekämpfung dieses Zustandes übermäßig viel isst, so verdaut sie oft überhaupt nicht mehr. Der Magen erweitert sich, der Verdauungskanal füllt sich mit Gärungsstoffen, so dass der Unterleib aufgetrieben wird.
Von da ist nur ein Schritt zur Darmentzündung, und der ist schnell getan. Hat die sich erst festgesetzt, so funktioniert die Ausscheidung nur noch sehr selten, wenn sie nicht im Gegenteil überhäufig eintritt, begleitet von Schleimhautfetzen und Membranstücken.
Nun will ich einige Fälle anführen, die klar die Wirkung des Geistes auf den Magen zeigen.
Jemand hat in einem befreundeten Hause zu Mittag gegessen; es gab vorzüglichen Rostbraten; dies Gericht schmeckte dem Herrn so gut, dass er mehrmals davon nahm. Nach der Mahlzeit, im Lauf der Unterhaltung, fragt der Hausherr seinen Gast: „Nun, wie fanden Sie unsern Braten?“ „Vortrefflich,“ antwortet der, „ich glaube, ich habe niemals so guten gegessen.“ „Das wundert mich nicht. Wissen Sie auch, was für Fleisch es war?“ „Rindsfilet doch natürlich.“ „Nein, mein Freund,“ sagt der Hausherr lächelnd, „aber nein, es war Pferdefleisch.“ „Pferdefleisch, Pferdefleisch, Sie spaßen doch wohl.“ „Ich versichere Ihnen.“ „Oh!“
Die Gestalt des Gastes knickt zusammen, er wird blass, dann grünlich, und plötzlich kommt das Pferd im Galopp den Weg zurück, den es im Schritt hinabgegangen war in den Magen des Gastes.
Eine alte, mir befreundete Dame, bei der meine Suggestionen immer sehr gut gewirkt hatten, besucht mich eines Tages und spricht zu mir ungefähr so:
„Herr Coué, ich bin in Verzweiflung; ich will meinen Sohn besuchen, der in Tours wohnt, aber um nach Tours zu kommen, muss ich durch Paris und infolgedessen auch durch Châlons. Aber jedesmal, wenn ich durch Châlons komme, werde ich krank, ich muss dann ... mein Diner den Fischen geben (das ist ein englischer Ausdruck, der die Folgen der Seekrankheit bezeichnet). Suggerieren Sie mir, dass ich nicht krank werde.“
Ich tue es, und es glückt vortrefflich, denn bei ihrer Rückkehr sagt mir unsere Freundin, dass ihre Reise durch Châlons vonstatten ging ohne jeden Zwischenfall.
Ein anderes, noch schlagenderes Beispiel. Als ich noch Apotheker in Troyes war, kam oft eine arme Frau zu mir, um Arzeneien für ihre kranke Tochter zu holen. Eines Tages erzählte sie mir all den Kummer, den ihr diese verursache; seit langem gab ihre Tochter alle genossenen Speisen fast sofort wieder von sich. Der behandelnde Arzt verschrieb Arzeneien und immer neue, aber diese wirkten höchstens zwei Tage lang, dann begann das Erbrechen wieder. Ich schlage ihr vor, eine Suggestion der Kranken zu versuchen, und eines Nachmittags führt sie mich hin. Am gleichen Abend aß das junge Mädchen ein Beefsteak mit Kartoffeln und verdaute es tadellos. Seit jenem Tage kam das Erbrechen niemals wieder.
Ebenso stark ist die Einwirkung auf das Herz. Eine Erregung vermehrt immer die Pulsschläge des Herzens, und eine Person, die an Herzklopfen leidet, braucht nur daran zu denken, so ist das Leiden auch schon da.
Sie wissen es ja selber, wie die plötzliche Verkündigung einer Nachricht, einer sehr guten oder einer sehr schlechten, bisweilen den Tod dessen herbeiführt, der sie vernimmt. Ein Asthmatiker erwacht am Morgen ganz gesund, er zieht die Vorhänge seines Fensters zurück und bemerkt, dass draußen ein dicker Nebel ist. Sofort stellt sich heftige Atemnot bei ihm ein. Hat der Nebel sie verursacht? Augenscheinlich nicht, denn sie trat erst in dem Moment auf, als der Asthmatiker das Vorhandensein von Nebel gewahr wurde.
Die Darmfunktionen hängen ebenfalls vom Geist ab. Es braucht gar keine physische Ursache da zu sein, die den normalen Vorgang störte (wie Verengerung oder Erweiterung). Hierzu kann ich Ihnen eine ganz drollige Geschichte erzählen.
Eine Dame mittleren Alters besucht mich eines Tages und bittet mich um Suggestionen gegen verschiedene Dinge, darunter auch gegen eine hartnäckige Verstopfung, an der sie seit vielen Jahren litt. Ich suggeriere ihr also, dass das Leiden, von morgen an allmählich verschwinden wird, und dass die Ausleerung regelmäßig jeden Morgen beim Aufstehen stattfinden wird; aber dass heute ausnahmsweise, sobald sie mit der Hand den Türgriff ihrer Wohnung berührt, sie ein heftiges Bedürfnis befallen wird, das sofort befriedigt werden muss. Nun ereignete sich folgendes. Diese Dame bewohnt eines jener alten vornehmen Häuser, die mit riesigen Torflügeln versehen sind, welche in einen weiten Vorhof führen, bestimmt dazu, die Karossen der ehemaligen Bewohner durchzulassen. In diese große Tür findet sich eingelassen eine kleinere Tür für die Fußgänger. Die Dame hatte kaum die Hand auf den Griff dieser Pforte gelegt, als sie plötzlich einen heftigen Leibschmerz spürte. Sie tritt ein, aber sie wohnt im zweiten Stock, und der Schmerz wird immer stärker: ein böses Malheur ist zu befürchten. Glücklicherweise befindet sich am Ende des Vorhofs eine Wäscherei, sie läuft und stürzt sich hinein, um nach einigen Minuten herauszukommen, erleichtert und lächelnd. Seit jenem Tage hat ihre bis dahin so rebellische Verdauung regelmäßig funktioniert.
Weiter sehen wir, wie der Gedanke Steifheiten oder Lähmungen beeinflusst, nicht nur vorübergehende, auch lebenslängliche, die immer bestehen bleiben, wenn nicht besondere Umstände die Seele des Kranken verändern.
Das war die Wirkung des Geistes auf unsere Organe; jetzt untersuchen wir den Einfluss des Geistes auf die Sinne.
Durch den Tastsinn vergewissern wir uns der Form eines Dinges, seiner Glätte, seiner Rauheit. Durch ihn versichern wir uns, ob es fest ist, ob weich, ob flüssig; ob es dünnflüssig ist oder sirupartig, ob warm oder kalt. Durch den Tastsinn haben wir auch die Empfindung des Schmerzes.
Unter dem Einfluss des Denkens, oder anders ausgedrückt, des Geistes, können diese Eigenschaften sich außerordentlich verstärken oder sich verringern oder selbst ganz verschwinden.
Sie wissen aus der Überlieferung, dass gewisse Märtyrer gestorben sind mit einem Lächeln auf den Lippen. Nun gut! Diese Märtyrer wurden in fürchterlicher Weise gequält, und doch — litten sie nicht. Denn vor den Augen ihrer Einbildungskraft sahen sie die Krone, die sie im Himmel erwartete, sie erlebten im Voraus die himmlischen Freuden, die ihnen bald zuteil werden sollten, und sie fühlten nur das.
Ich bringe die Leute oft dazu, sich selber derartig zu suggerieren, ihre Empfindung sei verschwunden, dass man sie heftig kneifen kann, ohne dass sie irgendeinen Schmerz fühlen.
Eines der hübschesten Beispiele von Unempfindlichkeit, die ich kenne, ist dieses: Eine Dame aus Rambervillers, die für einige Tage nach Nancy gekommen war, um meine Methode zu benutzen, bittet mich bei einem Besuche, ihr zu suggerieren, dass sie heute keinen Schmerz empfinden möge, da der Zahnarzt ihr notwendig einen Zahn ziehen müsse. Ich suggeriere dies also, füge aber zur Sicherheit hinzu, sie möge den Zahnarzt ersuchen, eine Einspritzung zu machen. Dieser nun lehnt besagte Einspritzung ab, trotzdem aber wurde der Zahn gezogen ohne jeden Schmerz für die Patientin.
Nun kommen wir zu dem Gesichtssinn. Unter dem Einfluss der Furcht nehmen die einfachsten Gegenstände die verschiedensten und schrecklichsten Formen an, die dann bei den armen Angsthabenden Entsetzen erregen. Bleiben Sie einmal auf der Straße stehen und schauen Sie aufmerksam in die Luft. Bald wird ein anderer ebenfalls stehen bleiben und ebenso wie Sie hinaufschauen, dann ein Dritter, und so wird sich eine Gruppe bilden. „Was denn? Was gibt’s?“ „Dort!“ sagen Sie nun und zeigen mit dem Finger auf einen Punkt am Himmel. „Was ist denn?“ „Ein deutsches Luftschiff.“ „Wo denn? Wo denn?“ „Dort, dort, genau in der Richtung meines Fingers, Sie können es ganz gut sehen.“
Sehr bald sieht es nun einer der Herumstehenden auch, und der zieht andere mit, die es dann ebenso sehen.
Die Halluzinationen, welche manche Kranke heimsuchen und selbst manche Gesunde, sind regelmäßig Wirkungen der Einbildungskraft, die Szenen oder Personen als wirklich erscheinen lässt, obwohl sie selber sie doch vollkommen erzeugt hat.
Der Gehörsinn ist nicht weniger dem Reiche der Einbildungskraft unterworfen.
Wer hat noch nicht Glockentöne in der Luft gehört, obwohl keine einzige Glocke läutete? Manche Personen hören Stimmen, die mit ihnen sprechen, und wenn man sie fragt, wiederholen sie genau, was sie hören, obwohl niemand anwesend ist. So lag es bei einer Dame, die mich um Rat gefragt hatte und die mir als Antwort auf meinen Brief folgendes schrieb:
„Nach einigen Tagen regelmäßiger Übung versuchte ich, die Schöpferkraft zu zwingen, ich wählte meinen Stoff und machte mich bereit, einfach alles hinzuschreiben, ohne zu wissen, was kommen würde. Zu meiner Befriedigung bemerkte ich nun, dass ich nach einigen Versen einen Rhythmus und eine Stimme mir diktieren hörte, und jetzt fühle ich, dass ich mich sogar schon korrigieren kann, was ich bis dahin nicht konnte.
Der Geruchsinn lässt sich ebenso leicht täuschen. So zum Beispiel, wenn jemand ein Zimmer betritt und sich vorstellt, dass dort irgendein Geruch herrsche, dann riecht er ihn auch wirklich, obwohl der Geruch gar nicht existiert.
Oft auch genügt es bei einer Gesellschaft, dass plötzlich jemand versichert, einen bestimmten Geruch zu spüren, und allmählich riechen alle oder fast alle das gleiche. Was für den Geruch gilt, gilt auch für den Geschmackssinn. Einer momentanen Stimmung folgend, schmeckt einem etwas schlecht, was sonst immer gut schmeckte. Der Wein, den man täglich trinkt, hat heute einen anderen Geschmack als gestern; die Suppe scheint heute weniger gesalzen, obwohl es ein Rest der gestrigen ist, an der du kein Salz vermisstest.
Oftmals ließ ich gewisse sehr suggestible Personen Wasser riechen und schmecken, wobei ich versicherte, es sei Orangenblütenwasser oder Weißwein oder Branntwein. Und diese Personen empfanden dann Duft und Geschmack des jeweils suggerierten Getränkes. Einige Male ließ ich sogar sie sich vollkommen berauschen mit Wasser, das sie für Branntwein hielten.
Bis jetzt habe ich nur von dem sozusagen schlechten Einfluss gesprochen, den der Geist auf den Körper haben kann. Vielleicht ist es nun Zeit, den guten Einfluss zu prüfen, den er auf den Körper haben kann und damit auf sich selbst.
Nun, dieser Einfluss ist ungeheuer, er ist so groß, dass er unwahrscheinlich wirkt. Nicht nur lässt er schlecht funktionierende Organe gut funktionieren, noch mehr, er ist fähig, die Heilung von Krankheiten herbeizuführen, die man für unheilbar hielt, oder wenigstens sie zu bessern, wenn er sie nicht heilen kann. So bringt er den Schlaf wieder und den Appetit, verschafft gutes Funktionieren von Magen und Darm, von Herz und Blutkreislauf, lässt bei der Frau die Monatsbeschwerden verschwinden, beseitigt Rheumatismus und Gicht und (unglaublich, aber wahr) heilt Geschwülste verschiedenen Ursprungs, Tuberkulose, Ausschlag, Wunden usw., kurz, nichts ist ihm unmöglich.
Und diesen Einfluss übt der Geist nicht nur auf den Körper, sondern auch auf sich selber aus. So sieht man dank der Autosuggestion verschwinden: Furcht, Angst, Neurasthenie, Selbstmisstrauen usw.
Aber damit dieser Einfluss sich in bestimmter Form auswirkt, muss er bewusst von uns gelenkt werden.
Das ist nicht möglich, werden Sie mir sagen. Im Gegenteil: nichts ist leichter.
Es genügt dies: wiederhole gewissenhaft fünfzehn- oder zwanzigmal, morgens und abends, wobei man die Lippen bewegen muss und an den Fingern abzählen oder besser an einem Rosenkranz mit zwanzig Kugeln, folgenden kleinen Satz: „Tous les jours, à tous points de vue, je vais de mieux en mieux.“ „Von Tag zu Tag geht es mir in jeder Hinsicht besser und besser.“ Weiter: hat man im Laufe des Tages Schmerzen, isoliere man sich soweit wie möglich, schließe die Augen, und wenn es sich um etwas Seelisches handelt, streiche man mit der Hand über die Stirn, wenn es sich um etwas Physisches handelt, streiche man über die schmerzhafte Stelle, wobei man schnell hintereinander spricht, sehr schnell (darauf bestehe ich durchaus) die Worte: „Ca passe, ça passe ...“ („Es geht vorbei, es geht vorbei ...“), so schnell, dass zwischen dem jedesmaligen Aussprechen der Worte sich kein Riss bilden kann, durch den eine Gegenidee eindringen könnte. Wenn das Verfahren Punkt für Punkt befolgt wird, ist in weniger als dreißig Sekunden das Leiden verschwunden. Glückt es nicht, so war die Anwendung falsch. Natürlich muss man das Verfahren so oft wiederholen, wie es nötig ist.
Ich sehe Sie jetzt lächeln. Alles Kindereien! Ammenmärchen! Gut, man mag skeptisch sein. Aber Sie täuschen sich, dies ist die Wahrheit, die absolute Wahrheit, obwohl sie, ich gestehe es zu, zunächst nicht wahrscheinlich klingt. Und der Beweis — da ist er in wenigen Worten:
Eines Tages war Dr. Burlureaux, ein alter Professor, der seit mehr als vierzig Jahren Psychotherapie treibt, nach Nancy gekommen, um einen Verwandten zu besuchen. Er hörte von mir sprechen. Neugierig gemacht durch das, was er hörte, kam er incognito zu einer meiner Sitzungen, und er war so erstaunt über die Resultate, die ich durch diese äußerst einfache Methode erzielte, dass er mir Patienten schickte, die alle sehr zufrieden waren, seinem Rate gefolgt zu sein. Später hat er mir dies selber erzählt.
Ich will Ihnen jetzt nur noch ein paar Worte sagen und dann schließen.
Wenden Sie morgens und abends die oben beschriebene Suggestion an, und mögen Schmerzen kommen welcher Art es auch sei, folgen Sie dem Rat, den ich Ihnen soeben gegeben habe! Auf diese Weise werden Sie sich Erleichterung verschaffen und sich heilen, sowohl körperlich wie seelisch, und Sie werden glücklich leben, mag Ihre Lebenslage sonst sein wie sie wolle.