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Max und sein Frack

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So sehr es meiner natürlichen Bescheidenheit zuwider ist, muss ich mit einer protzigen Behauptung beginnen, nämlich: Einer meiner Freunde, namens Max, hatte einen Frack. Nun ist zwar statistisch einwandfrei erwiesen, dass der Student nicht einmal ein Mittagessen nötig hat. Aber gar einen Frack? Soll er dies elegante Kleidungsstück dadurch beleidigen, dass er es anlegt? – Nein, ein Frack, den man hat, ist entbehrlicher als ein deutsches Beefsteak, das man nicht hat. Und so ging dieser Frack meinem Freunde Max so lange im Kopfe herum, bis er eine Idee hatte. Der Weg von dieser Idee zu ihrer Verwirklichung führte über, oder besser in das Leihhaus. Fracklos, wie Max nun dastand, kehrte er der feinen Welt den Rücken und, mit 3000 Mark begütert, wandte er sich dem bürgerlichen Mittagstisch zu. Das Geld reichte von Anfang November bis Mitte Januar, tatsächlich.

Vorgestern erzählte er mir, er brauche für die Dauer von 4 Stunden 3500 Mark, um den Frack einzulösen. Schließlich borgte ihm auch unser Institutsdiener das erwünschte Geld. Max war von seiner Kredittüchtigkeit überrascht und versprach, mir 1000 Mark zu borgen (wir nennen das immer »borgen«), wenn ich vor dem Leihhaus warten wolle.

Ich wartete vor dem Leihhaus auf Max. Elastischen Schrittes kam er endlich zurück und trug seinen Frack, sorgfältig gefaltet, über dem linken Unterarm. »So«, sagte er, »erledigt! 3000 Mark Einsatz und 500 Mark Gebühren. Das Geld ist alle. – Und nun – nimmst Du den Frack und trägst ihn wieder hinauf.«

Nachdem ich aus einer tiefen Ohnmacht wieder zu mir gekommen war, trug ich den Frack hinauf und erhielt (noch zittern mir die Knie) – 15000 M.

Max wartete unten. Wortlos reichte ich ihm das Bündel Geld. Er zählte nach und rechnete vor: »3500 M. dem Institutsdiener, 1000 M. Dir; da bleiben 11500 M., ja. Damit reiche ich wieder drei Monate. Und dann pumpen wir wieder jemanden für 4 Stunden an. Aber dann holst Du den Frack herunter und ich schaffe ihn hinauf.«

Mir traten Tränen der Bewunderung in die Augen; ich sank vor ihm in die Knie und stammelte nur: »Maximilian, Du bist ein Genie.« Er hob mich gerührt auf. Und dann tranken wir je eine Tasse Milchkaffee; kostete 500 Mark; bleiben noch – 11000 Mark. Jawohl.

Freundschaft auf den ersten Blick

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