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Das Leben des heiligen Ephraem des Syrers (Vita) Version 1

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1.

1 Der heilige Ephraem war von Geburt ein Syrer. Sein Vater stammte aus Nisibis, seine Mutter aus Amida.2 Der Vater war Priester 3 in Nisibis und dienete dem Götzen Abnil, welchen der siegreiche Kaiser Jovinianus später stürzte. — Die Geburt des heiligen Ephraem fiel in die Zeit des rechtgläubigen Kaisers Constantinus.4 - Er war ausgewählt gleich von seiner Geburt an, wie Jeremias und Samuel; denn es wollte Gott, dass er zerstöre und vernichte alle Secten, die gegen die Wahrheit ankämpften, und ihren Uebermuth breche, und dass er durch das Licht seiner Lehre den ganzen Erdkreis erleuchte und die Schaaren leite zum Wege der Wahrheit.

Die göttliche Gnade, die ihn auserwählt hatte, war stets mit ihm und bewahrte ihn, dass er nicht an den Götzenopfern seines Vaters Theil nahm und den Götzen Abnil anbetete. Auch die bösen Daemonen fürchteten ihn; denn sie sahen, wie die göttliche Gnade über den Knaben und über alle seine Werke ausgegossen war, und sie wollten ihn nicht länger bei seinen Eltern sehen. So versuchten denn die Eltern mit vielem Eifer ihn zu dem Tempel ihrer Götzen zu bringen, aber die göttliche Gnade bewahrte ihn. Da vollendete sich an ihm das Wort, welches dem Ananias über Paulus gesagt worden: „Dieser ist mir ein auserwähltes Gefäss.“

Als der Vater ihn eines Tages — Ephr. war noch ein Knabe — mit einem Christen in der Stadt sprechen sah, wurde er von Zorn erfüllt und züchtigte den Knaben erbarmungslos. Dann sprach er zu ihm: „Ich gehe jetzt vor meinen Gott und bringe ihm Opfer, ob er dir vielleicht gnädig sein möchte.“


2.

Als nun der Vater in den Tempel getreten war und einem Götzen opferte, siehe, da erschien ihm der Teufel und begann also mit ihm zu sprechen: „Schon lange wissen wir, wie geneigt und freundlich du uns gesinnt bist, und wir danken dir für die unermüdliche Sorgfalt, die du unsern Opfern schenkest. Aber deinen Sohn können wir nicht wieder in Gnaden aufnehmen; denn er ist unser Verfolger. Willst du nun, dass wir dir gnädig seien, so treibe ihn aus deinem Hause, lass ihn von dir gehen und nicht in deiner Nähe wohnen; er ist unser Feind, und Widersacher.“

Diese Rede bewegte den Vater, und er ging zu seinem Sohne und sprach: „Gehe, wohin du willst, und lass dich nicht wieder in meinem Hause erblicken; denn ich sehe es deutlich, du bist ein Feind meiner Götter.“ Als der Knabe die Worte seines Vaters vernahm, freute er sich; denn er hatte es schon lange ersehnt. Er zog also aus dem Hause seines Vaters, aber ohne irgend einen Besitz, ohne zu wissen, wohin er sich wenden solle.

Aber die göttliche Gnade verliess ihn nicht, sie führte ihn zur christlichen Kirche in Nisibis, zu dem Hirten Christi, dem heiligen Jacobus,5 der Bischof der Gemeinde war. Dieser unterwies ihn in den göttlichen Lehren und nahm ihn auf in die Reihe seiner Täuflinge. Hier erwarb Ephraem sich die ganze Liebe des Jacobus, des Hirten des Herrn, und des gesammten Volkes; denn es sah, wie er in Frömmigkeit, Enthaltsamkeit und in aller Furcht des Herrn seinen Wandel führte, und es erlangte der h. Ephraem in Wahrheit einen Charakter wie der Hirte. Er blieb in dem Hause des Hirten und war sein Schüler, und gar sehr freute sich der Heilige über ihn. Er unterwies ihn in den Weisheitslehren des h. Geistes und lehrte ihn die Psalmen David’s. So ergoss sich über ihn die göttliche Gnade; denn in dem Herzen des ganzen Clerus und aller Gläubigen erwuchs eine innige Liebe zu ihm, gleichwie unser Heiland sagt, im Evangelium: „Heil dem Diener, um dessenwillen der Name seines Herrn gepriesen wird.“


3.

Aber der Teufel hasste ihn wegen seines frommen Wandels und brachte Verläumdung über ihn. Es war nämlich in der Kirche ein Mann mit Namen Ephraem, ein Kirchendiener; den verführte der Teufel, dass er vor Liebe zu einem vornehmen jungen Mädchen der Stadt entbrannte. Und wirklich verführte sie der Kirchendiener. Dann aber überredete er das Mädchen und sprach: „Wenn deine Eltern es erkennen werden, so sprich zu ihnen: “Der Ephraem, der Heuchler, von dem ihr sagt, er sei der gerechte Schüler des Bischofs, der ist über mich gekommen und hat mich verführt.„”

Kurze Zeit darauf erkannte ihr Vater, dass sie schwanger sei, und fragte sie nach dem Urheber der Schmach, die ihr geschehen. Da antwortete sie ihm, so wie der Diener sie gelehrt hatte: “Der Ephraem, den ihr den Gerechten nennt, der hat mich verführt, und siehe, ich bin schwanger.„ Als das ihre Eltern hörten, eilten sie zu dem Bischofe und verkündigten es ihm. Da erschrak der heilige Hirt über das, was er hörte, und betete zu Gott, (nämlich: um Offenbarung der Wahrheit), aber er wurde von ihm nicht erhört. Indessen flehte der heilige Ephraem zu Gott, er möge dem heiligen Hirten die Wahrheit nicht entdecken. Der Bischof liess aber den Heiligen rufen und sprach zu ihm: “Hast du in Wahrheit dies gethan, mein Sohn?„ Ephraem aber stand schweigend und antwortete nichts. Da fragte der Bischof ihn zum zweiten Male. Der heilige Ephraem wandte sich demüthig zu ihm und sagte: “Ja, mein Vater, ich habe gesündigt.„ Der Hirt aber glaubte den Worten nicht, sondern verwarf dieses Bekenntniss; denn er kannte Ephraem’s göttlichen Wandel. - Inzwischen kam die Zeit, wo das Mädchen einen Sohn gebar. Ihr Vater nahm das Kind und brachte es zu dem Bischofe; dann liess er den heiligen Ephraem rufen und sprach zu ihm in Gegenwart des Bischofes und der gesammten Geistlichkeit: “Ephraem nimm deinen Sohn und erziehe ihn.„ Da weinte der Heilige bitterlich und sprach: “Wahrlich meine Väter, ich habe gesündigt.„ Und er nahm das Kind. - Niemand, meine Brüder, vermag den Schimpf und die Schande darzustellen, die diesem Heiligen widerfuhr, Niemand, die Freude, die die Andern darüber empfanden. Das Volk aber wurde sehr erzürnt über den Heiligen. - Wer staunt nicht über den Heiligen, wenn er sieht, wie er das Kind auf seine Arme nahm und Milch sich erbettelte zur Nahrung des Kindes? Gar grosse Standhaftigkeit war ihm vom Herrn gegeben, dass er solche Schmach und Schande ertrug. Gott sahe aber die Demuth und Ergebung Ephraem’s und wollte die Wahrheit offenbar werden lassen. Und er gab dem Heiligen den Gedanken ein, er handle unrecht vor dem Herrn, dass er sich dem ganzen Volk als Ziel der Beleidigung setze und zum eignen Schaden der ganzen Gemeinde die Wahrheit vorenthalte. Und es erinnerte sich der Heilige des Wortes, welches unser Heiland im Evangelium spricht: “Wehe dem Manne, durch welchen Aergerniss kommt.„ (Matth. 18, 7.)

Endlich als der Clerus und die ganze Gemeinde mit ihrem heiligen Hirten eines Sonntags zum Gebet versammelt waren, da ging der heilige Ephraem, das Kind auf dem Arme, in die Kirche und bat den Hirten um die Erlaubniss, auf die Kanzel steigen zu dürfen. Wie er nun die Kanzel bestiegen, den Knaben in seine Hand genommen und zum Altare hin erhoben, und als er mit lauter Stimme gerufen hatte: “Ich beschwöre dich, Kindlein, im Namen unsres Herrn Jesu Christi, der Himmel und Erde gemacht hat und Alles, was darinnen ist, dass du uns die Wahrheit sagest: Wer ist dein Vater?„ - da öffnete das Kind seinen Mund und rief vor der ganzen Gemeinde: “Ephraem, der Kirchendiener, ist mein Vater.„ Dreimal hatte das Kind diese Worte gesprochen, dann verschied es sogleich in Gott. Als die ganze Versammlung die Stimme des Kindes vernahm, da kam eine grosse Furcht über sie. Alle jammerten und klagten und weinten bitterlich, und sie schlugen ihr Antlitz und riefen aus: “Wehe uns, wehe uns, die wir diesen herrlichen Mann, den heiligen Ephraem, verläumdet haben! Wir dürfen vom Herrn nichts Gutes erwarten, da wir diesen Heiligen so arg verläumdet und beschimpft haben!” Und sie kamen Alle mit dem Vater des Mädchens, das sein Leben verwünschte, und fielen dem h. Ephraem unter Thränen zu Füssen und baten ihn um Vergebung. Der wahre Hirte aber, der h. Jacobus, betete mit dem h. Ephraem für die Gemeinde und für den ganzen Clerus, und Alle erlangten Vergebung vom Herrn. Von dieser Zeit an stand der h. Ephraem bei Allen in hohem Ansehn, und Alle verehrten und liebten ihn sehr. Ephraem aber hing dem wahren Hirten treulich an!


4.

Als bald darauf die verabscheuungswürdige Sekte des Arius auftauchte, die den Sohn Gottes und den heiligen Geist schmähte und verletzte und ganz Aegypten überfluthete, so befahl der siegreiche Kaiser Constantinus, als er die Kunde davon empfangen, dass die Bischöfe sich in der Stadt Nicaea versammeln sollten. Da zog denn der h. Jacobus, Bischof von Nisibis, mit andern Bischöfen und dem h. Ephraem dorthin. Als nun die h. Synode in Nicaea versammelt war, verdammte und verwarf sie den Arius und alle seine Anhänger und sprach den verdienten Fluch über den Gottlosen aus. Dann kehrten Alle freudig und dankerfüllt nach ihren Sitzen zurück; so auch der h. Jacobus, der ein Haupt war unter den Bischöfen der Synode und hochberühmt im Abendlande und im ganzen Kaiserreich. Und es kam der wahre Hirt des Gesalbten mit dem h. Ephraem nach Nisibis, beide gar sehr erfreut über den Sieg, den sie mit Gottes Hülfe errungen hatten. — Täglich zeichnete sich der h. Ephraem mehr aus, und er nahm zu an Erkenntniss des heiligen Geistes und an göttlichen Gaben, und er las unaufhörlich in den heiligen Büchern und setzte eine Zierde darin, sich zu üben in den Werken der Tugend, im Fasten und Beten, in Geduld und Enthaltsamkeit. Er war demüthig, weise, keusch, und rein; in allen Tugenden war er vollkommen, und er gehorchte den Lehren des wahren Hirten in aller Klugheit.


5.

Nicht lange hierauf starb der siegreiche Kaiser Constantinus und hinterliess seinen Söhnen die Herrschaft. Kaum vernahm der König von Persien Sapores 6 diese Nachricht, sο eilte er mit einem grossen Heere herbei, belagerte Nisibis und brachte einen harten Kampf über die Stadt. Schon dauerte der Kampf 70 Tage, da liess Sapores das Wasser des Flusses, welcher die Stadt bespülte, eindämmen. Jetzt entstand eine grosse Aufregung (in der Stadt); denn das Wasser drang mit heftigem Ungestüm vorwärts und brach gegen die Mauer herein. Die Mauer, zu schwach, dem Andrange des Wassers zu widerstehen, zerbarst und stürzte zusammen. So meinte Sapores ohne Schwierigkeit die Stadt einnehmen zu können. Aber der h. Bischof Jacobus und der h. Ephraem mit dem ganzen Volke beteten und flehten in der Kirche zu Gott, er möge ihnen helfen. Unaufhörlich ermahnte dann der h. Hirte die Kämpfer und die ganze Gemeinde das Werk des Sapores nicht zu fürchten. Und die Bewohner der Stadt folgten dem Rathe des h. Hirten und baueten eine andere Mauer tiefer in die Stadt hinein; mitten auf dieser breiteten sie die Reihen ihrer Kämpfer aus. Als nun die Mauer eingestürzt war, wie wir erzählt haben, freute sich Sapores gar sehr und meinte, jetzt sei die Stadt sein. Plötzlich aber sah er eine neue Mauer hinter den Trümmern der alten hervorragen. Da kam eine grosse Furcht über ihn und besonders über die furchtbare Erscheinung, die ihm zu Augen kam; er erblickte nämlich einen Menschen, der, mit einem königlichen Gewande bekleidet, auf der Mauer stand und glänzte wie die Sonne. Sapores zitterte; denn er meinte, der Römische Kaiser sei in der Stadt, und er ward erzürnt auf die Kundschafter, die ihm berichtet hatten, der Kaiser sei in Antiochia. So wurde Sapores von der Einbildung, der Römische Kaiser stehe auf der Mauer und kämpfe mit den Städtern, erschreckt. Aber der Herr hatte ihm diese Angst bereitet und ihm die Ueberzeugung eingeflösst, er sei zu schwach, um die Stadt erobern zu können, und gar bald musste er wohl erkennen, dass der Gott der Christen für die Seinen kämpfe. Der heilige Ephraem bat nämlich den heiligen Hirten, er möge ihm doch erlauben, auf die Mauer zu steigen und Geschosse des Fluches auf die Perser herniederzuschleudern. Und er stieg hinauf, hob seine Augen zu Gott empor und flehte ihn inbrünstig an, er möge Fliegen und Mücken über die Feinde senden, damit sie die Macht Gottes erkenneten und merketen, dass der Herr auch durch Kleines siege. Kaum hatte er sein Gebet vollendet, da erschienen plötzlich Wolken von Fliegen und Mücken im Lager der Feinde. Da wurden die Elephanten und Rosse so heftig gepeinigt, dass sie ihre Zügel zerrissen; denn die Mücken hatten sich ihnen in Mund und Nase gesetzt. Als die Feinde das Unheil sahen, welches über sie kam, erkannten sie, dass sie vor der Geissel nicht entfliehen konnten; denn es merkte der König Sapores gar wohl, dass der Herr dies gethan, und er zog ab von Nisibis, beschämt und gedemüthigt. Die ganze Stadt aber und alle Einwohner schrieben dieses Wunder dem heiligen Ephraem zu. 7


6.

Der heilige Jacobus, der Bischof von Nisibis, starb 8 bald nach diesem Ereigniss, ein Mann vollendet in allen Tugenden und in allen Werken der Gerechtigkeit, in der er Gott diente. Sein Tod betrübte den h. Ephraem, den Clerus und alle Gläubigen gar sehr, und Ephraem begrub den h. Jacobus mit aller ihm gebührenden Ehre. - Um dieselbe Zeit starb auch der Sohn des Kaisers Constantin, der sein Nachfolger gewesen war. Jetzt trat die Bosheit des frevelhaften, gottlosen Julianus, der weder Himmel noch Erde scheute, hervor und peinigte das ganze Volk der Christenheit. Alle Kirchen zerstörte der Gottlose, so lange er Kaiser war; denn er war ein Heide, setzte eine grosse Verfolgung wider alle Gläubigen an, liess Götzenbilder aufrichten und richtete den heidnischen Cultus ein, mit einem Worte, er war vollkommen in aller Gottlosigkeit des Heidenthums. Als er aber nach Persien hinabzog, da empfing er den Lohn für seine Ruchlosigkeit; denn er wurde mit einem Schlage, der vom Himmel hergesandt worden, bestraft; von heftigen Blitzesschlägen wurde er getroffen, er war rettungslos verloren; eben, als er Jesum und seine Gottheit schmähte, hauchte er seine Seele aus. Bald erfüllte die Nachricht von seinem Tode die Erde, und die Christen waren aller Orten hocherfreut. Da wickelte denn der gläubige Kaiser Jovinianus, der nach dem Erbgesetz als Kaiser folgte, den Leichnam des Gottlosen in Leinwand und nahm ihn mit nach Nisibis. Dann aber machte Jovinianus Frieden mit dem Perserkönige. Jetzt blieb Ephraem noch so lange in Nisibis, bis die Stadt unter die Herrschaft der Perser kam, dann aber zog er fort und liess sich auf Römischem Gebiete nieder.

Er war aber in einem Alter von 28 9 Jahren von einem der heiligen Väter getauft worden.10 - Von hier zog er nach der Stadt Amida, hielt sich aber nur kurze Zeit hier auf und ging dann nach Edessa in Mesopotamien. Als er diese Stadt aus der Ferne sah und das Kloster, welches dicht dabei lag, erblickte, da entstand in ihm der lebendige Wunsch, hier sein Lebelang zu wohnen. Er ging in die Stadt und trat an den Fluss,11 der die Stadt bespülte, siehe da erblickte er Weiber, die ihre Kleider wuschen, und die Eine hob ihre Augen auf, heftete sie fest auf den heiligen Ephraem und betrachtete ihn ohne Scheu. Da wurde er unwillig über sie und sprach: „Weib, schämst du dich nicht? Blicke zur Erde und betrachte mich nicht so schamlos.“ Da antwortete das Weib und sprach: „O Mann, für dich ziemt es sich, zur Erde zu blicken; denn von ihr bist du ja zuerst genommen; für mich aber ist es nicht unpassend, wenn ich dich betrachte; von dir bin ich ja zuerst genommen.“ 12 Als der heilige Ephraem die Rede des Weibes hörte, bewunderte er sie in seinem Herzen und sprach bei sich selber: Wenn die Weiber dieser Stadt so weise sind, um wie viel weiser müssen dann die Männer sein!

Er ging nun in die Stadt und beschloss hier irgend eine Handthierung zu ergreifen und zu arbeiten, damit er sich von seiner Hände Arbeit den Unterhalt verdiene, und da er eine Kunst nicht erlernt hatte, die ihm hätte seinen Lebensunterhalt einbringen können, so ging er zu einem Bademeister und arbeitete bei ihm eine Zeit lang.


7.

Um eben diese Zeit trieben viele Bewohner der Stadt einen unsinnigen Götzendienst. Da hörte denn Ephraem nicht auf, sie zu belehren und zum Wege der Wahrheit zurückzuführen, sobald er nur sein Tagewerk vollbracht hatte. Eines Tages, als er wieder mit einem Heiden sprach, traf ihn ein heiliger und edler Greis und fragte ihn: „Woher bist du, mein Sohn?“ Da erzählte ihm der heilige Ephraem sein ganzes Leben. Da sprach der Mönch zu ihm: „Wie ziemt es sich für dich mit Heiden zu verkehren, da du doch ein Christ bist? Oder ist es dein Wille, in der Welt zu leben?“ Der heilige Ephraem erwiederte: „Nein, mein Vater.“ „Nun so musst du,“ erwiederte ihm der Mönch, „für deine Seele sorgen. Ich aber will dich zu deinem geistigen Heile geleiten. Gehe auf den Berg in eins der Klöster, zu einem Einsiedler oder Mönche, dass er dir den rechten Weg zeige, und dich zur Vollkommenheit führe.“ Als der heilige Ephraem das hörte, war er hocherfreut in seinem Herzen, folgte dem heiligen Greise und stieg mit ihm den Berg hinan. Hier wohnte er in einer Höhle, bekam die Tracht der Mönche, fastete und betete und hörte nicht auf Tag und Nacht in der heiligen Schrift zu lesen. Und es wurde ihm die Gabe der Auslegung gegeben, dass er die erhabenen und göttlichen Bücher erklären konnte. Als er nun so durch die göttliche Lehre gebildet war, da sammelte und vertheidigte er alle Lehren des Geistes und alle Worte des Lebens. - Eines Nachts, als der heilige Greis aus seiner Zelle heraustrat, sah er plötzlich einen Engel des Herrn vom Himmel herniedersteigen, der trug ein Buch in der Hand, das auf beiden Seiten beschrieben war, und es war dem Greise, als wenn der Engel zu einem andern Engel die Worte sprach: „Wem soll ich dieses Buch geben?“ Da antwortete der Engel: „Dem Mönche Origenes, der in der Wüste Aegyptens wohnt.“ Und es erwiederte der, welcher das Buch trug: „Das hat der Herr nicht befohlen.“ Und wiederum sprach er: „Wer ist dieses Buches würdig?“ und es erwiederte der andere Engel: „Der Mönch Julius, der im Lande des Nordens wohnt.“ Da antwortete jener und sprach: „Ihr wisset es nicht; dieses Buches ist jetzt Niemand würdig, denn Ephraem der Syrer, der auf dem Berge Edessa’s wohnt“.13


8.

Man erzählt vom heiligen Ephraem noch Folgendes, was er auch selbst in seinem Testament berichtet:14 Als er noch klein war und im Schosse seiner Mutter lag, da war es, als wüchse ein Weinstock auf seiner Zunge, und er ging empor und kam bis an den Himmel und Tausende von Trauben und Tausende und aber Tausende von Beeren waren an ihm. Diese Trauben waren seine Reden und die Beeren seine Hymnen.15 Gepriesen sei der Heilige, dass er empfing die Gabe zu reden nach seinem Willen, gepriesen sei er um des Gesichtes willen, welches sah der h. Greis, und um des Buches willen, welches der Engel ihm brachte, ohne dass der Greis bis zu der Stunde wusste, dass Ephraem der Auserwählte Gottes sei.

Eines Tages trat der heilige Greis, (welcher Ephraem auf den Berg geführt hatte), aus seiner Celle und wollte den heiligen Ephraem besuchen; der hatte sich aber eingeschlossen in seiner Celle. Und es traf ihn der Greis, wie er eben eine Erklärung zu dem Gesetzesbuche Mose schrieb. Er hatte die Erklärung des ersten Buches 16 vollendet und begann so eben das zweite Buch. - Da erstaunte der Greis über die Fülle der göttlichen Gnade und über die Weisheit seines Verstandes, die Gott ihm gegeben hatte. Jetzt gewann er die feste Ueberzeugung von der Wahrheit jenes göttlichen Gesichtes, das ihm erschienen war. Er nahm die Erklärung, welche der Heilige selbst geschrieben hatte, trug sie in die Stadt und zeigte sie hier Lehrern und Schülern, den Vorstehern in der Stadt und der ganzen Geistlichkeit. Die verwunderten sich Alle und erstaunten über die Gelehrsamkeit und Weisheit, die der Heilige in der Erklärung des Buches bewies. Sie glaubten aber, der Greis habe das Buch geschrieben. Der aber sprach: “Ich habe das Buch nicht geschrieben oder erklärt, aber ich will euch kundthun, wer es geschrieben hat. Es ist der Mönch Ephraem,” und er erzählte ihnen, um ihren Glauben noch zu befestigen, die Erscheinung, die er gehabt. Da stiegen die Bewohner der Stadt hinauf zu der Celle des Guten. Als Ephraem aber ihre Ankunft merkte, floh er und verbarg sich vor den Gläubigen in einer Waldschlucht des Berges. Da erschien ihm der Engel des Herrn und sprach: “Ephraem, wohin fliehest du?” Er antwortete: “Ich sehne mich nach Ruhe und will vor den Schwachheiten oder Angriffen dieser Welt fliehen.” Da sprach der Engel zu ihm: “Hüte dich, dass an dir nicht vollendet werde, was geschrieben stehet:17”Ephraem ist gleich einem Kalbe, welches sein Joch von den Schultern geschüttelt hat." Da weinte der heilige Ephraem und sprach: “Ich Schwacher, ich bin nicht werth des Wortes, welches du gesprochen.” Der Engel sprach zu ihm: “Niemand zündet ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter.” Als Ephraem das hörte, kehrte er um und stieg in die Stadt hinab. Es kam[en] aber denen zu Ohren, die hinausgezogen waren, ihn zu suchen. Als der Heilige nun an das Thor der Stadt kam, hob er seine Augen auf gen Himmel und betete unter Thränen zu Gott und sprach also: “Herr Gott, der du deinen heiligen Aposteln Macht gegeben hast über die bösen und unreinen Geister und sie ausgerüstet hast mit den Gaben des heiligen Geistes, damit sie den Satan und all’ sein Heer vernichten, gieb auch mir Kraft von deinem Thron herab, dass ich alle Secten vernichte, die sich wider deine Wahrheit auflehnen.”

Nach diesem Gebet ging er durch das östliche Thor der Stadt; es war aber schon Abend, und er begab sich deshalb in einen der Thürme der Stadt und übernachtete hier, und die ganze Nacht hindurch betete er unaufhörlich. Bei Tagesanbruch stand er auf und ging gerade in die Stadt hinein. Aber die, welche ausgezogen waren um ihn zu suchen, sahen ihn und begannen ihn zu verspotten und sprachen: “Kommt und sehet den Ruhmgierigen, lasset uns hinabsteigen und ihm Ehre erweisen, uns alle, die wir ihn sehen. Er floh vor uns und plötzlich kommt er von selbst zu uns.” Da ergriffen sie ihn und führten ihn vor die Lehrer, vor die Weisen und Vorsteher, mitten unter die Geistlichkeit, dass sie untersuchen und forschen möchten, wer der Mensch sei. Ephraem aber, der Auserwählte des Herrn, sprach in grosser Demuth zu ihnen: “Väter und Brüder, lasset mich frei; ich bin der, welchen ihr suchet.” Aber die, welche ihn ergriffen hatten, meinten wegen der Dürftigkeit seiner Kleidung, er müsse ein Unwissender sein. Da sie aber seine Demuth, seine Bescheidenheit und die göttliche Gnade erkannten, die so reichlich über ihn ausgegossen war, da entbrannte in Aller Herzen eine heftige Liebe zu ihm.


9.

Auf dem Berge Edessa’s lebte auch ein Mönch, der häufig göttliche Gesichte hatte. Der war einst in die Stadt hinabgegangen, um seine Geschäfte zu besorgen. Als dieser den Auserwählten des Herrn, den heiligen Ephraem sah, da begann er vor den Bewohnern der Stadt laut hinter ihm herzurufen und sprach: „Das ist der Auserwählte Gottes, durch dessen Hand Gott alle Secten wird vernichten lassen und die Altäre reinigen von den Sünden; der ist es, von dem unser Erlöser sagt: “Feuer, komme ich, euch auf die Erde zu bringen.”" Als das die Heiden und Ketzer hörten, ergriffen sie den heiligen Ephraem, peitschten ihn heftig und steinigten ihn, und wenig fehlte, so hätten sie ihn getödtet.18 Er entkam aber und stieg zu seiner alten Celle hinauf. Hier schrieb er dann seine heftigen Reden und Briefe, in welchen er alle Secten angriff.19 Viele von ihnen bekehrte er zum wahren Glauben; denn sie bewunderten ihn und seine Lehre und die Wunder, die er that.


10.

Ephraem hatte viele Schüler. Unter ihnen Zenobius, Diaconus der Kirche zu Edessa, Isaac, Simeon, Abraham und Andere, deren Namen wir hier nicht weiter anführen.20 Aber jeglichem seiner Schüler war Gnade gegeben, dass sie Reden und Briefe schreiben konnten und mit göttlichem Lichte erleuchtet wurden, und dass sie Viele vom Wege der Verkehrtheit abwendeten. — Um diese Zeit hörte Ephraem viel von dem Bischofe zu Cäsarea in Kappadocien, Basilius dem Grossen und er brannte vor Verlangen ihn zu besuchen. Da betete und flehte er zu Gott, er möge ihm doch die Erhabenheit des heiligen Basilius offenbaren. Als er nun gebetet hatte, siehe da erschien ihm vor dem Altare eine Feuersäule, die vom Himmel bis zur Erde reichte, und er hörte eine Stimme vom Himmel: „Gleichwie die Feuersäule ist, die du siehest, so ist Basilius“.21 Seit dieser Zeit entbrannte in ihm die Begierde, Basilius den Grossen zu besuchen. Da machte er sich auf den Weg und nahm einen von seinen Schülern, der Griechisch verstand, mit sich. Kaum aber befand er sich auf dem Meere, so drangen gewaltige Wogen in das Schiff, auf dem er und sein Schüler sich befanden. Da erbebten die Schiffer vor der Menge der Wogen, die bis zum Himmel emporstiegen und wiederum in die Tiefe hinabstürzten, und sie beschlossen sich in’s Meer zu werfen. Aber der heilige Ephraem ermahnte sie und sprach: „Meine Brüder fürchtet nicht, dass auch nur Einer von euch verderbe; der Gott, der des Paulus Schiff bewahret hat, der wird auch dieses Schiff erretten.“ Die Schiffer hielten ihn aber seines schlichten Wesens wegen für einen Thoren. Als Ephraem ihre Kleingläubigkeit sah, wunderte er sich sehr über sie, und sogleich stand er auf, breitete seine Hände aus, betete zu Gott und sprach zum Meere hingewendet: „Ich sage dir, höre auf; verstumme im Namen unseres Herrn Jesu Christi, der dich schweigen hiess zur Zeit seiner heilevollen Leitung.“ Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so trat eine tiefe Stille auf dem Meere ein und die Wogen ruhten. Als die Schiffer das sahen, die Kaufleute und Alle, die sonst im Schiffe waren, da eilten sie herzu, fielen dem heiligen Ephraem zu Füssen und sprachen: „Wahrlich, du bist unser Vater, du hast uns errettet vom Tode.“ Und von Stunde an wurde Ephraem angesehen in ihren Augen. So fuhr das Schiff glücklich über eine weite Meeresfläche. Da plötzlich, mitten auf dem Meere, stürmte ein Ungeheuer auf sie los, und Alle fürchteten sich auf dem Schiffe. Der heilige Ephraem aber machte dem Ungeheuer das Zeichen des Kreuzes entgegen; sogleich zerbarst es und zerfloss über die Fläche des Meeres hin. Bei diesem Anblicke staunten Alle, die im Schiffe waren und lobeten und priesen Gott, und eine grosse Freudigkeit kam unter sie. — Kurze Zeit darauf stieg der heilige Ephraem mit seinem Schüler aus und trennte sich von den Uebrigen. Er zog hinauf nach Aegypten, wo er schon lange wünschte die Klöster zu sehen und die Mönche darinnen zu besuchen. Und er kam nach der Stadt Antinum, und er fragte die Bewohner, auf welchem Wege er nach der Wüste käme. Sie zeigten ihm den Weg. Ephraem ging also in die Wüste, und sein Schüler war Dolmetscher. Da kamen sie in eine Höhle, wo sie den Erwählten Gottes, den Vater Bischvai, trafen. Aber der heilige Bischvai verstand nicht Syrisch, und der heilige Ephraem nicht Aegyptisch; da flehten sie zu Gott, und er erfüllete ihnen ihr Flehen, dem Bischvai, dass er Syrisch sprach; dem Ephraem, dass er Aegyptisch sprach. Und der heilige Ephraem freute sich gar sehr, dass er gewürdigt wurde, den Auserwählten Gottes, den Vater Bischvai, zu sehen. - Vom Herrn war dem heiligen Ephraem nämlich schon verheissen, als er sich noch auf dem Berge von Edessa befand: „Dein Lohn im Himmelreiche soll sein, gleichwie der auserwählte Vater Bischvai belohnt wird.“ — Ephraem blieb bei dem Erwählten Gottes sieben Tage lang, und Beide nützten einander durch ihren Umgang. — Dann trennte sich Ephraem von dem heiligen Vater Bischvai und verweilte in Aegypten acht Jahre, und während der ganzen Zeit hörte er nicht auf, den rechten Glauben zu lehren und den Weg der Wahrheit zu zeigen.


11.

Um diese Zeit brach eine grosse Verwirrung in Aegypten aus durch mancherlei Secten, die sich bildeten. Viele Mönche traten zum Glauben des Alexandriners Arius über; aber der heilige Ephraem bekehrte sie wieder zum wahren Glauben, besonders da er seine Lehren in ägyptischer Sprache vortrug und seine Reden und Erklärungen ägyptisch. Es befand sich aber in der Wüste ein Mönch, der vom wahren Glauben abgefallen und vom Irrglauben des Arius ergriffen war. Der war ein Zauberer und brachte durch die Beschwörungen und Zauberkünste des Satans, der ihm dienete, Viele vom wahren Glauben ab. Eines Tages traf dieser den heiligen Ephraem, wie er eben einen der Brüder belehrte, der ein Schüler des Zauberers war. Zornig wandte er sich zum heiligen Ephraem. Doch der wusste wohl, dass der Satan in ihm redete, und er sprach:22 „Ich sage dir, Feind aller Gerechtigkeit, Gottes Allmacht vertreibe dich, höre auf unter dem Scheine der Göttlichkeit zu reden.“ Und zur Stunde schwieg der Daemon, der in dem Mönche wohnte; der Mönch aber fiel zur Erde, gelähmt an Händen und Füssen. Da eilten alle Mönche herbei, um zu sehen, was dem abgefallenen Mönche begegnet sei; denn sein Ruf war an viele Orte hingedrungen. Und es jammerte den heiligen Ephraem seiner, und er trat herzu, machte über ihn das Zeichen des Kreuzes und sprach: „Ich sage dir, im Namen unseres Herrn Jesu Christi, der gekreuzigt ist zum Heile der Menschen, weiche von ihm.“ Und sogleich wich der unreine Geist von ihm. Und er nahm den Mönch bei der Hand, richtete ihn auf und bekehrte ihn zum wahren Glauben.


12.

Der heilige Ephraem zog nun aus dem Lande Aegypten fort und ging zu Schiffe, um nach Cäsarea zu fahren und den heiligen Basilius zu besuchen. Gerade zu dem Feste der Erscheinung Christi kam er nach Cäsarea. Hier fragte er nach dem heiligen Basilius. „Gehe in die Kirche,“ sagte man ihm, „so wirst du den heiligen Basilius sehen.“23

Da stand nun der Heilige mitten in der Stadt, und Niemand nahm ihn auf; Ephraem brachte mit seinem Schüler, der ihm als Dolmetscher diente, die Nacht in einem Dorfe zu. Bei Anbruch des Tages aber, gerade zum Tage des Epiphaniasfestes gingen sie in die Kirche, und der heilige Ephraem stellte sich in einen Winkel der Kirche, damit ihn Niemand sehe. Da erblickte er den heiligen, auserwählten und erhabnen Basilius in grosser Pracht und Herrlichkeit auf der Kanzel stehend, in glänzende Gewänder gekleidet und mit einer kostbaren und strahlenden Mütze auf dem Haupte, und es umgab ihn der Clerus in grosser Pracht. Als nun Ephraem diese Pracht und Herrlichkeit der Kanzel des h. Basilius erblickte, da wandte er sich zu seinem Schüler und sprach: „Ich glaube, Bruder, dass wir unsern Weg ganz umsonst gemacht haben; denn, wenn wir hierherkommen, die wir des Tages Last und Hitze ertragen haben, und dennoch unnütze Knechte sind, wie ist es möglich, dass dieser Mann, der so reich geziert ist mit solchem Schmuck und mit Gewändern, glänzend und strahlend wie der Schnee, der da leuchtet in grosser Pracht und Herrlichkeit wie der Schnee, und rings umgeben ist von seiner Gemeinde und dem Klerus — wie ist es möglich, dass dieser Mann in den Tugenden des h. Geistes vollkommen sei? Unmöglich ist das wahr, was wir über ihn gehört haben; ich glaube es ist nicht so.[“] Da wurde der heilige Ephraem traurig über das, was er sah, und er begriff jetzt nicht eher die Hoheit des Mannes Gottes, als bis sie ihm von Gott offenbaret wurde. In solchen Gedanken begriffen sprach er zu seinem Schüler: „Wir können hier unmöglich, mein Sohn, wenn wir auch des Tages Last und Hitze getragen haben, irgend einen Nutzen aus unserer Mühe ziehen. Wie ist es aber möglich, dass dieser Mann hier in solcher Pracht jene Feuersäule sei, die ich gesehen?“


13.

Jetzt erhob sich der heilige Basilius, bestieg die Kanzel und begann dem Volke über Epiphanias und über die Hoheit des Festes zu predigen. Der heilige Ephraem blickte auf ihn und lauschte der göttlichen Worte, die aus seinem Munde strömten, und es schien ihm, als redete der heilige Geist in Gestalt einer Taube durch seinen Mund. Da erstaunte der heilige Ephraem und erkannte nun wohl die Grösse des heiligen Basilius. Bei Allem, was der erhabene Mann redete, gab die Gemeinde leise ihren Beifall kund, der heilige Ephraem aber pries ihn doppelt. Da offenbarte denn endlich der heilige Geist dem erhabenen Basilius, dass der heilige Ephraem da sei. Der rief seinen Archidiaconus und sprach zu ihm: „Gehe dort nach jener Stelle hin, und du wirst einen Mönch in einem dürftigen und geflickten Gewande erblicken und bei ihm einen andern Mönch, der sein Schüler ist; sprich zu ihm: “Unser Vater Basilius lässt dich rufen.„[“] Sogleich ging der Archidiaconus mitten durch die dichtgedrängten Schaaren, bis er zu der Stelle kam, wo der heilige Ephraem stand, er trat demüthig zu ihm heran und sprach: „Unser Vater lässt dich rufen, komm mit mir, dass ich dich zu ihm bringe.“ Da erwiederte der Heilige dem Archidiaconus durch seinen Dolmetscher: „Du irrst dich, Herr; wir sind Fremde, kommen aus ferner Gegend hierher und sind dem Erzbischofe nicht bekannt.“ Da verachtete ihn der Archidiacon, kehrte zurück zu dem heiligen Basilius und sprach: „Mein Vater, ich habe da nur einen verächtlichen, fremden Mönch gesehen.“ Da erwiederte Basilius dem Archidiacon: „Gehe wieder hin, und wenn er inzwischen an eine andre Stelle gegangen ist, so gehe dahin, wo er steht, und rufe ihn bei seinem Namen und sprich zu ihm: “Ephraem, Ephraem, der Erzbischof lässt dich rufen, wohlan höre und komme schnell zu ihm.„[“] Da ging der Archidiacon zu dem Orte hin, wo der heilige Ephraem stand, that einen Fussfall vor diesem, nannte ihn bei Namen und sprach: „Dein Vater, der Erzbischof lässt dich rufen.“ Als der heilige Ephraem das hörte, stutzte er und war verwundert, dass man ihn bei Namen rief; dann erwiederte er vermittelst seines Dolmetschers: „Wenn der Erzbischof den Gottesdienst beendet hat, so will ich zu ihm kommen, damit er mich segne am Altare.“ Dann kehrte der Archidiacon zu dem Erzbischofe zurück und meldete ihm die Antwort Ephraem’s. Der heilige Ephraem aber sprach zu seinem Schüler: „Wahrhaftig der heilige Basilius ist die Feuersäule; ich sahe, wie der heilige Geist ihm die Worte eingab.“ Als der Gottesdienst beendigt war, ging der Heilige mit seinem Schüler in das Allerheiligste, wo sich der Erzbischof befand. Sobald dieser den heiligen Ephraem erblickte, stand er freudig auf von seinem Sitze, umarmte ihn, und sie gaben einander den Friedenskuss des heiligen Geistes. Er sah aber die Demuth des heiligen Ephraem und seine Dürftigkeit, sein trübes Antlitz und sein geflicktes Kleid. Da begann er heftig zu weinen über ihn und sprach: „Komm in Frieden, Vater der Einsamkeit, ich freue mich, dass du hier bist; gesegnet sei deine Ankunft, du Erwählter Gottes, der du die Zahl der Jünger Christi gemehret, der du vernichtet hast alle die unreinen Secten, besiegt und vereitelt alle List der Feinde, der du Viele bekehret hast zum Wege der Wahrheit. Weil du aber so viel gelitten und einen so mühvollen Weg gemacht, um einen sündigen Mann zu sehen, so spende dir Christus, der Sohn Gottes, den Lohn deiner Arbeiten und den Sold deiner Qualen. Ο wärst du, der ich bin, Basilius, ich aber Ephraem!“ Da sprach der heilige Ephraem zum heiligen Basilius: „Vergieb mir, ο Vater, mir, der ich ja ein Sünder bin und nicht werth alles dessen, was du sagst.“ Darauf führte der wahre Hirte den heiligen Ephraem und seinen Schüler zum heiligen Altare und spendete ihnen die geweihten Gaben, den Leib und das Blut Christi, unseres Heilandes. Dann unterhielten sie sich mit einander in göttlichen Gesprächen, indem sie sich des Schülers als Dolmetschers bedienten. Dann fragte der heilige Basilius den heiligen Ephraem: „Sage mir, ο Vater der Einsamkeit, warum du, der du nur Syrisch sprichst und der griechischen Sprache unkundig bist, mir zweimal deinen Beifall kund thatest, als ich auf der Kanzel stand und der Gemeinde predigte.“ Da erwiederte der heilige Ephraem dem heiligen Hirten des Gesalbten: „So mein Vater ist es; in Wahrheit den heiligen Geist habe ich gepriesen, der durch deinen Mund redete.“ Da sprach der heilige Basilius: „Wahrlich ich sage, wäre ich Sünder doch auch der Gnade würdig, mit der Gott dich geschmückt hat!“


14.

Basilius bat ihn sehr, er möge die Priesterwürde annehmen, aber er liess sich nicht von ihm dazu bewegen, und nur nach vielen Bitten nahm er es an, dass Basilius die Hand auf ihn legte und ihn zum Diaconus machte. Als Basilius seine rechte Hand auf den heiligen Ephraem gelegt und die Weihformel gesprochen hatte, ergriff er ihn bei der Hand und sagte in syrischer Sprache: „Befiehl ihm Herr, dass er aufstehe,“ und Ephraem erwiederte auf Griechisch: „Heilige mich, Gott, und richte mich auf durch deine Gnade!“

So war dem heiligen Ephraem auf das Gebet des wahren Hirten Basilius, da er Gott in aller Demuth gebeten hatte, die Gabe der griechischen Sprache verliehen, und ebenso dem erhabenen Basilius die Gnade gegeben, Syrisch zu sprechen, auf das Gebet des heiligen Ephraem[.] 24 Und Basilius verlieh dem Schüler Ephraem’s durch Handauflegung die Priesterwürde. Beide hatten aber einander durch ihre Gespräche über göttliche Bücher und die göttliche Lehre viel genützt.


15.

Um dieselbe Zeit kam das Gerücht zu dem heiligen Ephraem, dass die Irrthümer von neun 25 Secten in der Stadt Edessa Eingang gefunden hätten. Da segneten sich einander der heilige Ephraem und der heilige Basilius, und Ephraem machte sich auf den Weg. Es wurde aber der heilige Basilius traurig über die Trennung und sprach vor dem versammelten Clerus: „Als ich den heiligen Ephraem in die Kirche eintreten sah, erblickte ich zwei Engel in Gewändern, die wie der Blitz glänzten; die standen über dem heiligen Ephraem, der eine zu seiner Rechten, der andre zu seiner Linken. Das ist der, von dem unser Heiland sagt: “Feuer, bin ich gekommen, auf die Erde zu bringen.„” — Einst stand der heilige Hirte Basilius auf der Kanzel und predigte. Die Gemeinde hörte aber, dass er sagte: “Vater und Sohn und heiliger Geist.„ Da murmelten sie, dass er und heiliger Geist gesagt hatte; denn nur eben über die Hinzusetzung des Wörtchens und entstand das Murren. Es erklärte ihnen aber der wahre Hirt Jesu Christi: “Murret nicht, meine Kinder, und seiet nicht unwillig über die Hinzusetzung des Wörtchens „und“. Ehe Ephraem zu uns gekommen, sagten wir: Vater und Sohn, heiliger Geist. Nachdem aber der Auserwählte Gottes zu uns gekommen, Ephraem der Syrer, hörte ich ihn sagen: „Es sei natürlich, dass man “und„ hinzufüge, damit man die Dreieinigkeit auf folgende Art preise: Ruhm dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste.“ So sprach Basilius. — Seit dieser Zeit lehrten denn alle Gläubigen, man müsse sagen, wie der heilige Ephraem es allen Griechen überliefert hat. — Als nun der heilige Basilius an einem andern Tage wieder auf der Kanzel stand und der Gemeinde über das Werk der sechs Tage aus dem ersten Buche Mose predigte — es war am zweiten Tage der Fasten — und die Stelle auslegte, die da lautet: „Der Geist Gottes schwebte über die Fläche der Wasser,“ da erklärte er vor der Gemeinde: „Das, was ich predige, habe ich von Ephraem, dem Auserwählten des Herrn, gelernt, der zwar der Weisheit der Welt fremd ist (und nur in der Vollkommenheit, die nicht von dieser Welt ist, vollendet), der aber in der Lehre und Weisheit und Erkenntniss der göttlichen Philosophie gross und erhaben ist. Und so habe ich ihn in syrischer Sprache reden hören: “Nach Art einer Henne, die mit den Flügeln schlägt, wenn sie ihre Küchlein ausgebrütet hat, sie dann unter ihre Flügel nimmt und ihnen dadurch Lebenskraft giebt und die natürliche Wärme, die sie selbst besitzt — durch göttlichen Willen aber sind ihre Jungen geboren —: So schwebte der göttliche Geist auf der Fläche der Wasser, damit die Wasser lebendige Geschöpfe jeglicher Art erzeugen sollten, der heilige Geist selbst aber war der Schöpfer.„ — So unterwies der heilige Basilius die ganze Gemeinde, dass sie sagen sollten: “Ruhm dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste.”


16.

Doch wir kehren zur Geschichte des heiligen Ephraem zurück. Nach seiner Trennung vom heiligen Basilius, ging Ephraem mit seinem Schüler nach Samosata, einer Stadt am Euphrat. Eben war er in die Stadt eingetreten, da begegnete er einem von der wahren Lehre abgefallenen Schullehrer mit einer Schaar von Knaben. Der heilige Ephraem grüsste sie, wie der Herr es geboten hat. Da gab ihm einer der Knaben einen Backenstreich. Der Heilige erwiederte nichts und schalt auch nicht. Da lachten die, welche es sahen, über seine Demuth und spotteten auch über sein armseliges und geflicktes Kleid. Die Kinder setzten sich jetzt, um ihr Brot zu verzehren. Kaum aber hatten sie sich niedergesetzt, als plötzlich eine Natter unter einem Stein hervorkommt und den Knaben, welcher dem heiligen Ephraem einen Backenstreich gegeben, in die Hand sticht. Sogleich starb der Knabe und seine Hand verdorrete. Der Lehrer aber und die Knaben und viele Andere aus der Stadt, die es sahen, entsetzten sich, fielen dem heiligen Ephraem zu Füssen und flehten ihn an, er möge sich des Knaben erbarmen. Ephraem liess sich durch ihr Flehen bewegen und ging zu der Stelle hin, wo der Knabe lag, und er ergriff ihn bei der Hand und sprach zu ihm: „Christus, der Sohn Gottes, erwecke dich, mein Sohn.“ Sogleich stand der Knabe unversehrt auf. Als Alle dies grosse Wunder sahen, da glaubten die Abtrünnigen, welche in der Stadt Macht hatten, und der abtrünnige Lehrer glaubte auch, und sie wurden alle zum wahren Glauben Christi bekehrt und liessen sich taufen.


17.

Als nun Ephraem nach Edessa kam, fand er hier Secten aller Art und die bedeutendste unter allen war die des Zauberers Bardeson.26 Zufällig fiel ihm das verderbliche Buch des Bardeson in die Hände, wie dies Ephraem selbst mittheilt mit folgenden Worten:

“Ich fand ein Buch von Bardeson,”Das mich auf eine Stunde trauern liess, “Das meine Ohren befleckte und mich selbst ganz”Mit dem Makel seiner Schande. “Ich höre in seinen Worten die Schande”Und in seinen Reden die Schmach. “Wenn der Leib nicht aufersteht,”So ist’s des Leibes Fluch; “Schuf aber Gott ihn zum Verderben”Und, dass er nimmer wieder aufersteh’, “Siehe, so kommt Schmach über die Gerechtigkeit des Herrn”Und verläumdet Gottes Wege; “Sie setzt den Hass zur Liebe”Und raubt des Lebens Hoffnung. “Drum wend’ ich ab mich und lese, meine Brüder,”In dem Buch des heil’gen Geistes “Und betäube so das Ohr”Gegen jenen schwarzen Frevel." 27

Als nun der heilige Ephraem sahe, wie die Stadt durch viele Secten verunreinigt war, da entbrannte er von einem göttlichen Feuer, wie jener von göttlichem Eifer glühende, weise Phinees, der Sohn des Eleazar, und er ward ein Krieger und vernichtete alle Secten und rottete sie aus. Deshalb befiel Alle eine grosse Furcht, und wie Wachs vor dem Feuer, so schmolzen alle Secten vor dem Heiligen dahin; sie konnten ihm gegenüber nicht bestehen, und er leitete sie wieder auf den Weg der Wahrheit. — So sah er denn auch, wie die Secte des Bardeson in Edessa Macht erlangte durch ihre leichtsinnigen und verführerischen Gesänge; denn dieser verruchte Bardeson hatte Gedichte jeglicher Gattung verfertigt, aber auch das Gift des Todes hineingemischt für Alle die sie lernen. Die brachte er denn unter die Schaaren der Knaben und lehrete sie die Gedichte zur Cither singen. Er hatte aber die Psalmen David’s nachgeahmt und 150 solcher verführerischer Gesänge gedichtet, mit denen er die Gemüther Vieler an sich zog. Wie Satanas in Wahrheit die Kinder Kain’s unterwiesen, so hat er auch diesen Frevler gelehret, so dass er ein Instrument ist, auf dem Satanas spielt. — Wer, meine Brüder, vermag die Beredtsamkeit des heiligen Ephraem zu schildern, seine Anstrengung, seine Thätigkeit, die unsäglichen Mühen und die Wachsamkeit, die er angewendet, bis er alle die Irrthümer zerstört, die gegen die Wahrheit sich erhoben, und alle Secten zerstöret und ausgerottet hatte; wie Spreu, die der Wind verweht, so waren alle Secten vor ihm. Aber es war ihm auch von Gott Weisheit gegeben, die über alle Weisheit ging. Die Rede ist zu schwach, ihn zu preisen und alle Worte genügen nicht zu seinem Ruhme; denn er ist gerüstet, der Athlete des Gesalbten und führt den Kampf gegen die linke Seite,28 vorzüglich aber gegen die Gottlosigkeit des Bardeson und seiner Schüler.


18.

Da Ephraem erkannte, welche Neigung die Edessener für Musik hatten, so errichtete und ordnete er, um sie von ihren gottlosen Gesängen und Tänzen, die sonst ihre Jungfrauen ausführten, zurückzurufen, Chöre aus den Jungfrauen und lehrete sie Hymnen und Loblieder singen, und er dichtete Hymnen für sie voll weiser, erhabner und geistiger Sprüche, Hymnen über die Geburt Christi, über seine Taufe, über seine Fasten und seinen Aufenthalt in der Wüste, ferner über sein Leiden und Auferstehn und seine Himmelfahrt; noch andre Hymnen über die Märtyrer, die Busse, über die Verstorbenen dichtete er. An allen Festtagen versammelte sich dieser Chor in den Kirchen, an Sonntagen und Gedächtnisstagen der Märtyrer. Und der heilige Ephraem stand mitten unter den Sängern, wie ein Vater, wie der Citharöde des heiligen Geistes, und lehrete sie dann die Modulationen im Gesange, bis die ganze Stadt sich vor ihm versammelt hatte. Auf diese Weise vernichtete und zerstreuete er die Partei des Feindes.29 — Wer staunt nicht, meine Freunde, und wen erfüllt nicht ganz die Gluth des Glaubens, wenn er den Athleten des Gesalbten mitten unter Chören von Jungfrauen stehen sieht, die da mit Leidenschaft singen Loblieder, Hymnen und Preislieder; es gleichen aber seine Hymnen (des h. Ephr.) den heiligen Gesängen der Engel, und bezaubern die Sinne der Menschen durch ihre Lieblichkeit. Zahllos sind die Hymnen und Sermonen des heiligen Ephraem’s. Gleichwie aber Gott dem Noah befahl eine Arche zu bauen, in der das Lebendige vor der Sündfluth Schutz haben sollte: so gab er den Gläubigen die Hymnen des heiligen Ephraem als einen Zufluchtsort gleichwie in einer Fluth, die alle Secten verschlingen soll. Sein Ruf drang über den ganzen Erdkreis, und er erfüllte die ganze Welt mit seinen göttlichen Lehren. Und wie Adaeus zu seiner Zeit der Apostel Edessa’s war, so vernichtete der heilige[n] Ephraem den Bardeson und brachte die Schüler dieses Gottlosen wieder auf den Weg der Wahrheit. — Einst trat auch Ephraem vor das Volk und sprach: „Nicht auf die Sieben wollen wir uns stützen, an die Bardeson glaubt. Verflucht ist der, welcher spricht, wie er spricht: “Von ihnen kommt Regen und Feuchtigkeit„; verflucht, welcher spricht, wie er spricht: “Von ihnen kommt auch der Thau„; verdammt, der da spricht, wie er spricht: “Von ihnen her ist Schnee und Eis„; verdammt, wer spricht, wie er spricht: “Von ihnen kommt Samen zu säen den Arbeitern„; verdammt ist, der da spricht, wie er bekennt: “Von ihnen her kommen die Früchte den Landleuten„; verdammt, der bekennt, wie er bekennt: “Von ihnen her ist Hungersnoth oder Sättigung„; verdammt, der da bekennt, wie er bekennt: “Von ihnen kommt Sommer oder Winter.„ Verflucht ist, Mann oder Weib, die Solches bekennen; verflucht die Hoffnung, die auf die Sieben ihren Glauben setzt; verflucht, wer den wahren Glauben des Herrn verlässt und den Sieben Macht zutheilt und seinen Glauben auf sie setzt. Verflucht ist, der da lies’t in den heiligen Büchern und ist doch gegen sie; verflucht, der da lies’t in den Propheten und verachtet doch die Worte der Propheten; verflucht, der da lies’t in den Aposteln und ist doch gegen ihre Worte. Selig bis[t] du, gläubige Kirche! denn der König und der Sohn des Könige wohnt in dir. Deine Grundfesten wanken nicht; denn der Herr ist dein Hüter geworden, und die Wölfe können dich nicht zerreissen, die Schlangen dich nicht stechen, die Jungen der Nattern. Gross ist deine Macht und glänzend! Tochter der Völker, wie schön bis[t] du!“ —


19.

Es begab sich aber, dass ein Gichtbrüchiger in der Stadt an der Thüre der Kirche zum heiligen Thomas lag; der flehete den heiligen Ephraem um einen Almosen an. Da jammerte den Heiligen seiner und er sprach zu ihm: „Gold und Silber habe ich nicht; was ich habe, will ich dir geben“; und er sprach: „Willst du gesund sein?“ Der Gichtbrüchige aber antwortete und sprach: „O Herr, helfe mir um unseres Heilandes willen!“ Da hob Ephraem seine Hand auf, ergriff den Gichtbrüchigen bei der rechten Hand und sprach: „Im Namen unseres Herrn Jesu Christi stehe auf deinen Füssen.“ Und sogleich stand der Gichtbrüchige, der auch lahm war, auf und rühmete und preisete Gott. Und Alle, die es sahen und hörten, priesen Gott.


20.

Vier Jahre waren vergangen, seit Ephraem vom heiligen Basilius zurückgekehrt war: da sandte Basilius zwei seiner Schüler,30 berühmte Männer, und trug ihnen auf und sprach: „Gehet nach der Stadt Edessa in Mesopotamien und fraget nach dem Lehrer, dem heiligen Ephraem; ihr werdet ihn sehen in einem schlichten, geflickten, demüthigen und einfachen Gewande. Vorsichtig gehet ihn an und bringet ihn zu mir; denn ich will ihn zum Bischofe machen.“ Der Eine von diesen Männern hiess Theophilus, der Andere Thomas. Die gingen [sie] nun, den Auftrag des heiligen Hirten, Basilius des Grossen, auszuführen, und sie kamen nach Edessa und fragten nach dem heiligen Ephraem. Der wusste im Geiste aber wohl, weshalb sie gekommen waren, und stellte sich blödsinnig und dumm. Da nun die Abgesandten sahen, dass ihm, wie einem vom Bösen Besessenen oder Blödsinnigen der Geifer über den Bart herabfloss, und wie er durch die Strassen der Stadt lief, da änderten sie ihre Meinung über ihn. — Nur aus Furcht vor der Priesterwürde zeigte sich Ephraem vor den Gesandten so. — Sie verachteten ihn, zogen weg und kehrten zu Basilius zurück und erzählten ihm Alles, was sie von Ephraem gesehen hatten. Da weinte Basilius, seufzte und sprach: „Ihr, meine Söhne seid Thoren; er aber ist die köstlichste Perle des Meeres, unbekannt und verborgen den Menschen und der Welt, die nichts von ihm weiss; Ephraem ist ein Weiser Gottes, ein Philosoph des Geistes, er ist Gott theuer und reich mit Wissen erfüllt.“


21.

Der heilige Ephraem erfüllte jetzt die Welt mit seiner Lehre. Er schrieb nämlich in dieser Zeit seine Hymnen über Nisibis, über den heiligen Jacobus, über den Kaiser Constantinus, über den Zorn und das Unglück seiner Zeit, ferner über die Besetzung der Gefilde rings um die Stadt und der Klöster, die hier lagen, über die heilige Schemoni und ihre Söhne, über Simeon, Guria und Habib, die in Edessa den Märtyrertod starben, auch über den gottlosen Julianus (dessen Zeit der Heilige noch erlebte) und über die Verfolgung der Bischöfe von Seiten dieses Bösen dichtete er Hymnen. Es erzählt auch Ephraem, wie die Gesandten dieses Frevlers Julianus nach Edessa kamen, während er selbst mit einem grossen Heere — er wollte nämlich gegen Persien ziehen31 — in die Nähe der Stadt kam. Julianus selbst blieb zunächst in Haran, 32 wo viele Heiden wohnten und viele Götzenbilder waren; hier opferte der Gottlose. Von den Vornehmen dieser Stadt schickte er einige als Gesandte nach Edessa, damit die Bewohner kämen ihn anzubeten und den unreinen Götzen zu opfern. Aber die Ankunft dieser Boten erschreckte und beunruhigte die Edessener nicht, sondern sie antworteten Alle mit Muth und Glauben: “Behüte uns Gott, dass wir den Schöpfer Himmels und der Erden, der um unseres Heiles Willen Mensch geworden ist, verläugnen sollten, wie dieser König, der Gott verläugnet hat und Daemonen anbetet. Ein Tod ist Allen bestimmt; darum vermag uns weder Schwert noch andre Todesstrafe um Abfalle zu bewegen.” Siehe da trat ein gläubiges Weib 33 mit zwei Söhnen vor die Gesandten, und als einer von denselben sie fragte: “Weib, was willst du?” da antwortete sie: “Ich bringe als Erstlingsgeschenk meine Söhne dem Könige der Könige, Christo, dass sie sterben und von ihm die Märtyrerkrone empfangen.” Als das der Gesandte sah, stutzte und staunte er über den Muth und den Glauben der Edessener, dass sie für ihren Herrn und Heiland so willig in den Tod eilten. Da kehrte er um, verkündigte seinem Könige den Willen der Edessener, dass sie zum Tode bereit seien. Da wurde Julianus sehr zornig und sprach: “Wenn ich aus Persien zurückkehre, so will ich sie bestrafen.” Indessen kam Jovinianus heimlich nach Edessa, ohne dass der gottlose Julianus es wusste, betete im Tempel der Mutter Gottes vor dem Bilde des Gesegneten, und die ganze Nacht hindurch betete und weinte er; da wurde dem gläubigen Kaiser Jovinianus durch eine Erscheinung von Gott offenbaret, dass über den gottlosen Kaiser Julianus der Tod beschlossen sei. Des freute sich dieser wahre Gläubige, und er ward gestärkt in seinem Herzen. — “Edessa verliess ihren Besitz, ihre Häuser liess sie offen und ging hinaus mit ihrem Hirten zu dem Gottlosen,34 um sich tödten zu lassen; denn ihren Glauben verleugneten sie nicht und nicht die Liebe zu ihrem Herrn. Mit wenigen Worten sprachen alle Bewohne[r] also:”Billig ist, dass wir unsern Besitz, unsre Häuser, Alles, was uns gehört, diesem Tyrannen, der zu uns gekommen, übergeben, unsern Glauben aber verleugnen wir nicht." Edessa ist reich gesegnet: mit weisem Rathe und guten Sitten, mit nützlicher, kluger Einsicht, mit Scharfsinn und Weisheit; mit Glauben hat sie ihre Lenden gegürtet; mit der Hülfe ihres Herrn hat sie alle Irrthümer besiegt; durch seine Liebe ist sie gekrönt worden; der Gesalbte hat ihre Bewohner gesegnet. Edessa ist geziert mit Ruhm; denn des Namens Jesu rühmt sie sich; auch seines Abgesandten rühmt sie sich, des heiligen Apostels Adaeus. Stadt, die du an Berühmtheit gleichst der himmlischen Jerusalem, ο Edessa, wann wirst du mir sagen, dass ich preisen soll deinen erhabenen Ruhm? Da ich dich aber nicht mit reicheren Worten preisen darf, so schweige ich von deinem Ruhme".35


22.

Als der heilige Ephraem nun sah, dass die Stadt von den unreinen Secten befreit und gereinigt war, stieg er den Berg hinauf und zog sich in seinen früheren Aufenthaltsort zurück. Um diese Zeit geschah es, dass eine vornehme Frau in Cäsarea, die viel gesündigt hatte, in eine tiefe Reue über ihre Sünden verfiel; aber aus Scham und Scheu darüber war es ihr nicht möglich, sie vor dem heiligen Basilius zu bekennen. Da schrieb sie ihre Sünden auf ein Blatt Papier. Im wahren Glauben aber war sie der festen Zuversicht, dass sie Vergebung ihrer Sünden erlangen werde. Da nun der heilige Basilius zur Kirche hereintrat, da eilte sie hin, fiel ihm zu Füssen und reichte ihm das Blatt dar. Und der heilige Basilius nahm das Blatt, das Weib aber lag auf ihrem Antlitz am Boden und weinte bitterlich, und sie flehte den heiligen Hirten an, dass er bete für sie und ihr erflehe vom Gesalbten Vergebung ihrer Sünden. Da warf der heilige Basilius das Papier vor den heiligen Altar und flehte zu Gott für das Weib. Dann entfaltete der heilige Basilius das Papier, und er fand alles Geschriebene ausgelöscht, nur Eine Sünde blieb. Durch das Gebet des heiligen Hirten und durch den Glauben des Weibes hatte der Herr ihr die Sünden vergeben. Dann wurde ihr das Papier zurückgegeben. Als sie aber sah, dass Eine Sünde darauf geblieben war, da begann sie mit Klagen und bittern Thränen den Heiligen anzuflehen, dass er sich über sie erbarmen möge; alle ihre Sünden seien ihr vergeben durch das Heil des Gesalbten, nur Eine Sünde sei auf dem Papier geblieben. Der heilige Basilius aber antwortete dem Weibe und sprach: „Meine Tochter, höre, was ich dir sage: Wenn du Vergebung der Sünde finden willst, wohlan, so gehe auf den Berg Edessa’s und da wirst du in einer kleinen Höhle einen herrlichen Mann finden, vollendet und vollkommen in den Tugenden des heiligen Geistes; sein Name ist Ephraem. Ihm zeige das Papier und bitte ihn, dass er für deine Eine Sünde bete.“ Als das Weib das hörte, nahm sie das Gebet des Heiligen mit sich, ging unter vieler Qual und Pein und kam zu dem heiligen Berge des heiligen, gepriesenen Ephraem. Da warf sie das Papier durch das Fenster hinein, klagte mit Thränen und sprach: „Erbarme dich über mich, Diener Gottes, der heilige Basilius schickt mich zu dir.“ Der heilige Ephraem erkannte ihre Sache und sprach zu ihr: „Meine Tochter höre mich: Auch ich bin ein Sünder und ein schwacher Mensch.“ Da flehte sie bitter seufzend und sprach zu ihm: „Unser Vater schickt mich zu dir; da er flehte für meine Sünden und den Gesalbten bat, dass er mir meine vielen Sünden vergeben möge, da blieb noch Eine Sünde auf dem Papier und die schwerste, und sie war nicht getilgt auf dem Papier. Darum komme ich zu dir, von ihm wurde ich geschickt; darum hilf mir Sünderin und Schuldbelasteten; verwirf nicht das Flehen der Ohnmächtigen.“ Da entgegnete ihr der Heilige und sprach: „So ist’s nicht, ο Weib; der dir deine vielen Sünden vergeben konnte, der kann dir auch diese Eine Sünde vergeben. Kehre um, ο Weib, so schnell du kannst, damit du den Heiligen noch am Leben findest; denn nahe dem Tage des Heimganges ist der erhabene Basilius, diese Feuersäule, dieser Ruhm der Kirche und des Sohnes Gottes. Wohlan, gehe hin, ο Weib.“ Als sie hörte, was er zu ihr sprach, da kam eine grosse Furcht und Zittern über sie; eiligst machte sie sich auf den Weg und kam nach Cäsarea nach bitterem Leid. Siehe da trugen sie die Bahre des erhabnen Hohenpriesters Basilius von seinem Lager her in die Kirche. Und es betrauerten ihn die Priester, Diacone und der ganze Clerus mit lautem Seufzen und Jammern und vielen Thränen. Da ging das Weib einer Wahnsinnigen gleich, forderte den Heiligen heraus und sprach: „Es sehe der Herr zu und richte zwischen mir und dir, heiliger Hirte des Gesalbten; meine andern Sünden konntest du mir vergeben, aber Eine Sünde blieb mir. Du sandtest mich auf den Weg.“ Als sie so herausfordernd gesprochen, warf sie das Papier auf die Bahre des heiligen, erhabnen Basilius und bekannte öffentlich laut ihre Sünden. Da trat einer der Diaconen herzu, nahm das Papier, damit er sahe, welche Sünde auf dem Papier geblieben sei, aber er fand nichts Geschriebenes mehr darauf. Da rief er laut und sprach: „Dein Glaube ist gross; nimm das Papier und siehe, dass dir alle deine Sünden vergeben sind.“ Da erkannte Jeder, dass ihr auf das Flehen des heiligen Ephraem und des heiligen Basilius ihre Schuld vergeben war, und Alle fühlten, dass der heilige Ephraem der Erwählte des Herrn sei.

Bald starb auch der heilige Basilius, und als Ephraem die Nachricht von seinem Tode erhalten, trug er grosses Leid, dass die Heerde des Heiligen seines Anblickes beraubt sei. Aber dennoch ist sie ja seiner nicht beraubt; mit seinen Gebeten ist er Jedem nahe. — Auf ihn dichtete dann der heilige Ephraem Reden und Hymnen.


23.

In dieser Zeit brach in Edessa eine grosse Hungersnoth 36 aus. Als nun der h. Ephraem von der Noth der Armen hörte, schmerzte es ihm sehr; er ertrug es nicht in seiner Zelle, sondern gab sich hin um Gottes willen, und ging hinaus, dass er den Armen und Bedrängten ein Helfer sei. Und er ging in die Stadt und bettelte für sie bei den Reichen, indem er sprach: „Wie lange werdet ihr noch vergessen alle Gottesfurcht und Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes? Oder wisset ihr nicht, dass Gott euer Reichthum gehört? Schonet doch euer Leben, ihr Unseligen! Seht jetzt ist die Zeit des Gewinnes, jetzt die Zeit, das Himmelreich zu erwerben, jetzt die Zeit, eure Schulden zu tilgen. Sehet, jetzt meine Freunde trachtet nach Barmherzigkeit, Gnade und Vergebung für eure Sünden.“ So und auf eine ähnliche Weise sprach er zu den Reichen. Als nun die Reichen und Vornehmen der Stadt seine Worte vernahmen, kam eine grosse Furcht über sie, und sie wandten sich mit solchen Worten an ihn: „Heiliger Vater, wir haben Niemanden unter den Gläubigen, der im Glauben vertheile, was wir geben und Gott opfern.“ Als das der Heilige hörte, sprach er zu ihnen: „Ich, ich selbst opfere mich Gott für euch.“ Da antworteten und sprachen sie zu ihm alle wie aus Einem Munde: „Wir glauben dir Alle, heiliger Vater.“ Und es begannen die Vornehmen und Reichen der Stadt dem Heiligen mit grosser Freudigkeit und Bereitwilligkeit und mit grossem Eifer ihre Reichthümer darzubringen. Der Heilige aber spendete täglich den Armen und Dürftigen, und er errichtete ein grosses Armenhaus für die Armen und Kranken, für die Dürftigen und Bedrückten; auch für die, welche aus andern Städten und der ganzen Gegend kommen wollten zu dem Heiligen. Und er setzte zuverlässige Männer ein, welche die Kranken und Schwachen bedienen mussten. So herrschte keine Hungersnoth in der Stadt. Als aber dies Jahr vorbei war und das fruchtbare Jahr kam, da ging Jeder zu seinem Orte und seinem Hause zurück. Auch der heilige Ephraem kehrte in seine Zelle zurück, und er pries die Gnade Gottes, und der Herr gab ihm Gnade.


24.

Da aber die Zeit kam, wo der heilige Ephraem, der so reich an bewundernswerthen und vollkommenen Eigenschaften war, sein Ende nahen fühlte, schrieb er für seine Schüler das Testament 37 und betete für sie, und als die ganze Stadt sich versammelt hatte und über seinen Hingang weinte, betete er für Alle und beschwor sie, ihn auf dem Kirchhofe der Fremden zu begraben. Dann verschied er. Unter Lobgesängen und Hymnen des heiligen Geistes gaben ihm Engel, Bischöfe, Priester, Diaconen, der ganze Clerus und das ganze Volk das Geleit. Ferner versammelte sich zu seiner Bestattung der heilige und gesegnete Zug der Mönche, der Styliten 38 und Coenobiten, und sie begruben ihn unter Gepränge und unter Ehrenbezeugungen, wie man sie Heiligen erweiset, auf dem Kirchhofe, da er ihnen aufgetragen. Kurze Zeit darauf aber nahmen sie seinen Leichnam und setzten ihn unter seine Kirche. Und es ging von seinen Gebeinen ein Duft des Lebens aus, der Leben und Heil brachte allen Gläubigen. Der Heilige starb am 15ten des Monates Chaziran (Juni).39 — Durch seine Gebete und durch die Gebete des heiligen Basilius und aller Heiligen und durch das Gebet der heiligen Jungfrau, der Mutter Gottes, des Ruhmes aller Christenheit, komme Erbarmen über uns im Diesseit und Jenseit! Amen!

Essentielle Schriften, Band 2

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