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THE ARTFUL NUDGER:

DER KNIFF MIT DEM KNUFFEN

John Cleese hatte David Frost aus dem Wrack der extrem amüsanten Cambridge Circus-Revue gerettet, die am Broadway nach einer harschen Kritik in der New York Times gesunken war. Obwohl er selbst ein schwacher Darsteller war, achtete David stets penibel darauf, sich mit witzigen Männern zu umgeben. Außerdem erkannte er den Wert, gutes Material zur Verfügung zu haben. Sein Anruf „aus heiterem Himmel“ bei John Cleese in New York mit dem Angebot, bei The Frost Report (Der Frost-Report) einzusteigen, besiegelte Johns Zukunft im Fernsehen. Also weit weg von den Ambitionen seiner Mutter, ihn zum Geschäftsführer bei Marks & Spencer in Weston-super-Mare zu machen. Des Supermarktes Verlust hieß der Komödie Gewinn.

Frostie vermittelte uns allesamt großartige Jobs als Autoren seiner neuen Show für das BBC-TV, wofür wir uns in höchstem Maße undankbar erwiesen. Fast direkt aus dem College entlassen, waren wir nun plötzlich alle Teil eines Riesenerfolges. Die Sendung The Frost Report wurde einmal pro Woche live vom BBC Television Theatre in Shepherds Bush übertragen. Dessen irrsinnig witziges Ensemble mit Ronnie Barker, Ronnie Corbett, Sheila Steafel und John Cleese präsentierte Sketche zu wöchentlich wechselnden Themen (Bildung, Politik, Kunst), verbunden durch das, was David ziemlich hochtrabend CDM nannte (Kontinuierlich Durchentwickelter Monolog), und dann von John und Graham verächtlich OJARIL (Old Jokes und Ridikül-Irrelevante Links). Es war schon erstaunlich, dass ich mit dreiundzwanzig ein Autor dieser extrem witzigen Show war. Während mir beim BBC Radio pro Minute drei Goldguineen gezahlt worden waren, schrieb ich meine Gags und Sketche nun für das BBC TV – und bekam zehn Guineen pro Minute (sechzig heutige Euro). Ich hatte Geld auf der Tasche, ein Auto, Mädels und einen Agenten: Roger Hancock – den Bruder des legendären britischen Comedian Tony Hancock, der mir diesen unschätzbaren Ratschlag gab: Sei verfügbar. Das war ich dann auch – für Geld, Sex und Showbusiness. Ich wohnte in einer Dachgeschoss-Wohnung in Notting Hill Gate und nahm meinen Lunch im The Sun in Splendour in der Portobello Road ein. Da konnte ich dann den Gästen lauschen, wie sie an der Bar meine Witze aus der TV-Show des vorherigen Abends durchkauten. Bald wurde mir klar, dass der Wert des Schreibens und der Schreiberlinge mit zweierlei Maß gemessen wurde. Am Tag der Show erschien ein Taxi, um meine Gags in Empfang zu nehmen: Ich hingegen musste die U-Bahn nehmen.

Als The Frost Report die Goldene Rose von Montreux verliehen bekam, zeigten sie ausgerechnet meinen Karate-Sketch in den BBC-Fernseh-Nachrichten. Mein Glück ward vollkommen.

Als Nächstes bat David Frost mich, Graham Chapman und Barry Cryer, eine Fernsehshow für Ronnie Corbett auszuarbeiten. Die nannte sich No – That’s Me Over Here (Nee, das bin ich hier vorne). Graham hatte am St. Barts Hospital promoviert und schrieb nun professionell mit John. Die beiden hatten sich wieder mit Tim Brooke-Taylor zusammengerauft: für eine extrem witzige Late-Night-Comedy-Show. Sie hieß At Last the 1948 Show (Endlich die 1948-Show), wurde von David produziert, und ich spielte darin dann jede Woche sehr kleine Rollen. John hatte sich für Marty Feldmans Teilnahme ausgesprochen, aber David sperrte sich gegen ein Casting von Marty. „Wie sieht der denn aus?“, meinte er, aber John setzte sich durch. Marty wurde sofort zum Star. Nach zwei kurzen Staffeln seiner brillant witzigen Comedy ging Marty zur BBC, um seine eigene Serie zu drehen. Ich habe Marty geliebt. Er und seine Frau Lauretta nahmen mich unter ihre Fittiche und schleppten mich an Sonntagen zu den Live-Aufzeichnungen von Round The Horne (nicht „Rund um Kap Hoorn“, sondern „Rund um Kenneth Horne“), die Marty mit Barry Took verfasste. Marty und Cleese traf ich eines Tages auf der Straße – sie lachten sich geradezu scheckig. Sie waren zwei sehr attraktiven jungen Damen begegnet, die sich bückten, um etwas auf dem Pflaster zu suchen.

„Was macht ihr da?“, fragten sie.

„We’re looking for a screw.“ („Wir suchen nach einer Schraube.“)

Und zwei hysterische Comedians schlagen sich auf die Schenkel: Auf Englisch kann das nämlich auch klingen wie: „Wir würden uns gerne mal schrauben lassen!“

Der legendäre TV-Drehbuchautor Barry Cryer hatte mir als Mentor gedient, als ich ein junger Autor war – zusammen mit Dick Vosburgh bei The Frost Report. Er schien einen endlosen Vorrat an Gag-Sammlungen zu besitzen. Während Barry und ich für Ronnie Corbett schrieben, war Graham oft nicht dabei, weil er die 48 Show verfasste. Eines Tages riefen wir ihn an und baten darum, ihn zu sprechen. Wir hatten ein Problem mit dem Plot, zu dem wir seine Vorstellungen brauchten.

„Aber der ist doch bei dir“, meinte ein erstaunter Tim.

„Ähm, nein, der ist bei dir …“

Aber natürlich war er bei keinem von uns. Stattdessen hatte er sich nach Hampstead geschlichen, wo er einen geheimen Boyfriend versteckt hielt. Er war David Sherlock auf Ibiza begegnet, als er und John ein Filmdrehbuch entwickelten. Er hatte sich verliebt, war heimlich mit ihm in ein Apartment in Hampstead gezogen und hatte all dies ein ganzes Jahr geheim gehalten. Am Ende kam alles bei einer Coming-Out-Party ans Licht – die erste Person, die ich dort erblickte, war Grahams weibliche „Verlobte“. In Tränen aufgelöst.

„Dies ist der Mann, den ich liebte“, so stellte er mir David vor.

Na klar. Nun ergab das alles einen Sinn. Dort war er also gewesen! Leider hielt Graham meine Gedanken für Missbilligung und schrieb später, dass ich nicht zu wissen schien, was es mit Homosexuellen so auf sich hat. Ziemlich unwahrscheinlich nach zwölf Jahren Internat, drei Jahren in Cambridge, sechs Monaten im Repertoire-Theater, zwei Jahren bei der BBC und einem aktuellen Wohnsitz über der Gay News-Redaktion am Redcliffe Square. Ich erinnere mich genau an meine Gedanken. Du Miststück! Du warst da oben in Hampstead beim Poppen, während du eigentlich mit uns schreiben solltest. Wie auch immer, David Sherlock ist ein äußerst netter Mann, und Graham lebte glücklich mit ihm bis ans Ende seiner Tage. Marty rief uns am nächsten Tag an und meinte: „Hört jetzt bloß nicht auf, Schwulenwitze zu erzählen.“

Ein paar Jahre später bekam ich diesen Brief über Graham:

Liverpool

Merseyside

25/10/74

An Herrn E. Idle

Sehr geehrter Herr,

am 18. Juli 1960 war ich in der St. Elizabeth’s Kirche in Litherland, als mir Unser Herrgott Jesus Christus erschien. Er zeigte mir, wie Er uns erschuf, mit dem Mittelfinger Seiner linken Hand. Er zeigte auf eine weiße Staubwolke!

Da erschien ein Mann. Er nannte uns nicht seinen Namen, aber er sagte, er stamme aus Monty Python’s Fliegendem Zirkus. Er sagte, er werde gerade im Fernsehen interviewt, und fügte hinzu, er sei ein Homosexueller. Auf der Levitikus-Seite 102 der Heiligen Schrift spricht Gott in Absatz 20, Vers 13: „Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Greueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen.“

„Gelobet seist Du, o Herr.“

Gott segne euch.

Mrs. B. Campbell

Ich schrieb zurück.

An Mrs. B. Campbell

BBC TV Centre

Shepherds Bush

London

24/11/1974

Liebe Frau Campbell,

vielen Dank für Ihren Brief.

Wir haben herausgefunden, wer es war, und ihn getötet.

Hochachtungsvoll

Eric Idle


Ein erneuter bedeutsamer Anruf von Humphrey Barclay sollte mein Leben ein weiteres Mal ändern. Ob ich gerne ein Sketch-Programm im Kinderfernsehen für die ITV schreiben und spielen würde? Klar, verdammt. Reine Schlauheit ließ mich fragen, ob ich Michael Palin und Terry Jones dabeihaben könne. Er war einverstanden, sie waren einverstanden, und plötzlich hatten wir Hauptrollen in unserer eigenen TV-Serie. Natürlich wandte die sich nur an Kinder, aber wir beschlossen, sie auf keinen Fall von oben herab zu behandeln, sondern nur das zu präsentieren, was wir witzig fanden. Humph brachte David Jason mit dazu, außerdem Denise Coffey und The Bonzo Dog Doo Dah Band, eine exzentrische Gruppe aus Kunststudenten, die verflucht schräge Songs brachte – mit Vivian Stanshall als Leadsänger und Neil Innes als Pianist. Ich bin mir sicher, dass Python durch die Begegnug mit den Bonzos – einem bizarren Dadaisten-Orchester – einen Wahnsinns-Schub bekam. Zwei komplette Staffeln hindurch kollidierten wir als Oxbridge Boys (Oxford & Cambridge) mit den Besten der britischen Kunsthochschulen, wenn sie dann von den Strapazen ihrer Tourneen in unseren Schminkraum rauschten, um das Kommando über die Haartrockner zu übernehmen. Ihre beknackte, schrullige, wunderbare Musik verknüpfte sich perfekt mit unserer Pokerface-Entschlossenheit, unser junges Publikum nicht überheblich anzugehen.

Eines Tages wollte uns ein schräg aussehender Amerikaner mit langem Haar nach der Show kennenlernen. Er sah ein bisschen aus wie John Denver und trug einen afghanischen Yak-Fell-Mantel. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich liebte diesen Mantel. Er lieferte uns eine exotische Freundin und einige Sketche, sowohl geschriebene als auch gezeichnete. John Cleese hatte ihn zu Humphrey Barclay geschickt, dem er in New York begegnet war. Nun wollte er bei unserer Show mitarbeiten. Mike und Terry hassten ihn sofort. Wofür in aller Welt brauchten wir einen weiteren Autor? Auch noch einen Amerikaner? War ich verrückt? Ich weiß nicht warum, aber ich war überzeugt, dass er das gewisse Etwas hatte, und es war nicht nur sein exotischer Mantel. Zum Glück hörten sie auf mich, und so trat Terry Gilliam in unser Leben. Schon bald entdeckte er sein Metier: kurze Trickfilme zu produzieren, einschließlich des großartigen Streifens Christmas Card (Weihnachtskarte), und eines noch ausgefalleneren mit dem Titel Elephants (Elefanten), dessen Erzähltechnik des Bewusstseinsstroms schon bald die Grundlage für Monty Python werden sollte.

Do Not Adjust Your Set (Justieren Sie nicht Ihr Gerät nach) erwies sich von Anfang an als Hit. Wir fingen bei Rediffusion-TV in Schwarz-Weiß an und gewannen den Prix Jeunesse in München. Und als der Sender seine Lizenz verlor, wurden wir von dessen Nachfolger Thames Television für eine zweite Staffel übernommen, dieses Mal in Farbe. Unsere Sendezeit um 17:25 Uhr hieß, dass wir nicht nur Kinder erreichten, sondern auch alle Londoner Kellner und einen ordentlichen Anteil Erwachsener, die früher von der Arbeit heimkehrten. Zwei von jenen, die stets ihre Arbeit unterbrachen, um uns zuzuschauen, waren John Cleese und Graham Chapman. Die hielten das für das Witzigste überhaupt im Fernsehen. Im Jahr 1969 fragten sie uns eines Tages, ob wir nicht Lust hätten, mit ihnen zusammen eine BBC-Show zu machen – eine schrullige TV-Option für Pub-Heimkehrer an den früh schließenden Sonntagabenden. Zu jener Zeit hatten wir ein bedeutendes Angebot des ITV für unsere eigene 90-Minuten-Show für Erwachsene zur Prime Time. Doch leider mussten wir achtzehn Monate lang auf ein Studio warten. Daher beschlossen wir, dieses BBC-Ding mit John und Graham dazwischenzunehmen, während wir auf unseren großen Durchbruch warteten …

So ging es mit Monty Python los.


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