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Männer-Freundschaften und die Frage nach ihren gesellschaftlichen Implikationen

Replik von Stephanie Klein auf Markus Hofer

Ich hatte Freude, als ich den Artikel von Markus Hofer gelesen habe. Seine wohlwollenden und zugleich kritischen Analysen der Männer-Freundschaften in einer eindrücklichen und bildreichen Sprache konnte ich gut nachvollziehen. Er führt in Erfahrungen einer Männerwelt ein, die ich nur von außen kenne, der ich aber doch auf Schritt und Tritt begegne. Gerade für die Pastoral und die kirchliche Männerarbeit sind seine Analysen und Differenzierungen sehr hilfreich.

Der Artikel regt zum Nachdenken und Weiterdenken an. In dieser Replik möchte ich der Frage nachgehen, welche Implikationen die beschriebenen Männer-Freundschaften für Frauen und die Gesellschaft haben. Doch zunächst möchte ich bei den gemeinsamen Elementen von guten Freundschaften zwischen Männern und zwischen Frauen ansetzen, die in den beiden Artikeln deutlich geworden sind.

Hofer beschreibt eine echte Freundschaft zwischen Männern als Nähe, Vertrautheit und Verlässlichkeit. Sie ist eine Beziehung, in der sich niemand verstellen muss, um die man nicht buhlen muss. Sie ist keine funktionale oder interessenbezogene Beziehung, sondern setzt die Entscheidung voraus, eine tiefere Verbindung zu einem anderen Mann einzugehen. Ein Freund ist jemand, „der alles von dir weiß und dich trotzdem liebt“, vor dem man seine Schwächen nicht verbergen muss und der einen trotzdem akzeptiert. Freunde können sich ohne Angst vor Blamage einander öffnen, die Übereinstimmung zwischen den Freunden kann sich aber auch im gemeinsamen Schweigen ausdrücken.

Diese Aspekte können auch in der Freundschaft zwischen Frauen gefunden werden. Es gibt also Gemeinsamkeiten, aber es gibt auch Unterschiede zwischen Männer-Freundschaften und Frauen-Freundschaften, die in unterschiedlichen geschlechterspezifischen Kulturen liegen. Das Problem dabei sind nicht die Unterschiede an sich, sondern die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, in denen sie wirken, bzw. die sie bewirken. Freundschaften sind eine sehr persönliche Angelegenheit, aber sie haben auch gesellschaftliche Implikationen, über die Hofers Text wenig sagt, durch die aber Machtverhältnisse zementiert werden. Welche gesellschaftliche Funktionen können Männer-Freundschaften haben, und wie gehen Frauen damit um?

Hofer spricht zunächst im weiteren Sinn von freundschaftlichen Männerbeziehungen, von Kumpeln, Kollegen und Kameraden. Hier gibt es ein unkompliziertes Zusammensein unter Männern. Sie sind letztlich funktional ausgerichtet und mit der Pflege gemeinsamer Interessen verbunden, wie Hofer schreibt. Er rechnet sie nicht zu den tiefen Freundschaften, aber sie sind doch auch der Boden und das Umfeld von echten Freundschaften zwischen Männern. Worin liegt die Funktion dieser Beziehungen? Der kumpelhafte Habitus bietet Männern einen raschen Zugang zueinander und ermöglicht ein unkompliziertes, einträchtiges Zusammensein. Über die private Gemütlichkeit hinaus öffnet er aber auch im politischen Bereich Türen zueinander und ist der Boden für Allianzen, politische Netzwerke und Seilschaften unter Männern. In alten Begriffen wie Bruderschaften und Männerbünde, Patronage, Nepotismus oder Vetternwirtschaft klingt die strukturelle Verbindung zwischen Männern und der Durchsetzung ihrer gemeinsamen Interessen an.

Den kumpelhaften Habitus entwickeln Männer spielerisch bereits als kleine Jungen miteinander. Als Attitüden solcher Milieus beschreibt Hofer, dass Männer „im Rudel“ auch gerne mal „die Sau rauslassen“. Dazu gehören Wettkämpfe und das Kräftemessen, bei dem Rangordnungen spielerisch festgelegt werden, ebenso wie die Blödeleien. Dies kann entlastend und befreiend sein, und es muss Orte dafür geben. Männer üben sich bereits als Kinder in solche Männerkulturen ein und schaffen damit geschlechterhomogene Verbundenheit. Frauen kennen sich in diesen eingespielten und von ungeschriebenen und stillschweigenden Regeln bestimmten „Spielen“ nicht aus und sind darin nicht geübt. Wo sie in wirtschaftlichen und politischen Bereichen zum Einsatz kommen, werden Frauen vielfach verunsichert oder sie ziehen sich zurück. Das Kräftemessen macht ihnen eben auch nicht immer so viel Spaß wie Männern. Aber das ist nicht nur ein persönliches Problem. Das Kräftemessen hat sich im Prinzip des Wettbewerbs in unser Wirtschaftssystem eingeschrieben, es erfährt dort eine kaum noch widersprochene Akzeptanz und wirkt normierend. Aber was ist mit den Verlierern und den Außenseitern? Welche Werte werden hier gekürt? Was ist mit Werten wie Empathie und Solidarität und ihrer gesellschaftlichen Verankerung? Und geht es nicht auch anders?

Blödeleien unter Männern sind keineswegs immer lustig und haben nicht selten sexistische Unterströmungen, die das männliche Selbstvertrauen und die Verbundenheit unter Männern durch die abwertende Abgrenzung von Frauen stärken. In der Öffentlichkeit ist eine Zeitlang die Sensibilität für die Missachtung gewachsen, und solche Attitüden wurden unkorrekt zurückgewiesen, allerdings ist seit einiger Zeit zugleich auch ein Backlash zu beobachten. Flapsige sexistische Sprüche werden wieder gezielt in der Öffentlichkeit eingesetzt, um Aufmerksamkeit und Beifall zu erheischen oder bestimmte männliche Milieus und Anhängerschaften zu mobilisieren.

Frauen reagieren unterschiedlich auf die gesellschaftliche Wirksamkeit von männlichen Freundschaftsmilieus. Die (zumindest partielle) Möglichkeit, sich von diesen Mustern abzuwenden, sich ihrer Reproduktion und Verinnerlichung zu entziehen und in der Beziehung von Frauen zueinander nach anderen und neuen Mustern zu suchen und eine neue Politik zu entwerfen, habe ich in meinem Beitrag kurz angesprochen. Eine andere Möglichkeit ist es, sich durch Einpassung in die ihnen zugeschriebenen Rollen einen gewissen Zugang zu männlich bestimmten Hierarchien zu sichern. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, analoge Strukturen, Muster und Attitüden zu entwickeln. Auch Frauen wollen sich dann zum Beispiel in Wettkämpfen messen oder mal „die Sau rauslassen“, und so stehen die Junggesellinnenabschiede oder Hen Nights heute den Junggesellenabschieden in Alkoholkonsum und wachsendem Sexismus kaum noch nach. Viele Frauen partizipieren an männlichen Allianzen oder bilden eigene Netzwerke, um ihre politische Durchsetzungskraft zu erhöhen. Insgesamt haben Frauen in den letzten 120 Jahren wachsende Gleichheit und rechtlich abgesicherte Gleichberechtigung erreicht, und in den letzten Jahren hat auch die Anzahl der Frauen in den Parlamenten, in Entscheidungsfunktionen der Wirtschaft und in der Wissenschaft etwas zugenommen. Dies verändert die Gesellschaft, reproduziert aber teilweise auch die bestehenden, von männlichen Hierarchien bestimmten Kulturen, Werte und Ordnungen. Eine wichtige Frage, auf die hier aber nicht einmal ansatzweise eingegangen werden kann, ist die Frage nach der religiösen, kirchlichen und gesellschaftlichen Funktion von Männer-Freundschaften und Männerbeziehungen in der Kirche und ihre Auswirkungen auf die Frauen.

Männer-Freundschaften haben eine gesellschaftliche Dimension, die noch viele Fragen aufwirft. Abschließend möchte ich ein Beispiel anführen, wie Männer-Freundschaften in einer positiven Weise politisch relevant werden und zu einer versöhnten Gesellschaft beitragen können. In seinem dokumentarischen Roman Apeirogon erzählt der irische Autor Colum McCann von der Freundschaft des Israeli Rami Elhanan und des Palästinensers Bassam Arami. Beide Männer haben ihre Tochter verloren: Smadar starb mit dreizehn Jahren bei einem palästinensischen Selbstmordanschlag; Abir wurde mit zehn Jahren von einem israelischen Grenzsoldaten erschossen. Statt ihrem Impuls der Wut und Rache zu folgen, verwandeln Elhanan und Arami ihre Freundschaft zu einem gemeinsamen Einsatz für die Versöhnung zwischen den verfeindeten Konfliktparteien.

Lebendige Seelsorge 5/2020

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