Читать книгу Gespräche auf einem absurden Planeten - Emil Horowitz - Страница 7

Neun E-Mails waren vergeblich. Jetzt hat es endlich geklappt. Heidi wird von ihrem Lieblings-Radiosender angerufen und ist live in der ganzen Stadt zu hören. Zehntausende sind dabei, wenn Heidi mit Henry, dem Idol der Stammhörer, plaudert.

HENRY Ja, das war wieder mal Greg Top mit seinem letzten Superhit Fight for it!, unser Powerplay von dieser Woche auf Radio Nirvana Zehntausend. Ja, dem guten Greg ist ja in einigen amerikanischen Musikzeitschriften vorgeworfen worden, dass er diesen Hit im Auftrag des Verteidigungsministeriums geschrieben uns produziert hat, aber das ist natürlich Unsinn, wir wissen ja alle, wie stark er sich für den Frieden und diese ganzen Sachen engagiert. Yeah, give me the power! - Und jetzt habe ich jemanden am Telefon, eine von unseren ganz treuen Hörerinnen, nämlich die Heidi. Die Heidi ist fünfzehn, und in ihrer Mail steht: "Lieber Henry, jetzt geb ich's bald auf! Ich hab euch schon neun Mails geschrieben und komme nie bei euch dran. Meine Freundin, die Sigi, hat nur ein einziges Mal geschrieben und ist gleich drangekommen!" - Ja, das ist natürlich Pech für dich, Heidi, das tut uns natürlich wahnsinnig leid. Die Auswahl geschieht immer ganz spontan vor der Sendung. Aber, ganz klar, da musste man was tun, und jetzt hat's ja auch geklappt. Die Heidi hat uns nämlich etwas ganz Interessantes zu erzählen, sie ist nämlich erst vorgestern von ihrem Urlaub zurückgekommen, und zwar aus Rimini, und da wollen wir natürlich wissen, was sie so alles erlebt hat. Hallo Heidi?

HEIDI - - -

HENRY Heidi, hallo??

HEIDI - - -

HENRY Heidi, bist du dran?

HEIDI - - -

HENRY Heidi, hallo, melde dich doch!

HEIDI Ja.

HENRY Ah, da bist du ja, ich hab schon geglaubt, du hättest dir's anders überlegt und wieder eingehängt.

HEIDI Ja.

HENRY Heidi, du schreibst uns, dass du in Rimini warst. Wie ich sehe, hast du die Mail sogar noch in Rimini abgeschickt, und ...

HEIDI Ja.

HENRY Ja, äh, und also du schreibst uns, dass das Wetter gar nicht so gut war wie du gehofft hast, weil es fast jeden zweiten Tag geregnet hat. Das ist natürlich Mist, so was, da musst du ja ziemlich sauer gewesen sein, oder?

HEIDI Ja.

HENRY Das hab ich mir gedacht. Sag mal, aber voll war's doch trotzdem ziemlich?

HEIDI Ja, ziemlich.

HENRY erleichtert Das glaub ich! Die Leute fahren ja jedes Jahr wieder nach Italien, weil sie mal so richtig an die Sonne wollen, dabei wird das Wetter da von Jahr zu Jahr schlechter, und obwohl immer mehr Leute zurückkommen und enttäuscht sind, fahren sie doch alle im nächsten Jahr wieder hin, also, ich finde das schon ein bisschen strange, wie ist denn da deine Meinung dazu?

HEIDI Also ... ich weiß nicht ... verstummt

HENRY Äh - bist du denn selber schon oft in Italien gewesen?

HEIDI Nein.

HENRY Wie oft denn?

HEIDI Ich glaub, fünf-, nein, sechsmal.

HENRY irritiert Äh - ach so, na ja, das ist dann aber auch schon ganz schön oft, Heidi.

HEIDI Ich weiß nicht ...

HENRY Man sagt ja, Rimini ist fest in deutscher Hand, die Aufschriften auf den ganzen Läden und Kneipen sind deutsch, und überall kannst du deutsche Sachen kaufen und deutsches Essen essen. Findest du das gut, weil du da schon weißt, was du kriegst, oder fändest du's besser, wenn's mehr italienische Sachen gäbe, weil man ja Gast ist im Land und so. Wenn man mehr darüber erfahren will, wie die Leute so drauf sind, muss man doch erst mal sehen, was die so essen und trinken und so. Was meinst du, Heidi?

HEIDI Ja also ... eigentlich schon ... verstummt

HENRY Aha, gut. - Heidi, du hast uns ja noch ein paar interessante Dinge zu erzählen. Ich würde sagen, machen wir zwischendurch erst einmal etwas Musik, aber vorher noch etwas ganz Wichtiges!

MÄDCHENCHOR singt Jetzt kommt - die Werbung - auf Radio Nirvana Zehntau - send!

AHNUNGSLOSER KONSUMENT Also, jetzt langt's mir bald! Jedes Mal, wenn ich in mein stilles Örtchen reinschau', schlafen mir ja die Füße ein! So was von fad! Ich hab schon gar keine Lust mehr, reinzugehen. Ich glaub', ich wander' aus!

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AHNUNGSLOSER KONSUMENT Ja - vielleicht auch in türkis?

GLÜCKLICHER KONSUMENT Selbstverständlich! Und außerdem noch in pink, violett, signalrot, bonbongrün und weiteren vierunddreißig geilen Farben! Und Muster gibt's da, Muster!! Vom Punkt-, Streifen- und Karodesign bis zu Walt Disney, Science Fiction und Phantasy findest du im DURCHBLICK alles, also einfach ALLES!!

AHNUNGSLOSER KONSUMENT beeindruckt Ja, haben die tatsächlich so eine Auswahl!

GLÜCKLICHER KONSUMENT Das kannst du laut sagen! Mindestens zweitausend Klodeckel sind im DURCHBLICK ständig auf Lager! Und dazu kommt noch die Galerie, wo du von internationalen Künstlern angefertigte und limitierte Spezialeditionen kriegst. Und als besonderen Gag gibt's da auch Popdeckel mit dem Portrait deines Lieblingsstars!

AHNUNGSLOSER KONSUMENT Ist ja stark! Aber das kann ich mir ja alles sowieso nicht leisten!

GLÜCKLICHER KONSUMENT Unsinn! Ein Klodeckel von DURCHBLICK ist preiswerter als du glaubst! Da kriegst du schon Teile ab zwölf Euro!

AHNUNGSLOSER KONSUMENT Was, ab zwölf Euro? Das gibt's doch nicht!

GLÜCKLICHER KONSUMENT Und ob's das gibt! Im DURCHBLICK, dem affenschrillen Klodeckelladen! Ganz leicht zu finden im Zentrum gleich hinter den Stadtwerken, in der Darmdruckstraße sieben!

AHNUNGSLOSER KONSUMENT Wie war die Adresse?

GLÜCKLICHER KONSUMENT DURCHBLICK im Zentrum gleich hinter den Stadtwerken, Darmdruckstraße sieben!

AHNUNGSLOSER KONSUMENT Also, da muss ich hin!

SEHR SOUVERÄNER SPRECHER DURCHBLICK - Klodeckel für ein intensives Leben!

ROCKBAND singt und spielt DURCHBLICK - der bringt Pep aufs Klo DURCHBLICK - macht den Hintern froh - DURCHBLICK!

MÄDCHENCHOR singt Das war - die Werbung auf Radio Nirvana Zehntau - send!

HENRY Den nächsten Titel spiele ich auf besonderen Wunsch vom Ricky, vom Rudi, vom Arno und seiner Freundin Manuela. Letzte Woche noch unter den Neuvorstellungen, diese Woche schon auf Platz sechzehn der Nirvana-Charts! Speziell für Barney, den Chef vom DURCHBLICK: Die Fetten Fürze und Greps!

DIE FETTEN FÜRZE singen und spielen FBI und Kernkraftwerk Toter Wald und Gartenzwerg FBI und Kernkraftwerk Toter Wald und Gartenzwerg Greps - die Welt ist Greps Greps - die Welt ist Greps Greps - die Welt ist Greps Greps - die Welt ist Greps Gre-Greps, Gre-Greps, Gre-Greps, Gre-Greps Gre-Greps, Gre-Greps, Gre-Greps, Gre-Greps u.s.w. ...

MÄDCHENCHOR UND BAND singen und spielen It's a good time, it's a really good time, On Radio Nirvana Tenthousand - mit Henry!

HENRY Ja, das waren die Fetten Fürze mit ihrer neuen Single. Eigentlich wollte ich ja den Marathon Mix spielen, aber den konnte ich leider noch nicht auftreiben. So bald ich ihn kriege, drücke ich ihn euch gleich aufs Ohr, großes Ehrenwort! - Jetzt aber zurück zu Heidi, unserem heutigen Telefon-Talkpartner. Heidi war zwei Wochen in Rimini und hat uns schon ein paar interessante Facts darüber erzählt. Sag mal, Heidi, was geht denn da drüben so ab in Sachen Kneipen und Discos? Geben tut's davon ja sicher jede Menge, oder?

HEIDI ist in der Zwischenzeit offensichtlich zu mehr Gesprächigkeit ermuntert worden Ja, das schon, stimmt, richtig.

HENRY Und die Jungs, wie steht's damit? Du hast doch sicher welche kennengelernt, was, Heidi? Heidi kichert

HENRY Jetzt sag doch mal, Heidi, du wirst doch sicher ein paar coole Typen kennengelernt haben, oder vielleicht nur einen, einen bestimmten?

HEIDI Ich weiß nicht ... Kichert

HENRY Na, ich glaube, da ist wohl mehr abgelaufen als du uns jetzt verraten willst, gell, Heidi? Ich könnte mir vorstellen, dass du da deinen Traumprinzen getroffen hast, da drüben in Rimini, oder täusche ich mich?

HEIDI windet sich vor Verlegenheit Nein ... ja ... Kichert doch schon, irgendwie, das heißt ... Kichert

HENRY Also ja! Na, das ist doch stark, eine richtige Romanze, live auf Radio Nirvana, das hat Groove! Heidi, verrate uns doch, wie er heißt, dein neuer Traumprinz!

HEIDI kichert

HENRY Nun sag doch, Heidi, ich sags auch ganz bestimmt keinem weiter! Wie heißt er denn, dein Lover?

HEIDI windet sich noch immer, begleitet von regelmäßigen Kicheranfällen; rafft allen Mut zusammen Angelo.

HENRY Angelo, Spitze! Aber doch wohl nicht Angelo Branduardi? Ha, ha!

HEIDI Wer?

HENRY Na, ich sehe schon, unsere liebe Heidi möchte nicht über ihr junges Glück reden, aber dafür haben wir natürlich Verständnis, nicht wahr? Das geht ja auch nur sie etwas an und ihren Angelo. Heidi, was ganz anderes, wie bist du denn hingefahren nach Rimini, mit dem Auto?

HEIDI Nein.

HENRY Geflogen?

HEIDI Nein.

HENRY Dann also mit dem Zug?

HEIDI Ja.

HENRY Und bist du auf eigene Faust losgezogen oder hast du eine Pauschalreise gebucht?

HEIDI Nein, ich habe eine Pauschalreise gebucht.

HENRY Und bei welchem Veranstalter hast du gebucht?

HEIDI Bei Sturz.

HENRY Ach so?

HEIDI Ja.

HENRY Nicht bei Bockelmann?

HEIDI Nein.

HENRY Bei Bockelmann, einem der führenden Reiseveranstalter?

HEIDI Nein.

HENRY Also, ich meine jetzt Bockelmann, den modernen Reiseveranstalter für junge Weltenbummler?

HEIDI Nein.

HENRY - - -

HEIDI Hallo?

HENRY Das ist ja auch nicht so wichtig. Heidi, wir kommen langsam zum Schluss, the clock on the wall says it's about time. Heidi, es war schön, mit dir zu talken, ich hoffe, du hast uns inzwischen verziehen, dass es so lange nicht geklappt hat, und grüß mir recht herzlich deinen Angelo, was? So, ich glaube, du wolltest noch ein paar Grüße durchg ...

HEIDI Ja, also zuerst grüße ich meine Eltern, den Opi, die Tante Celia, meinen Bruder Nick, der immer alles in der Wohnung herumliegen lässt, meine Schwester Rita, und sie soll endlich mal die Waschmaschine freimachen, dann die Klasse 6c der Reiner-Streber-Schule und besonders die Gisi, die Waltraud, die Mechtild und natürlich unseren Klassenlehrer, den Herrn Wichtig, dann die ganze Klicke, den Stephan, den Grunzer, Walter eins und zwei, die Daggi, die Sara, die beiden Unzertrennlichen, den netten McDagobert-Verkäufer aus der Stopfstraße, Bodo, den stärksten Discjockey vom Image, den Richie, und er soll sich mal wieder bei der Angela melden, Herrn Späh, den Kontaktbeamten vom Knauserweg, den TSV Zerrband, den Willi, den Otto, den Reinhard ...

HENRY Okay, Heidi, dann also ...

HEIDI ... den Oliver auf der Intensivstation im Krankenhaus am Westfriedhof, den Rüdiger, die Sabine, die Breitnerzwillinge, dann noch Üzür, Mehmed, Ali, Stavros, Gedin und Jack, alle, die ich noch vergessen habe, die mich kennen und die mich nicht kennen und das ganze Radio-Nirvana-Team.

HENRY War's das?

HEIDI Ja.

HENRY Ja, dann wünsch' ich dir was, du weißt schon was, und sag Servus, Heidi, tschüs, ciao, bye-bye! - Und weiter geht's mit einem Wunsch von Heidi und weiteren einundvierzig Hörern, die deswegen seit gestern bei uns angerufen haben, und zwar mit der neuen Single von Superstar Gallo aus dem brandneuen Album Everything. Ja, und was wird das wohl sein? Ganz klar, das lang ersehnte und lang erwartete Sylvie - Part 5. Endlich erfahren wir, wie's weitergeht. Give it to me, baby!

GALLO spricht zur Musik Drei Jahre wie eine Sekunde, Drei Tränen wie ein Gedanke. Die Welt ist eine Reise, Alles ist eine Reise, wirst du mit mir reisen? Ich habe es erwartet, Wir haben es erwartet, alles ist Erwartung! Keiner wollte mir glauben, aber die Augen der anderen sind groß geworden, als sie dich sahen: So blass, so ruhig, so einsam! Ich werde nicht zulassen, dass sie dir wehtun, ich werde bei dir sein - heute, morgen, immer! Denn wenn die Blitze fahl werden und auf die Erde stürzen, dann ist unsere Zeit gekommen, und wir werden aufsteh'n, und nichts wird mehr zwischen uns sein! Singt Sylvie, there's nothing to say, Sylvie, please ask me to stay! Even if I'll never know what I'm talking about Looking at my record sales makes me sing it out loud: Sylvie, there's nothing to say, Sylvie, please ask me to stay!