Читать книгу 100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1 - Erhard Heckmann - Страница 9

Kanada, aber wohin soll die Reise führen?

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Es war ein Tagesflug von New York City an die Niagarafälle der 1999 die Idee gebar, auch Kanada auf vier Rädern zu bereisen. Ein Land also, das uns damals völlig unbekannte war und nun viel lesen erforderte, um die richtige Reiseroute herauszufinden. Dabei wurde sehr schnell klar, dass Kanada vor allem eins hat: Land! Und das ist riesig. Etwa 26 Mal so groß wie Deutschland. Von Ost nach West sind es rund 5.500 Kilometer und etwa neunhundert weniger von den Niagarafällen bis hinauf zur Nordspitze der Ellesmere-Inseln. Von den 13 Provinzen – drei davon sind eigentlich Territorien – besuchen die wenigsten Touristen das Inuitgebiet Nunavut und nur wenige mehr das zu Neufundland gehörende Labrador. Der Yukon ist schon geläufiger, doch liegen die pauschalen Hauptreiseziele im südlicheren British Columbia, dem nach Osten angrenzende Alberta und den Atlantikprovinzen. Als Yukon-Nachbar lockt zwar auch noch Alaska, aber das gehört zu den USA. Die Northwest Territories haben ihre Reize, wie die ebenfalls von Manitoba, Ontario und Quebec umschlossene 1.230.000 Quadratkilometer große Hudson Bay und diese Provinzen selbst.

Saskatchewan und Manitoba? Im Norden Wälder, im Süden endlose Prärien. Sie beginnen in Manitobas Osten und ziehen über Saskatschewan hinüber nach Alberta, wo sie am Fuße der Rocky Mountains enden. Wo einst das Präriegras wogte sind es heute Ähren so weit das Auge reicht. Auch das leuchtende Gelb der blühenden Rapsfelder, große Farmen, Getreidesilos und, im Herbst, gewaltige Heu- und Strohrollen prägen diese Gegend. Von den Millionen Bisons, die diese riesigen Ebenen einst bevölkerten, lebt nur noch eine große Herde im Riding Mountain National Park. Saskatchewan, von Manitoba – anderthalbmal so groß wie Deutschland mit 1,1 Millionen Einwohnern, von denen mehr als 600.000 in der Hauptstadt Regina leben – und Alberta flankiert, ist Kanadas Sunshine State. Von hier kommt mehr als die Hälfte des kanadischen Weizens. Die Cypress Hills im Südwesten, mit 1.392 Meteer die höchste Erhebung zwischen Neufundland und den Rocky Mountains, gehören auch dazu.

Die drei maritimen Provinzen New Brunswick, Nova Scotia und Prince Edward Island lassen sich gut mit Quebec, Neufundland oder den amerikanischen New Englandstaaten kombinieren, wie auch das südliche British Columbia und Alberta mit Amerikas Montana, Idaho, Oregon und Washington. Auf dem Nordamerikanischen Kontinent muss man Schwerpunkte setzen und wiederkommen. Die Großen Seen, oder die großen Städte? Letztere haben wir größtenteils an das Ende einer Rundtour gestellt, um auf dem Heimweg noch zwei, drei Tage zu unterbrechen. Neufundland mit oder ohne Labrador? British Columbia und Yukon – nur die Highlights oder besser getrennt und intensiver? Mit oder ohne Vancouver Island? Oder doch lieber ab Whitehorse Yukon, Alaska und die Inside Passage? Und wenn ja, wo beginnen, um auch Wegen zu folgen, die einst Pioniere und Goldgräber wie Jack London, Wyatt Earp oder George Carmack und seine indianischen Freunde Skookum Jim und Dawson Charlie vor mehr als hundert Jahren gingen?

Der heutige Tourist kann mit dem Auto direkt zum Bonanza Creek fahren, der einst den Goldrausch auslöste, oder sein Wohnmobil in Bellingham, Port Hardy oder Prince Ruppert auf die Fähre steuern, um in Alaskas Skagway wieder an Land zu gehen. Erreichbar ist in unserer Zeit alles. Manches aber nur auf vier oder zwei Beinen, mit Boot oder Buschflieger.

Die bekannteste Verbindung ist in Kanada der TCH, der mit einem Ahornblatt gekennzeichnete Trans Kanada Highway. Der von Nanaimo über Victoria nach Vancouver und weiter bis St. John auf Neufundland und nach Labrator durch zehn Provinzen ziehende Asphalt trägt aber nicht überall die Nr.1, weil die Fernstraße aus einem Highway-System besteht, zu dem auch der „Yellowhead“ gehört. Allein die Hauptroute des TCH beträgt 8030 km. In Alberta beginnt sein Start zu Medicine Hat. Die klassische Route führt dann durch Calgary in die Rocky Mountains, nach Banff, Jasper und Prince George, wo die Nr. 97 nach Dawson Creek zur Meile Null des Alaska Highways verbindet. Nach dort findet aber auch, wer von Calgary über Edmonton und Whitecourt fährt, oder östlich von Jasper den „Bighorn“ über Grande Cache und Grande Prärie nach Norden wählt. Die traditionelle Tour auf dem TCH führt durch Alberta nach Kamloops (BC), und ab Cache Creek auf der Nr. 97 nördlich weiter über Williams Lake, Prince George, Fort St. John, Fort Nelson, Watson Lake und Whitehorse in den Yukon, und dort weiter nach Alaska.

Wer mit dem amerikanischen „Yellowstone NP“ starten möchte, der wählt den weiteren Weg über Butte und Missoula zum Flathead Lake in Montana. Danach führt der „Highway-to-the-Sun“ im amerikanischen Glacier National Park über den Logan Pass und schafft die Verbindung zum benachbarten Waterton Lakes Nationalpark im Süden Kanadas. Der „Cowboy Trail“ setzt die schöne Tour durch das südliche Alberta fort und überlässt für die weitere Route dem Touristen „die Qual der Wahl“. Durch das landschaftlich sehr schöne „Kananaskis Country“ nach Canmore zum TCH oder direkt nach Calgary, Edmonten und dort nach Jasper oder weiter nach Norden? Oder doch lieber auf der Höhe von Red Deer von der schnelleren „2“ oder dem Cowboy Trail zum Rocky Mountain House abzweigen und auf dem „David Thompson Highway“ zum Saskatchewan River Crossing fahren, um die von Lake Louise nach Jasper ziehende Panoramastraße „Icefield Parkway“ zu erreichen?

Ist der Flieger in Seattle gelandet und das Hauptprogramm heißt Kanada, verhilft die „Interstate 5“ über Bellingham zum schnellen Sprung nach Vancouver, wo entweder der „Trans Canada“ oder die schöne „99“ über Whistler den Anschluss zu Cache Creek in alle Richtungen herstellen. Bis hin in den Yukon, die Nordwest-Territories oder auch nach Alaska, während sich die „3“ bei Hope vom TCH abwendet und nördlich der kanadisch-amerikanischen Grenze in die Rocky Mountains schlängelt.

Der „Yellowhead“ (Nr. 16) stellt nordwestwärts von Prince Georg auch die Verbindung nach Prince Ruppert her, wo die BC-Fähren den Süden mit Hauptziel Port Hardy auf Vancouver Island bedienen und die des „Alaska Marine Highway Systems“ den Norden versorgen. In Haines oder Skagway findet der motorisierte Tourist wieder Anschluss an festen Boden und ist schon nach wenigen Kilometern wieder im kanadischen Yukon, wo das etwa 100 Kilometer entfernte Whitehorse als Hauptstadt dieser Provinz viele neue Ziele offeriert. Wer Alaskapläne hat, der kann auch vorher – zu Juneau – die Fähre wechseln um Valdez oder Seward auf der Kenai-Halbinsel zu erreichen, oder auch Kodiak Island und der Alaska Peninsula bis hinunter nach Unalaska einen Besuch abstatten. Und die „Inside Passage“ selbst, die sich auch im amerikanischen Bellingham antreten lässt und zwischen Port Hardy und Skagway mit der Fähre am preiswertesten wird, ist mit ihren vielen Möglichkeiten rechts und links dieses Seeweges auch eine eigene Reise wert. Schließlich lockt auch noch kurz vor Prince Ruppert der Cassiar Highway (Nr. 37) weiter in das Landesinnere, der wenige Kilometer vor Watson Lake auf den Alaska Highway trifft und mit der Süd- oder Nordhälfte der Inside Passage gut zu kombinieren ist. An seinem Anfang bietet er auch noch den Abzweig nach Stewart und Hyder, wo die Welt zu Ende ist, der Salmon Gletscher und die Bären zur Laichzeit der Lachse im Fish Creek die Besucher anlocken.

Es war also gar nicht so einfach, für die angedachte „große Tour“ durch Kanada aus den vielen Möglichkeiten die richtigen Wege zu verbinden und die notwendigen Grenzen zu setzen. Als die Reiseführer durchgearbeitet waren standen zumindest die wichtigsten Fakten fest: Westkanada mit Alaska, der Inside Passage und dem amerikanischen Yellowstone National Park. Die Fahrt mit dem Wohnmobil beginnt in Whitehorse und endet in Vancouver. Das „Zwischendrinnen“ wird von dem geprägt, was uns am wichtigsten erscheint: Die Schönheiten der Natur und die Spuren der Goldgräber, Pelzhändler und Pioniere.

Mit diesem Kompromiss sind wir dann auch recht gut gefahren. Dass eine solche Reise aber auch die Gefahr in sich birgt, von diesem Land nicht mehr loszukommen, das ahnten wir damals allerdings noch nicht.

Mit den Wohnmobilen haben wir uns auch intensiv befasst und Anfang November 1999 war der Streckenverlauf endgültig skizziert, Kilometer und Tagesabschnitte gerechnet und alles Wichtige links und rechts der Straßen aus- und eingearbeitet, so dass Flug und Gefährt gebucht werden konnten. Was wir vorhatten summierte sich auf rund 12.000 Kilometer. Die Inside-Passage, eine Busstrecke und die alte Goldgräbereisenbahn waren Extras. Haines- und Tetlin Junction, Glennallen, Valdez, Anchorage, Kenai Halbinsel, Denali Nationalpark, Dawson City, Watson Lake, Prince George, Lake Louise, Jasper, Edmonton, Calgary, Banff, Waterton- und Yellowstone Nationalpark und Seattle waren die wichtigsten Eckpunkte dieser Rundfahrt.

Und, wie war’s? Vorab ein kurzer Blick in Sabines Notizen, die daraus an unsere Freunde folgendes schrieb: „Wo, um alles in der Welt, soll ich nun beginnen, und wie alle Eindrücke auch nur annähernd zu Papier bringen? Von einer Reise erzählen, die einen Höhepunkt an den anderen peppte, auf der ich gefroren und geschwitzt habe, täglich über einlagiges Klopapier fluchte, oft auf der Suche nach einem Bier war, da nur in lizenzierten „Likör-Shops“ zu kaufen, oder auf der ich einfach nur sprachlos staunend stand, um Bilder von einmaligen Landschaften aus Eis und Wasser, Bergen und Tundra in mir speicherte, wie auf einer Chipkarte?

Das Abenteuer begann mit der Zugfahrt nach Düsseldorf. Vollkommen ungewohnt so ein Bahnhof mit Fahrkartenautomat, Rumstehen, Koffer rein und Koffer raus! Aber eben ohne Risiko, im Stau die Nerven zu lassen und den Flieger von unten sehen zu müssen. Also, Düsseldorf – München, dann München -Toronto. Bange Frage: Hoffentlich nehmen die Koffer den gleichen Weg und landen nicht auf einem Flug nach Afrika. Dann zehn Stunden lesen, schlafen, essen. Dazu die Hoffnung im Herzen, der Pilot möge ausgeschlafen, und der Wettergott gnädig sein. Unsere Plätze waren bestens, der Fernseher direkt vor mir, so dass ich ganz relaxt die Flughöhe überwachen konnte. Nur ein einziges Mal schreckte ich aus dem Schlaf auf, als die energische Stimme des Kapitäns zu vernehmen war. Aber das betraf die angesprungenen Rauchmelder, die ein Unbelehrbarer mit seiner Zigarette auf dem WC – trotz generellem Rauchverbot – ausgelöst hatte. In Toronto durfte er dann auch als erster aussteigen. Die Polizei wartete schon. Für uns sah das Umsteigen nach Vancouver etwas anders aus. Wir hetzten wie die Dackel quer durch den Flughafen, weil unsere Koffer die letzten auf dem Band gewesen waren, und wir erst aus-, dann wieder einchecken, und damit die Schlangen an der Passkontrolle überwinden mussten. Als wir endlich Gate 73 „gerade noch“ erreichten, hatte die Maschine 30 Minuten Verspätung. Nach weiteren viereinhalb Stunden Flug von Ost nach West notierte ich dann im Hotel: 24 Stunden Nonstop durchgehalten, davon 13,5 Stunden reine Flugzeit; und um 17 Uhr noch immer 23 Grad bei schönstem Sonnenschein. Müde aber happy!

Erhard hatte etwa ein halbes Jahr lang immer wieder an einer Route gefeilt, die in den Norden Alaskas, durch Kanada zurück in die USA bis zum Yellowstone National Park, dann wieder nach Westen zum Pacific führte. Nichts wurde rechts und links der Route vergessen. Es gab viele Geschichten von Pionieren und Indianern zu bestaunen. Und an manchen Orten waren sie so lebendig, dass man sich wie auf einer Zeitreise fühlte. Leider haben die Indianer von heute mit Nostalgie nicht viel am Hut. Arbeitslosigkeit, Armut und Alkohol haben etliche von ihnen zu Außenseitern werden lassen in einem Land, das einmal ihnen gehörte. Aber es gibt auch ganz andere Beispiele. Die schönen Krieger allerdings, und ihr Schmuck sind nur noch auf Fotos, in Museen oder bei bestimmten Festen zu sehen. Eigentlich wusste ich das, dachte aber eben doch, irgendwo ein Häuptlingsgesicht zu treffen. Unverkennbare indianische Gesichtszüge ja, aber geprägt von der neuen Welt, die jedem Naturvolk feindlich gesonnen ist.

Unsere ersten Eindrücke sammelten wir in Vancouver. Eine schöne grüne Stadt mit Parks, einer Waterfront und einer alten Gasuhr, deren Zischen und Dampfen viele Touristen einhalten lässt. Für mich ein besonderes Geschenk: Im Hafen lag zufällig die „Veendam“ der Holland-Amerika-Linie. Mein Vater, den ich nie sah weil er im Krieg blieb, war vor 70 Jahren mit ihr als Koch um die Welt gefahren. Sentimentale Gefühle, und eine Träne an die Vergangenheit, auch das bin ich.“

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