Читать книгу Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III - Erhard Heckmann - Страница 7
DEUTSCHLAND IM ÜBERBLICK
ОглавлениеDeutschland, das seine ersten Vollblutrennen auf der ältester Rennbahn des europäischen Festlandes 1822 zu Bad Doberan startete, profitierte ebenfalls von dem englischen Blut, doch sollte das noch dauern. Zunächst begann die Zucht mit importierten Vollblütern, und der vom Preußischen Hauptgestüt Neustadt/Dosse 1788 von der Insel importierte Hengst Alfred soll der erste gewesen sein, der nach Deutschland kam. Vorher wurden auch schon „Rennen“ gelaufen, doch geschah das 1804 zu Doberan noch auf freiem Feld.
Als die treibende Kraft der deutschen Vollblutzucht gelten die Barone Gottlieb und Wilhelm von Biel, die Anfang des 19. Jahrhunderts bei Tattersalls Pferde erwarben und eine systematische Zucht auf Gut Zierow begannen, das 1989 zu DDR-Zeiten enteignet wurde. Unterstützung erhielten sie damals auch vom Grafen Hahn (Schloss Basedow), der allein in Mecklenburg 44 Güter besaß und zu den Akteuren zählte, als es um den Bau von Deutschlands ältester Rennbahn zwischen Bad Doberan und Heiligendamm ging. Gegen Ende jenes Jahrzehntes entstanden auch weitere Rennbahnen wie Breslau, Königsberg, Hoppegarten oder Berlin-Lichterfelde 1829, wo auf dem Rittergut Lichterfelde gestartet wurde, nachdem ein Jahr früher ein Vereins für Pferdezucht und Pferdedressur gegründet worden war.
Die allerersten Anfänge sollen jedoch, nach einem Beitrag der Berliner Zeitung von 1990 (Markus Lotter), bis ins 15. Jahrhundert reichen, als Kurfürst Johann Cicero, der sich für Pferde begeisterte, erste Regeln aufstellte, und die Sieger statt Geldpreise Mastochsen, Bullen, Ferkel oder Armbrüste und ähnliche Sachpreise erhielten. Rennen im eigentlichen Sinne waren das natürlich nicht, sondern Volksfeste mit „Pferderennen“ auf märkischem Boden. Und sie blieben es über Jahrhunderte. Es war also noch ein sehr langer Weg, ehe Hoppegarten zum deutschen Newmarket wurde.
In den Dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts gründeten sich neue Rennvereine, der Sport erfuhr Unterstützung von verschiedenen Fürstenhäusern, und 1834 wurde das erste Union-Rennen in Berlin-Tempelhof entschieden. Der Sieger, den Baron Biel (Zierow) gezogen hatte, hieß Alba (Nigel), während sein, von dem Schlenderhaner gezogener Namensvetter, der Wallenstein zum Vater hatte, knappe 100 Jahre später dieses Rennen ebenfalls gewann.
1835 wurde das Wettbuch eingeführt, ein Jahr später liefen die ersten Rennen auf den Rheinwiesen, und 1844 war der von Sir Hercules (Whalebone) stammende Hengst Arnim das erste Pferd in deutschem Besitz (Baron Maltzahn-Cumerow), das in England siegte und zu Newmarket die Willesden-Paddock-Stakes gewann. 1842 hatte bereits die Gothaer Rennbahn erstmals ihre Tore auf einem ehemaligen Exerzierplatz geöffnet, während der 1878 gegründete „Mitteldeutsche Rennverein“ für die Ausstattung des „Boxbergs“ mit einer Flach- und Hindernisbahn verantwortlich war. Im Ersten Weltkrieg, als die Veranstaltungen wie auch beim Zweiten ruhten, wurden die Hindernisse abgebrochen und das Terrain landwirtschaftlich genutzt. 1928 entstand eine neue Jagdbahn, und der zwölf Monate später errichtete „Rennbahn-Bahnhof“ der Thüringer Waldbahn machte den sehr schönen Kurs zu einem populären Treff. Von 1946 bis zu ihrer Enteignung 1953 führte die „Genossenschaft für Vollblutzucht und Rennen Thüringen“ die Geschäfte weiter, und das sich unter „volkseigener Regie“ jährlich anschließende Fünf-Tage-Meeting war ein sehr beliebtes. Nach der Wende gab es Rennen unterschiedlicher Art, doch mussten die Tore, vornehmlich aus finanziellen Gründen, 2011 wieder geschlossen werden.
1846 wurden weitere Wettreglements veröffentlicht, und 1850 war der vierjährige deutsche Hengst Turnus, nachdem sein Stallgefährte Meridian (Glaucus) kurz vorher den „Innkeepers Preis“ auf der Insel gewissermaßen als Test gewonnen hatte, gut genug, um ebenfalls nach England zu reisen und zu Goodwood im Stewards Cup 14 erstklassige Gegner zu schlagen, und zwei Tage später auch den Chesterfield Cup an seine Farben zu heften. Graf Hahn-Basedow hatte den Hengst, der auch seine Farben trug und in der Heimat als Dreijähriger in vier Rennen ungeschlagen war, von dem Muley-Enkel Taurus aus der Whalebone-Enkelin Clarissa gezogen und verkaufte ihn am Ende seiner Rennlaufbahn als Deckhengst nach England. Die Hoffnungen erfüllte er nicht, hinterließ jedoch die Oakssiegerin Butterfly, die, drei Jahre nach Blink Bonny, gewann.
Die Tribüne auf dem Gothaer Boxberg. Die Anregung zum Kauf der 63 Hektar und dem Bau der Rennbahn gab bereits Herzog Ernst der II. von Sachsen-Coburg-Gotha, der dieses Vorhaben auch erheblich bezuschusste (Foto: CTHOE, eigenes Werk, CC-BY-SA.4.0, Commons Wickimedia.org)
Vier Jahre später, 1854, war es der dreijährige Whalebone-Urur-Enkel Scherz, der die deutschen Pferde auf der Insel in den Farben seines Züchters und Besitzers, Baron Wilamowitz-Möllendorf, würdevoll vertrat. Der als Zwei- und Dreijähriger in der Heimat in sechs Rennen ungeschlagene The Provost-Sohn, der sich allerdings auf der Seereise leicht verletzte, musste sechs Tage mit dem Training aussetzten und kam in den Cesarewich Stakes nur als Dritter ins Ziel. Bei seinem nächsten Start, im „Cambridgeshire“ gewann er Start-Ziel mit einem Kopf gegen 18 Gegner, obwohl er von den Dreijährigen mit 47 ¾ kg das höchste Gewicht trug. Scherz lief auch ein Jahr später noch in England und gewann drei von sechs Starts, in der Zucht war er jedoch eine Enttäuschung und wirkte in seinen letzten Jahren in Celle/Hannover in der Halbblutzucht.
Derartige Siege waren jedoch absolute Ausnahmen, denn die deutschen Pferde waren in der Regel ihren ausländischen Konkurrenten unterlegen, und der Große Preis von Baden wurde größtenteils von Franzosen oder anderen Ausländern moderater Qualität gewonnen. Als sich jedoch der Züchterverband formierte, gutklassige Vollblüter importierte und diese anschließend über Auktionen an deutsche Züchter verkaufte, begann sich das Blatt zu wenden.
1858 fanden unter dem Patronat des Französischen Jockey Clubs die ersten drei Renntag zu Iffezheim statt, die durch die Initiative des Spielbankpächters Edouard Bènazet entstanden. In den Rennen, zu denen auch der Große Preis von Baden zählte, starteten, bis auf drei Ausnahmen, nur französische Pferde, und den „Grand Prx“ gewann die dreijährige Fuchsstute La Maladetta, die den Iren The Baron zum Vater hatte und die Farben ihres Besitzerzüchters Auguste Lupin trug.
Knappe 160 Jahre später ist die Werbung für die „Große Woche“ modern geworden (Foto: Mit freundlicher Genehmigung der C. M. E. GmbH City Marketing & Event Baden Baden)
In den 1860er Jahren veranstaltete auch der Landwirtschaftliche Verein Castrop Pferdeprüfungen auf den Schlingermannschen Wiesen in Castrop-Rauxel. Richtig Schwung kam in die Angelegenheit aber erst, als William Thomas Mulvany 1872 das in der Nähe liegende Haus Goldschmieding erwarb, ein Rennkomitee gründete, und zwei Jahre später auf der Naturhindernisbahn, die als „Goldschmieding Rennbahn“ bekannt war, das erste Hindernisrennen auf den Weg brachte. Die weitere Gestaltung wurde nach englischem Vorbild erledigt, und am 31.7.1875 der erste Renntag abgehalten. 1905 übernahm die Gelsenkirchener Bergwerks AG Haus und Bahn und stellt sie ein Jahr später dem neu gegründeten Rennverein zur Verfügung. 1937/38 wurde umgebaut, eine Flachbahn erstellt, und die Natursprünge der Hindernisbahn wurden durch künstliche ergänzt. Die nach dem Zweiten Weltkrieg 1950 wieder aufgenommenen Rennen, zu denen bis zu 30.000 Zuschauer kamen, mussten jedoch 1970, als auch finanzielle Probleme eine Rolle spielten, endgültig eingestellt werden. Das von der Stadt 1971 übernommene Gelände, wurde zu einem Naherholungspark umgewandelt und 2003 unter Denkmalschutz gestellt. Anschließend wurde ein Teil der Rennbahn wieder hergestellt, als am historischen Platz auch ein neuer Zielrichterturm errichtet.
1863 erschien in Berlin die erste Ausgabe des „Sporn“, der als Organ der Landes-Vollblutzucht fungierte, und in Frankfurt zeigten sich die beim „Fürstentag“ versammelten deutschen Fürsten nicht kleinlich, als es am Rande ihrer Tagung auch um die Unterstützung des Rennbahn-Baues in Niederrad (1864/65) ging. Vom zweitägigen Eröffnungsmeeting mit Flach- und Hindernisrennen wird berichtet, dass es ein prachtvolles gesellschaftliches Ereignis gewesen sei, das am zweiten Tag noch ein Extra-Bonbon bot: Vor den Augen der vielen Zuschauer und dem über 5.500 Meter führenden Jagdrennen, das „Herrenreitern“ vorbehalten war, inspizierten der Kaiser und der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin auf ihren Pferden die Hindernisse höchstpersönlich. Als Sieger wurde der Graf von Westphalen gefeiert, der mit dem damaligen Steepler-Star Effenberg gewann. Zugegen war außerdem der eingeladene Admiral Rous, Steward des Englischen Jockey Clubs, der als „Ehren-Steward“ bei dieser Veranstaltung dafür sorgte, dass die Rennen nach englischen Regeln abliefen.
1865 lud Köln zu einem dreitägigem Meeting ein, dessen Teilnehmer, die jeweils 100 Thaler spendeten, zu Mitbegründern des „Rheinischen Rennvereins wurden, der schnell auf 400 Mitglieder anwuchs und seine Königliche Hoheit, den Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen als Schirmherr gewinnen konnte. Am 13.8.1865 war es dann soweit: Auf einem Infanterie-Exerzierplatz der Mülheimer-Heide wurden, mit Billigung des Militärs, die ersten drei Rennen veranstaltet, in deren Mittelpunkt der „Preis der Stadt Cöln“ und die Steeplechase standen. Der Zuschauerandrang wurde als hoch vermerkt, und anschließend sollen Feuerwerk und Tanz die Gäste noch lange unterhalten haben.
Als sich Berlin zur Hauptstadt des „Norddeutschen Bundes“, entwickelte, waren auch gleichzeitig die Weichen für den deutschen Rennsport gestellt. Der „Sporn“ forderte 1866 allerdings auch energisch dazu auf, dass System, Ordnung und Gemeinsamkeit in das „Jeder-Verein-Für-Sich“ gebracht werden und eine ähnliche richtungweisende Rennsportbehörde gründet werden muss, wie es der Englische Jockey Club war. Diese Idee griff Johann Renard – Züchter, Besitzer und Präsident des Breslauer Rennvereins – auf, und seine Aktivitäten führten zur Gründung des Union- Klubs, der 22 norddeutsche Staaten zusammenschloss. Vorausgegangen war, das der „Berliner Verein für Pferderennen“ 1866 ein neues Gelände suchte, weil der Tempelhofer Exerzierplatz den Ansprüchen nicht mehr genügte, und Heinrich von Treskow sein Vorwerk Hoppegarten an das Norddeutsche Union-Gestüt verpachtet hatte, auf dem ein Jahr später eim Proberenntag über Hindernisse stattfand. Das Ergebnis war positiv, und am 15. Dezember gründeten 36 Mitglieder aus ganz Deutschland den von 1867 bis 1945 in Berlin ansässigen Club, den Fürst zu Hohenlohe-Oettingen anführte, und dessen Generalsekretär zunächst der Chefredakteur des „Sporn“, Fedor Andre, wurde.
Im gleichen Jahr entstand auch die Rennbahn im Leipziger Scheibenholz, während zwölf Monate früher die 1732 gegründete „Preußische Staatsgestütsverwaltung“ beschlossen hatte, die auf die Hauptgestüte Trakhenen und Neustadt/Dosse verteilte Vollblutzucht in Graditz (bei Torgau) zu konzentrieren und den jungen Grafen Georg von Lehndorf zum Landstallmeister zu berufen.
Nachdem im Frühjahr mit den Erdarbeiten begonnen worden war, konnten am 17. Mai 1868 der Preußische König Wilhelm I. und Otto von Bismarck als Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes die neue Rennbahn Hoppegarten mit Hindernisrennen offiziell eröffnen. Die hohen Herren wurden zwar mit einem Viererzug Trakhener abgeholt, doch ein königlicher Empfang war das nicht, denn Hoppegarten hatte noch keinen eigenen Bahnsteig, und der Weg für die Fußgänger zur Rennbahn war eher beschwerlich. Den „Preis von Hoppegarten“ gewann Leutnant von Bülow auf Missunde, und vier Wochen später war auch die Schonzeit für die Grasnarbe der Flachrennbahn vorbei. 1946/47 wurde der Union Club, der während seiner Existenz unglaublich viel geschaffen hatte, im Zuge der Bodenreform enteignet, und danach begann die „volkseigene Zeit der DDR“. Ab 1952 mussten Westberliner zum Besuch der Hoppegartener Rennen eine Sondergenehmigung vorlegen, und der Ausschluss von Privatställen wurde auch erst später wieder gelockert.
1990 organisierte auch der Autor einige deutsch-deutsche Amateur-Rennen in Hoppegarten, Leipzig, und Dresden, und brachte, neben einigen jungen „bundesdeutschen“ Amateuren auch die Ehrenpreise für Trainer, Reiter und Pfleger für die meisten Rennen des Tages mit.
Bei der Saisoneröffnung im März 1990 war das beim deutsch- deutschen Renntag alles wieder vorbei. Gewettet wurde in zwei Währungen, und mit 45.000 Zuschauern kamen wieder so viele Menschen nach Hoppegarten, wie das etwa 1936 beim Großen Preis der Reichshauptstadt der Fall war.
Obwohl die ostdeutschen Pferde in den fünf Rennen 14 Kilo Gewichtsnachlass erhielten, hatten am Ende der Kölner Trainer Trainer Heinz Jentzsch und sein Stalljockey Peter Schiergen vier davon gewonnen. In der Folgezeit zeigte sich, dass der DDR-Generalausgleich aufgrund jahrelang fehlender wirklicher internationaler Vergleiche viel zu hoch geraten war, sodass auch auf diesem Gebiet „Nachbesserung“ nötig war.
1868 wurden auch „Rennkalender“ und Wettreglements publiziert, eine Jährlingsauktion abgehalten und der Trainingsbetrieb zu Hoppegarten gestartet, womit der Union Club ein sehr erfolgreiches erstes Jahr hinter sich gebracht hatte. 1869 gründete Eduard Salomon (von) Oppenheim das Gestüt Schlenderhan, und im ersten Deutschen Derby (Norddeutsches Derby) setzte sich auf dem Horner Moor Ulrich von Oertzens Investment (King of Diamonds) durch. Der Hengst, den Graf Hahn auf seinem Gut Basedow gezogen hatte, und den Reuben Bateman trainierte, musste jedoch unter dem Engländer W. Little erheblichen Startverlust aufholen, ehe sein 29-jähriger Besitzer die 1.400 „Thaler“ Rennpreis beanspruchen konnte.
Während Köln wegen seiner schlechten Bahn und Ställe wieder von der Landkarte verschwand, wurde am 18.1.1873 der „Internationale Club“ in Baden Baden gegründet, den Carl Egon zu Fürstenberg als Präsident anführte, und der seinen Rennsport mit einem Frühjahrsmeeting vom Start brachte. Etwa zur gleichen Zeit standen mehr als 600 Stuten und ca. 170 Hengste in deutschen Zuchtstätten; aus Leipzig kam die Kunde von einem Tribünenumbau, und auch in Hoppegarten standen die Zeichen auf Expansion. Der Weg zum „deutschen Newmarket“, als Rennen wie die Union (2.4000 m), Preis der Diana (2.000 m), Henckel-Rennen (1.600 m) oder der Große Preis von Berlin im Programm standen, war somit beschritten. Wie damals üblich, mussten fast alle großen Rennen mehrfach den Austragungsort wechseln, erlebten mehrfache Distanz- oder auch Namensänderungen, zu denen ganz besonders auch der Bau des Flughafens Tempelhof oder des Olympiastadions im Grunewald und die beiden Weltkriege beitrugen. So wechselte beispielsweise die „Diana“ von Tempelhof über Grunewald nach Hoppegarten, nach einem Gastspiel 1947 zu Düsseldorf weiter nach Mülheim / Ruhr, um nach zwei Jahren Hamburg auf den Grafenberg zurückzukehren. Die Union hatte ähnliche Stationen, kehrte nach Grunewald ein zweites mal nach Hoppegarten zurück und wechselte dreimal die Distanzen wie die Diana, während der Große Preis von Berlin, mehrere Distanz- Orts- und Namenswechsel hinzunehmen hatte, ehe er wieder dort etabliert wurde, wo er 1888 begann, in Berlin-Hoppegarten.
Der Union Club, der im deutschen Rennsport Regie führte, begann das ehemalige Rittergut Dahlwitz zu erwerben und handelte ab 1874 auch als juristische Person. Als solche erließ er u. a. Regeln für Flach-, Hindernisrennen und das Wettgeschäft, führte das Gestütsbuch und gab den Wochenrennkalender heraus. Im folgenden Jahr begann Neuss mit dem Rennsport, und 1876 waren beim ersten siebentägigen Derbymeeting 46 Rennen ausgeschrieben, in denen 232 Pferde um 135.710 Reichsmark antraten.
In Hoppegarten wurde damals fast nur Englisch gesprochen, und die Österreich-Ungarischen Pferde waren fast immer überlegene Ware. Das galt ganz besonders für die in 54 Rennen ungeschlagene Kincsem (1874; Cambuscan), die als Zweijährige zwei Wochen vor dem Derby im Criterium Berlin allen Gegnern überlegen die Eisen zeigte, um nach einem weiteren Erfolg in Hannover auch das Hamburger Criterium zu beherrschen. Nach Siegen zu Doberan und Frankfurt gewann sie auch Badens Zukunftsrennen und schloss ihre erste Saison mit vier weiteren Siegen in Ungarn, Wien und Prag ab. Zu den 17 Erfolgen der Dreijährigen zählten das Wiener Derby, der Große Preis von Hannover, das Renard-Rennen in Hamburg und der Große Preis von Baden-Baden, den sie auch in den zwei folgenden Jahren beherrschte. Vierjährig begann die Ausnahmestute mit zwei Triumphen in Wien, ließ drei in der Heimat folgen, und ein weiteres „Triple“ in der Freudenau, ehe sie im Goodwood Cup und im Grand Prix Deauville auch den Engländern und Franzosen zeigte, welche Klasse sie vertrat. Nach dem Großen Preis von Baden-Baden und vier weiteren Siegen war die Saison mit 15 Treffern abgeschlossen. Als Fünfjährige kamen weitere 12 Erfolge hinzu, zu denen auch das „Silberne Schild“ zu Berlin gehörte, wo sie Start-Ziel spazieren ging wie anschließend in Frankfurt und zu Iffezheim.
Die etwa zwanzig Jahre nach 1880 brachten dem deutschen Rennsport allerhand Probleme. Vom Staat gab es keine Unterstützung, eine antisemitische Debatte begann, und nach dem Derby 1881, das wieder nach Österreich-Ungarn ging, schrieb der Sporn „unser Stern ist tief gesunken“. Dennoch entstand unter dem Dach des Union Clubs der Verein für Hindernisrennen, und ein Jahr später errichtete der Club, der seit drei Jahren unter dem Protektorat des Kaisers stand, auf eigenem Grundstück ein repräsentatives Gebäude, in dem sich auch das Generalsekretariat befand, dass nun zusätzliche Aufgaben erhielt.
Die ersten Hindernisrennen wurden zu Hoppegarten gelaufen, zogen danach auf die neue Bahn in Charlottenburg um, bis sie rund zehn Jahre später Karlshorst zur Hochburg machten. 1882 wurde ein staatliches Wettverbot erlassen, das auch die Schließung der Totalisatoren aller preußischen Rennvereine anordnete. Erst vier Jahre später wurde, unter strengen Auflagen, limitiertes Wetten wieder erlaubt, was auch zur Gründung der Rennvereine Mülheim und Dortmund führte. 1883 feierte Baden-Baden, mit Roulette, Monarchen, Regenten und Diplomaten, sein 25-jähriges Bestehen, zu dem fast 200 Pferde anreisten, die bei der „Großen Woche“ rund 238.000 Mark an Rennpreisen gewinnen konnten. Der „Große Preis“ war mit 40.000 Mark und einem Gold Pokal noch immer Deutschlands wertvollstes Rennen, und über Hindernisse wurde erstmals die Badener Handicap-Chase abgelassen.
In jenem Jahrzehnt baute der Union-Club in Hoppegarten eine massive Tribüne, und der „Sporn“ erhielt Konkurrenz von der in Berlin erscheinenden „Sport-Welt“; 1891 verbot der inzwischen an die Spitze getretene Wilhelm II. den Sonntags-Rennsport. Dieser hatte als 29-jähriger nach dem Tod von Wilhelm I. das Amt des letzten Kaisers und Königs von Preußen am 15.6.1888 übernommen, war grundsätzlich sehr sozial eingestellt, unterstützte den Bergarbeiterstreik von 1899 und erzwang höhere Löhne. Er entließ auch Reichspräsident Otto von Bismarck 1890, weil dieser seine Politik als viel zu sentimental bezeichnete.
Wilhelm II, der letzte König und Kaiser von Preußen 1902, der den Pferde-Rennsport ablehnte (Foto: Hoffotograf T.H.Voigt; gemeinfrei;media.iwm.org.uk/iwmLib; F-Nr.HU 68367 Imperial War Museum Collections)
Den Rennsport lehnte Wilhelm II., der 1918 ins holländische Asyl floh, wo er auch 1941 verstarb, jedoch ab, und neben dem Sonntagsverbot wurden auf die Wetteinnahmen auch 5% Steuern fällig, die schon drei Jahre später auf das Doppelte erhöht wurden. Im folgenden Jahr, als der Union-Club sein 25-jähriges Bestehen feierte, war auch ein Jubiläumsrenntag ausgeschrieben, zu dem am 13. Juni acht Sonderzüge vom Potsdamer Bahnhof Richtung Osten dampften. Im Mittelpunkt stand das „Große Armee-Jagdrennen“ mit dem Kaiserpreis über 5.000 Meter, in dem 14 aktive Offiziere – zehn davon zählten zum Adel – antraten. Der Sieger hieß Leutnant J. Graf von Westphalen, der auf Lt. von Waldows sechsjährigem Eventail im Sattel war, und den Sieg zwölf Monate später auf Red Rose wiederholte.
Die Hindernis-Hochburg Karlshorst 1935 mit dem Kaiser-Pavillon im Vordergrund (Foto: Günter Toepfer-Sammling, Karlshorst)
Die „Armee“ startete 1862 offiziell als „Offiziers-Steeplechase“ auf dem Territorium des Rittergutes Lichterfelde, genauer gesagt, auf der Feldmark dessen Vorwerks „Carlshorst“, das Herr von Treskow-Friedrichsfelde zur Verfügung stellte, weil das Tempelhofer Feld keine Hindernisrennen erlaubte. Dieses Vorwerk war damals noch eine Einöde, lag versteckt und weit ab von den Wohnsitzen der Menschen, ehe es der Verein für Hindernisrennen 1894 erschloss. Und diese neue Hochburg des Hindernissports Karlshorst löste die Charlottenburger Bahn in dieser Rolle ab.
Auf dem Vorwerk ging es aber vorerst „Quer Beet“, über Sturzacker, gepflügtes Ackerland, festen Wiesenboden, und die rund 25 Hindernisse bestanden aus Hürden, Koppelricks, trockenen und Wassergräben, und was sich sonst noch in den Weg stellte. Der erste Sieger über die knapp 6.000 Meter hieß Cocktail (Colling Wood) und wurde von seinem Besitzer, von Alvesleben, geritten. Auch die nächsten drei Rennen -1864 und 1866 fand es nicht statt – wurden auf dieser Feldmark entschieden, und die Sieger hießen 1863 Longrange (Cotherstone), der seinem Reiter Lt. von Rosenberg gehörte; 1865 siegte der Halbblüter Nightcap aus dem Besitz von Lt. Graf Donah unter Lt. Prinz Ph. Croy und, die Halbblüterin Gipsy Queen setzte auf diesem Vorwerk 1867 unter ihrem Besitzer Lt. Krell (12. Dragoner) den Schlusspunkt.
Die Premiere dieses Rennens zu Hoppegarten am 21. Juni 1868 holte sich Miß Menken unter ihrem Besitzer, Lt. von Meyerink, während der letzte Sieger auf dieser Bahn 1909 Lt. von Sydows Forefather (1904; Forfarshire) war, der den fünfjährigen Hengst auch selbst ritt. Die letzten fünf Sieger wurden anschließend im Grunewald ermittelt: 1910, als Handicap über 5.000 Meter entschieden, gewann Lt. v. Lütcken von den 17. Ulanen mit Lt. von Röders sechsjährigem Hengst Melton Pet (Petros); im Folgejahr war Lt. Gf. W. Hohenau mit seiner seechsjährigen Stute Castle Brillant (Saint Leonards) der erfolgreiche Reiter; 1912 setzte sich Halcyon Days (Collar) unter seinem Besitzer Lt. Frhr. von Lotzbeck von den 1. Bayrischen Ulanen durch, und zwölf Monate später ließ sich der fünfjährige Wallach South (Diakka) unter 69 Kilo und Lt. Graf Strachwitz für Major Graf Stachwitz mit lockeren fünf Längen Vorsprung über die 5.000 Meter in 6:29, 5 die Butter nicht vom Brot nehmen. Am Freitag, 5. Juni 1914, wurde das letzte Große Armee-Jagdrennen mit 18 Startern abgelassen, das mit drei Ehrenpreisen und 13.400 Mark ausgestattet war. Der letzte Sieger gehörte Hauptm. Schönberg, trug 76 Kilo (das Höchstgewicht mit 79 kg lief auf Platz sieben, auf dem es kein Geld mehr gab) wurde von Lt. von Herder geritten, von K. Schmidt trainiert und gewann in 6:25,3 leicht mit ¾ Längen. Damit waren Ehrenpreis und 8.000 Mark gewonnen und der letzte Triumphator der „Armee“ hochgezogen. Wie üblich erhielten auch der Zweite und Dritte, Flying Hawk, der seinen Besitzer Lt. Hellm. Prieger im Sattel hatte, und A. von Hobergs Seribo unter Lt. v. Egan-Krieger zu ihren 2.400 bzw. 1.160 Mark noch Ehrenpreise.
„Ins Leben gerufen“ wurde das Rennen, das von 1867 bis 1909 in Hoppegarten, die restlichen fünf Jahre auf der Grunewaldbahn ausgetragen wurde, im Grunde von König Wilhelm I. der dafür jährlich den Ehrenpreise stiftete. 1864 und 1868 (Feldzüge) fiel die „Armee“ aus, sodass in 51 Jahren insgesamt 597 Starter gesattelt wurden, und 1876 mit 19 Teilnehmern das größte Feld antrat. Und diese Offiziere waren es, die den deutschen Hindernissport bekannt machten, der in unserer modernen Zeit auf deutschen Rennbahnen aber nur noch ein klägliches Leben führt. Das Hauptereignis der Karlshorster Bahn, der Große Preis von Karlshorst, der nach dem zweiten Weltkrieg in Bremen eine neue Heimat fand, ist inzwischen aus dem deutschen Rennprogramm auch verschwunden. Der letzte Sieger wurde 2007 in Bremen gefeiert, als sein Titel „125 Jahre Verein für Hindernisrennen e. V. Großer Preis von Karlshorst“ hieß, und den von Christian Freiherr von der Recke trainierte fünfjährige Our First Chestnut (Java Gold) unter J. Korpas für Bernd Raber gewann. Dass der Sieger aus dem Stall des vielfachen Trainer-Champions kam, der in jungen Jahren als Amateur ritt, war zumindest ein würdiger Abschluss für dieses Traditionsrennen, denn nach einem Erfolg 2004 war dem Trainer bereits 1998/99/2000 mit Last Corner (Weldnaas) für Bernd Raber ein lupenreiner Dreier gelungen. In der Erfolgsliste stehen neben Flachrenn-Championaten u. a. auch der Großen Preis von Meran (Gruppe I) über 5.000 Meter Jagdbahn mit Rosenbrief, als auch ein siegreiches Jagdbahn-Debüt im englischen Kempton-Park auf Gruppe-II-Ebene.
Zu den guten „Herrenreitern“, die vor dem I. Weltkrieg ritten, zählten ganz besonders Lt. Braune, Lt. Graf Holck, Lt. Freiherr von Berchem, Lt. von Egan-Krieger oder Lt. von Mossner, die zwischen 1908 und 1913 die Champions waren. Otto von Mitzlaff gewann das große Jagdrennen 1908 auf seinem Sven Hedin, und von insgesamt 422 Rennen konnte er 144 siegreich gestalten. Als ganz ausgezeichnete Reiter nennt der Verfasser des Buches zum Armee-Jagdrennen auch Zobeltiz und Oscar Christ, die es damals ebenfalls mit den besten Hindernisjockeys der Welt hätten aufnehmen können.
Als erfolgreichster der deutschen Herren-Reiter Deutschlands, die von 1827 bis 1935 unterwegs waren, gilt Rittmeister Otto Suermondt, dem bei 1.463 Starts 506 Erfolge gelangen, zu denen auch das Armee-Jagdrennen von 1901 auf seinem Rautendelein gehörte. 1887/88; 1890 bis 1895; 1897 und 1899 stand er an der Spitze seiner Reiterkollegen und setzte 1895 mit 53 Saisonsiegen einen neuen Rekord. Verbessert wurde dieser 1908 von Lt. Braune (58); Lt. von Raven 1909 (63); Dr. F. Riese 1910 (62); Lt. Graf Holck 1911 (57) und, 1912, durch Lt. Freiherr v. Berchem und Lt. von Egan-Krieger, die jeweils 61 Saisonsieger verzeichnen konnten.
Otto Suermondt gewann als „Amateur-Reiter“ 506 Rennen (Foto: Repro von einem unbekannten Druck)
Vier Reiter schafften in jener Periode hinter Suermondt mehr als 300 Siege: Rittmeister M. Lücker brauchte für 335 Erfolge 1.368 Ritte, Maj. C. Braune gewann von 1.163 Versuchen 312, und Gen.-Maj. Von Heyden-Linden musste in 912 Rennen in den Sattel steigen, um 302 davon zu gewinnen. Sechsmal war dieser auch im Armee-Jagdrennen zwischen 1877 bis 1902 erfolgreich, wovon er viermal auf eigenen Pferden saß. Lt. Graf Georg Lehndorf führte die Championatslisten von 1853, 1858 bis1862 an; Graf Nikolaus Esterhazy war 1865/67/68/71 der Spitzenmann und Lt. K. von Tepper-Laski gewann 1876, 1878 und von 1880 bis 1882 die meisten Rennen. Von den anderen großartigen Reitern seien, stellvertretend für die vielen anderen (63 von ihnen ritten im genannten Zeitraum jeweils mindestens 100 Sieger) sollen nur noch die Namen Lt. von Bülow, Maj. H. v. Rosenberg, Rittmeister Th. von Schmidt-Pauli, Lt. von Both, Adrian von Borcke oder Hans Lücke und Lucas Andreas Staudinger genannt sein. Dieser gewann auch zweimal den Karlshorster Helden-Preis, das als Gedächtnisrennen den im ersten Weltkrieg gefallenen Reitern gewidmet war, und das über 7.300 Meter führende Landsberg-Rennen, an gleicher Stelle, den Präsidenten Preis im Gundewald, oder das Alte Badener Jagdrennen und hatte viele Ritte im Ausland. Insgesamt absolvierte er 1.020 Starts, gewann 144 davon und belegte 355 zweite Plätze. Am 27.10.1939 gewann er in Leipzig bei seinem letzten Start, und 1987 verließ er als einer der ganz großen Reiter, der kein Pferd ablehnte, diese Welt.
1892 gründete der Berliner Bankier G. von Bleichröder das Gestüt Römerhof, und ein Jahr später startete Dortmund seine Rennen. 1895/96 gelang Ernst Freiherr von Falkenhausen vom schlesischen Gestüt Bielau mit Impuls, ein Galopin-Enkel aus einer Buccaneer-Tochter, und Trollhetta (Kisber), die beide George Johnson im Sattel hatten und von Tom Busby trainiert wurden, ein Doppelerfolg im Deutschen Derby. 1896 war gleichzeitig auch das Jahr, das für die deutsche Vollblutzucht ein Meilenstein werden sollte, denn die Gebrüder Carl und Arthur von Weinberg, deren Familie 1908 der Adelstitel verliehen wurde, gründeten das Gestüt Waldfried, das zwischen 1905 und 1968 allein im Derby, St. Ledger, der Diana und dem Henckel-Rennen insgesamt 40 Sieger hervorgebracht hatte. Den großen Erfolg des Gestüts begründete die 1893 geborene Festa, die von der Zuchtkommission 1901 importiert und an die Weinberg-Brüder verkauft wurde. Vier Söhne und eine Tochter dieser St. Simon-Stute gewannen alle wichtigen Rennen und etablierten eine starke Familie, während Schlenderhan die Kisber-Enkelin Alveole (1889) gekauft hatte, deren Nachkommen, zusammen mit der Ungarin Kisasszony (1869; Lord Cliften) und Orsova (1888; Bend Or) diese Zuchtstätte in Deutschland zur Nummer Eins machten.
Beim Köner Neubeginn 1897, als der „Kölner Rennverein“ aus der Taufe gehoben wurde, war Simon Alfred von Oppenheim die treibende Karft. Als Präsident wurde Egon Fürst zu Fürstenberg aus Donaueschingen gewonnen, und auch Graf August von Bismarck und Oberlandstallmeister Graf Lehndorf waren bei der Zusammenkunft zugegen.
Kaiser Wilhelm der I (1797-1888), seit 1858 Regent; 1891 wurde er König von Preußen; ab 1867 auch Präsident des Norddeutschen Bundes und ab 1878 erster Deutscher Kaiser. (Foto:1884 von Wilhelm Kuntzemüller (1845-1918), Public Domain via Wikimedia Common)
Um die Jahrhundertwende hatte Deutschland zwar viele Pferde, diese aber keine Klasse, doch sollten die Gestüte Graditz und Waldfried den Umschwung bald einleiten, denn schon der Derbyjahrgang 1908, an dessen Spitze der Festa-Sohn Faust stand, war ein gewaltiger Fortschritt. Und als auch das Preußische Nationalgestüt Graditz in die Vollblutzucht eingestiegen war, und sein Gestütsleiter Graf Lehndorff nach dem Kendalsohn Galtee Moore (1894), der Oleanders Mutter Orchidee zeugte, 1910 auch die St. Simon-Enkel Nuage (1907; Simonian) – Sieger im Großen Preis von Paris –, und Ard Patrick (1899; St. Florian), der für seinen Epsom-Derbysieg 1902 5.450 Pfund erhalten hatte, importierte, waren weitere wichtige Grundsteine gelegt.
Dass sich beide Hengste als hervorragende „Nicks“ entpuppten, war ein glücklicher Umstand, der durch den 1913 für 500.000 Mark importierten achtjährigen Dark Ronald (1905; Bay Ronald) auf eine noch breitere Basis gestellt wurde. Diesen Stallion-Kauf hatte Burchard von Oettingen bewerkstelligt, der 1911 in das Preußische Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten berufen worden war, ein Jahr später zum königlich-preußischem Oberlandstallmeister aufstieg, und 1913 das Mustergestüt Altefeld zwischen Eschwege und Eisenach auf 800 Hektar aufbaute, in das im Februar 1919 die ersten Stuten und Hengste aus Graditz einzogen. Der Import von Festa und der genannten Deckhengste war der Garant dafür, dass es nun aufwärts ging.
Zwischenzeitlich hatte es aber ebenfalls wichtige Termine gegeben: 1904 wurde das Rennverbot für Sonntage aufgehoben, ein Jahr später das Reichswettgesetz verabschiedet, dass nur noch Totalisatorwetten erlaubte, Buchmacher ausschloss und die Wettsteuer auf 16 2/3 % festsetzte. Dass die Derbysieger von 1902 bis 1905 wiederum alle aus Österreich-Ungarn kamen, könnte 1906 für den 73-jährigen Georg Graf Lehndorff vielleicht auch ein Grund gewesen sein, zu Gunsten seines Sohnes Siegfried in Graditz zurückzutreten und nur noch seine Position als Preußischer Oberlandstallmeister wahrzunehmen. Im gleichen Jahr verlor der deutsche Rennsport durch den Tod von Ex-General Victor von Podbielski, einen seiner wichtigsten Förderer, der als Minister für Landwirtschaft und Forsten die für den Rennsport positiven Dinge bewerkstelligt hatte. Die Bewilligung der Hengstankäufe und die Durchsetzung der Bereitstellung der dafür notwendigen Sondermittel, als auch die volle Unterstützung des Grunewald-Neubaus waren dabei besonders wichtige Stationen.
Das internationale Preisrichter-Kollegium 1902 in Baden- Baden. Von links: M. Maurice Eohrussi; M. du Boss und die Grafen Siegfried und Georg von Lehndorff (Foto: Von Anonym, Sport und Salon v. 27.9. 1902, Wikimedia.Org.)
1907 startete der Rennbahnbau auf dem Düsseldorfer Grafenberg, denn durch den neuen Rheinhafens ging die alte Rennbahn verloren. Die ersten Rennen auf Düsseldorfer Boden hatte allerdings am 25.5.1836 schon der „Verein für Pferderennen zur Aufmunterung der Pferdezucht in den Provinzen der Westfalen und der Rheinlande“ gestartet, als zu diesem Volksfest zehntausend Zuschauer erschienen. Danach ging es ganz unterschiedlich weiter: 1844 gründeten Offiziere der 14. Kavalleriebrigade der preußischen Armee den „Reitverein Düsseldorf“, der als Vorläufer des „Düsseldorfer Reiter- und Rennvereins“ gilt, den damals General von Versen als Präsident anführte. Er öffnete seinen Verein auch gleichfalls für „jeden unbescholtenen Interessenten“, inklusive Ausländer. Ab 1851 wurden Rennen im Bilker Busch oder in der Benrather Heide gelaufen, ehe die Lausward Wiesen 1884 zur ersten „festen“ Rennbahn wurden. 1891 hatte der „Große Preis von Düsseldorf“ zunächst als Jagdrennen Premiere, wechselte jedoch 1914 auf die Flachbahn. Nachdem man zwischenzeitlich auch in Neuss zu Gast gewesen war, wurde am 15.5. 1909 der Grafenberg eingeweiht, vier Jahre später das alte Waagegebäude renoviert, unter Denkmalschutz gestellt, und 1989 bekam diese Rennbahn auch eine neue Tribüne.
Damit war „Düsseldorf“ ein Jahr älter als die neue, hochmoderne Rennbahn Grundewald, die die Fürsprache des Kaisers besaß, Flach- und Hindernisrennen ermöglichte, mit vier großen Tribünen, einem mehrstöckigen Restaurant, Wetthalle, Terrassen und einem Tunnel zum Innenraum ausgestattet wat, wo Fußballspiele und Leichtathletik-Veranstaltungen stattfanden. Die Finanzen kamen dafür fast ausschließlich vom Union-Klub.
… und 1907 hatte die Großmutter von Alchimist, die Ard Patrick-Tochter Antwort, in Graditz das Licht der Welt erblickt. Hier als Zweijährige. (Foto Menzendorf; Leihgabe Niedersächsische Sparkassenstiftung und Kreissparkasse Verden im Deutschen Pferdemuseum)
Um 1908 hatte Graditz seine Schwächeperiode überwunden, und das Trio Siegfried Graf Lehndorf, Trainer Reginald Day und Jockey Fred Bullock kamen in jener Zeit auf eine Jahresbilanz von 61 Siegen und knapp 540.000 Mark Gewinnsumme, was zu einem Aufstand der Rennvereine führte. Diese verlangten, dass die Graditzer von bestimmten Rennen ausgeschlossen werden, oder die übrigen Pferde Gewichtsnachlässe erhalten müssen. 1910 lenkte der Landwirtschaftsminister ein, begrenzte den Rennstall auf 35 Pferde, die den Privatställen in kleinen Rennen auch keine Konkurrenz mehr machen durften, während Privatpferde in Prüfungen, die auch für Ausländer offen waren, bis zu sechs Kilo Erlaubnisse erhielten. Und Züchterprämien erhielten die Graditzer grundsätzlich nicht.
In jenem Jahr, in dem auch der Mülheimer Raffelberg seine Tore öffnete, waren in Deutschland etwa 700 Vollblutstuten registriert, Österreich/Ungarn verfügte über ca. 1.770, in England zählte man bereits 5.000, und Frankreich hatte noch 1.000 mehr in seinen Gestüten.
Der Düsseldorf Grafenberg (Foto: own work by Marek Gehrmann; GFDL 1.2 (Http://www.gnu.org-copy) and licenced under Creative Commons)
Als am 11.6.1913 im Krefelder Stadtwald eine weitere Rennbahn Premiere hatte – initiiert durch eine, von Rudolf Oetker angeführte Interessengemeinschaft von 1.150 Bürgern – existierten schon weit über 100 Rennplätze, und auch der Automobilhersteller Heinrich von Opel hatte bereits im Vorjahr begonnen, sein Gestüt Westerberg aufzubauen. Begonnen hatte es in der Textilstadt bereits 1884 mit der Gründung des „Crefelder Reiter- & Rennvereins“ und dessen Rennen auf dem Wiesengelände der heutigen Hüttenallee. Nach sechs Jahren setzten jedoch die finanziellen Möglichkeiten ein vorläufiges Ende.
Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der deutsche Rennsport erheblichen Aufschwung erlebt, und im Westen waren auch Gestüte wie Ravensberg (1907; Paul Niemöller) oder Mydlinghofen entstanden. Die ersten Gebäude auf diesem Landgut werden von „Burgen-und-Schloesser.net“ als Wassermühle beschrieben, die 1460 zu einer Wasserburg umgebaut wurden. Danach wechselte das Gut mehrfach den Besitzer, bis es im 20. Jahrhundert an den Ritter Ernst Bischoff fiel, der die Wasserburg teilweise abreißen ließ, um Pferde züchten. Auch einen Gnadenhof für Grubenpferde, die hier bis in die 1930er Jahre noch für den Bergbau des Ruhrgebietes gezüchtet wurden, sollte eröffnet werden. Danach zogen Vollblüter ein. Als jedoch in den 1970ern der Zuchterfolg ausblieb, musste für das 1913-1915 errichtete Anwesen eine andere Lösung gefunden werden, die letztlich in Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz zur Entstehung von „Gut Mydlinghofen“ führte.
Unmittelbar vor dem Derby 1914, das der Schlenderhaner Ariel gewann und bei dem mehr als 1,2 Millionen Goldmark durch den Totalisator flossen, kam aus Sarajewo die Nachricht, dass der Thronfolger von Österreich-Ungarn ermordet wurde, nachdem Erzherzog Franz Ferdinand in Bosniens Hauptstadt wenige Stunden vorher durch serbische Nationalisten das gleiche Schicksal getroffen hatte. Kurz danach war der Erste Weltkrieg im Gange, und von den 1,3 Millionen Pferden, die die Kaiserliche Armee einzog, kam eine Million beim Kriegsdienst um. Im Herbst des gleichen Jahres, in dem auch der 81-jährige Georg Graf Lehndorff verstarb, kam der Rennsport zu erliegen, und 1915, als Pontresina unter Willy Plüschke – der erste deutsche Jockey dem das gelang – das Derby für Richard Haniel gewann, war der Rennsport nur eingeschränkt zu Zuchtzwecken unterwegs, während für die über Hindernisse reitenden Offiziere schon der Heringsdorfer Renntag vom 31.7. 1914 der letzte gewesen sein soll. 139 von diesen Herrenreitern und 22 Berufsreiter, so schreibt der Autor des „Armee-Jagdrennens“, Oscar Christ, kamen aus jenem verlorenen Krieg nicht zurück, und zu ihnen zählten mit Holck, Raven und Riese auch einige der Besten. Am 23. September 1925 setzte ihnen Reichspräsident Generalfeldmarschall von Hindenburg in Karlshorst ein Reiterdenkmal, das sich nach wie vor an seinem angestammten Platz präsentiert, jedoch ohne Gedenktafel und Hinweis auf seine historische Bedeutung. Danach entstand neben den Profis eine neue Reitergeneration „Amateure und Offiziere“, doch mit dem Ende des deutschen „Offiziers-Sports“ war auch das Ende des Armee-Jagdrennens mit dem „Kaiser-Preis“, der wertvollsten Trophäe, die dieser Sport zu vergeben hatte, gekommen. Dieser „Kaiser-Preis“ lebte nach dem Ersten Weltkrieg in Karlshorst aber wieder auf, als Karlshorster Heeres-Jagdrennen.
Das Derby 1916 gewann Amorino unter Otto Schmidt für Waldfried, und das nächste holte Landgraf für Richard Haniel. 1917 wurden zu Hoppegarten und Grunewald auch einige Rennen für Pferde aus Österreich-Ungarn geöffnet, und durch die Abwanderung zahlreicher englischer Jockeys wurden Namen wie Schmidt, Plüschke, Blume, Rastenberger oder Trainer wie Horawetz und Horalek bekannt. 1918, als englische und französische Truppen, unterstützt von den USA, an der Westfront eine Großoffensive starteten, wurden alle klassischen und großen Rennen auf der Grunewald-Bahn gelaufen, während es in Hoppegarten vier weitere Jahren still blieb. Im November 1918 dankte der Kaiser ab und floh ins holländische Exil; zwei Tage später war Waffenstillstand, die Preußische Militär-Monarchie zusammengebrochen und der Erste Weltkrieg zu Ende.
1919 entstand die Oberste Behörde für Vollblutzucht und Rennen (OBV), die in Zusammenarbeit mit dem Generalsekretariat des Union-Klubs agierte. Ullrich von Oertzen wurde zum Präsidenten, und Simon von Oppenheim als Präsident des Kölner Rennvereins in den Vorstand gewählt. Damit verlor der Union-Klub zwar seine führende Stellung, blieb jedoch Veranstalter in Hoppegarten. Vor dem Krieg hatte Deutschland noch 1.000 Mutterstuten, jetzt nur noch die Hälfte, und von 3.000 Rennpferden gab es noch etwa 1.600, während Österreich nur noch 70 Vollblüter in die Freudenau retten konnte. Auch die deutschen Rennplätze waren halbiert.
Nach den Festakindern, die in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts auftrumpften, zeigte sich beim Derbyjahrgang 1920 wieder ein Fortschritt der deutschen Zucht, als der Graditzer Dark Ronald-Sohn Herold (aus der Ard Patrick-Tochter Hornisse) u. a. das Deutsche Derby, den Großen Preis von Berlin, das St. Ledger und Gladiatoren-Rennen gewann, und der von dem Schlenderhaner Prunus stammende Weißdorn (aus der St. Simon-Enkelin Wiener Mädel) diesen Trend 1925 mit Siegen in der Union, Großen Hansa-Preis, Großen Preis von Berlin, Fürstenberg-Rennen und St. Ledger bestätigte. Ende der Zwanziger Jahre konkurrierten in Berlin vier Bahnen und drei Rennvereine mit insgesamt 90 Renntagen, während in München, wo die Traber viel populärer waren, keine klassischen Rennen entschieden wurden.
In Karlshorst ist der Kronprinz zu Gast (Foto: Um 1900; Günter Toepfer-Sammlung, Karlshorst)
In Deutschland gab es nun wieder etwa 1.000 Mutterstuten und rund 100 Deckhengste, doch ließ die Qualität noch immer zu wünschen übrig. Von den ca. 170 Vollblutzüchtern, die jener Zeit zugeordnet werden, hatten viele nur wenige Stuten, sodass kaum mehr als ein gutes Dutzend – mit Schlenderhan, Waldfried und Altefeld (Graditz) an der Spitze – in der Lage war, zur Verbesserung der Zucht beizutragen.
1922 erwarb Konsul Moritz Oppenheimer, ein jüdischer Unternehmer aus Frankfurt, ein Trabergestüt, wandelte es zu Erlenhof um und ließ sich von Gustav Rau beim Kauf von Mutterstuten beraten. Walter Bresges begann anschließend sein Zoppenbroich aufzubauen, in dem der Schlenderhaner „Der Mohr“ als Beschäler einzog. 1923 war jedoch auch ein Jahr wirtschaftlicher Not, des wertlosen Geldes, und der Rennsport hatte damit ebenfalls zu kämpfen. Ullrich von Oertzen, der das Renngeschehen fünfzig Jahre prägte, verstarb; in Hamburg gab es einen kommunistischen Aufstand, und in München verbreitete die Schwarze Reichswehr Schrecken; das neue Hoppegarten war fertig und zeigte statt Parkidylle Sachlichkeit. Sein Glanzstück waren die dreigeschossige Tribüne, 127 Wettschalter, Waagegebäude, Pressezentrum und der achtgleisige Rennbahn-Bahnhof, und im November 1923 kam endlich die erlösende Nachricht: Währungsreform, Einführung der Rentenmark und Ende der Inflation. Dass am 16. Januar 1924 die „Kölner Zeitung“ morgens noch „150 Millionen“, abends 15 Reichspfennig. kostete, war als Randbemerkung zu lesen. Am 30. August 1924 konnte die Rentenmark von der Reichsmark abgelöst werden, die durch Gold und wertbeständige Devisen gedeckt war.
Seit Jahren triumphierten damals in Deutschland die vier Gestüte Graditz, Schlenderhan, Waldfried und Waldburg, hinter denen die Persönlichkeiten Lehndorff, Oppenheim, Weinberg und Haniel standen, doch nach Ende der Inflation kamen auch Großindustrielle hinzu. So gründeten u. a. der rheinische Unternehmer Peter Mülhens 1924 sein Gestüt Röttgen, und Richard Kasselowski, Chef der Bielefelder Nahrungsmittelfirma Dr. Oetker, erwarb zwei Jahre später den Heyforthischen Hof, der als Ebbesloh bekannt wurde. 1925 schrieb Köln 70 Rennen aus, und vergab mit 500.000 Mark das höchste Preisgeld aller preußischen Bahnen, während das nächste Jahr Landgrafs besten Sohn Ferro innerhalb von drei Monaten in den Hanielschen Farben sechs Rennen gewinnen sah – darunter Henckel-, Union Rennen, Derby, Großer Preis von Berlin –, und durch das Ende der englischen Besatzung waren Rheinland und Ruhrgebiet wieder frei. Der Derbysieger von 1927 hieß Alba, der 11 von 12 Starts gewann, wegen eines Splitterbruchs den Versuch, die „Dreifache“ im St. Ledger zu vollenden, aber nicht mehr antreten konnte.
Am 06. April 1926 überträgt der Reichsfunk erstmalig von einer Rennsportveranstaltung, dem Osterpreis zu Karlshorst, und 1928/29 stand Oleander im Mittelpunkt; H. Himmler wurde zum Reichsführer der SS benannt; J. Göbbels hetzte gegen die Juden; einige Rennsport-Persönlichkeiten veröffentlichten diverse „Pferdebücher“; Schlenderhan und Weinberg waren die führenden Zuchtstätten während der Weimarer Republik (1918-1933), und die Weltwirtschaftskrise zeichnete sich ab. Als im Oktober 1929, drei Wochen nach Oleanders drittem Platz im „Arc de Triomphe“ der amerikanische Aktienmarkt zusammenbrach, war die Weltwirtschaftskrise ausgelöst, und die „Goldenen Zwanziger“ waren zu Ende. 1930 gewann der Schlenderhaner Alba zu Hamburg das Derby; in deutschen Rennställen standen etwa 2.600 Rennpferde, die von rund 200 Trainer vorbereitet und von 1.400 Stallangestellten gepflegt wurden, während für die Ritte etwa 300 Jockeys zur Verfügung standen. Für Zucht- und Rennzwecke wurden im gleichen Jahr 112 Stuten, 52 Hengste und 12 Wallache ausgeführt, während 24 Vollblüter neu ins Land kamen.
Zwei Jahre später verstarb Simon Alfred von Oppenheim, und Waldemar Freiherr von Oppenheim wurde als Nachfolger seines Vaters Präsident des Kölner Rennvereins; Schlenderhan feierte sein elftes Besitzer-Championat, und die „Preußische Staatsgestüts-Verwaltung“ ihr 200-jähriges Bestehen. Graditz war, nach der Auflösung von Altefeld, wieder ein Vollblutstandort; der Prunus-Sohn Palastpage gewann für Röttgen das erste Derby, und die Rennwettsteuer am Totalisator und bei den Buchmachern soll 33 Millionen Mark betragen haben. Im Land gab es sechs Millionen Arbeitslose, und auf den Straßen waren linke und extreme rechte als Schlägertrupps unterwegs.
1933 wurde Adolf Hitler von P. W. Hindenburg zum Reichskanzler ernannt, und die Nationalsozialisten übernahmen die Macht. In der Folge wurden die bürgerlichen Grundrechte außer Kraft gesetzt, die Preußische Staatsgestüts-Führung wurde personell „angepasst“, und im Landwirtschafts-Ministerium hatte der Reichsbauernführer Darré das Sagen. Gustav Rau führte seine Position als Preußischer Oberlandstallmeister nur kurzfristig aus, denn er musste erleben, wie sein Lebenswerk, der „Reichsverband ländlicher Reiter- und Fahrvereine“ (200 Vereine; 100.000 Mitglieder) in SS- und SA-„Reiterstürme“ umstrukturiert wurde. 1934 bat er daher um seine Entlassung, an die Spitze der „Obersten Behörde für Vollblutzucht und Rennsport“ (O. B. V.) trat als Generalsekretär F. Charles de Beaulieu, der vorher im Union-Klub als Pressereferent für den Berliner Rennsport zuständig war.
Im gleichen März wurde Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der spätere Bundeskanzler Deutschlands, gezwungen, sein Rathaus zu verlassen; im April riefen die Nazis zum Boykott jüdischer Geschäfte auf; Carl von Weinberg musste alle Wirtschaftsämter niederlegen; Bruder Arthur wurde aus dem Universitäts-Kuratorium entfernt, und Moritz James Oppenheimer, dem Konkursvergehen nachgesagt wurde, verhaftet. Sein Gestüt Erlenhof veräußerte der Konkursverwalter – inklusive Graf Isolani – für 350.000 Mark an Baron Heinrich von Thyssen-Bornemisza.
Das Derby des gleichen Jahres, das Göring in SA-Uniform in der Ehrenloge erlebte, gewann der Graditzer Alchimst unter Ernst Grabsch – 1929 bis 1931 Champion-Jockey und SS-Mitglied, wie das M. Stoffregen-Büller in seinem Buch „Schlenderhan“ feststellte. 1933 wurde auch die ungeschlagene „Wunderstute“ Nereide geboren, und es sollte auch nicht mehr lange dauern, bis Waldemar von Oppenheim seine Präsidentschaft des Kölner Rennvereins an Fürst zu Wied übergab, der seinen Vorgänger jahrelang begleitet hatte.
1934, als im Union-Klub dem Präsidenten Fürst von Hatzfeld-Wildenburg der Ex-Herrenreiter und umstrittene Franz von Papen folgte, die Rennbahn Grunewald zu Gunsten der Olympischen Spiele abgebrochen wurde und Irmgard von Opel auf ihrem Schimmel Nanuk als erste Frau das „Deutsche Spring-Derby“ zu Klein-Flottbeck gewann, triumphierten im 66. Deutschen Derby zu Hamburg Athanasius, Willi Printen, Trainer Adrian von Borcke und Erlenhof. Im Februar 1935, drei Jahre nach ihrem Mann Baron Alfred, verstarb Baronin Flossy von Oppenheim, sodass ihr Sohn, Waldemar von Oppenheim, als neuer Gestütsherr zu Hamburg sofort einen Schlenderhaner Derbysieger vom Geläuf abholen konnte, denn vor 100.000 Zuschauern war der Oleander-Sohn Sturmvogel (Willi Printen) der Star der Stunde. Politisch zeichneten sich beim Nürnberger Reichsparteitag im September weitere dunkle Wolken ab, denn der „Arier-Nachweis“, ein Gesetzt zur Isolierung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung, wurde eingeführt.
Der nächste Derbysieger war die großartige Nereide, die im Olympiajahr 1936 mit 2 Minuten 28,8 Sekunden Rekord lief, der fast sechzig Jahre Bestand haben sollte. Anschließend, bei ihrem letzten Start im „Braunen Band“ (100.000 Mark) zu München, bezwang sie Frankreichs große Corrida, die im Herbst als Vierjährige den Prix de l’Arc de Triomphe gewann und diesen Sieg im Folgejahr, nachdem sie auch den Großen Preis der Reichshauptstadt in Berlin gewonnen hatte, wiederholte.
1938 folgte die „Reichskristallnacht“, als Synagogen und jüdische Geschäfte verwüstet wurden; ein Jahr später war Otto Schmidt mit 57 Saisonsiegen zum elften Mal Jockey-Champion, und zu den damaligen Spitzenjockeys zählten Reiter wie Gerhard Streit, Hans Blume, Enst Grabsch, Johannes Starosta, Hans Zehmisch, Walter Held oder Julius Rastenberger. 1940 wurde das Derby, das Schwarzgold gewann, auf Anordnung der Behörden in „Großer Deutschlandpreis der Dreijährigen“ umbenannt; im „Braunen Band“ zu München erhielten die Schlenderhaner Schwarzgold und Octavius Startverbot und wurden von den Nazis mit Waffengewalt am Verlassen des Stalles in München gehindert; im Mai 1941 erhielt Schlenderhan vom Generalsekretär des Union-Klubs die schriftliche „Entscheidung des Führers“, wonach das Gestüt unverzüglich in anderen Besitz zu überführen sei. Magnat sicherte im gleichen Jahr den zehnten Derbysieg für Schwarz-Blau-Rot, der Rennstall gewann sein 16. Besitzerchampionat, und Oleander führte zum sechsten Mal die Liste der Beschäler an. Als Allgäu 1843 den 11. Derbytreffer für die Schlenderhaner markierte wurde seine Zuchtstätte mit „SS-Gestüt Schlenderhan“ angegeben.
Einige Tage nach dem letzten Bombenangriff auf Köln brachte ein amerikanischer Jeep die Oppenheims aus ihrem Versteck wieder nach Hause, wo viele Gebäude teils oder ganz zerstört oder abgebrannt, und die Pferde auf Befehl der SS abtransportiert waren. Viele hatten ihr Ziel nicht erreicht und waren verloren, andere fielen den Russen in die Hände. Auch Graf Sponeck wurde von der SS gezwungen, Pferde Richtung Bayern zu verfrachten, doch konnte im Artilleriefeuer wertvolles Material nicht gerettet werden. Ein anderer SS-Trupp landete südöstlich von München in Niederseeon (Steinsee) auf dem Hof von Olga von Wedelstadt, und diese tapfere Frau wurde zur Retterin der etwa 40 Schlenderhaner, darunter Allgäu, Magnat und Schwarzgold. Ihre kurze Radiobotschaft, die täglich gesendet wurde, vernahm Carl Friedrich von Oppenheim, und als am 22.6.1945 Graf Sponeck auf dem Hof eintraf, waren diese Schlenderhaner gerettet, denn am 9.5.1945 hatte Deutschland kapituliert. Im September des gleichen Jahres trafen sich einige Unverzagte, um über die wichtigsten Schritte zu beraten, um Zucht (1943 hatten von 1.283 Mutterstuten nur noch 454 überlebt) und Sport wieder in Gang zu bringen. Und als die treibenden Kräfte dieser Aktivisten der „ersten Stunde“ werden Walter Bresges, Ferdinand Leisten und Waldemar von Oppenheim benannt. Schließlich erteilten die Amerikaner am 22.4.1946 eine Sondergenehmigung, um in München den ersten Renntag im „neuen Deutschland“ starten zu können.
Sieht man einmal von Schwarzgold ab, die noch immer als Deutschlands beste Rennstute gilt und 1940 das Derby gewann, so waren die Jahre 1941 und 1942 bis dahin die Höhepunkte der deutschen Zucht, die mit zwei dreijährigen Hengsten der Sonderklasse glänzte. Zunächst war das der Asterus-Sohn Magnat, der 1941 den vierten Derbysieg in Folge für Schlenderhan komplettiert, und der nach Renn- und Zuchtleistungen zu den Größten der deutschen Zucht zählt. In der Zucht kam er, trotz sehr guter Leistungen, jedoch zu keinem Championat, denn er stand im Schatten seines Derbynachfolger Ticino, einem herausragendem Pferd der deutschen Vollblutzucht.
Die beiden Weltkriege beeinflussten die deutsche Vollblutzucht ganz erheblich, doch waren die Pferde nach dem ersten besser als zuvor, und Vollblüter wie Alchimist, Sturmvogel, Nereide, Ticino, Schwarzgold, Magnat und Athanasius vertraten wohl die beste Zeit des deutschen Rennsports und schlugen die Ausländer in den großen Rennen zu Baden-Baden, Hoppegarten oder München. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als K. H. Wielands Birkhahn 1948 nach dem ostdeutschen Derby zu Hoppegarten auch das zu Hamburg gewann, das erstmals wieder an seinem Stammplatz gelaufen wurde – die Ausnahmen waren 1919 Grunewald; 1943/44 Hoppegarten; 1946 München und ein Jahr später Köln, während es 1945 nicht gelaufen wurde – war nicht viel übriggeblieben, und das Nachkriegspferd reichte zunächst nicht an die Klasse der Pferde zwischen den beiden Kriegen heran.
1950 begann zwar der Siegeszug der Ticino-Kinder – Niederländer (1947), Neckar (1948), Muskatblüte (1948), Mangon (1949), Naxos (1950), Nizam (1950), Liebesmahl (1950), deren Vollschwester Liebeslied (1953), die, gemeinsam mit der Magnat-Tochter Thila (1954), als die besten Rennstuten der Nachkriegszeit gelten –, Lustige (1952) und Orsini (1954) – doch wanderten auch wieder viele der hochdotierten deutschen Rennen ins Ausland. Allein der Große Preis von Baden wurde zwischen 1958 und 1969, rechnet man den in Deutschland trainierten Engländer Luciano, der belgische Farben trug, hinzu, so war in diesen zwölf Jahren der Zoppenbroicher Kaiserstuhl 1962 das einzige deutsche Pferd, das dieses Rennen gewann, während elf Ausgaben über die Grenze gingen, ehe der von Heinz Jetzsch trainierte Schlenderhaner Derbysieger Alpenkönig 1970 das Blatt wieder wendete.
Die Antwort der Deutschen war damals zweifach: Offene Rennen reduzieren und die Zucht verbessern. 1978, als von 2.254 Rennen 415 für den jüngsten Jahrgang und 821 die Dreijährigen ansprachen, standen jener mehr als 80 Hengste und etwa 1.900 Stuten zur Verfügung, die Rennbahnen taten ihr Bestes, Preisgeld und Züchterprämien waren hoch und wurden von der Rennwettsteuer auf steigende Totoumsätze gezahlt. Blickt man auf die deutsche Zucht der Nachkriegszeit zurück, dann ist es wohl fair zu sagen, dass Bürgermeister (1944; Herold), Nebelwerfer (1944; Magnat) oder Birkhahn (1945; Alchimist) unter normalen Verhältnissen wahrscheinlich noch wesentlich mehr geleistet hätten, als so kurz nach dem Krieg. Und, wenn auch ein Vergleich der Jahrgänge schwierig ist, so ist sicher richtig, dass Pferde wie Niederländer (1947; Ticino), Neckar (1948; Ticino) und Mangon (1949; Gundomar) den internationalen Anschluss wieder herstellten, und anschließend Orsini (1954; Ticino) das Aushängeschild war.
Der Alchimistsohn Birkhahn mit seinem Besitzer Karl-Heinz Wieland und Trainer Fritz Reif auf der Heimatbahn in Leipzig (Foto: Siegfried Müller, Leipzig)
Als Vollblutzucht und Rennsport absolut global wurden und in Deutschland auch neue Gestüte entstanden waren, zeigte sich auch der deutsche Vollblüter, in der Zucht und auf der Rennbahn, international wieder konkurrenzfähig. Und zu ihnen gehörten Pferde wie der auf der Röttgener Dependance Baronrath in Irland aufgezogene Star Appeal, der als Fünfjähriger 1975 Eclipse Stakes und Arc de Triomphe gewann, die Ticino-Enkelin Sterna (Neckar) zur Mutter hatte und Zeitelhacker Farben trug; Athenagoras (1970; Nasram); Marduk (1971; Orsini); Windwurf (1972; Kaiseradler); Surumu (1974; Literat); Nebos (1976; Caro); Königsstuhl (1976 (Dschingis Khan); Orofino (1978; Dschingis Khan); Acatenango (1982; Surumu), Lomitas (1988; Niniski); Monsun (1990; Königsstuhl); Lando (1990; Acatenango); Borgia (1994; Acatenango); Silvano (1996; Lomitas); Paolini (1997; Lando); Boreal (1998; Java Gold); Shirocco (2001; Monsun); Manduro (2002; Monsun); Danedream (2008; Lomitas), die 2011 nach Star Appeal den zweiten „Arc de Triomphe“ für Deutschland gewann und sich zwölf Monate später auch in den „King George VI“ zu Ascot nicht schlagen ließ; Novellist (2009; Monsun), der ebenfalls zu Ascot siegte, oder der Melbourne Cup Sieger von 2014, Protectionist (2010; Monsun), die die deutsche Zucht besonders gut vertraten. Und auch in den letzten drei genannten Pferden, die inzwischen in ausländischem Besitz sind, pulsiert das Blut des großen Erlenhofers Ticino. Danedream erhielt über die Mutter ihres Vaters Lomitas, La Colorada, zwei Ströme: Deren Vater Surumu ist ein Literat-Sohn aus der Ticino-Enkelin Lis, und La Colorados Mutter, La Dorada, hat den Neckarsohn Kronzeuge zum Vater, während bei Novellist die Urgroßmutter Narola als Nebos-Tochter den weiteren Weg zu dessen Großmutter Naxos weist, die den Erlenhofers zum Vater hatte. In der fünften Ahnenreihe erscheint außerdem die aus der Ticinitochter Liebeslied gezogene Lis in beiden Pedigreehälften, und Neckar (Ticino) tritt in der oberen zusätzlich auf. Bei Protectionist verbinden die in der vierten Ahnenreihe stehenden Literat (doppelt) und Nebos.
Bei 12 dieser genannten 20 deutschen Spitzenpferde steht auch der von Tesio gezogene Italiener und Pharos-Sohn Nearco (1935) im Pedigree, der ein Riese unter Großen war und mit 14 Siegen ungeschlagen abtrat. In sechs Fällen ist es seine direkte Hengstlinie, wobei die Schaltstelle größtenteils sein Enkel, der Kanadier Northern Dancer, ist. Im Falle von Danedream (Prix de l’Arc de Triomphe; King George VI and Queen Elizabeth Stakes) und Novellist, der das Rennen zu Ascot ebenfalls gewann, ist Nearcos direkte Hengstlinie auf der väterlichen und der mütterlichen Seite vertreten. Bei den übrigen Vertretern kommt das Blut von Nearcos über die mütterlichen Seiten.
Tesios ungeschlagener Nearco, den er 1935 von Lord Derbys Beschäler Pharos zog. Der Enkel des Italieners, Northern Dancer, wurde zum Jahrhundert-Hengst. (Foto Menzendorf; Leihgabe Niedersächsische Sparkassenstiftung und Kreissparkasse Verden im Deutschen Pferdemuseum)
Richtung Ausland, besonders nach Japan, gingen aber auch schon vorher sehr gute Stuten, denen Danedream, die momentan noch in England im Gestüt steht, um europäische Spitzenbeschäler nutzen zu können, und Novellist als Deckhengst folgten. Protectionist, der „Australier“ wurde, kam nach Beendigung seiner Rennlaufbahn vorerst zurück und versieht seit 2017 seine Vaterpflichten im renommierten Gestüt Röttgen der Mehl-Mülhens-Stiftung. Sehr hohe Preise werden derzeit auch von Interessenten aus Australien oder Hongkong für deutsche Spitzenvollblüter geboten, sodass die wenigen deutschen Gruppe-I-Rennen kaum noch äquivalent mit Startern aus einheimischen Trainingsquartieren besetzt werden können.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der deutsche Vollblüter international wieder begehrt und mit seinen Spitzenprodukten absolut konkurrenzfähig. Der Rennsport auf den deutschen Bahnen hat es jedoch alles andere als leicht. Mehrere Veranstalter kämpfen ums Überleben, anderen Bahnen droht der Bagger, oder sie haben nur noch weniger als eine Handvoll Termine pro Jahr. Und dort, wo es noch positive Beispiele gibt – Baden, Hannover, Düsseldorf oder Hoppegarten sind Beispiele – ist das größtenteils äußerst stark engagierten „Einzelkämpfern“ zu verdanken.
Nicht geschafft hat es allerdings der einst in Deutschland blühende Hindernissport, obwohl in der Nachkriegszeit- in der in Karlshorst nur noch die Traber liefen – noch viele Bahnen hervorragende Rennen anboten. Allein Baden-Baden, das heute keine Hindernisrennen mehr anbietet, offerierte eine ganze Palette, darunter den Bäder-Preis, das Haupthürdenrennen der Vierjährigen, das Bandola-Jagdrennen, oder die Traditionsprüfung Altes Badener Jagdrennen. In Bremen wurde u. a. nach dem Zweiten Weltkrieg der Große Preis von Karlshorst über die schweren Sprünge entschieden; Düsseldorf und Frankfurt hatten ihre wichtigsten Steeples als „Große Preise“ im jeweiligen Programm; die „Colonia“ stand im Weidenpescher Park am Tag der „Union“ als hoch dotiertes Rennen über Jagdsprüne an; Krefelds Dujardin-Jagdrennen war die wichtigste Steeplechase für die Dreijährigen; auf Bahnen wie Dortmund, Mülheim oder Hannover waren das Hürdenrennen der Dreijährigen, das Westdeutsche Haupthürdenrennen oder das Hannoversche Jagdrennen bekannte Titel, und in Gelsenkirchen Rennen wie die „Westfalia“ oder das über 6.800 Meter führende „Underberg-Jagdrennen“ zu hause, das damals als längstes Amateurrennen der Welt galt. Und in beiden Prüfungen stand auch der schwere „Horster Sprung“ im Wege.
Das wichtigste Jagdrennen (4.500 m) der „Großen Woche“, das vor dem Krieg als Amateur-Rennen gelaufen wurde, gewannen Trainer wie beispielsweise Walter Held, der 1947 mit Fakir den Sieger für Waldfried sattelte, H. Schütz, Sieger 1951/52/53, der Bremer Adolf Wöhler oder Norbert Sauer und dessen Dortmunder Kollege Uwe Stoltefuß, die auch in den späteren Jahren noch Glanzlichter im Hindernissport setzen konnten, wie auch die Pferde der Familie Seiler vom Stall Steintor. Norbert Sauer gewann dreizehn mal das Hindernis-Championat der Trainer, und konnte an Romping to Work 1977/79/80 auch einen dreifachen Sieger im Alten Badener Jagdrennen absattelte, der unter Rainer Ulrich gewann. U. Stoltefuß stand in den 1980/90er Jahren siebenmal an der Spitze der deutschen Hindernistrainer, gewann zusätzlich drei Championate auf der Flachen, sattelte 1989 an Mondrian den Derbysieger und gewann insgesamt rund 2.070 Rennen. Das „Alte Badener“ gewann er mehrfach, und mit Ottilie gelang Mitte der Achtziger auch ein Doppel. 1993 als der noch in Ostdeutschland gezogene Tauchsport-Sohn Registano gewann, hatte der Trainer wieder einen mehrfachen Steepler-Champion zur Hand, und zwei Jahre später folgten hinter seinem Campari zwei Stallgefährten auf den nächsten Plätzen. 1997 war es nochmals Regalo, ein in Görrlsdorf gezogener Vollbruder zu Registano, der diese Steeplechase gewann. Aber auch aus so großen Ställen wie die der Trainer Hans Blume, der mit Uomo (R. Hinterberger) 1963 für Röttgen gewann, Heiz Jetzsch (siegte 1970 und 1981), Bruno Schütz (1973 und 1975), Peter Remmert (1989) oder Hein Bollow kamen Pferde, die das Badener Hindernisrennen für sich entschieden. Für diesen vielfachen Jockey- und Trainerchampion gab es nach 1971 und, durch die gute Steeplerin Toronja 1974/76, erneut zwei Siegerschleifen. Und ihr von Chief stammender, 1968 geborener Bruder Tangelo, setzte sich in Steeples wie dem Underberg-Jagdrennen, Hauptjagdrennen der Vierjährigen, zweimal in der Westfalia, im Bandola Jagdrennen oder dem Großen Preis von Karlshorst durch, der bis 2007 in Bremen gelaufen wurde. Mehrfachsieger in diesem Rennen waren z. B. die Trainer Günter Broda (1974/76/78) oder Norbert Sauer (1980/ 83/86/87/93). Auch Peter Remmert sattelte 1989/91 an Oldtimer einen zweifachen Sieger für das Gestüt Bona. Adolf Wöhler gewann das „Alte Badener“ ebenso, wie sein Sohn Andreas als Amateur-Reiter und Trainer. Der Norweger Niels-Petter Bogen konnte an Ovideo 1987 und 1990, als auch an Sarafin 1991 und fünf Jahre später Doppelsieger absatteln, während der Stall Schnakenberg 2008/9 die beiden letzten Ausgaben mit Allegan gewann. Dieser Stall sattelt auch heute noch einige Hindernispferde wie der Bremer Pavel Vovcenco, der in Baden-Baden 2005 und 2007 gewann, und bisher auch auf dem Meraner Hinderniskurs sehr erfolgreich war wie in der Schwedischen Grand National.
Selbst 1998 wurden in Deutschland noch 97 Hindernisrennen ausgeschrieben, und als das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen 1999 beschlossen hatte, den Hindernissport auf Gelsenkirchen-Horst zu konzentrieren, standen von den 105 Hindernisrennen allein 25 auf der inzwischen abgerissenen Bahn im Programm. Und was hier der „Aral Pokal“ auf der Flachbahn war, das war das über 6.800 Meter führende Unterberg-Jagd-Rennen über die schweren Sprünge. Von 1956 bis 1973 stand der Namensgeber Pate, danach wurde es unter verschiedenen Titeln gelaufen, von denen besonders die des Großen Raab-Karcher Jagdrennens, Hohner Jagdrennens und des Gelsenkirchener Amateurpreises zu nennen sind.
Der einstige „Große Karlshorster Sprung“ (Foto Menzendorf; Leihgabe Niedersächsische Sparkassenstiftung und Kreissparkasse Verden im Pferdemuseum)
Es war das längste Amateur-Jagdrennen der Welt, war dank des Hauses „Underberg“ sehr gut dotiert und sah internationale Spitzen-Amateure im Sattel. So z. B. den fünffachen Champion Rolf Gaßmann, der seinen letzten Titel 1978 (40 Saisonsiege) als Major gewann, Günther Roßenbusch und Peter Gehm, die die Bestenliste zwei- bzw. fünfmal anführten. Siegreich waren auch die Schweizer Kurt Schafflützel, der 1970/75/76 siegte, A.Wyss, Adolf Renk (1964 und 1969 Sieger), der Italiener F. Turner, dem 1972 und zwei Jahre später ebenfalls ein Doppel gelang, oder der Engländer T. Thomson-Johnes, der 1979 und 1983 für Adolf Wöhler siegte, und 1984/85/86 noch einen Dreier für Trainer Uwe Stoltefuß folgen ließ. Auch die große, 2017 mit 81 Jahren verstorbene Rennpersönlichkeit aus Skandinavien, Terje Dahl, vielfacher Trainer-Champion Norwegens, war 1965 in diesem Rennen als Amateur siegreich, wie auch Wilfried Schütz, der für seinen Vater Willy den Rösslerschen Amoro von 1966 bis 1968 zu einem „Dreier“ steuerte. 1997 kam das Ende, und als letzter Sieger wurde der von Uwe Stoltefuß trainierte Regalo eingetragen, der damals R. Wahley im Sattel hatte. Danach ging es mit dem „Sport zwischen den Flaggen“ in Deutschland immer weiter bergab bis zur heutigen „Fast-Null“, wobei das Heinrich Vetter-Badenia-Jagdrennen auf dem traditionsreichen Kurs zu Mannheim-Seckenheim als Listenprüfung über 4.200 Meter (15.000 Euro) inzwischen Deutschlands wichtigstes Hindernisrennen ist.
Gaditz im Oktober 1986 am Tag der offenen Tür (Foto: Siegfried Müller, Leipzig)