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Und sie bewegt sich doch!

Replik von Thomas Schüller auf Markus Graulich SDB

Sachkundig und nachvollziehbar formuliert Markus Graulich die kirchenrechtlichen Anfragen an den Synodalen Weg. Insbesondere bemängelt er zutreffend die mangelnde Rechtsverbindlichkeit der Beratungsergebnisse, die das ganze Unternehmen mit meinen Worten als rechtliches Aliud erscheinen lassen. Von daher können in der Tat Enttäuschungen vorprogrammiert sein. Unterkomplex ist aber, wenn er in einem Atemzug die mögliche Enttäuschung mit der vertanen Chance auf Erneuerung des Glaubens kontrastiert. Damit bedient er ein Narrativ, dass bei Beratungen im Volk Gottes nichts zur Evangelisierung und Verlebendigung des Glaubens beigetragen werden könne. Den Beweis für diese Wahrnehmung bleiben viele schuldig und diskreditieren diejenigen, die tief verwurzelt im Glauben der katholischen Kirche auf dem Synodalen Weg nach dem suchen, was Gott der Kirche heute sagen will.

Bei einzelnen Aspekten seiner Darlegungen stellen sich für mich weitere Fragen. Sicher ist es richtig, synodale Beratungen nicht mit demokratischen Entscheidungsprozessen in Parlamenten eins zu eins gleich zu setzen. Dennoch spricht weder theologisch noch kirchenrechtlich in einer demokratisch organisierten Weltgemeinschaft von Staaten, unter deren Bürger als demokratisch sozialisierte Menschen auch Katholiken sind, nichts dagegen, demokratisch bewährte Diskussions- und Entscheidungsverfahren in kirchlich-synodale Beratungsprozesse zu implementieren. Dass diese Prozesse zutiefst immer einen geistlichen Charakter tragen müssen, steht außer Frage.

Die Bischöfe und ihr Kollegium stehen für Apostolizität und Katholizität. Aber nicht alleine: nur mit dem Volk Gottes, das als Ganzes nicht irren kann, kommt ihnen diese Aufgabe zu. Sicher sind sie es, die am Ende die möglichst konsensual ermittelten Beratungsergebnisse in Kraft setzen, aber ihnen kommt qua Amt und Weihe keine höhere Erkenntnisfähigkeit in dem, was der Glaube uns heute sagen will, zu als allen anderen getauften und gefirmten Gläubigen.

Beim Hinweis auf die rechtlichen Vorgaben für ein Plenarkonzil hätte ich mir gewünscht, dass Graulich auf den im Oktober 2020 startenden Prozess eines Plenarkonzils in Australien hingewiesen hätte. Im Vorfeld erbaten die australischen Bischöfe die entsprechenden Dispensen wie dereinst die deutschen Bischöfe bei der Würzburger Synode in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts hinsichtlich der Abstimmungskompetenz der Laien, die auf dieser Synode mitentscheiden sollen. Und der Päpstliche Rat für Gesetzestexte hat diesen Dispensgesuchen hinsichtlich der Statuten in diesem und anderen Punkten zugestimmt. Dies zeigt doch nachdrücklich, dass auch römische Behörden die Zeichen der Zeit erfreulich genug erkannt haben. Kennzeichen eines tauglichen Kirchenrechts ist doch schon immer seine Adaptionsfähigkeit an gewandelte Sozialgestalten von Kirche und Welt und deren Bedarfe. Dabei können Antworten und Lösungen im synodalen Miteinander an verschiedenen Orten der Weltkirche unterschiedlich ausfallen. Kirchenrechtlich ist Diversität und Polyphonie ausdrücklich möglich und auch päpstlich erwünscht. Der geistliche Schatz der Kirche und abgeleitet auch seine kirchenrechtliche Gestalt ist nicht uniform, sondern vielstimmig. Ein Blick in den Codex der unierten Ostkirchen ist ein Lehrbeispiel hierfür.

Der geistliche Schatz der Kirche und abgeleitet auch seine kirchenrechtliche Gestalt ist nicht uniform, sondern vielstimmig.

Man wird allerdings der Fairness halber sagen müssen, dass vor allem den für den Synodalen Weg maßgeblich Verantwortlichen in der Deutschen Bischofskonferenz und des ZdK diese Möglichkeiten nicht unbekannt waren und sie auch entsprechende kirchenrechtliche Alternativen zu ihrer jetzt verabschiedeten Satzung vorliegen hatten. An guten Ratschlägen und Hilfestellungen, auch aus Rom hat es nicht gefehlt. Sie haben sich trotzdem für einen deutschen Sonderweg entschieden, der auf kirchenrechtlich neuen Beinen steht. Dahinter verbergen sich offenkundige Verwerfungen in der deutschen Bischofskonferenz, die zu diesen kirchenrechtlich kompromisshaften Lösungen geführt haben. Und die Sorge, bei der römischen Rekogniszierung der Beschlüsse eines ordentlichen Plenarkonzils könnte es zu Problemen kommen, zeugt doch eher von einem strukturellen Misstrauen der römischen Zentrale gegenüber, das nicht minder furchtsam und unterkomplex wirkt. Wer in synodaler Beratung aus dem Geist des Evangeliums mit entsprechend großen Mehrheiten, die nahe an die Einmütigkeit reichen, die nicht mit Einstimmigkeit zu verwechseln ist, zu glaubensstarken Beschlüssen kommt, die überzeugen, braucht keine Angst vor einer römischen Überprüfung zu haben.

Vielleicht zeigt sich an diesem Punkt wie auch im fragil-zerstrittenen Zustand der deutschen Bischofskonferenz und des deutschen Katholizismus, wie sehr ein tief verankertes wechselseitiges Misstrauen untereinander, aber auch gegenüber Rom wirklichen geistlichen Fortschritt und ein Ankommen in den Problemlagen der Zeit, die Gott seiner Kirche zur Lösung aufgibt, verhindert. Der Kirchenrechtler fürchtet keine sachlich-kontroverse Diskussion in entsprechenden synodalen Verfahren. Wohl aber macht ihm als Theologe und einfacher Gläubiger seiner Kirche Sorge, dass augenscheinlich weniger das Evangelium als die Bewahrung von eigenen Interessen und Machtansprüchen manchen Entscheidungsträger mehr bewegt und sein Handeln prägt. Der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hingegen, der Limburger Bischof Georg Bätzing, traut dieser Frohen Botschaft und der Geistbegabung seiner Gläubigen in den synodalen Gremien seines Bistums viel zu, denn er wird sich zukünftig gemäß can. 127 CIC an deren Rat halten in Übereinstimmung mit der Lehre und dem Recht der Kirche. Sie bewegt sich also doch – unsere Kirche. Gut so!

Lebendige Seelsorge 2/2020

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