Читать книгу Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789 - 1795 - Emma Adler - Страница 4
Vorwort.
ОглавлениеDies Buch gilt den Frauen der großen französischen Revolution. Nicht jenen allein, die den einzelnen Abschnitten des Buches ihren Namen geben; sondern all denen, die der große Augenblick, die gesteigerte Spannkraft allen Lebens zu Heldinnen machte, deren Taten unbeachtet blieben, weil sie für selbstverständlich galten. Die Revolution hatte Weiber entmenscht. Das Mitansehen von Hinrichtungen wurde weibliches Vergnügen; um die Zeit von einer Hinrichtung zur anderen nützlich zu verbringen, arbeitete man friedlich an einem Strickstrumpf; das Schauspiel der Guillotinierung selbst wurde mit Geschrei und Tänzen begleitet, deren abscheulicher Anblick den ruchlosen Weibern zuerst den Namen „Sansculotten“ eintrug; mit tierischem Jubel wurde der Moment des „Karpfensprungs“ und „In den Sack niesen“ begrüßt, wenn das Blut aufspritzte und der Kopf hinabfiel. Immer neue Erfindungen perverser Blutgier halfen über die Abstumpfung der täglichen Wiederholung hinweg. Aber dieselbe Revolution hatte in jener anderen Gruppe von Frauen, der die Gestalten dieses Buches angehören und wie eine bessere, höhere Menschengattung von den Hyänen der Guillotine geschieden ist, die tiefsten, herzlichsten Instinkte geweckt, von dem tatkräftigsten Mitleid bis zum heroischen Kampf, von der stürmischsten Lebensenergie bis zur gleichgültigen Todesverachtung. Viele kämpften und starben mit dem Bewusstsein, dass ihr Andenken sich im Dunkel der Zeiten verlieren werde. Manche von ihnen, die nicht in die Zahl der großen Gestalten aufgenommen werden kann, verdient einen kleinen Gedenkstein in der Geschichte jener Zeiten.
Rose Bouillon, ein tapferes Weib, wollte ihrem Manne in die Schlacht folgen, sie verschaffte sich eine militärische Uniform und wurde eingereiht. Sechs Monate hindurch ertrug sie alle Strapazen des Kriegerlebens, als ihr Mann an ihrer Seite, in der Schlacht von Limbach, von drei Kugeln durchbohrt, fiel. Trotzdem kämpfte sie bis ans Ende der Schlacht mutig weiter. Dann kam sie um ihren Abschied ein; doch wurde er ihr verweigert. Da erst gab sie sich zu erkennen, indem sie sagte, sie fordere ihren Abschied, um ihren Kindern gegenüber ihre Pflicht als Mutter erfüllen zu können, so wie sie bis nun ihre Pflichten ihrem Manne und ihrem Vaterlande gegenüber erfüllt habe, soweit dies in ihrer Macht gelegen wäre. Man zollte ihr Bewunderung, sie bekam ihren Abschied und überdies eine Ehrenpension von einigen hundert Franken.
Rose Bouillon war nicht die einzige, die in den Kampf zog und sich durch Tapferkeit und Mut auszeichnete. Ferner sei zweier Schwestern gedacht, die im zarten Alter von dreizehn und sechzehn Jahren ihrem Vater in den Kampf folgten, um die Grenze mit ihm zu verteidigen. Es sind dies die Schwestern Félicité und Théophile Fernig. Frau Pochelat und Madeleine Petit Jean, diese, die Mutter zahlreicher Kinder, zeichnete sich in der Vendée durch ihr unerschrockenes Eingreifen in den Kampf aus. Zwei Mädchen, die achtzehnjährige Rose Marchant und die sechzehnjährige Elisa Quatre-Sous, hatten mehrere Feldzüge der republikanischen Armee mitgemacht. Claudine Bouget wurde als Volontär eingereiht. Alle glänzten durch einen Mut, der weit über den ihres Geschlechtes ging und überall Bewunderung hervorrief, wenn man erfuhr, dass sie dem weiblichen Geschlechte angehörten.
Vielleicht mag man in der Teilnahme an dem Krieg einen unweiblichen Zug erblicken, obwohl es sich in den meisten Fällen vor allem darum handelte, eine geliebte Person in alle Gefahren begleiten zu dürfen. Doch die Treue des Weibes bis in den Tod feierte ihre täglichen Triumphe, als der Schrecken der Bürgerverfolgungen wütete.
Häufig kam es vor, dass Frauen, die gar nicht zum Tode verurteilt waren, alles daran setzten, gleichzeitig mit ihren Männern auf dem Schafott zu sterben. So z. B. Madame Mouchy. Als ihr Mann ins Gefängnis des Luxembourg gebracht wurde, begab sie sich auch dahin. Man machte sie aufmerksam, dass im Haftbefehl nur ihres Mannes, ihrer aber gar nicht erwähnt sei. Sie antwortete: „Da mein Mann verhaftet ist, so bin ich es auch.“ Als ihr Mann vor das Revolutionstribunal geführt wurde, ging sie ebenfalls mit; als man ihr sagte, sie sei nicht vorgeladen, erwiderte sie: „Da mein Mann vorgeladen ist, so bin ich es auch.“ Als er aufs Schafott stieg, ging sie ebenfalls mit. Man sagte ihr, dass sie nicht zum Tode verurteilt sei. „Da mein Mann zum Tode verurteilt ist, so bin ich es auch.“ Sie war glücklich, mit ihrem Manne sterben zu können, den sie so sehr liebte. Der alte, kranke Mann einer jungen schönen Frau, namens Lavergne, sollte zum Tode verurteilt werden. Trotz des Missverhältnisses der Jahre liebte sie ihn innig und wollte seinen Tod nicht überleben, sondern sein Schicksal teilen. Aber es gelang ihr nicht sogleich, sie bat die Richter, diese höhnten sie, verwiesen sie auf ihre Jugend und Schönheit, spotteten über ihren alten Mann und meinten, sie könne nun einen jungen leicht finden. Zu ihrem Schmerz gesellte sich Empörung und Zorn. Sie erwartete, in der Menge stehend, die Stunde, in der ihr Mann vor dem Revolutionstribunal erscheinen sollte. Da er schwer krank war, trug man ihn auf einer Matratze hinein; er antwortete mit ersterbender Stimme auf die ihm vorgelegten Fragen. Als sein Todesurteil verkündet wurde, schrie Madame Lavergne mit markerschütternder Stimme „Es lebe der König! Es lebe der König!“ Sie schrie so lange, bis sie das erreichte, was sie wollte. Sie wurde verhaftet und gab beim Verhör an, dass sie aus lauter Begeisterung für den König in diesen Ruf ausgebrochen sei, und bis zu ihrem Tode nicht aufhören werde, ihren Gefühlen in dieser Weise Ausdruck zu verleihen! Sie wurde, wie sie es gewünscht, zum Tode verurteilt und fuhr im selben Karren wie ihr Mann zur Richtstätte. Ihr Mann lag mit geschlossenen Augen da. Sie rief ihn, er sah sie erstaunt und fragend an. Sie sagte ihm: „Du weißt, dass ich ohne dich nicht leben kann, nun sterben wir gemeinsam!“
Diese Frau nähert sich mancher Größeren, die in gleicher Liebe das gleiche Schicksal über sich heraufbeschwor, deren ganze Lebensführung aber einen höheren Schwung aufweist, als jener Frauen, deren einzige Bedeutung in ihrer Liebe zum Gatten ruht.
Man verkannte damals, wie zu allen Zeiten die Tapferkeit und den Mut der Frauen, man fand es kaum der Mühe wert, diese Eigenschaften anzuerkennen und sich mit ihnen zu beschäftigen. Der Eifer, mit dem die Frauen die Revolution erfassten, entsprang ohne Zweifel dem Bewusstsein der moralischen Erniedrigung, in die sie gesunken waren.
Nur zwei Männer, Condorcet und Siéyès, beschäftigten sich mit der Lage der Frau in der Republik, sie fühlten, dass sie nicht weiter das bleiben konnte, was sie unter dem Königtum war, dass sie in einem Jahrhundert der Aufklärung nicht die bleiben konnte, die sie in den Zeiten der Barbarei war, das heißt, ohne Eigentum, ohne politische Rechte, ferngehalten von der Leitung der Geschäfte, kaum dazu berufen und zugelassen, die Angelegenheiten ihrer eigenen Familie zu führen, ihr Eigentum, das sie in die Ehe gebracht, zu verwalten, und auch über die Kinder, denen sie das Leben gegeben, rechtlichen Einfluss zu haben. Condorcet und Siéyès fanden, dass es im Staate genug Beschäftigungen gibt, die zu leisten die Frauen geradezu berufen, und zu denen ihre Anlagen besonders geschaffen seien.
Aber der Tod Condorcets machte all diese Pläne der Befreiung der Frau aus jahrhundertelanger Sklaverei zunichte. Manch eifrige Freundin der Revolution war in die politische Bahn gedrängt worden, weil ihr Freiheitsbedürfnis, das der Sehnsucht ihres eigenen Geschlechtes entsprang, sich mit dem allgemeinen Freiheitsrausch vereinigte. Die tätigen Revolutionärinnen Rose Lacombe und Olimpe de Gouges waren vor allem Kämpferinnen für die Rechte der Frau. Doch keine von allen, weder Madame Roland, deren geistige Bedeutung ein Goethe anerkannte, die Anteil an den Fragen der Tagespolitik nahm, noch die Tallien, die zu politischen Umwälzungen mit den Anstoß gab, noch Frau Bouquey, die sich in Kampf und Auflehnung gegen das herrschende Jakobinertum setzte, weil flüchtige Girondisten das Mitleid ihres Herzens weckten, ein Mitleid, fast so groß wie das der tapferen Frau Legros, die durch eine Tat des Mitleids die Bastille zerstören half, noch Charlotte Corday, die mit vollem Bewusstsein einen politischen Mord beging, noch die Frauen angefeindeter und verfolgter Staatsmänner, wie die Condorcet und Desmoulins, keine von ihnen ist über das Grab hinaus von den Freunden missverstanden, vom politischen Hass so besudelt worden, wie Théroigne de Méricourt.
So interessant, abwechslungsreich und tragisch das Leben der Théroigne de Méricourt auch ist, so ist es nicht minder wahr, dass man die Geschichte der französischen Revolution schreiben könnte, ohne sie zu erwähnen, ohne dass die Darstellung eine Lücke aufwiese. Denn alles, was die geschichtlichen Darstellungen bis nun zu ihrem politischen Ruhme behauptet haben, ist historisch unhaltbar. Sie soll eine der Ersten bei der Erstürmung der Bastille gewesen sein, man sah sie sogar einen der Türme erklettern! Sie soll bei den Vorgängen des 5. und 6. Oktober die Hauptrolle gespielt haben!! Und doch beruht dies alles nur auf Erfindung.
Im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien erliegt eine Art Selbstbiographie, die Théroigne de Méricourt im Gefängnis von Kufstein zu ihrer Verteidigung niedergeschrieben hat. Die Dinge, die sie darin über die Ereignisse der französischen Revolution, mit denen sie in Zusammenhang gebracht wird, sagt, sind gewiss wahr. Sie hätte sich all der ihr zugeschriebenen Taten lieber gerühmt, als sie in Abrede gestellt. Überdies hatte sie auch gar keine Ursache Dinge zu leugnen, die auf den Hochverratsprozess, den man ihr anhängig gemacht hatte, von gar keinem Einfluss gewesen wären. Und wie leicht hätte man ihr damals alles nachweisen können, falls es falsch gewesen wäre, wo die Ereignisse noch so frisch im Gedächtnis aller lebten!
Sie war eine Idealistin, die von allem Guten und Schönen, von der Freiheit begeistert, gewiss jeden Augenblick bereit gewesen wäre, ihr Leben zu opfern. Aber all das, was man ihr andichtet, ist sicherlich nicht wahr, nicht das Gute, nicht das Böse.
Viel länger als ein Jahrhundert existiert diese kostbare Selbstbiographie und noch immer wird Théroigne als Kurtisane, als eine von Ausschweifungen völlig kranke Person dargestellt.
Da sie viel Geld hatte, so nahm man an, sie habe viele Liebhaber besessen, denn dass ihr Bräutigam ihr ein Vermögen geschenkt hatte, das wusste man nicht und erging sich daher in so lieblichen Phantasien. Auch an ihren garstigen Krankheiten ist kein wahres Wort. Der berühmte Psychiater Esquirol, der sie in der Salpêtrière viele Jahre hindurch behandelte, schrieb über ihre Geisteskrankheit; er erzählt, dass sie sich körperlich sehr wohl fühle, trotzdem sie in ihrer feuchten, finsteren, kleinen Zelle, ohne alle Einrichtung, ein Dasein führe, dass es geradezu ein Wunder sei, wie ihre Gesundheit all diesen bösen Einflüssen widerstehen könne. Selbst im Winter ging sie immer völlig unbekleidet, barfuß auf den Steinfliesen ihrer Zelle auf und ab. Sie goss überdies Wasser aus, das dann fror. Nie konnte sie, selbst in der grimmigsten Kälte, dazu gebracht werden, etwas anzuziehen, noch des nachts sich wärmer zuzudecken. Während des Frostes, wenn sie nicht genug Wasser haben konnte, schlug sie das Eis in ihrer Zelle auf und wusch sich mit dem darunter befindlichen Wasser die Füße und den ganzen Körper. Sie aß alles, was sie am Boden fand, Stroh, Brotkrumen, Abfälle, sie trank am liebsten Spülwasser, und dennoch lebte sie in dieser Weise fast fünfundzwanzig Jahre lang im Irrenhaus. Wie könnte ein von Krankheit zerstörter Körper diese Lebensweise ein Vierteljahrhundert aushalten. Um diesen schädlichen Einflüssen so lange standhalten zu können, dazu bedurfte es einer eisernen physischen Gesundheit. Und die musste sie wohl nach all dem besessen haben.
Als Théroigne de Méricourt ihre Selbstbiographie hinter den Festungsmauern von Kufstein niederschrieb, geschah es, um das mündliche Verhör zu vereinfachen; sie dachte dabei nicht an die Nachwelt, nicht an ihren Nachruhm, nicht an die Verleumdungen. Wie konnte sie nur einen Augenblick denken, dass die armseligen, mit Bleistift geschriebenen Blätter so sorgfältig aufgehoben werden würden. Das kam ihr gewiss nicht in den Sinn. Ihr war damals nur darum zu tun, ihre Freiheit wieder zu erlangen und den Beweis zu erbringen, dass sie weder Marie Antoinette nach dem Leben getrachtet, noch sich des Hochverrates schuldig gemacht habe.
Umso mehr kann man allen ihren Daten Glauben schenken und der Aufzeichnung ihrer Erlebnisse mehr Vertrauen entgegenbringen, als den phantasiereichen Erfindungen ihrer Zeitgenossen und ihrer vielen Feinde.
Man wird ihre biographischen Aufzeichnungen nicht ohne Rührung und Bewunderung lesen. Welche Liebe und welcher Zartsinn ist darin enthalten. Wie originell und schön weiß sie darzustellen, wie ist ihre Sprache urwüchsig, trotzdem sie so wenig gelernt hatte, sie, die ihre Jugendjahre in schwerer Arbeit und Pein, statt mit Lernen verbringen musste.
Mag der Leser sich ihrem Schicksal ebenso geneigt zeigen, wie dem der übrigen Heldinnen, die dieses Buch zu schildern unternimmt.
Für die Benützung der Handschrift, deren Veröffentlichung hier zum ersten Male erfolgt, sowie für die freundliche Unterstützung bei der Entzifferung der Handschrift, bin ich den Herren Archivdirektor Hofrat Gustav Winter und Archivar Dr. Hans Schlitter zu besonderem Dank verpflichtet.
Quand l’Hydre despotique asservissoit la France:
Elle osa le braver pour servir l’innocence;
Latude, dans les fers, par l’intrigue abattu,
A son courage seul a du sa delivrance;
Sans biens et sans crédit, sa rare bienfaisance
A sçu vaincre la haine à force de vertu.