Читать книгу Evolution, Eugenik und Transhumanismus - Eric Markhoff - Страница 6

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1.Prolog

Zu Beginn des im Jahre 2006 gedrehten, nicht sonderlich erfolgreichen amerikanischen Films “Idiocracy” stellen Trevor und Carol, ein Paar hochintelligenter Akademiker zu Beginn des 21. Jahrhunderts fest, dass die Entscheidung, Kinder zu haben, eine derart wichtige Entscheidung sei, und dass man hierbei nichts überstürzen dürfe. Man müsse den richtigen Moment abpassen, der gerade nicht da sei.

Diese beiden Musterakademiker werden in den folgenden Szenen mit Clevon verglichen, dessen Frau Trish gerade feststellt, dass sie schon wieder schwanger ist, worauf Clevon fluchend die Bierdose auf den Tisch knallt. Er habe schon zu viele verdammte Kinder und habe gedacht, Trish nehme doch die Pille, aber wahrscheinlich habe er sie wohl mit Britney verwechselt. Trish wirft in wütender Eifersucht eine Pfanne nach ihm. In der Ecke wird Clevon’s Stammbaum gezeigt, in dem er schon 4 Kinder mit Trish und eins mit Britney hat.

Szenewechsel zu Trevor und Carol, die, wenig älter als zuvor, wieder ruhig auf dem gepflegten Wohnzimmersofa sitzen und nur kopfschüttelnd feststellen, dass sie derzeit keine Kinder haben könnten, nicht bei der derzeitigen Marktlage. Clevon’s Frau Trish hat unterdessen einen handfesten Streit mit der schwangeren Nachbarin, bei dem Bierflaschen fliegen, während um sie herum das laute Chaos der ungeordneten Unterschichtsgroßfamilie herscht.

In der nächsten Szene, wieder auf dem gepflegten Wohnzimmersofa, wieder etwas älter, stellt Carol, fest, dass man nun plane, Kinder zu haben, dies jedoch nicht gut funktioniere, was wohl an der mangelhaften Spermienqualität Trevors liege. Dieser versucht hilflos apolegetisch etwas zu erwidern, stellt dann aber nur fest, dass diese Bemerkung Carols nicht hilfreich sei. Die deutlich gealterte Carol hat schließlich noch einen traurigen Solo Auftritt, in dem sie verkündet, dass Trevor an einer Herzattacke gestorben sei, die er beim Masturbieren, um Spermien für eine künstliche Befruchtung zu gewinnen, erlitten habe. Aber immerhin habe sie ein paar Eier eingefroren, auf die sie zurückgreifen werde, sobald der richtige Mann daherkomme. Der Stammbaum der Nachfahren Clevons füllt inzwischen die ganze Kinoleinwand.

Diese 2-minütige Anfangssequenz des Films soll illustrieren, dass die menschliche Evolution nicht automatisch Intelligenz belohne. Ohne natürliche Bedrohung belohne die Evolution einfach diejenigen, die sich am meisten fortpflanzen, wodurch die Intelligenten zu einer bedrohten Art werden. Nach den monströsen Verbrechen, zu denen Sozialdarwinismus und Eugenik im 20. Jahrhundert geführt haben, ist es jedoch äußerst heikel darauf hinzuweisen, dass die Mechanismen der natürlichen Selektion auch auf den Homo sapiens wirken. Ein Ausschalten der natürlichen Selektion, bzw. eine Modifikation der Selektionskriterien, im Falle Idiocracy mit einer Begünstigung reduzierter kognitiver Leistungen, die mit einer deutlich höheren Reproduktivität einhergehen, bleibt möglicherweise über einige Generationen hinweg nicht folgenlos. Sollte der Mensch also doch versuchen in die eigene Evolution einzugreifen?

Selektionsprozesse in Wirtschaft und Handel

Den Mechanismen der natürlichen Selektion in der Evolutionsbiologie entspricht in der Wirtschaft theoretisch die konkurrenzbedingte Auslese. Einzelen Akteure in einem konkurrenzbasierten Wirtschaftssystem tragen ein hohes Risiko zu scheitern, wodurch jedoch diese Gefahr für den gesamten Wirtschaftszweig reduziert wird. Nassim Taleb hat für Systeme, die wenig fragil sind, das Wort „antifragil“ geprägt. Für einen antifragilen Wirtschaftszweig sei die Gastronomie ein gutes Beispiel. Einzelne Restaurants sind fragil und können, wenn die Kundschaft ausbleibt, nach kurzer Zeit wieder eingehen. Gleichzeitig gibt es in Städten wie Hamburg ein gutes Angebot an Restaurants. Diese konkurrieren miteinander, wodurch dem Besucher eine breite Auswahl an Restaurants mit vielen verschiedenen Angeboten zur Verfügung steht. Obwohl also das einzelne Restaurant durchaus fragil ist, stellt sich die Gesamtheit der Restaurants, das „Restaurantsystem“, als sehr antifragil dar (1).

Märkte und Marktmechanismen mit den dazugehörigen Selektionsprozessen sind also ein fester Bestandteil menschlicher Handelsinteraktionen. Allerdings sind vollkommen freie Märkte (entfesselte Märkte) auch frei von jeglicher ethisch-moralischen Wertung. Wenn zwei Akteure am Markt agieren und konkurieren, wird sich der Akteur durchsetzen, der mehr Profit macht. Ob das hierfür verkaufte Produkt für die Gesellschaft gut oder schlecht ist, spielt hierfür zunächst mal keine Rolle. Mathias Broeckers gibt hierfür ein anschauliches Beispiel, indem er 2 Geschäftsleute im Amerika Ende der 1940er Jahre vergleicht. Beide stehen in Erwartung einer Warenlieferung an den Docks von New Orleans. Sam handelt mit Zucker aus Lateinamerika, den er rafiniert und mit 30% Profit an einen Großhändler verkauft. Nach Abzug der Kosten für Anbau, Transport und Weiterverarbeitung macht Sam etwa 10% Gewinn. Dave arbeitet mit einem anderen Agrarprodukt, für das er auch Rohstoffe importiert, veredelt und an einen Großhändler weiterverkauft. Allerdings bekommt Dave 50-mal mehr für sein veredeltes Produkt, Kokain. Natürlich hat auch Dave Kosten für Anbau, Transport, Bestechungsgelder und Radargeräte zur Umgehung der Küstenwache. Nach Aufrechnung von Kosten und Gewinn verdient Dave mit jeder angelieferten Fracht etwa 100-mal mehr als Sam.

Um ein Gefühl für die Implikationen der Gewinnunterschiede zu bekommen, muß man sich eigentlich nur die folgenden Fragen mit gesundem Menschenverstand beantworten:

Wer ist besser im Geschäft? Sam oder Dave?

Wer ist bei den lokalen Banken beliebter? Sam oder Dave?

Wer spendet mehr für Politiker und Wohlfahrt? Sam oder Dave?

Wer kann sich die besseren Anwälte leisten? Sam oder Dave?

Wer könnte irgendwann die Firma des Anderen kaufen? Sam oder Dave?

Wer könnte bei der Übernahme mit Unterstützung von Bankern und Politikern rechnen? Sam oder Dave?

Wer bezahlt wohl eher die Gehälter der Experten- oder der Medienschaffenden? Sam oder Dave?

Welches Geschäft wird, wenn solche Entwicklungen über einen längeren Zeitraum von Jahrzehnten mit Wirkung von Zins und Zinseszins erfolgen, mehr gesellschaftlichen Einfluss gewinnen? Die Ökonomin Catherine Austin Fitts, die dieses Beispiel erdacht hat, ruft ausdrücklich dazu auf, zur Beantwortung dieser Fragen nicht auf Expertenmeinungen oder Medien zu hören, auch nicht auf sie (Fitts) solle man hören, sondern nur auf seine eigne Intutition (2).

Über die Motivation, die Staaten haben, Drogen zu verbieten, ließe sich ebenfalls eine Diskussion eröffnen, jedoch würde diese uns etwas zu weit vom eigentlichen Thema dieses Buches wegführen. Hier sei nur exemplarisch auf die Rolle, die Opium bei der kolonialen Unterwerfung Chinas durch die britische Krone bzw, die britische East India Company spielte hingewiesen. In Bengalen (Indien) wurde durch Sklavenarbeit großflächig Opium angebaut, welches von den Engländern nach China exportiert wurde um dort Chinesische Seide, Gewürze und Tee mit Opium zu bezahlen. Solange Opium nur ein Zahlungsmittel bzw. ein normales Tauschhandelsgut war, bewegten sich die Opiumpreise auf einem recht stabilen Niveau. Das Opium trieb viele Chinesen in die Drogenabhängigkeit und die Chinesen wollten sich vor dem kolonialen Opium schützen und deshalb erhoben sie Zölle. Schließlich verbot der Kaiser von China die Einfuhr von Opium und der chinesische Zoll vernichtete ankommende Opiumlieferungen. Daraufhin stiegen die Opiumimporte, die durch das kaiserlische Verbot besonders gewinnbringend waren an. Die Mohnpflanze selbst aber war nicht wertvoller geworden. Erst das Verbot hatte die Preise ansteigen lassen. Schließlich schickten die Briten Kanonenboote nach China um 1830 einen Krieg (Opiumkrieg) vom Zaun zu brechen. Nach mehreren Kriegsjahren gaben die Chinesen klein bei.

Nun könnte man hier einwenden, dass Drogenhandel per se nicht unmoralisch oder unethisch sein muss und dass auch Zucker inzwischen in viel zu hohen Mengen konsumiert wird und entsprechend gesundheitsbeeinträchtigend wirkt. Der Drogenhandel wurde nur durch die Tatsache, dass der Gesetzgeber Verbote gegen entsprechende bewustseinsverändernde Substanzen, aber nicht gegen (die Droge?) Zucker verhängt hat zu einem kriminellen Geschäft. Auch wären die Gewinmargen im Drogenhandel nicht so hoch, wenn er legal wäre. Aber stellen wir uns einfach vor, Dave wäre ein Waffenhändler, der durch seine Waffenlieferungen mörderische Kriege anfeuerte und dabei reich und mächtig wird.

Offenbar ist bei vollkommen entfesseltem Wettbewerb Skrupellosigkeit ein Wettbewerbsvorteil. Wenn sich also, wie in Idiocracy Menschen mit niedrigen Intelligenzmarkern deutlich stärker fortpflanzen als intelligente Menschen und sich im Wirtschaftsleben rücksichtsloses Verhalten durchsetzt, dann wird die Menschheit auf lange Sicht aus mehrheitlich sehr einfach strukturierten Menschen bestehen mit rücksichtlos-skrupellosen Wohlhabenden in den einflussreichen Oberschichten. Keine sonderlich erfreulichen Aussichten.

Die evolutionären Selektionsmechanismen des freien Marktes führen zu einer Effizienzsteigerung hinsichtlich der Kapitalakkumulation. Effiziente Prozesse implizieren einen optimalen „Return of Investment“ also möglichst hohe Gewinne bei möglichst niedrigem Aufwand. Lieferketten werden aufeinander abgestimmt, so dass ein Bauteil erst dann geliefert wird, wenn es verbaut wird, wodurch der Bedarf an Lagerraum, Lagerzeit und Lagerkosten möglichst gering wird („Just in time Kapitalismus“). Alles was unnötige Kosten verursacht wird wegoptimiert. Dies trifft auch für die Personalplanung zu. Eine Wirtschaft, die für Unternehmen selektiert, die möglichst wenig Aufwand betreiben, um Gewinne zu erzielen hat allerdings immer weniger Reserven. Im Gesundheitswesen kommt dieser Mangel an Reserven bei Epidemien mit erhöhtem Patientenaufkommen zum Vorschein. Durch Abbau von Überkapazitäten und das Zusammenlegen von Krankenhausstandorten haben private Krankenhauskonzerne den Betrieb von Krankenhäusern zu einem gewinnträchtigen Unterfangen gemacht. Im Normalbetrieb gewährleisten sie hiermit die Versorgung und streichen dabei Gewinne ein (im Gegensatz zu den öffentlichen Krankenhäusern, die nach Versorgungskriterien geplant, gebaut und betrieben wurden). Wenn sich durch eine Epidemie der Bedarf and Krankenhauskapazitäten plötzlich erhöht, zeigt sich der Nachteil eines Effizienzoptimierten Gesundheitssystems: Kaum Reserven, da diese im Normalbetrieb ineffizient sind und nur Kosten verursachen. Allerdings sollte man denken, dass die Kostzeneffizienz aus Sicht der Krankenhausbetreiber auch im Epidemiegeschehen erhalten bleibt, ja gar noch etwas optimiert wird, da nun endlich die betriebswirtschaftlich wünschenswerte Maximalnutzung der Beatmungskapazitäten eintritt. Ironischerweise führte aber das Bereitstellen von Intensivkapazitäten in Erwartung der Pandemiewelle in vielen Ländern zur Reduzierung der Normalversorgung auf das Nötigste und führte zu entsprechenden Verlusten durch Bettenleerstand, sowie Kollateralmorbidität, z.B. aufgrund verschobener medizinischer Eingriffe. Durch die im Rahmen der Covid-19 Pandemie weltweit verhängten Ausgangssperren und Freiheitsbeschränkungen haben mittelständische Unternehmen und Kleinbetriebe, die als Rückgrat einer gesunden, der Gesellschaft dienenden Ökonomie gelten, besonders große Einbußen in Kauf nehmen müssen, während internationale Großkonzerne und Monopolisten weiter an Marktmacht gewonnen haben. Zudem gibt es immer weniger wirtschaftliche und gesellschaftliche Transaktionen, die jenseits digitaler Schnittstellen stattfinden. Bei bargeldlosen Zahlungsvorgängen besteht eine Schnittstelle zwischen der zwischenmenschlichen und der digitalen Sphäre. Durch Lieferdienste rückt auch bei der Warenübergabe, bzw. Annahme die digitale Sphäre zwischen die in Handelsinteraktion tretenden Menschen. Dennoch besteht bei solchen Prozessen noch eine klare Trennung zwischen Menschen und Maschine. Auch die Bedenken hinsichtlich der durch die Schnittstellen zur digitalen Sphäre entstehenden Datenspuren, beziehen sich (noch) auf die Instrumentalisierung durch Menschen, bzw. Netzwerke von Menschen. Solange der Macht- und Machtmißbrauchszweck durch Menschen über Menschen erfolgt werden die Maschinen Mittel zum Zweck bleiben. Ein Paradigmenwechsel besteht, wenn Maschinen aus eigenem Antrieb eigene Zwecke entwickeln und verfolgen.

Evolution, Eugenik und Transhumanismus

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